Der Herr der Ringe: Das dritte Zeitalter - Test, Rollenspiel, XBox, PlayStation2, GameCube

Der Herr der Ringe: Das dritte Zeitalter
21.11.2004, Mathias Oertel

Test: Der Herr der Ringe: Das dritte Zeitalter

Bislang hat EA die Herr der Ringe-Lizenz auf Konsolen nur für reinrassige Action-Unterhaltung genutzt. Doch mit HdR Das dritte Zeitalter seid ihr eingeladen, in einem lupenreinen Rollenspiel durch Mittelerde zu ziehen und mitzuerleben, wie sechs Helden parallel zu den Gefährten den Kampf gegen Saurons Horden aufnehmen. Sollte Electronic Arts hier der große Wurf gelingen?

Entgegen aller Erwartung ist man in HdR Das dritte Zeitalter nicht mit den aus Büchern und Filmen bekannten Gefährten unterwegs. Von Zeit zu Zeit kreuzen sich zwar die Wege und Gandalf steht euch als geistiger Begleiter und innere Stimme zur Seite, doch die Story konzentriert sich auf insgesamt sechs neue Figuren, die nach und nach zur eurer Gruppe stoßen und die alle ein eigenes Motiv haben, um in den Kampf um Mittelerde einzugreifen.

Die etwas anderen Gefährten

Die Menüführung bleibt von Anfang bis Ende staubtrocken. (Xbox)
Allerdings hat sich EA zu sehr auf den Zugfaktor der Lizenz und die Bekanntheit der "normalen" Geschichte festgelegt. Denn die Atmosphäre, die in Ansätzen aufgebaut wird, ergibt sich hauptsächlich durch die Werke von Tolkien bzw. die Einflechtung der Filme von Peter Jackson.

Das liegt größtenteils daran, dass ihr deren Hintergründe nicht etwa durch Gespräche der Figuren untereinander erfahrt, sondern durch die aus den Filmen stammenden Versatzstücke, die von Gandalf mit neuem Text versehen wurden, um die Story fortzuführen.

Die Charaktere an sich, egal ob die Elbin Idrial, der Gondorianer Berethor, der Zwerg Hadhod, der Rohan-Gardist Eaoden, der Waldläufer Elegost oder die Penmark-Kriegerin Morwen, bleiben erstaunlich blass.

An den teilweise Atem beraubenden Effekten hat man sich schnell satt gesehen. (PS2) 
Und nicht zuletzt wird durch die gelegentlichen Überschneidungen mit den Filmen die Atmosphäre wieder angehoben. So etwa, wenn ihr in den Minen Morias unterwegs seid, und ihr in einem Untergeschoss dem Skelett ausweichen müsst, das Pippin unachtsam einen Schacht hinunter fallen ließ.

Von Zeit zu Zeit werden zwar Szenen in Spielgrafik gezeigt, die einen kleinen Einblick in das Innenleben der Figuren preis geben, doch eine Interaktion wie z.B. in Knights of the Old Republic wartet, wird nicht präsentiert.

HdR-Fans wird dies aber vermutlich nicht sonderlich stören, denn trotz aller Schwächen schafft es EA, die bekannte Geschichte um einige neue und interessante Facetten zu erweitern.

Denn hier wie da seid ihr mit eurer Gruppe auf festen Pfaden unterwegs und müsst euch in rundenbasierten Kämpfen mit den zahlreichen Feinden in Mittelerde auseinandersetzen, die natürlich zu einem Großteil den Grundtypen der Filme entsprechen: Wargs, Orks, Uruk-Hai, Höhlentrolle und nicht zu vergessen Nazguls und der Balrog gehören zum Gegner-Repertoire.

Japan-Rollenspiel light

Alle, die bereits Spiele wie z.B. Final Fantasy X gespielt haben, dürften sich schnell zu Hause fühlen – auch wenn Das dritte Zeitalter noch stärker auf Old-School-RPG setzt.

Da die Kämpfe einen Großteil der Spielzeit ausmachen und ihr die übrige Zeit meist nur damit beschäftigt seid, ja auch alle in den abwechslungsreichen Abschnitten verstreuten Kisten zu finden, hat man sich bemüht, ein System zu finden, das sowohl Einsteiger als auch Fortgeschrittene gleichermaßen anspricht.

