Star Wars: Knights of the Old Republic 2 - The Sith Lords - Test, Rollenspiel, PC, XBox, Android, Switch, iPad, iPhone

Star Wars: Knights of the Old Republic 2 - The Sith Lords
14.02.2005, Jörg Luibl

Test: Star Wars: Knights of the Old Republic 2 - The Sith Lords

2003 sorgte ein Blockbuster aus dem Hause BioWare für durchzockte Nächte: Star Wars: Knights of the Old Republic. Auch wir kürten das mit einer packenden Story, lebendiger Party-Interaktion und klugen Dialogen protzende Abenteuer zum Rollenspiel des Jahres. Jetzt schreiben wir das Jahr 2005, die Sith Lords sind da. Kann das Team von Obsidian Entertainment ähnlich auftrumpfen? Geht die Begeisterung in die zweite Runde?

Wer bin ich? Wo bin ich? Was soll ich tun? Das sind die Fragen, die sich euer Charakter in den ersten Minuten seiner Star Wars-Karriere stellt. Ihr erwacht mit heftigen Kopfschmerzen aus einem tiefen Schlaf und geistert durch ein scheinbar herrenloses Raumschiff. Und um die Verwirrung noch mysteriöser und damit perfekt zu machen, findet ihr im Leichenschauraum eine blinde Alte, die behauptet, euch gerade gerettet zu haben…

Amnesie & Mystery

Neugier ist eigentlich ein sehr guter Köder. Und Sith Lords reichert ihn mit rätselhaften Hologramm-Nachrichten, flimmernden Wahrnehmungsfetzen und erfrischend ausführlichen Dialogen so appetitlich an, dass man sofort mit Abenteuerhunger hinein beißt. Und

Aktive Lichterkette für den Star Wars-Frieden. (PC)
sobald man neben der bierernsten Kapuzenträgerin Kreia noch den vorlauten Piloten an seiner Seite hat, erlebt die 2003 gefeierte Party-Interaktion ihr herrliches Revival - dumme Sprüche, Romanzen und viel Gezicke inklusive. Vor allem Kreia entfaltet aufgrund ihrer undurchsichtigen Ziele schnell eine ambivalente Anziehungskraft: Warum weiß sie so viel über euch? Was hat sie vor? Ist sie eine Jedi? Ohne weiter auf ihre Rolle einzugehen, sei hier nur bemerkt, dass ihre akzentuierte Biografie jedem guten Roman gerecht werden würde.

Kein anderes Spiel kann mit dieser Gruppendynamik mithalten, zumal ihr diesmal über eure Antworten gezielt Einfluss auf die Begleiter ausüben könnt: Wenn ihr die Skepsis über das nächste Vorgehen lapidar in den Wind schlagt oder patzig den schroffen Anführer raushängen lasst, sinken Chemie und Vertrauen im Team. Wer ein Abenteuer mit echten Charakteren und moralischen Konflikten sucht, wird fündig.

            

Bei der Charaktererschaffung langweilt zunächst Altbekanntes: Die Wahl beschränkt sich auf das Trio Hüter, Gesandter und Wächter. Das ist für einen zweiten Teil nicht gerade üppig, denn selbst

Die Dame im Kapuzenmantel nennt sich Kreia und gehört zu den interessantesten Figuren im Spiel. (Xbox)
in Add-Ons zu Rollenspielen werden meist neue Klassen eingeführt. Ihr könnt lediglich noch ein Porträt sowie das Geschlecht wählen, bevor entweder die manuelle oder automatische Erstellung erfolgt. Letztere bietet für Einsteiger eine optimale Konfigurierung; Erstere lädt zum gezielten Aufrüsten bis zum fortgeschrittenen Startlevel ein - immerhin muss man aufgrund seiner nebulösen Vergangenheit nicht ganz von vorne anfangen.

Drei Klassen

Aber macht es einen Unterschied, ob man mit dem eher vergeistigten Gesandten oder dem kämpfenden Wächter loszieht? Nein. Das Spielerlebnis ist trotz klarer Unterschiede in Sachen Attribute und Fähigkeiten fast identisch, zumal ihr während des Abenteuers bequem in die Haut eurer Gefährten schlüpfen könnt. Lediglich die späteren Prestigeklassen sorgen für deutliche Änderungen: Wer zum Sith-Lord mutiert, gewinnt schneller an Machtfähigkeiten als ein Jedi-Waffenmeister, der wiederum seine Talente schneller entwickelt.

