Fight Night Round 2 - Test, Sport, XBox, PlayStation2, GameCube

Fight Night Round 2
23.03.2005, Jörg Luibl

Test: Fight Night Round 2

Blut, Schweiß und Knockouts. Wer dieses Jahr beim Boxen in der ersten Reihe sitzen will, kommt nicht um Fight Night Round 2 (ab 47,00€ bei kaufen) herum. Wir sind mit dem beeindruckenden Sportspiel von Electronic Arts in den Test-Ring gestiegen, haben Haymaker wie Heu gemäht, zwei Pads schrottreif gezockt und trotz kleiner Schwachpunkte und fehlendem Online-Modus ein großes Spektakel erlebt. Ring frei!

Eigentlich lief acht Runden alles nach Plan: Die Jabs stachen wie Bienen, die Haken landeten perfekt, die Deckung saß faustdicht. Und das alles ohne Button-Gehämmer, sondern herrlich intuitiv über die Schultertasten und die beiden Analogsticks. EA hat am erstklassigen Schlagsystem festgehalten, das euch gezieltes Kontern und Decken ermöglicht - Taktik, Timing und Auge sind gefragt.

Die Kulisse wirkt lebendig, kann aber nicht ganz mit der Ringpracht mithalten. (PS2)
Und diesmal sieht alles noch realistischer, noch lebensechter aus: Egal ob Xbox, GameCube oder PS2 - der Schweiß läuft in Echtzeit, die Sixpacks glänzen fitnessfrisch, die Muskeln zucken mit jeder Faser. EA fackelt mit blutunterlaufenen Augen, geplatzten Lippen und grazilen Bewegungen fast ein fotorealistisches Boxfest ab.

Alles unter Kontrolle

Die Kulisse muss allerdings etwas Federn lassen, denn Zuschauer und Arenen sehen im Vergleich zum Ringshowdown etwas fade aus. Und selbst dort zeigen sich auf allen Konsolen einige hässliche Clippingfehler, wie z.B. Fäuste, die eindeutig durch die Hüfte oder Arme der Polygonfigur jagen.

Das sieht natürlich gerade in den Wiederholungen übel aus und raubt der ansonsten blitzsauberen Präsentation etwas von ihrer Faszination. Auch die herrlich emotionalen englischen Kommentare, die sich dynamisch an die Boxsituation anpassen, nutzen sich auf Dauer ab. Trotzdem inszeniert EA den Sport auf höchstem Niveau - optisch und akustisch. Vollkommen unverständlich ist allerdings, dass Europa mal wieder offline bleiben muss, während in Übersee Fäuste über Xbox Live & Co fliegen.

Aber zurück zum Kampf: Auf den Punktzetteln der Ringrichter musste ich klar vorne liegen. Ich habe den Gegner bisher mit Geraden und guter Beinarbeit kontrolliert. Und körperlich? Alles fit: Die Schwellung über dem rechten Auge hielt sich in Grenzen, die Blutung des kleinen Cuts ließ sich mit ein paar Wattestäben stillen. Sehr komfortabel: Man hat immer die

Da spritzt der Schweiß, da kracht die Backe - im Ring herrscht fast Fotorealismus- (Xbox)
Möglichkeit, die Wunden automatisch oder manuell per Stick zu behandeln. Allerdings ist letztere Methode wesentlich effektiver und leicht erledigt: Einfach mit dem Stick einem Pendel an den verletzten Stellen folgen, schon sinkt der numerische Schadenswert.

Die neunte Runde

Nur noch schön die Fäuste hoch, kleine Treffer landen und der Sieg ist mein! Und da man sich jetzt auch gleichzeitig bewegen und decken bzw. schlagen kann, hat auch die Defensive an Dynamik gewonnen. Dieses Jahr spielt sich Fight Night nicht unbedingt anders, aber eindeutig flüssiger. Doch dann kam die ominöse neunte Runde...

