Scrapland - Test, Action-Adventure, XBox, PC

Scrapland
26.01.2005, Paul Kautz

Test: Scrapland

Chaos in Roboter-City: Geht Scrapland runter wie Maschinenöl?

Roboter sind super: Eigentlich dafür gedacht, den Menschen ein komfortables Leben zu ermöglichen, übernehmen sie in vielen Zukunfts-Szenarien die Rolle der Welt-Vernichter. In Scrapland (ab 29,95€ bei kaufen) ist alles anders: Die blechigen Bewohner wollen nur ihre Ruhe und fürchten sich vor nichts mehr als den bösen Humanoiden. Ob man aus dieser witzigen Idee ein gutes Spiel stricken kann?

Download: Deutsche Demo (315 MB) Roboterkumpel D-Tritus landet eher zufällig auf dem Blechplaneten Scrapland. Menschen sind hier Fabelwesen aus Schauermärchen, die gesamte Bewohnerschaft besteht aus Robotertypen. Da gibt es den Banker, der vorbeilaufenden Zeitgenossen heimlich das Geld aus der Blechtasche zieht, den aufgrund von Papierabwesenheit sehr traurigen Tacker, den ballerfreudigen Polizisten oder den Bischof, der gegen Bares jeden wieder in seine unsterbliche Hülle transferiert. Wie das funktioniert, erfährt D-Tritus

Als Bürgermeister (link) kann man Roboter einschläfern, welche vom Krankenpfleger (rechts) per Kopfhieb wieder aufgeweckt werden.
sehr schnell: Roboter kommen nach dem Ableben nicht auf den Schrottplatz oder in einen ölreichen Himmel, sondern warten als stets verfügbare Matrix in der »Großen Datenbank«. Ist die alte Hülle vaporisiert, zerlasert, durchrostet oder sonstwie hinüber, wird einfach die Matrix aus der Datenbank in eine neue Form gebeamt, und schon erstrahlt man wieder in frisch gewienertem Lack – praktisch! Unser Held hat die überaus nützliche Fähigkeit, sich in diese Datenbank hacken und jede beliebige Form annehmen zu können. Das bringt zwar die Polizei auf die Palme, ist aber essentieller Design-Baustein des Games.

Anfang gut, alles gut



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4P|Stream: Scrapland in Aktion

Für den jungen D-Tritus mit dem feschen Kabel-Pferdeschwanz hat das anfangs aber keine Bedeutung. Kaum auf Scrapland angekommen, muss er sich nach einem Job umsehen. Da Roboter kein Abitur kennen, kriegt er einfach den erstbesten Job, der zur Verfügung steht – Journalist kann ja sowieso jeder werden. Sein erster Interview-Partner, der kaltschnäuzige Erzbischof, versetzt ihn gnadenlos, und bekommt dafür auch kurz darauf von einem zwielichtigen Wesen die kalte Hand des Todes zu spüren. Ein Mensch? Oder gar etwas noch Schlimmeres? Es ist D-Tritus’ und damit eure Aufgabe, diesen dunklen Machenschaften auf der Stelle ein Ende zu bereiten!

Scrapland ist in zwei verschiedene Spielelebenen unterteilt: innerhalb und außerhalb von Gebäuden. Im Inneren redet ihr mit anderen Robotern, sucht nach Bonusgegenständen und erfüllt natürlich jede Menge Aufträge wie z.B. fotografieren, 

Hallo High-Tech! Scrapland ist nicht nur optisch ein sehr ungewöhnlicher Ort.
bockige Informanten prügelbasiert zum Reden bringen, einen Gegenstand finden usw. Während ihr hier zu Fuß (bzw. schwebend oder auf Rollen, je nach Hülle) unterwegs seid, wird die Welt außerhalb der Glasscheiben von Raumflitzern beherrscht: Der Luftraum ist ähnlich vollgestopft wie die Münchner Leopoldstraße zum Einkaufssamstag. Anfangs tuckert ihr noch auf eurem kleinen Standardhobel durch den Äther, doch schon kurz darauf lernt ihr das witzige Vehikelbau-Feature kennen: Ihr bekommt immer wieder mal Blaupausen von Schiffsteilen – Antrieb, Waffensystem oder gar ein komplett neues Design. Diese Vorlagen könnt ihr bei eurem Mechanikerkumpel dazu benutzen, entweder eure Maschine aufzumotzen oder gleich eine komplett neue Kiste aus dem Boden zu stampfen. Das kostet nicht nur Geld, sondern ist auch leicht gemacht: Design gewählt, Waffen und Extras dazugeschaufelt, noch einen letzten prüfenden Blick drauf geworfen, fertig. Das neue Schmuckstück steht ab sofort abflugbereit in eurer mobilen Garage (ein putziger Grinseroboter namens »Spootnik«), ältere Modelle werden nicht recycelt, sondern sind ebenfalls jederzeit verfügbar. Falls ihr es eilig, aber weder Einzelteile noch Kleingeld bei euch habt, könnt ihr auch, ganz in GTA-Manier, einfach eines der in jedem Parkhaus herumstehenden Flugmodelle schnappen und drauflosfliegen. Allerdings könnt ihr mit der heißen Ware nicht viel mehr machen als herumdüsen – als Vorlage für eigene Modelle lässt sich das Diebesgut nicht benutzen, lediglich als Altmetall spült es etwas Geld in D-Tritus notorisch leere Kassen.