Wie fühlt man sich nach dem ersten Dutzend gelöster Quests, dreihundert Dialogzeilen und fetter Rüstunsgbeute? Trotz der anfänglich sehr dichten Dramaturgie, der vielen kleinen Geschichten und angenehm verschachtelten Aufgaben schmeckt der Köder nach wenigen Stunden nicht mehr so lecker

Auf dem PC sind Licht- und Partikeleffekte klar besser - außerdem ruckelt`s hier nicht. (PC)
wie anno 2003. Man wird gut unterhalten, aber nicht mehr begeistert. Woran liegt das? Vielleicht daran, dass der Weg zwischen Gut und Böse zu schnell vorgezeichnet wird. Hinzu kommen viele Déjà-vus - spielerisch und erzählerisch. Man hat oft das Gefühl, das alles schon mal erlebt und gesehen zu haben.

Déjà-vus eines Jedis

Die Regie des Einstiegs erinnert an den Vorgänger: verwirrter Held, havariertes Schiff, Landung auf dem Planten, mehrere Parteien buhlen um eure Gunst. Die Story setzt nicht auf ganz neue Elemente, sondern knüpft ein paar Jahre später an bereits Erlebtem an und wiederholt Altbekanntes - egal ob Figuren und Raumschiffe (Ebon Hawk) oder Schauplätze (Planeten, Jedi-Akademie). Sith Lords spielt sich wie eine kleine Reise in die Vergangenheit des großen Vorbilds, aber nicht wie ein eigenständiger Neuling. Dass es auch anders geht, hat z.B. das Add-On Undernzit zu Neverwinter Nights bewiesen, das das Original erzählerisch und spielerisch sogar getoppt hat.

        

Trotz dieser Ernüchterung bleibt der Motivationsfaden straff. Dafür sorgen zum einen die rundenbasierten Echtzeit-Kämpfe, die jetzt noch taktischer verlaufen. Erstens könnt ihr Gruppenmitgliedern eine von sechs Verhaltensweisen vorschreiben: Ein "Stationärer" verharrt kämpfend an Ort und Stelle; ein "Grenadier" setzt auf Schusswaffen und Granaten; ein "Jedi-

Im Würgegriff der Macht - autsch! (Xbox)
Unterstützer" setzt bevorzugt seine Macht ein. Zweitens sind die Kampfstile neu dabei, die Jedis je nach Situation entscheidende Vorteile bringen: Wer "Ataru" wählt, kann z.B. hervorragend gegen einzelne Feinde, aber nur schlecht gegen eine Übermacht bestehen.

Delikate Lichtschwertduelle

Zum anderen ist Sith Lords ein Paradies für Tüftler: Es gibt viele neue Waffen, Granaten, Implantate, Rüstungen und Jedi-Mächte sowie unzählige Varianten der Konstruktion und Verbesserung. Mit Chemikalien kann man sich selbst die Splittergranate oder Heiltränke brauen, man kann eigene Plattenpanzer konstruieren und wieder dekonstruieren, man kann Lichtschwerter auf- und wieder abrüsten. Manchmal verbringt man Stunden im Inventar, um jedes kleine Prozentchen Angriffskraft aus seinen Gefährten zu holen. Für weitere Auflockerungen vom Questalltag sorgen ein Schuss Arcade und Glücksspiel in Swoop-Rennen, Pazaak-Blackjack und Geschützturmgefechten - wie schon im Vorgänger.

Obwohl die Architektur und das Figurendesign des Star Wars-Universums zeitlos cool bleiben, und obwohl das Team von Obsidian deutlicher auf den Rauch- und Nebeljoker setzt, wirkt die Kulisse insgesamt zu steril, teilweise sogar leblos. Schon im ersten Teil störten die vielen gleichen Gesichter unter den Bewohnern und Sith Lords bleibt dem Klonen leider treu: Das geht so weit, dass man des Öfteren Drillinge beim Smalltalk trifft.