Mein Gegner hatte nur noch eine Chance: den Lucky Punch, den Knockout. Ich wusste es. Er wusste es. Die Zuschauer wussten es. Er setzte den linken Jab, ich die rechte Deckung. Er setzte den rechten Haken, ich die linke Deckung. Aber dann täuschte er plötzlich links an, ließ aber fieser Weise rechts einen Schwinger krachen - das Geräusch seiner Landung erinnerte an berstende Billy-Regale. Autsch.

             

Ich taumelte, es hagelte Schläge und meine Energieleiste sah aus wie ein elendes Tröpfchen. Plötzlich verschwimmt die Kamera, ich sehe alles in Zeitlupe und höre die Zuschauer wie aus weiter Ferne rauschen. In dieser verlangsamten

Das tut gut! Die Ringecke verarztet nach jeder Runde; entweder automatisch oder manuell. (PS2)
Herzschlagfrequenz, dem großen dramaturgischen Highlight von Fight Night Round 2, muss der Angreifer versuchen, den Angeschlagenen mit ein paar Treffern auszuknocken - Spannung pur! Gerade diese Momente sind es, die vor allem mit Freunden für Nervenkitzel sorgen.

Es hagelt Haymaker

Es gibt nur noch zwei Rettungen: schnell weg oder klammern! Diese neue Rettungsaktion bringt nicht nur wertvolle Energie, sondern auch authentischen Wind ins Spiel. Aber kurz bevor ich den Gegner umarmen kann, serviert er mir einen linken Uppercut, einen schweren Schlag mit Ankündigung, der im Amerikanischen seit 1912 den morbiden Namen Haymaker ("Heumacher") trägt. Das reimt sich nicht nur auf Undertaker, das fühlt sich auch so an. 

Dahinter verbirgt sich eine besonders wuchtige Technik, bei der der Boxer bei Haken und Uppercuts weiter als üblich mit dem rechten Analogstick ausholt, bevor er zuschlägt. Wer jetzt eine Superschlagorgie befürchtet, kann aufatmen, denn die Spielbalance wird durch zwei Nachteile gewährt: In dieser Ausholsituation ist die eigene Deckung offen wie ein Scheunentor. Und verpufft der Versuch, geht auch noch wertvolle Kraft verloren. Aber der Vorteil ist: Sitzt der Haymaker, wird der Gegner kräftig durchgeschüttelt und taumelt, kann sogar direkt KO gehen. So wie ich…

Ich gehe zu Boden, mein Mundschutz fliegt zusammen mit blutroten Spritzern raus und die Regie zeigt die entscheidenden Schläge noch mal in Superzeitlupe, die selbst Schweißtropfen einfängt - schmerzhaft, aber herrlich anzusehen! Dann erscheint der Ringrichter und zählt mich an, während ich verzweifelt versuche, zwei wild wandernde Kreise auf die Mitte zu bringen - das erfordert in der neunten Runde wesentlich mehr Konzentration als zu Beginn. Ich gebe alles, aber schaffe es nicht rechtzeitig: Knockout, das Spiel ist aus. In den ausführlichen Statistiken kann ich nach dem Kampf wenigstens noch Schwarz auf Weiß nachvollziehen, dass ich nach Punkten vorne lag. Aber das ist meinem jubelndem Gegner schnurzpiepegal...

Am Boden zerstört

Ali am Kombo-Dummy: Ihr müsst streng die vorgegebenen Ziele abboxen. (Xbox)
Sinnvolle Neuerungen

Fight Night Round 2 bietet neben dem Klammern, dem Haymaker, der Ringeckenverarztung sowie dem gleichzeitigen Bewegen und Decken bzw. Schlagen noch eine weitere sinnvolle Neuerung: den technischen KO. Wer sich sein Gesicht in eine Kraterlandschaft verwandeln und nicht rechtzeitig den Cutman walten lässt, muss ebenso mit einem frühzeitigen Kampfabbruch durch den Ringrichter rechnen wie ein Boxer, der zu viele klare Treffer einsteckt, ohne sich zu wehren. Insgesamt wirkt das Boxen dadurch authentischer als im Vorjahr, obwohl immer noch die Einbindung der Ringseile als Pendelmöglichkeit fehlt.

