ESPN NHL 2K5 - Test, Sport, XBox, PlayStation2

ESPN 2K5 kann gleich zwei fette Joker ausspielen: Erstens wurde der Vorgänger bereits im Winter 2003 mit satten 90 Prozent von uns zum Simulationsmeister ausgerufen und gilt für viele als Pro Evolution Soccer für Kufencracks. Zweitens kommt der Nachfolger erstmals zum halben Preis auf den Markt. Also ein Pflichtkauf mit Jubelgarantie? Die Frage hätte man mit einem inbrünstigen Ja beantworten können, aber es gibt eine bittere Pille: 2K5 bleibt offline.

Besser für die Hälfte?

Was schon bei ESPN NBA 2K5 schockierte, muss auch hier erstmal verdaut werden - immerhin konnte man letztes Jahr noch fleißig über Xbox Live um Tore kämpfen. Nachdem sich die amerikanische Profiliga im Streik verabschiedet hat, legt Visual Concepts also noch mal den Finger in die Wunde der Fans. Müssen wir jetzt jammern? Nur kurz. Denn selbst ohne die packenden Internet-Duelle kann man Konkurrent NHL 2005 in Sachen Simulationstiefe schlagen. Und selbst offline kommt auch mit Freunden enormer Spielspaß auf.

Das intensive Gefühl auf dem Eis entsteht aus der überzeugenden Verbindung von Puckphysik, Figurenverhalten, feiner Steuerung, Tempo und Verzögerung - das alle macht die Klasse von 2K5 aus. Ich komme dem echten Eishockey hier einfach einen entscheidenden Tick näher als mit NHL 2005. Dafür sollte man jedoch beim Schwierigkeitsgrad das Niveau tunlichst auf Pro anheben, damit man einem klug und druckvoll agierenden Gegners begegnet. Es gibt zwar noch Dutzende anderer Regler, aber die kann man getrost ignorieren, da die Voreinstellungen optimal sitzen - auch ein Vorteil gegenüber NHL.

Ist diese Version besser? Ja, denn sie ergänzt vor allem in der Offensive an den richtigen Stellen: Pass-Spiel, Täuschungsmanöver, Taktik. Und im Vergleich zum Vorjahr wirkt die Schussphysik knackiger: Erstens gehen Granaten von der blauen Linie öfter rein, zweitens gibt es mehr gefährliche Abfälscher. Es sind zwar nur Feinheiten, und Sega kann dem Update-Fluch hier ebenso wenig entkommen wie EA oder Konami, aber die Ergänzungen sind gut, verleihen dem Aufbau noch mehr Tiefe und: kosten nur die Hälfte. Man muss das noch mal betonen, denn diese Preispolitik im Sportbereich ist lobenswert.

Was gibt es Neues? Jetzt ist es z.B. möglich, neben schnellen Kurzpässen durch die eigenen Reihen auch kluge Doppelpässe einzuleiten. Hier hat man sich scheinbar von EAs Open-Ice-Steuerung inspirieren lassen, aber das Ergebnis ist intuitiver zu bedienen: Ihr könnt die Kontrolle des Puck-führenden Stürmers per Knopfdruck der KI überlassen und euch in der Zeit zum Schuss freiskaten - sobald ihr in Position seid, sorgt ein erneuter Knopfdruck für ein Zuspiel. Das Schöne ist: Sollte der Puck-führende KI-Spieler selbst eine gute Schussgelegenheit sehen, setzt er zum Schlagschuss an - je nach Fähigkeit mit mehr oder weniger Erfolg.

Außerdem sind neben eleganten Ausweich- und Lupf-Dekes sowie schnellen Stopps über den rechten Analogstick jetzt auch angetäuschte Schlagschüsse möglich: Da die KI auf diese Finten sehr realistisch reagiert, macht es einen Heidenspaß, die Pseudo-Kracher in letzter Sekunde in kluge Pässe umzuwandeln. Diese Manöver bereichern die Offensive und sorgen dafür, dass vor dem Tor noch mehr Spannung entsteht.

Die wird auch durch das dynamisch wachsende Power-Play der KI garantiert, die im letzten Drittel immer zu einem heißen Tanz bittet. Auf Pro-Niveau muss man auch in der Abwehr klug mit Checks, Gestocher und Zustellen spielen, um dem druckvollen Angreifen des Gegners Paroli zu bieten. Nur eine Schwäche zeigt die KI etwas zu oft: Sie lässt sich mit Powerplay ins Abseits drängen.

