Guild Wars - Test, Rollenspiel, PC
Obwohl Guild Wars ein reinrassiges Online-Rollenspiel ist, verzichten NCsoft und Arena.net auf eine Kleinigkeit, die bislang jedes Spiel im Genre ausgezeichnet hat: monatliche Gebühren. Trotzdem soll der Support nicht zu kurz kommen und mittlerweile wurden schon zahlreiche Nachbesserungen vollkommen unauffällig eingebaut und wird auch in Zukunft soll immer wieder für zusätzliche Inhalte und weitere Verbesserungen gesorgt werden.
Auch spielerisch muss man sich trotz des scheinbar "billigen" Ansatzes nicht hinter den derzeitigen Schwergewichten verstecken: Lässt man die PvP-Möglichkeiten außer Acht und nutzt die Möglichkeit, seine Party während der Kampagne nicht mit menschlichen Spielern, sondern mit NPCs zu füllen, hat man ein Spiel, das umgehend Offline-Flair entfaltet und als dreidimensionaler Nachfolger des Blizzard Klassikers Diablo durchgehen könnte – ein Titel, an dem zahlreiche Mitglieder des Arena.net-Teams mitgearbeitet haben.Wie? Keine Gebühren?
Wer sich als "Handbuch-Leser" outet hat eindeutig mehr vom Spiel. Denn in Buch 1 der vorbildlichen Dokumentation wird ein Großteil der Geschichte Ascalons dargestellt. Im Spiel selber hingegen klickt man doch häufiger die teilweise umfangreichen Erzähltexte weg – so dass man die im Kern zwar meist plakative, aber stimmungsvoll erzählte "Gut-Böse"-Story nicht richtig wahr nimmt.
Ascalon in Gefahr
Wie es sich für ein Fantasy-Action-Spektakel gehört, steht vor der Weltrettung erst einmal die Wahl der Klasse, die euer digitales Alter Ego führen wird. Dass im Vergleich zu WoW oder EQ2 nur eine Rasse (Menschen) angeboten wird, kann Guild Wars durch das duale System wieder weitestgehend kompensieren: Denn jede der sechs Grundklassen (Kämpfer, Bogenschütze, Heiler, Elementarmagier, Nekromant und Mesmer) lässt sich mit einer anderen kombinieren, so dass im Endeffekt satte 30 Typen möglich sind.
Um so mehr, wenn ihr mit einer rein menschlichen Gruppe unterwegs seid. Es hilft ungemein, wenn sich die Zauber von z.B. Magiern und Nekromanten ergänzen, anstatt vielleicht entgegen gesetzte Wirkungen hervorzurufen. So kommt umgehend ein taktischer Aspekt ins Spiel, der bei den pompösen PvP (Spieler-gegen-Spieler)-Auseinandersetzungen ins schier Unermessliche ausufern kann. Ein gut eingespieltes Team, das seine jeweiligen Fähigkeiten aufeinander abgestimmt hat, hat in den Arena-Kämpfen fast schon gewonnen…
Wer nicht erst mit Schweiß, Blut und Tränen in der umfangreichen Kampagne seinen eigenen Charakter von Stufe 1 auf Stufe 20 bringen möchte, kann sich auch sofort eine High-Level-Figur anfertigen. Diese ist dann allerdings nur in den PvP-Arenen einsetzbar und hat natürlich auch nicht den gleichen Identifikationsgrad wie ein Charakter, den man durch alle Schlachten und Widrigkeiten hindurch aufgepäppelt hat.
Entschließt man sich hingegen, seine Figur durch die Geschichte zu leiten, bekommt ihr im Prolog ein starkes Tutorial präsentiert, das euch im idyllischen Ascalon durch alle spielerischen Aspekte lotst. Angefangen von den ersten Quests über das actionreiche Kampfsystem, das Anpassen von Gegenständen, das Herstellen von Waffen bis hin zum Teleport in bereits besuchte Städte lernt ihr alles kennen.
Hack&Slay lässt grüßen
Wie man es bei einem Spiel aus den Händen von Ex-Diablo-Machern erwarten kann, lassen die Feinde nach dem Ableben häufig Geld und Gegenstände fallen, von denen ihr z.B. die Waffen gegen eine kleine Gebühr auf euch anpassen könnt. Das Ergebnis: sie richten in euren Händen mehr Schaden an, lassen sich aber von niemand anderem mehr benutzen.
Und auch, wenn der Manapool recht klein scheint, braucht ihr keine Bedenken zu haben, irgendwann vollkommen ohne Zauber auskommen zu müssen. Denn so klein er auch ist, so schnell füllt er sich auch während des Kampfes wieder auf.
Trotzdem sollte man mit seinen Spezialfähigkeiten haushalten und mit taktischem Kalkül kämpfen, denn wenn ihr gegen mehrere Gegner gleichzeitig antreten müsst, zieht ihr doch häufig den Kürzeren.