Aber es ist weit weg von einer Simulation, sondern verströmt aufgrund vieler freischaltbarer Bonusfeatures immer noch Arcade-Gefühl: Schuhe machen euch schneller, Hosen ausdauernder, Boyhandschuhe kräftiger. Das Schöne ist, dass ihr so gezielt eure Schwächen in den Statistiken ausgleichen könnt. Wer viel Kraft, aber wenig Schnelligkeit hat, kann sich gegen harte Dollars aufpumpen. Das Bonussystem geht dieses Jahr so weit, dass sogar die Art der Einspielmusik und die Babes in eurem Gefolge direkten Einfluss auf eure Werte haben.          

Das Problem ist nur: Diese acht Attribute wirken sich nicht spürbar auf den Boxstil aus. Klar kann ein schnellerer Mann besser seine Jabs anbringen und eine Top-Ausdauer lässt euch länger hart zulangen. Aber alle Boxer der fünf Gewichtsklassen spielen sich fast gleich - es fehlt ihnen an Charakter und Eigenheiten. Man vermisst eine größere Vielfalt bei

Na, wer erkennt diesen linkischen Blondschopf? (GC)
der Beinarbeit, etwa den Ali-Shuffle oder tänzelnde Doppelschritte, sowie individuellere Schläge. Das größte Problem im Einzelspielermodus sind diese kleinen Wiederholungserscheinungen, die sich auch in den spektakulären, aber an einer Hand zählbaren Knockout-Sequenzen zeigen.

Sinnvolle Wünsche

Im Laufe der Karriere, die ihr entweder mit einem selbst erstellten oder vorhandenen Kämpfer bestreiten könnt, ähneln sich alle Kämpfe und Kämpfer. Es gibt zwar Rechts- und Linksausleger, schnelle und behäbige Boxer, Knockoutsucher und Taktierer, aber man kann sie fast alle mit derselben Methode zu Fall bringen. Das liegt auch daran, dass die KI immer noch etwas zu leicht zu durchschauen ist und nie spürbar auf den eigenen Stil reagiert. Deshalb sind Kenner des Vorgängers schneller Amateurweltmeister und unter den Top 20 der Profirangliste, als man trainieren kann. Knifflig ist nur, das die Gegner hier länger durchhalten und einfach bessere Statistiken haben, die man sich erst antrainieren muss.

Schade ist auch, dass das Aufgebot der vorhandenen Profis zum einen fast nur aktuelle oder pensionierte amerikanische Puncher bietet und zum anderen gerade im Schwergewicht stark an das Vorjahr erinnert: Ali, Byrd, Liston, Holyfield, Jones, Toney. Warum gibt es keine europäischen Athleten? Warum kann man sie nicht wenigstens freischalten? Immerhin ist der Editor so komfortabel zu bedienen, dass man sich schnell seine Klitschkos, Ottkes und Schmelings basteln kann. Zwar vermisst man hier etwas mehr Vielfalt in Sachen Frisuren, aber dafür lassen sich Muskeln und Gesichtszüge wunderbar anpassen.

Boxer made in USA

In der Top 10 der Profiliga gewinnen die Kämpfe endlich an Brisanz, da euch die Gegner öfter mit wuchtigen Haymakern und Kombinationen eindecken. Aber die Karriere ist für Einzelspieler auf Dauer auch deshalb zu eintönig, weil ihr die Dramatik fehlt. Es werden keinerlei Geschichten um eure Boxer gestrickt, sondern es geht einzig darum, schnell Kohle und die zwölf Trophäen zu sammeln, damit man vor dem Kampf gezielt in neue Trainer, Cutmen, Babes und Ausrüstung investieren kann.

Ein 2D-Schock zum Freispielen: Super Punch-Out für den GameCube. (GC)
So wirkt das ganze Drumherum recht austauschbar. Es kommt keine emotionale Stimmung à la Rocky auf, alles wirkt nach außen hin prächtig, aber recht steril. Vielleicht hätte es geholfen, wenn man wenigstens einen Trainer gehabt hätte, der einen auf dem Weg zur Spitze mit weisen Ratschlägen begleitet? Vielleicht noch ein Erzfeind? Eine Beziehung? Das sind alles wünschenswerte erzählerische Happen, die der Karriere mehr Seele eingehaucht hätten.

