UEFA Champions League 2004 - 2005 - Test, Sport, PC, GameCube, PlayStation2, XBox

UEFA Champions League 2004 - 2005
03.02.2005, Jörg Luibl

Test: UEFA Champions League 2004 - 2005

Während sich Deutschland gerade kräftig im Schiri-Skandal blamiert, präsentiert EA knapp drei Monate nach der Veröffentlichung von FIFA Football 2005 ein neues Spiel rund um die Champions League - mit Missionen und Trainerkarriere. Das Timing scheint perfekt: Am 22. Februar starten ab 20:45 Uhr die ersten Achtelfinal-Begegnungen. Bloß ein geschickt platziertes Königsklassen-Update oder eine echte Alternative zu FIFA und PES4?

Früher war nicht alles besser. Da haben wir uns auf sandigen Bolzplätzen in einer Mischung aus schlecht kaschiertem Unvermögen und sportlichem Ehrgeiz die Nachmittage um die Ohren geschossen. Zuhause haben wir uns mit Kick-Off und International Soccer gequält. Auf´m Platz ging`s in löchrigen Stutzen, billigen Schienbeinschonern und verblichenen Trikots zur Sache. Die Tore hatten keine Netze, die Mädchen keine Zähne. Der Ball? Nichts weiter als ein elliptischer Lederfetzen mit

Lust auf bewegte Bilder? Dann schaut euch unseren Gameplay-Stream an: Download Video .
hässlichen Ausbuchtungen. Wir hatten Spaß und fühlten uns wie Rummenigge & Co. Trotzdem waren das schreckliche Zeiten, das wurde uns eines Tages klar.

Bolzplatz & Tangoball

Denn irgendwann kam ein Neuer. Keiner kannte ihn. Einer mit frisch gewienerten Stollenschuhen. Einer mit echtem FC Bayern-Vereinstrikot, mit originaler Iveco-Werbung - wie im Fernsehen. Und er trug etwas in seiner Hüfte, das uns den Sabber in die Wangen trieb: einen nigelnagelneuen Tangoball! Eine nach frischem Leder duftende Ballistikperle, ein handgenähter Traum in Schwarz und Weiß! Und wir hatten plötzlich nicht mehr viel, sondern verdammt viel Spaß. Wir fühlten uns nicht mehr wie Rummenigge, sondern wie Maradona & Co.

Kurzum: Es gab ein völlig neues Spielgefühl, die neue Ballphysik sorgte für eine magische Wiedergeburt archaischer Fußballfreude. UEFA Champions League 2004 - 2005 (ab 12,76€ bei kaufen) ist auch ein Neuer, seit heute im Handel für PC, PS2, Xbox und GameCube. Einer mit prall sitzender Königsklassen-Lizenz. Einer mit schillernden Namen und Vereinen. Einer mit blitzsauberer Kulisse und coolen Fangesängen. Aber ihm fehlt etwas: der Tangoball.

Spielerisch gleicht UEFA seinem drei Monate jungen FIFA-Bruder fast wie ein Zwilling und vereint nahezu alle Stärken und Schwächen der Oktoberausgabe, daher fangen wir gleich mit dem auffälligen Unterschied an: dem storybasierten Saisonmodus mit echten Fußballquests. Hier dürft ihr euch eines von 239 europäischen Teams aussuchen und einen Trainer erstellen - vom strengen Sakkotypen bis hin zum lockeren Kerl im Trainingsanzug. Ihr könnt entweder auf vorgefertigte Gesichter zurückgreifen oder chirurgisches Feintuning vom Wangen- bis zum Kieferbereich ansetzen. Leider ist der Editor nicht so stark, dass man sein Abbild oder eine Toppmöller-Kopie basteln kann.

Fußballquests für Trainer

Sind Club und Trainer endlich gefunden, wird der Verein von einem mächtigen Firmenboss mit lockerer Kriegskasse gekauft, der nur ein großes Ziel hat: die Champions League zu gewinnen. Ein Blick in die Kader verrät allerdings, dass die Transfers der Winterpause nicht von EA berücksichtigt wurden: Rahn kickt z.B. immer noch für den HSV - das ist ärgerlich. PC-Trainer werden das in Kürze selber ausgleichen, aber Konsolenfans müssen mit veralteten Teams antreten. Für die Karriere seid ihr den Vorlieben und Wünschen des Präsidenten ausgeliefert, denn innerhalb der 50 Kapitel währenden Reise bis zum Finale stellt er euch bestimmte Aufgaben: Am Anfang müsst ihr z.B. mit eurer Startelf gegen die eigene B-Mannschaft antreten und mindestens fünf Schüsse auf`s Tor abgeben sowie klar gewinnen. Dann wird wiederum eine strenge 5-4-1-Abwehrkette ohne Gegentore gefordert, später ein klares 3:0 gegen ein Aufbauteam - jedes Kapitel hat seine eigenen Vorgaben.