   

Das dritte Zeitalter ist eine Aneinanderreihung von Kämpfen, bei dem die Geschichte der sechs neuen Figuren zu kurz kommt. (GameCube)
Denn schon bald (und das unabhängig vom Schwierigkeitsgrad) sind eure Recken leicht überpowert, da ein Levelaufstieg unheimlich schnell geht. Zwar werden die Gesundheitspunkte eurer Gegner im Lauf euren Fähigkeiten angepasst, doch wirklich gefordert seid ihr nur selten und dies meist bei den interessanten Bosskämpfen. Die Gegenstände wie z.B. Heiltränke, die ihr im Laufe der Zeit in den Kisten findet, braucht ihr nur selten.

Und das ist auch weitestgehend gelungen: Angereichert mit optisch opulenten Spezialfähigkeiten kommt bei den kriegerischen Auseinandersetzungen nicht nur schnell Filmstimmung auf, sondern auch taktisches Kalkül – zumindest anfangs.

Dass sich EA auf die Kämpfe festgelegt hat, zeigt sich auch noch an einem anderen Punkt: Es gibt keinerlei Läden, in denen ihr Ausrüstung und Items kaufen oder verkaufen könnt. Stattdessen seid ihr auf das Gameplay-Design angewiesen, das sich allerdings in diesem Bereich als sehr fair zeigt und euch haufenweise Schatztruhen in den Weg stellt, die neue Ausrüstungsgegenstände bereit halten.

Action im Vordergrund

Die Charakterentwicklung, die mit jedem Levelaufstieg einhergeht, wurde auf die üblichen Werte wie z.B. Stärke, Geschicklichkeit usw. reduziert, so dass ihr hier nicht übermäßig beansprucht werdet. Das Erlernen neuer Fähigkeiten hingegen verläuft weitestgehend automatisch durch den erfolgreichen Einsatz von Magie oder besonderen Angriffstechniken im Kampf. Zwar könnt ihr festlegen, welche Fähigkeit als nächstes erlernt werden soll, doch dann geht es nur noch darum, in den Auseinandersetzungen das Glück zu haben, dass z.B. der Schmetterschlag oder der Doppelpfeil sein Ziel trifft und den Zähler nach oben drückt.

So eindrucksvoll die Kämpfe inszeniert wurden, so leblos sind die Umgebungen während der Level-Erforschung. (Xbox)
Positiv an dieser Vorgehensweise ist wieder einmal das Gameplay-Design hervorzuheben, das euch immer rechtzeitig im Vorfeld bestimmter Auseinandersetzungen mit neuen Fähigkeiten versorgt – auch wenn es bei einigen besonders machtvollen Zaubern und Angriffen recht lange dauern kann.

Wer Lust hat, kann nach Abschluss eines Kapitels die wesentlichen Auseinandersetzungen auch von der dunklen Seite aus nachspielen. Wer diese Mini-Herausforderungen erfolgreich meistert (was im Normalfall kein Problem sein sollte), bekommt als Belohnung einige sinnvolle Ausrüstungsgegenstände, die sofort in der Kampagne eingesetzt werden können.

Andererseits hat man aber nie das Gefühl, seine Figur nach eigener Vorstellung anpassen zu können wie z.B. bei Morrowind, da man letzten Endes weitestgehend das gesamte Spiel über den Vorstellungen der Entwickler folgt.

Runde zu zweit?

Als besonderes Feature könnt ihr auch kooperativ an das Abenteuer heran gehen. Doch die Zweifel bezüglich des Nutzens in einem rundenbasierten Spiel haben sich schnell bestätigt. Denn ob ihr solo mit Zuschauer spielt, der euch Tipps gibt oder gemeinsam mit einem Freund die Horden Saurons besiegen wollt, macht letzten Endes keinen Unterschied. Wir haben zumindest keinen sinnvollen Grund gefunden, mit zwei Pads zu spielen, wenn man sich sowieso die ganze Zeit "wertvolle" Tipps und Hinweise zuschaufelt, wie man jetzt am besten an die Situation heran gehen sollte. Und auf das typische "Geh doch mal zurück, da war glaube ich noch eine Kiste!" kann man auch getrost verzichten.

   

Wie im Punkt Spielmechanik zeigt sich Das dritte Zeitalter auch von der technischen Seite als unausgegoren. Zweifellos gelungen ist das Figurendesign, das nicht nur mit den schönen Kampfanimationen, sondern auch mit den optischen Veränderungen neuer Ausrüstung punkten kann. Auch die allseits aus den Filmen bekannten Umgebungen wurden stimmig in Szene gesetzt; gleiches gilt für die Zaubereffekte, die teilweise Atem beraubend sind.

Sterile Filmatmosphäre

Allerdings hat EA z.B. bei den Umgebungen vergessen, etwas Leben einzuhauchen: Von Zeit zu Zeit ist zwar mal so etwas wie Rauch oder aufwirbelnder Staub zu sehen, doch abgesehen davon bleiben die Areale erschreckend steril. Und so schön die Zaubereffekte auch sind, so schnell hat man sich an ihnen satt gesehen, da es im Endeffekt nicht gerade eine üppige Auswahl (vor allem auf Seiten der Gegner) gibt.