Apropos Training: Im Gegensatz zum Vorgänger könnt ihr jetzt gezielt drei Methoden der Vorbereitung wählen, die immer einen Pool an Fähigkeiten verbessern: Sandsack, Kombo-Dummy und Gewichtheben. Diese Minispiele sind gut ausbalanciert und unterhaltsam, können aber auf Wunsch übersprungen werden. Wer sich für automatisches Training entscheidet, kann aber sein fettes Wunder erleben: Wir haben Roy Jones aggressiv Kraft trainieren lassen und aus dem vorher drahtigen Boxer wurde einer mit unrealistischer Wampe. Auch hier zeigt Fight Night eher Arcade- als Simulationscharakter. Spaß macht's trotzdem.

Knackiges Training

           

Fazit

Kann sich eine Redaktion innerhalb von zwei Minuten in eine Arena verwandeln? In einen brodelnden Hexenkessel voller Jubeljauchzen und Fluchgezeter, voller Blut und Schweiß? Ja. Einfach Fight Night Round 2 ins Laufwerk schmeißen und ihr sitzt in der ersten Boxreihe. Selbst das Zuschauen macht aufgrund der packenden Zeitlupen und der lebensecht animierten Athleten einen Heidenspaß. Jeder Jab, jeder Haken, jeder Knockout wird von der Kamera in einem fotorealistischen Pixelfest zelebriert - die Präsentation ist fernsehreif, das Kampfgefühl aufgrund des neuen Haltens und Verarztens noch authentischer. Leider kann der Einzelspielermodus nicht ganz an die Faszination der Multiplayerduelle anknüpfen, weil sich die Karriere auf Dauer etwas zu eintönig und für Kenner zu leicht spielt: den gegnerischen Boxern fehlt es an Profil, die KI ist leicht durchschaut, es gibt keine Story-Dramatik. Auch die vereinzelten Clippingfehler in den Wiederholungen sowie die im Vergleich zum Ringrealismus etwas fade Zuschauerkulisse bilden kleine Schwachpunkte. Ein großer ist jedoch das Fehlen des Online-Modus. Warum verwehrt man Europäern diese fette Multiplayer-Delikatesse? Immerhin dürfen GameCube-Boxer jubeln: Die bekommen als exklusive Zugabe sowohl den SNES-Klassiker Super Punch-Out als auch seinen Helden Little Mac als freischaltbaren 3D-Boxer.

Pro

  • cooler Soundtrack
  • sehr gutes Kontersystem
  • atemberaubende Zeitlupen
  • hervorragende Animationen
  • fast fotorealistische Boxer
  • Cuts & Schwellungen behandeln
  • komfortable Automatismen (Training & Behandlung)
  • intuitive Schlagkontrolle
  • technische KOs möglich
  • sehr mächtiger, komfortabler Editor
  • viele freispielbare Items, Arenen
  • gezieltes Training möglich
  • gleichzeitig bewegen & kämpfen
  • neues Klammern, wuchtige Haymaker
  • ausführliche Statistiken, mächtiger Editor
  • Super Punch-Out dabei (GC)
  • Little Mac aus Super Punch-Out als 3D-Boxer (GC)

Kontra

  • böse Clippingfehler
  • berechenbare KI
  • keine europäischen Boxer
  • recht fade Zuschauerkulisse
  • Karrierestart ist zu einfach
  • kein Online-Modus in Europa
  • Karriere auf Dauer ohne Dramatik
  • Training kann seltsame Auswirkungen haben
  • Kampfanimationen und Stile gleichen sich
  • Kommentare wiederholen sich
  • Ringseile spielen keine Rolle
  • nur ein freischaltbarer Boxer (Xbox, PS2)
  • keine deutsche Sprachausgabe

Wertung

XBox

PlayStation2

GameCube

Ganz großes Boxen. Die Karriere kann zwar nicht an das Multiplayer-Adrenalin rankommen, aber die Fights sind spektakulär.