Meistert ihr z.B. die erwähnte Startelf-Quest, bekommt ihr die volle Bonuspunktezahl (dafür gibt`s leider keine neuen Trainer-, Vereins- oder Spielereigenschaften, sondern Editor-Schnickschnack, Beachball, eine Egoperspektive etc.) und dürft euren Kader auf dem Transfermarkt erweitern. Schafft ihr das nicht, bekommt ihr weniger Bonuspunkte sowie die Vorgabe, drei Profis der kläglich gescheiterten Startelf aus Abwehr, Mittelfeld und Sturm zu verkaufen und dafür neue zu verpflichten. Das funktioniert sehr

Ein Trainer nach Maß? Kein Problem! (PC)
komfortabel über ein Menü, das euch über das Budget auf dem Laufenden hält und verrät, wie gut die drei Einkäufe insgesamt sein müssen. Realistisch sind die Preise zwar nicht, denn Zidane, Henry & Co gehen je für unter 15 Millionen über den Kickertisch, aber dafür wollen die Top-Stars zu Beginn nichts von eurem Verein wissen. Vielleicht liegt`s auch daran, dass ich mit dem BVB mein Glück versucht habe...

Zuckerbrot und Peitsche

Das hört sich alles sehr motivierend an, denn erreicht man die Ziele des Präsidenten nicht, hat das sogar Konsequenzen: Nicht nur in Sachen Spielerpolitik, sondern auch in der Fan-Stimmung, die ihrer Begeisterung oder ihrem Unmut im neuen EA-Radio Luft machen. Hier rufen Anhänger an und geben Sprüche von kompetent bis derb ab. Aber das Problem dieses Trainermodus ist, dass er nicht packend genug inszeniert wird, dass sowohl der eigene Trainer als auch Telefon-Fans und Präsident auf Dauer zu blass bleiben. Die Dramatik des Fußballalltags wird nur in Ansätzen eingefangen. Woran liegt das?

                 

Die Rolle des Trainers beschränkt sich auf vereinzelte Seiteneinblendungen mit Jubel- oder Verzweiflungsgestik, die aufgrund fehlender Sprachausgabe einer Pantomime gleichen. Warum meckert der Coach nicht mal lautstark? Seine Körpersprache hat jedenfalls keinen spielerischen Einfluss und wirkt ohne Akustik einfach zu steril. Erst das Fluchen oder laute Jubeln hätte ihm

Die Kader sind leider nicht ganz aktuell. Transfers der Winterpause wurden nicht berücksichtigt. (PC)
Leben eingehaucht - das vermisst man. Außerdem hat man schon während der ersten Punktspiele fast alle Gesten gesehen und wird kaum noch überrascht.

Trainer, Fans & Präsident

Die Rolle der Fans im Radio ist eine coole Idee, aber obwohl viele Beiträge zum erspielten Ergebnis passen, wirken sie oftmals zu gekünstelt und leiden wie die Kommentare an monotonen Wiederholungen, die den Live-on-Stage-Zauber schnell wieder verschwinden lassen: Spielt man z.B. zwei mal hintereinander ein Unentschieden, meldet sich auch wieder derselbe Fan mit demselben Kommentar - das ist ärgerlich, hier hätte mehr Vielfalt gut getan.

Und der Präsident? Seine dominante Rolle beschränkt sich auf E-Mails mit Zielvorgaben. Er hat kein Gesicht, wird nie gezeigt. Das ist schade, denn hier hätten Zwischensequenzen mit Wutausbrüchen oder intensive Gespräche unter vier Augen Wunder gewirkt. Denn selbst wenn man die Vorgaben nicht erfüllt, reagiert der Präsident nur mit weniger Bonuspunkten und Transferauflagen - bleibt aber unpersönlich im Hintergrund. Wieso zeigt man nicht mal, wie ihm hinter der verqualmten Zigarre der Kragen platzt?