In der Verteidigung gibt es jetzt auch coole Notbremsen über den rechten Analogstick, die schon mal kurz vor dem Einnetzen des Stürmers den Ellbogen schmerzhaft singen lassen. Hinzu gekommen ist auch ein neuer Befreiungsschlag, mit dem man den Puck wesentlich wuchtiger in die Gegnerhälfte dreschen kann. Das ist vor allem in hektischen Situationen besser als der trägere Heber.

Auf dem Eis geht auch deshalb die Post ab, weil die Goalies einen Zahn zugelegt haben: Glanzparaden samt Hechtsprung sorgen vor dem Tor für Adrenalin, einfaches Rumgestocher vor dem Kasten führt seltener zum Erfolg. Und vor allem die unglaublich natürlichen wirkenden Schlag-, Skate- und Checkabläufe sind es, die in den Hochglanztempeln zum Zuschauen einladen: Wenn Profis im vollen Sprint plötzlich das Gleichgewicht verlieren und tänzelnd zu Boden gehen, oder wenn man den gegnerischen Stürmer mit Schmackes über die Bande auf die Auswechselbank schickt, kommt einfach Freude auf. Nicht zu vergessen das famose TV-Flair, das die beiden Kommentatoren Gary Thorne und Bill Clement mit viel Charisma und Fachwissen vermitteln.

Auch das Publikum sieht dieses Jahr wesentlich besser aus: keine groben Grafikfehler mehr, wohl modellierte und unterschiedliche Figuren. Visual Concepts zieht optisch alle Register und braucht sich nicht hinter EA zu verstecken. Ins Auge fallen sofort die neuen Mini-Bildschirme beim Bully, die den Stockkampf noch deutlicher fokussieren. Nur die leichten Ruckler, vor allem kurz nach Bullys, stören das Gesamtbild. Das ist jedoch insgesamt homogener als beim Basketball-Bruder ESPN NBA 2K5, weshalb wir hier auch nicht die Wertungsschraube nach unten ansetzen.

Wer braucht ein ausgeklügeltes Kampfsystem beim Eishockey? Kann man sich die Arbeit nicht gleich sparen und lieber in die Puckphysik, Dekes oder Animation investieren? 2K5 serviert euch jedenfalls ein komplett überarbeitetes Hauen, Würgen und Schmeißen, das freie Ringatmosphäre aufkommen lässt: Man kann fast durch die halbe Arena skaten und dem Gegner ausweichen. Realistisch ist das sicher nicht, für den Spielspaß eher unerheblich, aber eine klare Steigerung gegenüber dem statischen Gekloppe aus dem Vorjahr.

Neues Kampfsystem

Um einiges interessanter als das Boxen dürfte die überwältigende Vielfalt an Spielmöglichkeiten sein: Mal abgesehen davon, dass man über 100 Goodies für den Trophäenraum freischalten kann, kommen sowohl Karriere- als auch Kurzzeitskater auf ihre Kosten. Vor allem Manager dürfen sich die Hände reiben: Der Franchise-Modus wurde mit fein abstimmbaren Verträgen, großem Trainerstab, findigen Scouts bis hin zu unteren Ligen sowie langfristigen Spielerentwicklungen komplett überarbeitet. Wer sich richtig in ein Team reinknien will, wird hier für Monate beschäftigt.

Aber auch für Spaß zwischendurch ist gesorgt. Denn hinzu kommen wieder zig knifflige Übungsparcours, 1-gegen-1-Duelle, Turniere, NHL-Dreamteam-Matches sowie der neue Party-Modus, der euch mit bis zu vier Freunden in 15 witzigen Disziplinen um Punkte antreten lässt: Wer ist King of the Rink? Wer skatet, schießt und reagiert am besten? Alle Teilnehmer kämpfen hier in skurrilen Games: Z.B. um einen Puck auf ein Tor, oder drei jagen einen über eine Hindernisstrecke oder alle versuchen dem "Checker" zu entkommen - die letzte Person, die gecheckt wurde. Hier ist Wettkampfstimmung garantiert!