Men of Valor - Test, Shooter, XBox, PC

Men of Valor
26.11.2004, Paul Kautz

Test: Men of Valor

Vietnamkrieg, die nächste: Was kann Men of Valor, was die anderen Shooter nicht können?

Der Vietnam-Krieg ist tatsächlich der neueste Spieldesign-Trandschauplatz – wer es nach Vietcong, Battlefield Vietnam, Conflict Vietnam & Co. immer noch nicht glauben mochte, bekommt mit Man of Valor ein zusätzliches Totschlag-Argument auf die Festplatte installiert. Ein weiteres grünes Gemetzel oder Licht am Ende des Dschungels? 4Players hat die Antwort parat!

Entwicklerteam 2015 revolutioniert vor einigen Jahren mit Medal of Honor: Allied Assault das Genre des WW2-Shooters, woraufhin eine Flutwelle an mehr oder weniger gelungenen Klonen über die PCs und Konsolen dieser Welt hereinbrach. Die Jahre gingen ins Land und den Entwicklern langsam die europäischen Szenarien aus – bis eines Tages ein cleverer Kopf darauf aufmerksam wurde, dass es auch noch andere Kriege gab, die man spielerisch ausschlachten konnte. Und zack: die Vietnam-Shooter fielen

Nachts sind alle Marines grau: Ihr ballert euch auch durch schummrig beleuchtete Missionen.
über uns her. Und damit wurde 2015 vom eigenen Trend überholt, denn Men of Valor (ab 2,15€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) kommt a.) ziemlich spät und trägt b.), soviel können wir jetzt bereits vorwegnehmen, nur wenig Neues zum Genre bei.

Briefe an Mutti

Viele Entwickler haben mittlerweile eingesehen, dass die Spieler nicht dauernd einen namenlosen Helden, sondern gerne eine Persönlichkeit spielen wollen, eine Figur, mit der sie sich unter Umständen sogar identifizieren können. Men of Valor schickt zu diesem Zwecke Dean Shepard in die grüne Hölle. Dean, ein Schwarzer, der sich freiwillig beim Militär meldete, entwickelt im Laufe des Games tatsächlich so etwas wie Profil. Denn zwischen den Missionen gibt es immer wieder Briefe an seine Eltern bzw. umgekehrt zu lesen, die sich wie ein roter Faden durch die zwölf Einsätze ziehen. Begleitet von vielen Echtzeit-Zwischensequenzen sowie schlecht digitalisiertem Original-Filmmaterial erfährt man einiges über Dean, seinen Bruder Jamie sowie die Art und Weise, wie der Krieg in der amerikanischen Heimat wahrgenommen wurde – denn Men of Valor zeigt nicht nur einseitig die Gräuel des Krieges, sondern auch die Gemeinheiten, die den Soldaten von der heimischen Presse angetan wurden. Makabres Randdetail: Geht ihr in einer Mission drauf, bekommen eure Spieleltern einen heftig auf die Tränendrüse drückenden Trauerbrief eures Kommandanten ins Haus – der interessanterweise stilistisch immer der Mission angepasst ist, bei der Dean ums Leben kam.

Vor dem Geballer gibt es auf Wunsch ein erschreckend unspektakuläres Training, danach bleibt der Krieg in Da Nang auch noch recht ruhig – einige scherzhaft geworfene Footbälle später schlagen plötzlich Raketen ein. Ehe ihr euch verseht, steckt ihr mitten im grünen Schlamassel, watet durch Flussbetten oder ballert euch durch Stadtruinen voller Vietcong, während ihr Dörfer »bereinigt«, Stellungen sichert oder auch mal einen Guerilla-Führer zur »Befragung« entführt.

Dead Marine walking

Ihr seid fast immer in einer bis zu fünfköpfigen Gruppe unterwegs, die jedoch nur ballerndes Begleitwerk ist, das ihr selbst nicht steuern könnt. Allerdings wärt ihr allein vermutlich besser dran, denn obwohl eure Kumpels aus irgendeinem Grund nie nachladen müssen, würden sie vermutlich nicht mal ihren eigenen Fuß treffen, geschweige denn einen Gegner – selbst wenn er direkt neben ihnen steht! Dankbarerweise gilt das auch für eure Widersacher: Vietcong und Nordvietnamesische Armee rennen meist wie verschreckte Hühner durch den Level, gerne mal im Laufschritt an euch vorbei, und sind eigentlich nur durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit sowie im Nahkampf gefährlich. Dann reicht auch schon ein guter Treffer, um euch ins Gras beißen zu lassen. Normalerweise kein Problem, aber 2015 hat notorischen Quicksavern einen 

Äh, hallo - ich bin hier! »KI« steht in Men of Valor oft für »Kein Interesse«
heftigen Riegel vorgeschoben: Nämlich gar kein freies Speichersystem. Ihr seid auf Gedeih und (meist) Verderb der automatischen Speicherung zwischen den Missionen sowie den sehr seltenen Savepunkten innerhalb einer Mission ausgeliefert – Letztere gelten übrigens auch nur für die aktuelle Spielsitzung; ruft unerwartet das echte Leben nach euch oder stürzt das Spiel ab, dürft ihr danach den Auftrag ganz von vorne beginnen.