Wenn ihr die Gegenstände nicht verkaufen wollt, könnt ihr sie auch mit einem Bergungs-Werkzeug in Rohstoffe umwandeln. Diese wiederum sind nötig, um z.B. beim Rüstungsschmied neue Klamotten für euch anfertigen zu lassen. Diese Vereinfachung allseits üblicher Crafting-Systeme kommt dem actionlastigen Spielprinzip zu Gute, da ihr eure Zeit nicht in Labors oder Werkstätten, sondern in der Welt von Ascalon zubringt, die riesige Welt erkundet und an der Geschichte teilhabt.
Entscheidet ihr euch irgendwann dazu, den Prolog zu beenden (ein Lob an die Entwickler, dass man nicht dazu gezwungen wird!), lernt man ein düsteres Ascalon kennen, das deutlich vom mittlerweile stattgefunden Krieg gekennzeichnet ist und in dem die Geschichte erst richtig in Fahrt kommt.
Ende der Idylle
Gleichzeitig wird hier ein neues Feature eingeführt, das vor allem den Spielern entgegen kommt, die nur selten mit Freunden spielen. In den strategisch gut verteilten Städten warten NPCs in verschiedenen Klassen und Stärken darauf, von euch rekrutiert zu werden. Anfangs könnt ihr zwar nur drei dieser Gefährten mitnehmen, um euch im Kampf zu unterstützen, doch später kann die Gruppe aus bis zu acht Recken bestehen, um auch den größten Widrigkeiten zu trotzen.
Durch diese Idee bekommt das Spiel Offline-Charakter – ebenso wie durch die Tatsache, dass außerhalb der Städte, in denen alle Spieler zusammen kommen, die Außengebiete als so genante "Instanz" ablaufen. Das bedeutet, dass das gesamte weitläufige Gebiet nur für euch und eure Gruppe (egal ob menschlich oder CPU-gesteuert) geöffnet wird. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Ihr braucht keinerlei Angst haben, dass euch irgendwelche anderen Spieler evtl. wichtige Monster vor der Nase weg töten.
Nicht alles optimal
In einem bleibt aber auch Guild Wars allen Online-Rollenspielen treu: kleinere Mankos und Mini-Bugs verhindern den Sprung in höhere Wertungsregionen. Doch ebenso gilt, dass Arena.net mit dem Streaming-System eine fantastische Möglichkeit hat, Probleme auszumerzen. Dazu gehört z.B., dass euch auf dem Weg durch die Botanik auch Monster, die weit unter eurem Level liegen und damit keine Herausforderung darstellen, weiter angreifen. Hier sind WoW und EQ2 weiter, da bei diesen beiden Kandidaten kleinere Gegner keine Aggression euch gegenüber zeigen.
Da ihr bei Guild Wars für diese Auseinandersetzungen keine Erfahrungspunkte mehr erhaltet und die von den Besiegten fallen gelassenen Gegenständen auch eher für Charaktere unterer Stufen geeignet sind sowie die meist minimalen Goldbeträge kaum ins Gewicht fallen, entpuppen sich diese Gefechte nur als zeitraubend und als Stolperstein auf dem Weg zum Platin.
Gleiches gilt für die immer wieder mit Aussetzern agierende KI der CPU-Mitläufer: Während die Mitstreiter bei Angriffen meist gut reagieren, sind sie in der Defensive nicht so clever. Vor allem die Heilerin macht immer wieder unangenehm auf sich aufmerksam. Mal heilt sie vollkommen wahllos, anstatt sich das Gruppenmitglied auszusuchen, das in Gefahr ist. Und ein anderes Mal hat sie sich irgendwo auf dem Weg verabschiedet und steht überhaupt nicht zur Verfügung. Ergebnis: eure Party wird hoffnungslos aufgerieben.
Das ist um so ärgerlicher, wenn man kurz vor dem Questziel war. Aber letztlich wirkt der kurz aufkeimende Frust nicht so schwer, dass man vor einem erneuten Anlauf halt macht – was wiederum der beständig hohen Motivation zuzuschreiben ist.Auch die Interaktion mit den KI-Gruppenmitgliedern lässt stark zu wünschen übrig. Dabei meine ich jedoch nicht Zwiegespräche oder charakterliche Features wie z.B. in Knights of the Old Republic (auch wenn damit die Atmosphäre für vornehmlich einzeln spielende Helden massiv gesteigert würde). Aber leichte taktische Marschrouten wären schon wünschenswert. Denn wenn man der KI vorgeben könnte, sich ab sagen wir mal 50% der Lebensenergie etwas aus dem Kampfgeschehen zurückzuziehen oder wenn man der Heilerin sagen könnte, sich nur auf die Defensive zu konzentrieren, könnten auch Einzelspieler die taktische Komponente stärker nachvollziehen, die sich in einer rein menschlichen Gruppe bildet.
Ähnlich spartanisch ist die Kommunikation, die z.B. der Bogenschütze mit seinem "Pet" nutzen kann: Zwar kann man den Namen seines Gefährten ändern, doch ansonsten bleibt auch hier Funkstille, wenn es um Marschrichtungen oder Angriffsverhalten geht – schade, aber vielleicht schafft Arena.net hier noch wünschenswerte Abhilfe.