Insgesamt ist der storybasierte Trainermodus eine Idee mit Potenzial, die man für FIFA Football 2006 aufgreifen und mit mehr Leben, Dramatik und Persönlichkeit füllen muss, damit sie auch auf lange Sicht motiviert - ein paar Zeitungsschnipsel, schnöde E-Mails und stumme Trainergestik reichen einfach nicht aus. Zu Beginn macht dieser Modus noch richtig Spaß, aber ihm geht zu schnell die Luft aus. Hinzu kommt, dass die Mängel der Präsentation auf dem Platz nicht ausgeglichen oder gar wettgemacht werden: Das Kommentatoren-Duo versprüht trotz vieler passender Statements eher öffentlich-rechtliche Steifheit als Begeisterung,  mit einer starken Prise Redundanz und abstrusen Szenenbeschreibungen. Fußball ist aber Leidenschaft, Tempo, Emotion und kein Hallenhalma.

Gute Idee, halbgare Umsetzung

             

Zurück zum Tangoball: An der Steuerung, an der Schusstechnik und an der Ballphysik hat sich nichts spürbar verändert. Auch die grafische Kulisse, die Bewegungen, die Taktik, die Fans - nahezu alles ist identisch; alle Stärken wie die First Touch-Kontrolle, die klasse Stimmung, die schönen Animationen, aber auch die Fehlerliste. Und das ist unverzeihlich, denn die ist lang und entscheidend für das Spielgefühl: Es gibt immer noch

Geschlenzt oder voll drauf? Die Standards wurden generalüberholt. (Xbox)
viele gleiche Tore, der Aufbau ist zu pomadig, es gibt kein echtes Pressing, die Freistöße wirken zu raketenhaft, das Flugverhalten des Balles ist wenig authentisch, die Offensiv-KI nicht überzeugend und die Off the Ball-Kontrolle zu umständlich. Das ist einfach zu wenig für ein Spiel, das kein FIFA mehr im Namen trägt und zum Vollpreis unter dem neuen Etikett UEFA angeboten wird. Ich habe einfach mehr Neues erwartet, zumal ein anderes als das FIFA-Team am Werk war. 

Und auf´m Platz?

Nur eines wird schon nach wenigen Matches klar: die Intelligenz der Gegner hat sich sowohl in der Abwehr als auch im Sturm stark verbessert. Es ist unheimlich schwer, die gegnerische Verteidigung zu knacken, denn die Tacklings und die Raumdeckung funktionieren sehr gut. Im Sturm wird klug über die Flügel gespielt, selbst im Strafraum dürft ihr euch auf tödlich Pässe gefasst machen und der Trainer-Konkurrent bringt gute Einwechslungen. Das heißt im Klartext: UEFA ist wesentlich schwerer als FIFA, die KI der Gegner wesentlich besser. Das ist eigentlich ein lobenswerter Pluspunkt. Aber dieser vermeintliche Fortschritt hat zwei entscheidende Nachteile.

Erstens hat sich die KI der eigenen Mitspieler gegenüber FIFA 2005-Pegel um keinen Deut verbessert, so dass vor allem im Mittelfeld kaum jemand von alleine Räume frei macht und die Off the Ball-Kontrolle immer noch in unbefriedigende Fummelei ausartet. Und wer sie beherrscht, kann immer noch viele gleiche Tore abspulen. Hinzu kommt, dass manuelle lange Pässe auf die Flanken kaum umzusetzen sind, da der Radar in UEFA fehlt - ein entscheidender Nachteil für die Spielübersicht! Man sieht seine Spitzen und Flügelläufer teilweise viel zu spät; weite Flankenwechsel sind Glückssache. Dabei war dieses kleine Hilfsmittel in FIFA 2005 noch enthalten. Warum hat man das entfernt? Man hat die Offensive in UEFA nicht nur stiefmütterlich stagnieren lassen, sondern sie dadurch noch geschwächt. Auf der offiziellen Webseite von EA riecht die lange Liste der Änderungen zwar nach einem neuen Spielgefühl, aber davon ist auf`m Platz wenig zu spüren.