Das hat zur Konsequenz, dass ihr wieder und wieder dieselben Szenen zu Gesicht bekommt – allerdings erst, nachdem ihr euch an zwei ewig ladenden Screens vorbeigeklickt habt, die euch nach jedem Ableben vorgesetzt werden. Die einzigen Möglichkeiten, dem vorschnellen Tod zu entgehen: Gegner möglichst aus der Entfernung ausschalten (was nicht immer funktioniert, da sie oft und unerwartet aus allen möglichen Richtungen herbeigezaubert werden) und stete Selbstheilung. Seid ihr dafür zu stark verwundet, lohnt es sich, die Jacken und Taschen gefallener Feinde zu durchwühlen. Neben Heilpäckchen gibt es auch Munition sowie gelegentlich neue Waffen zu ergattern, welche ihr gegen eure eigene tauschen könnt.              

Der hiesige Vietnam-Krieg wird aus der Unreal-Engine befeuert, was sich in erster Linie in niedrigen Systemanforderungen bemerkbar macht – kein Vergleich zu Hardwaremonstern wie z.B. MoH: Pacific Assault. Der Dschungel ist bemerkenswert dicht und reich bewaldet, Buschwerk wiegt sich sanft im Wind bzw. verbiegt sich, sobald jemand durchläuft. Dazu scheint die Sonne mild durch Blätter und Zweige, sofern es sich nicht um eine Nachtmission handelt, welche vom Mond und flackernden Fackeln illuminiert werden. Sehr schön animiertes Wasser, schöne Hitzeeffekte und vor allen die extrem fetzigen Explosionen mit allerlei durch die Gegend wirbelnden Trümmern verbuchen Pluspunkte auf der Grafikskala – welche allerdings gleich wieder das Weite suchen, sobald die ersten Figuren ins Spiel kommen: Zwar sind Freund und Feind auf den ersten Blick nett anzusehen, aber die roboterhaften Animationen wirken genauso peinlich wie anachronistisch. An Plastik erinnernde Gesichter, ein bemerkenswert hässlicher Font für Hauptmenü und Missionsziele sowie flimmernde Waffentexturen

Das schön animierte Wasser gehört zu den Grafikhighlights.
wirken unnötig billig. Schade auch, dass man die vielen Echtzeit-Zwischensequenzen nicht abbrechen kann – durch die Speicherproblematik bekommt man die öfter zu sehen als einem lieb ist. Immerhin sind die Ladezeiten annehmbar kurz, und außerdem mit schlauen Sprüchen ehemaliger US-Präsidenten und weiterer geschichtlicher Persönlichkeiten wie Ho Tschi Minh bzw. interessanten Fakten über den Vietnamkrieg verziert.

Wir sind die Roboter

Waffentechnisch bietet Men of Valor keine Überraschungen: Euch erwartet das übliche Sortiment von M14 MG über M79 Granatwerfer und Scharfschützengewehr bis hin zu fest montierten Geschützen am Boden oder an den Seiten eines Helikopters nichts aufregend Neues. Gelegentlich dürft ihr auch Bodenziele markieren, die Beine in die Hand nehmen und kurz darauf zusehen, wie die Artillerie ihren Zauber wirken lässt. Damit ihr nie eure Aufgabe aus den Augen verliert, ist das aktuelle Missionsziel gut sichtbar auf einem stets eingeblendeten Radar markiert; außerdem könnt ihr euch aufgrund der streng linearen Levels gar nicht verlaufen. Wie so oft wird diese Linearität mit erheblichen Logikfehlern wie undurchdringlichen Büschen oder unsichtbaren Mauern erkauft. Ich will z.B. auf einen Geschützturm steigen, von dem aus ich leichter mit dem unten wimmelnden Gegnern fertig werde. Darf ich aber nicht, da die Leiter nach oben von einem unüberwindlichen Stapel unverrückbarer und -zerstörbarer  Holzbretter blockiert ist – über den ich auch nicht drüberhüpfen kann, da wie bei Conflict Vietnam das Springen scheinbar nicht zur Ausbildung eines Marine gehört. Damit zählen leider auch kleinere Erdhaufen zu den nervenden Hindernissen.