Überschneidungen mit Schauplätzen und Gegnern der Filme sorgen für Atmosphäre. (PS2)
Und die Laufbewegungen im Erforschungsmodus erreichen nicht die Qualität der Kampfanimationen und überschreiten bald eine erträgliche Grenze.

Die Versionsunterschiede sind minimal und beziehen sich nur auf die Länge der Wartezeiten beim Laden, die aber allesamt auf einem erträglichen Niveau liegen sowie die Stärke der Slowdowns, die sowohl auf Xbox als auch auf PS2 und GameCube immer wieder auftreten können.

Und so ganz und gar nicht überzeugen will die sehr trockene Menü-Präsentation, die dem Ausstattungspomp der Filme ganz und gar nicht gerecht wird.

Akustisch besonders eindrucksvoll – wenn auch nicht überraschend – ist die Musikuntermalung, die aus den bekannten Film-Themen zusammen gesetzt wurde. Auch die Kampfgeräusche können sich hören lassen, nutzen sich aber so schnell ab wie die grafischen Effekte.

Dass bei einem Titel, der sowohl grafisch als auch spielerisch nicht alle sich anbietenden Möglichkeiten nutzt, die Akustik das Highlight darstellt, ist dann schon fast zwangsläufig.

Denn selbst wenn es auch die Sprecher nicht schaffen, den Figuren aus ihrer Charakter einzuhauchen, erfüllen sie die Kämpfer Mittelerdes mit Leben.

Als besonderes und für die Atmosphäre nicht zu unterschätzendes Highlight wurde immerhin die deutsche Stimme von Gandalf verpflichtet, was bei den auf die Story zugeschnittenen Filmschnippseln für einen deutlichen Atmosphäre-Bonus sorgt.

  

Fazit

Die HdR-Lizenz als Rollenspiel im Final Fantasy-Stil zu verwerten, ist lobenswert. Aber die Ausführung bleibt einiges schuldig: Dass es keine Läden gibt und ihr dementsprechend die Ausrüstung in den Kämpfen oder zahlreich verteilten Kisten findet, kann man ja noch verschmerzen. Doch dass sich die Umgebungen dermaßen steril präsentieren, nagt an der Atmosphäre. Genau so wie die mangelnde Interaktionen zwischen den Charakteren, die insgesamt blass bleiben. Das rundenbasierte Kampfsystem alter Schule mit seinen teilweise spektakulären Effekten hingegen ist gelungen, wird aber zu sehr in den Mittelpunkt gerückt: Im Prinzip hangelt man sich die ganze Spielzeit über nur von Kampf zu Kampf, kassiert Belohnungen und schaltet eine der über 100 Sequenzen aus den Filmen frei, die erzählerisch auf die sechs Recken des dritten Zeitalters abgestimmt wurden. Da die Optik der Filme trotz der Bewegungsarmut gut eingefangen wurde und sowohl Charaktere als auch Gegner richtig gut aussehen sowie dank der Musikweitere Filmatmosphäre aufkommt, dürften Herr der Ringe-Fans trotz aller Mankos Spaß an dem kampflastigen RPG haben, das die bekannte Geschichte aus einem neuen Blickwinkel zeigt. Wer hingegen ein erzählerisches Epos erwartet, wird eher enttäuscht werden, da es diverse Alternativen gibt, die in diesem Bereich mehr zu bieten haben.

Pro

  • schöne Soundkulisse
  • schöne Grafik
  • Kulissen aus den Filmen
  • nette Sprachausgabe
  • Ausrüstung optisch sichtbar
  • übersichtliche Charakter-Entwicklung
  • runden-basierte Kämpfe alter Schule
  • feine Effekte
  • stimmungsvolle Musik
  • gelungene Einbindung in die Filmgeschichte
  • Schatten-Modus als nette Beigabe
  • Charaktere jederzeit im Kampf austauschbar
  • Passable Spieldauer (ca. 25 bis 35 Stunden)

Kontra

  • keine Shops
  • sterile Umgebungen
  • kooperativer Modus sinnlos
  • Charaktere ohne Tiefgang
  • extrem kampflastig
  • lahme Menüpräsentation
  • leichte Slowdowns und Ruckler
  • magere Laufanimationen

Wertung

XBox

PlayStation2

GameCube

Spektakuläre Rundenkämpfe, denen allerdings die Deckung durch starke Charaktere fehlt.