So schön und atmosphärisch die Umgebung auch ist, kommt es immer wieder vor, dass ihr vollkommen unerwartet an kleine unsichtbare Grenzen stoßt, die auf Teufel komm raus nicht überschritten werden können. Mal lässt sich eine kleine Erhebung problemlos überschreiten, ein anderes Mal lauft ihr im wahrsten Sinne des Wortes gegen eine Wand, obwohl eigentlich kein großer Unterschied zu sehen ist.
Die ersten Stunden in Ascalon werden von einer traumhaften Fantasy-Welt geprägt: Strahlend blauer Himmel, saftige Wiesen, herab stürzende Wasserfälle, verschneite Gebirgsketten. Die Idylle nimmt kein Ende und wirkt dank kleiner Animationenen am Rande wie z.B. vorbei fliegende Schmetterlinge oder sich sanft im Wind wiegende Gräser sehr stimmungsvoll.
Doch dieses kleine Problem passiert letztlich zu selten, um wirklich negativ auf den Spielspaß drücken zu können – auch wenn die Atmosphäre darunter etwas leidet.
Prachtvolle Optik
Auch das Design der Figuren kann sich sehen lassen: Angefangen von den Recken, die um das Überleben Ascalons kämpfen bis hin zu den abwechslungsreichen fantasievollen Gegnern fackelt Guild Wars ein Grafik-Feuerwerk ab, bei dem nur die ab und an abgehackten Animationen auf der Qualitätsskala etwas nach unten ausbrechen. Dafür gibt es während der Kämpfe – und da vor allem beim Einsatz von Magie – ein Effektstakkato, das die Netzhaut verwöhnt: Brandpfeile zischen durch die Gegend, ein Flammenregen prasselt auf die Gegner nieder und mittendrin steht ihr und versucht angesichts der Reizüberflutung einen kühlen Kopf zu bewahren.
Dem gegenüber steht die fast schon biedere Soundkulisse, bei der die stimmungsvoll getragenen Melodien zwar wunderschön im Hintergrund säuseln, der übliche Schlachtenlärm sich aber nur auf einem durchschnittlichen Niveau bewegt. Passend wiederum ist die leider viel zu selten zum Einsatz kommende Sprachausgabe.
Fazit
Guild Wars erobert als Online-Rollenspiele etwas Ungewöhnliches: einen Singleplayer-Award. Denn das Team von Arena.net hat es geschafft, mit den instanzierten Außenabschnitten und der Möglichkeit, sein Abenteuer-Team auch aus NPCs zu rekrutieren eine reiche Rollenspielwelt zu kreieren, deren Story auch für Einzelspieler mehr als interessant ist – zumal keine monatlichen Kosten wie bei der Konkurrenz anfallen. Zwar kann man nicht den erzählerischen Umfang eines Morrowind oder das Party-Management eines Knights of the Old Republic erwarten, doch auch wenn man nur selten mit Freunden durch die Lande zieht, stellt sich schnell das Gefühl ein, Diablo in 3D zu spielen – was nicht verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass sich das Team u.a. aus Ex-Blizzard-Leuten zusammensetzt.
Noch größer ist der Spaß allerdings mit Freunden: Zum einen ist man dann nicht auf die leveltechnisch unter euch liegenden Mitläufer angewiesen, zum anderen kann man mit menschlichen Mitspielern kommunizieren und nicht zuletzt rufen auch die spannend in Szene gesetzten PvP-Kämpfe zu den Waffen. Hier entscheidet die gezielte Abstimmung der mehr als 150 Skills über Sieg und Niederlage und bringt damit ein taktisches Element ins Spiel. Selbst kleinere Macken wie die Monster aus niedrigen Stufen, die euch ungeachtet eures hohen Levels angreifen sowie die unerklärlichen Begrenzungen in manchen Abschnitten mindern den Spielspaß nur unwesentlich. Kurzum: wer nach einer kostengünstigen Alternative im Online-Rollenspiel-Bereich sucht, wird um Guild Wars nicht herum kommen.
Pro
- <P>
- Online-Spiel mit Offline-Flair
- Dual-Klassen-System mit 30 Kombinations-Möglichkeiten
- spannende PVP-Auseinandersetzungen
- nette Story
- umfangreiche Spielwelt
- fantastische Effekte
- stimmige, abwechslungsreiche Grafik
- mehr als 150 Skills pro Klasse
- haufenweise Quests
- taktische Kämpfe
- Story auch solo spielbar
- internationale Community
- multilinguales Spiel
- keine monatlichen Abo-Kosten
- guter Support
- stabile Server
- innovative Streaming-Technologie</P>
Kontra
- ab und an abgehackte Animationen
- unerklärliche Levelgrenzen
- KI der Mitläufer nicht immer optimal
- kein Partymanagement
- nur eine Rasse
- Low Level-Monster greifen hochstufige Charaktere an (keine Erfahrung, unnötiger Zeitverlust)