Habt ihr die Nase voll vom Solo-Modus, lockt die Mehrspielervariante mit simpler, aber unkomplizierter Action für bis zu zwölf Spieler: Euch erwarten sechs Modi, von denen »Suchen und Zerstören« am meisten Spaß macht. Wie der Name schon verrät, hat hier ein Team die Aufgabe etwas zu zerstören (z.B. einen Radiotransmitter mit zuvor gefundenem Sprengstoff), während der Gegner natürlich alles daran setzt, das zu verhindern. Das Ganze funktioniert im LAN und Internet (via Gamespy) problem

Vom Helikopter aus nehmt ihr den Vietcong unter heftigen Beschuss.
los; schade nur, dass der Kooperativ-Modus der Xbox-Version ersatzlos gestrichen wurde – ein Trend, der schon bei ConflictVietnam unangenehm aufgefallen ist. Und da hier die dumpfbackige KI keine Rolle mehr spielt, sorgen Steuerungs-Eigenheiten für Ärger: Beispielsweise dürft ihr beim Zoomen nicht laufen, sondern euch nur leicht zu den Seiten neigen – und rennen ist leider auch nicht drin.

Schlacht-Dialoge

Akustisch sorgt Men of Valor zumindest in einer Hinsicht für eine angenehme Überraschung: Hier gibt es nicht das übliche Helden-Ramtamtam mit heroischem Trompetensolo, statt dessen umschmeicheln angenehm asiatisch angehauchte Klänge euer Ohr. Dazu ertönen gelegentlich die wohl unvermeidlichen 60er Hits von James Brown bis zu The Mamas & The Papas. In Sachen Sprachausgabe gibt es weder besonders Positives noch wirklich Negatives zu berichten, lediglich die gelegentlich sehr hohlen Dialoge hätte man sich schenken können – dafür sind die hitzige Wortgefechte zwischen Vietcong und den Marines in der Schlacht (»Fuck you, GI!« - »Na, wie schmeckt Dir das, Charlie?«) durchaus hörenswert. Die Soundeffekt schließlich tröpfeln etwas belanglos vor sich hin: Zwar klingen sie durchaus echt, aber es fehlt ihnen an Wumms, an Fülle – man höre sich einfach mal MoH: Pacific Assault an, um zu wissen, wie so etwas klingen muss!       

Fazit

Ich erschieße sechs Vietnamesen, schleiche mich langsam um die Büsche zu einer Geschützstellung, durchwühle auf dem Weg die Leichen der Gegner nach Heilpaketen, ballere fünf weitere Schießbudengestalten ab, renne meinen Kameraden hinterher, heile mich nochmals und nehme gerade einen penetranten MG-Rüttler ins Visier – als mich ein überraschend hinter mir aufpoppender Vietcong mit Blei füllt. Vielen Dank, dann eben noch mal von vorn, zum siebten Mal, bitteschön. Jawoll, so ein rigoroses Speicherverbot kann auch Nachteile haben! Wenn sich diese dann aber im dauernden Wiederholen bekannter Missionen manifestieren, äußere ich meinen Ärger mit dem Anschreien des Monitors und der Nähmaschinen-Akupunktur meiner 2015-Voodoopuppe! Men of Valor sieht ganz gut aus (auch wenn die Optik keinem Vergleich mit Pacific Assault standhält), die Personalisierungen mit Briefen und Cutscenes sind schön, die Missionen durchaus spannend – aber dank der blöden, jedoch zahlenmäßig heftig überlegenen Gegner, meiner phlegmatischen Kameraden und dem Nichtvorhandensein des Save-Systems wird das Ganze zu einer schnell nervenden Trial-and-Error-Suppe, durch die man sich mit viel gutem Willen durchbeißen muss. Die Voraussetzungen für ein sehr gutes Spiel wären vorhanden – es fehlt nur am Feinschliff. Und zwar an sehr vielen Ecken und Enden.

Pro

  • schnelle Optik
  • schöne Spezialeffekte
  • fette Explosionen
  • sehr guter Soundtrack
  • dichter Dschungel
  • gute Atmosphäre
  • schöne Geschichte
  • unkomplizierter Mehrspielermodus

Kontra

  • extrem linear
  • willkürliche Levelbegrenzungen
  • uninspiriertes Leveldesign
  • dumme KI
  • kein freies Speichern
  • klotzige Animationen
  • teilweise mäßige Sprachausgabe
  • dumpfe Dialoge
  • Restriktionen beim Zielen
  • viele unfaire Stellen
  • noch mehr Logik-Fehler
  • grob digitalisierte Filmschnipsel
  • gelegentliche Schreibfehler

Wertung

PC

Spielerisch unspektakulärer Vietnam-Shooter mit netter Story.