Fahrzeugbau leichtgemacht

 

Hier geht's ab: Bei Luftkämpfen hagelt es dicke Explosionen und fetzige Grafikeffekte.
Steht der fliegbare Untersatz, könnt ihr auch schon drauflosjagen: Draußen könnt ihr entweder ganz elegant ein paar ruhige Runden durch die durchgestylte Scrapland-Welt drehen, der Polizei bei der Verbrecherjagd helfen oder euch Luftkämpfe liefern. Jedes Raumschiff hat unterschiedlich viele und starke Waffen an Bord, vom weit streuenden MG oder zielsuchende Raketen bis zur zerstörerischen Laserkanone. Mit manchen Waffen könnt ihr blind drauflosfeuern, andere brauchen erst einen kurzen Augenblick, um sich auf das Ziel einzuschießen. So oder so werdet ihr euch erst an den Luftkampf gewöhnen müssen: Zwar ist die gegnerische Intelligenz nicht gerade die hellste, was die Treffsicherheit oder die Ausweichmanöver angeht. Aber dafür verfügen die Blechköpfe über einen gesunden Selbsterhaltungstrieb, und nehmen gnadenlos die glänzenden Beine in die Hand, sobald die Lebensenergie zur Neige geht.          

D-Tritus’ Verwandel-Dich-Feature ist enorm wichtig: Roboter wie der Polizeichef reden z.B. nicht mit dem gemeinen Blechpöbel. Also müsst ihr schnell in eine prominente Hülle schlüpfen, um an die Zicke heranzukommen. Natürlich ist das in höchstem Maße illegal – also müsst ihr euch an aufmerksamen Polizeirobotern vorbeischleichen, um unentdeckt zum Ziel zu gelangen. Werdet ihr trotzdem entdeckt, ist das

Jeder Roboter hat spezielle Fertigkeiten - D-Tritus kann sich z.B. in andere Zeitgenossen verwandeln.
Buhei groß: Auf einmal materialisieren ballerfreudige Mechs direkt vor eurer Nase, keiner spricht mehr mit euch. Die einzige Möglichkeit da wieder rauszukommen, ist ein ruhiges Eckchen zu suchen, und darauf zu warten, dass die Jäger ihre Suche aufgeben – was ziemlich schnell passiert.

Kaugummi-Welt

Jede der 15 Roboter-Arten hat spezielle Fähigkeiten: Als Bürgermeister kann man seine Zeitgenossen mittels bodenlos langweiliger Reden in den Sleep-Modus versetzen, als niedlicher Mini-Tacker schlüpft man auch durch die kleinste Ritze, als bombige Femme Fatale darf man seine Umgebung elektrisieren. Werdet ihr erwischt und abgeknallt, landet ihr, sofern ihr bei den Bischöfen kein Extraleben gekauft habt, im Gefängnis – aus dem ihr selbstverständlich ausbrechen könnt. Das hat keinen Einfluss auf die nur langsam in Fahrt kommende Story um die Morde und geheimnisvolle Informanten. Zwar ist sie nett erzählt, lässt sich selbst aber zu viele Pausen, in denen man einfach etwas anderes machen muss. Die Crux dabei ist, dass das dem Missionsdesign zuzuschreiben ist, welches euch nicht einen Auftrag präsentiert und danach die Story weiterspinnt – stattdessen sind die meisten Missionen mehrfach unterteilt oder gar miteinander verbunden! Um eine Information zu bekommen, die ihrerseits nur Teil eines übergeordneten Auftrags ist, müsst ihr erst vier bis fünf Untermissionen erledigen, die sich in die Länge ziehen. Erfreulicherweise wird man nach dem Abschluss eines solchen Auftragsblocks von gut in Szene gesetzten Rendervideos belohnt, in denen die Geschichte um einen wichtigen Faktor bereichert wird.

Werdet ihr von der Polizei erwischt, ist ein Flitzefuß angesagt - selbst Roboter wollen nicht ins Gefängnis!
Ihr habt die Freiheit, links und rechts vom eigentlichen Handlungspfad Bonusjobs zu erledigen – ihr könnt z.B. beim »Verrückten Spieler« Wetten bestreiten, um spezielle Extras zu gewinnen. Oder ihr sucht in den Gebäuden nach versteckten Bauplänen, um immer bessere Flugmaschinen bauen zu können. Die Möglichkeiten sind aber bei weitem nicht so vielfältig wie in der GTA-Reihe, außerdem unterscheiden sich diese Aufträge von normalen Missionen nur dadurch, dass sie die Handlung nicht vorantreiben. Habt ihr genug Mörder gejagt, könnt ihr euch noch dem Mehrspielermodus zuwenden. Jedoch erwartet euch hier nichts Spektakuläres: Flaggenjagd und Deathmatch für bis zu 16 Roboterfreunde; merkwürdigerweise kein Wettrennen, welches sich angeboten hätte.