Der Zahn der Zeit

Man spürt trotz der immer noch sehenswerten Lichtschwertduelle sowohl in Sachen Texturierung als auch Beleuchtung den Zahn der Zeit. Er nagt zwar nicht so, dass es weh tun würde, aber die Grafik-

Auch in der Wildnis sorgen Jedis für funkelnden Durchblick. (PC)
Engine kann im Zeitalter von Halo 2 und Half-Life 2 einfach nicht mehr punkten. Auf der Konsole wird man von sehr vielen Rucklern, auf dem Rechner von unerklärlichen Abstürzen geplagt. Obwohl weder großflächige Explosionen oder Dutzende Figuren zu sehen sind, gerät die Kamera beim Umschauen plötzlich in unansehnliches Stottern.

Ärgerlich bleiben auch einige KI-Aussetzer bei den Gegnern: Man kann während aktiver Gefechte einfach aus einem Raum rennen und wird nicht konsequent verfolgt. Die Feinde bleiben meist untätig in einem Flur stehen und warten, bis man sich in aller Ruhe einen Raum weiter geheilt hat. Auch die eigenen Recken brauchen manchmal eine Extra-Einladung, wenn es darum geht, nicht in Minen zu laufen oder überhaupt am Kampf teilzunehmen - hier ist immer etwas Babysitting nötig.

Bis auf kleine Inkonsequenzen in der Übersetzung (an manchen Stellen passen Sprachausgabe und Fließtext nicht zusammen; die erste Laufzeile des Intros kennt keine Substantive) erreicht die Lokalisierung ein hohes Niveau. Die Stimmen sind engagiert, spielen mit viel Gefühl und lassen die Charaktere sehr lebendig wirken - trotzdem erreicht man nicht die Ohrwurmqualität des ersten Teils. Auch die Musik setzt meist zum richtigen Zeitpunkt ein und kann mit ihrer orchestralen Kraft über viele optische Schwächen hinwegtrösten.        

Fazit

2003 habe ich gejubelt, aber 2005 bin ich für ein euphorisches Hurra zu ernüchtert. Festzuhalten bleibt: Das erste Rollenspiel des Jahres ist ein gutes! Es macht Spaß, es hat Tiefgang, es lädt zum Experimentieren ein. Gut oder böse? Raffgierig oder großzügig? Brutal oder gewitzt? Ihr bestimmt, wo es moralisch lang geht - inklusive köstlicher Streitereien und Zänkereien in der eigenen Gruppe. Festzuhalten bleibt aber auch: Sith Lords ist eher eine Erweiterung als ein neuer Teil - man hat einfach viel zu viele erzählerische und spielerische Déjà-vus. Da wäre der sehr ähnliche Einstieg, die sehr ähnliche Karriere sowie die frühe Klarheit des Plots. Doch selbst wenn man noch die technischen Mängel und den grafischen Stillstand auf die Kontrarechnung packt, bleibt unterm Strich immer noch ein actionreiches, erzählerisch gehaltvolles und unterhaltsames Abenteuer.

Pro

  • packende Kämpfe
  • lesenswerte Dialoge
  • Ausrüst-& Item-Paradies
  • interessante Charaktere
  • sehr gute Party-Interaktion
  • hohe erzählerische Qualität
  • mehrere Lösungsmöglichkeiten
  • orchestrale, dynamische Musik
  • viele neue Mächte, Waffen etc.
  • gut übersetzte Texte, gute Sprecher

Kontra

  • kein neues Spielgefühl
  • sehr fade Texturierung
  • schwache Verfolger-KI
  • störende Ruckler (Xbox)
  • unerklärliche Abstürze (PC)
  • Spielziel wird zu schnell klar
  • Story-Einstieg ähnelt Vorgänger
  • KI-Aussetzer der eigenen Leute
  • immer noch viele gleiche Gesichter
  • teilweise sehr leblose Kulisse

Wertung

PC

XBox

Klasse Dialoge, coole Party-Interaktion, aber zu viele Déjà-vus und Grafikstillstand. Gut, aber nicht mehr erstklassig.