Inkonsequente KI-Verbesserung

Zweitens scheint die verbesserte Gegner-KI keinen Unterschied zwischen Wacker Tirol und dem FC Arsenal zu machen - beide Abwehrreihen wirken gleich stark, gleich aufmerksam, gleich schwer zu knacken. Schon in den ersten Trainingsspielen gegen die eigene Reserve und kleine Aufbau-Teams hat man das Gefühl, gegen Verteidiger auf Champions League-Niveau anzutreten. Und nicht nur bei

Rudelbildung gehört in der Königsklasse zum guten Ton. (PS2)
den Mannschaften, sondern auch bei den Spielern gibt es kaum Unterschiede in der Qualität: Ob ich jetzt Nedved oder Wosz im Mittelfeld steuere, ist kaum zu bemerken; PES4 ist UEFA hier mit seinen markanten Charakteristika meilenweit voraus.  Diese monotone Konstanz im KI- und Spielerverhalten führt dazu, dass die Motivation während der Champions League-Saison einer flachen Kurve ohne Höhepunkte gleicht. Die gegnerischen Teams hätten sich einfach viel stärker in Sachen Taktik, Finesse und Fehlerverhalten unterscheiden müssen.

Freistöße werden jetzt nicht mehr nach der bisherigen Drei-Klick-Methode, sondern über eine neue Energieleiste abgewickelt, die einen optimalen Schuss ermöglicht, wenn man den laufenden Balken genau in der Mitte stoppt. Außerdem kann man jetzt nicht mehr direkt am Ball, sondern per Knopfdruck bestimmen, ob man mit Effet oder einfach hart schießen möchte; selbst kurze Varianten sind jetzt möglich.

Neue Standards

Es gibt übrigens noch ein Situationstool, mit dem ihr für ein Match zwischendurch selbst Spielzeit, Spielstand, Verletzungen etc. vorbestimmen könnt. Außerdem lässt sich im Turniermodus jede noch so erdenkliche Regel festlegen, um z.B. nach KO-Prinzip sein eigenes Event vorzubereiten. Abgesehen davon sind entweder Freundschafts-, Trainings- oder Online-Spiele möglich. Allerdings müssen PC-Besitzer auf die Netzwerk- und direkte IP-Verbindung verzichten und GameCube-Fans schauen komplett in die Offline-Röhre.

          

Fazit

Ich hab`s befürchtet: Obwohl kein FIFA mehr drauf steht, sind quasi 90 Prozent FIFA Football 2005 drin - inklusive aller Stärken und Schwächen. Vor allem die Ballphysik, die eigene KI und die Off the Ball-Kontrolle bleiben klare Kritikpunkte. Der einzige frische Pluspunkt dieses Königsklassen-Liftings liegt in den storybasierten Fußballquests, die aber leider halbgar präsentiert werden: Der Trainermodus hat zwar dank des Präsidentendrucks sowie des Radio-Talks motivierendes Potenzial, aber es fehlt ihm an Dramaturgie und Persönlichkeit, so dass er sich auf Dauer abnutzt. Abgesehen davon haben sich nur Feinheiten bei den Standards verändert, die kein neues Spielgefühl entfachen. Zugegeben: die Gegner agieren intelligenter, so dass Siege schwerer fallen, aber zwischen Wacker Tirol und Arsenal gibt`s da keine Unterschiede - Vorbereitungsspiele gleichen im Anspruch bereits Endspielen. Das könnte für versierte FIFA-Veteranen trotz der fehlenden Wintertransfers eine neue, wenn auch teure Herausforderung sein. Für Einsteiger lohnt sich der Kauf jedoch nicht, denn die werden sich die Zähne ausbeißen - selbst auf dem zweiten von vier Schwierigkeitsgraden. UEFA Champions League ist nicht weniger als ein gutes Fußballspiel, aber auch nicht mehr als ein FIFA Football 2005-Update zum Vollpreis.

Pro

  • - verbesserte Gegner-KI- neuer Situations-Editor - neue Radio-Talkshow mit Fans- neues System für Standards- freispielbare Gimmicks- Fußballquests im Trainermodus- Online-Modus (Xbox, PS2, PC)- neue Handspiel & Vorteilsentscheidungen- fast alle Stärken von FIFA Football 2005

Kontra

  • kein Radar mehr
  • Update zum Vollpreis
  • magere Story-Präsentation
  • kein Online-Modus (GameCube)
  • alle Gegner gleich abwehrstark
  • keine Netzwerk & DirectIP-Spiele
  • Spielfeld jetzt kleiner (schwarze Balken)- Transfers der Winterpause nicht berücksichtigt
  • fast alle Schwächen von FIFA Football 2005

Wertung

PC

GameCube

PlayStation2

XBox