Von der technischen Seite her gibt es kaum etwas an Scrapland zu bemängeln: Die von Entwickler Mercury Steam entwickelte Grafikengine zaubert prächtige Bilder auf den Monitor, die nicht nur erstaunlich schnell laufen, sondern auch nur relativ kurz geladen werden müssen. Es beginnt schon bei den Robotern: Selten gab es derart verrückte und gleichzeitig so sympathische Zeitgenossen im Spiel – der grimmige Polizeichef, der harmlos-dämliche Berto oder die schroffe, aber gleichzeitig auch verführerische Betty (auch Maschinenwesen kann die Kinnlade zu Boden klappen). Blitzblanke Metalloberflächen, superbe Animationen (selbst offensichtlicher Blödsinn wie D-Tritus’ Kabelhaar wippt bei jeder Bewegung authentisch mit) und realistisch gebrochene Schatten machen die Innenlevels sehr ansehnlich. Draußen geht’s aber erst richtig ab: Alles ist voller Leben, überall fliegen Schiffe mehr

Ihr könnt mir jeder herumstehenden Blechbüchse reden - manche allerdings bekämpfen sich lieber untereinander.
oder weniger schnell und geordnet durch die Lüfte, alles ist bunt, neon-leuchtend, technoid, durchgestylt und irgendwie bizarr. Coole Effekte wie Abgasstrahlen, saftig-dicke Explosionen oder das Bild verzerrende Minen sehen schlicht super aus. Lediglich einige sehr niedrig aufgelöste Texturen scheinen da nicht hinzugehören – ein Tribut an die Konsolenherkunft des Spiels?

Gefühllose Roboter

Die Akustik hingegen ist ein zweischneidiges Schwert: Am Soundtrack gibt es nichts auszusetzen, eine gesunde Mischung aus hektischem Techno-Gekloppe und ruhigen Ambient-Klänge sowie gute Effekte begleiten euch standesgemäß auf eurer Hatz. Die deutsche Sprachausgabe hingegen schwankt zwischen »gut« und »naja..« - es gibt einige gute Sprecher und einige, die sehr langweilig und emotionslos daherlabern. Gut, man hat es hier mit Robotern zu tun, aber selbst die sollten Gefühle zeigen können – besonders wenn man Sprüche wie »Hör auf bitte – ich kann Kämpfe nicht ausstehen!« während der Kämpfe locker 20 mal hintereinander zu hören bekommt. Gelegentliche Übersetzungs-Stilblüten wie »Ergib dich, oder ich lasse Gnade walten!« oder ein »Tiefer Schlund« genannter Informant (der im Original »Deep Throat« heißt) fallen nur am Rande unangenehm auf.         

Fazit

Man kann eigentlich gar nicht anders, als Scrapland zu mögen: Die skurrilen Charaktere, die verdrehte Story, die tolle Grafik, all das prasselt von Anfang an wuchtig auf den überraschten Spieler ein. Leider ist das gleichermaßen Segen wie Fluch: Denn kennt man alle Robotertypen (die alle schnell das Gleiche zu sagen haben), verliert man sich in den vielen Leerläufen der Story und gewöhnt man sich an die Optik, schlummert nur ein durchschnittliches Leveldesign unter der Oberfläche, welches auf Wiederholung immergleicher Aufgaben setzt. Das Spiel schöpft sein kreatives Potenzial nicht völlig aus – bietet aber jede Menge Unterhaltung. Wenn man nicht gerade ein Roboter-Pendant zu GTA San Andreas erwartet, dann wird man mit Scrapland sehr viel Spaß haben. Ein durch und durch sympathisches Spiel, das trotz aller Macken nicht zuletzt durch sein launiges Design zu fesseln vermag.

Pro

  • funky Design
  • abgefahrene Figuren
  • tolle Animationen
  • effektreiche Grafik
  • leichte Steuerung
  • cooles Wandel-Feature
  • offenes Spielprinzip
  • guter Soundtrack
  • einfacher Schiffs-Baukasten
  • witzige Ideen
  • angemessen umfangreich

Kontra

  • allerhand Leerlauf
  • unspektakuläres Missionsdesign
  • sehr viel Wiederholung (spielerisch und akustisch)
  • mäßige deutsche Sprachausgabe
  • gelegentlich schwache Texturen
  • unaufregender Mehrspielermodus
  • ausgewalzte Story

Wertung

PC