Juiced - Test, Rennspiel, XBox, PC, PlayStation2
&eine Software-Schmiede namens Acclaim, die auf der E3 2004 ein viel versprechendes Rennspiel präsentierte, das allerdings trotz eines interessanten Konzeptes u.a. mit einer total vermurksten Steuerung zu kämpfen hatte. Der Name dieses Spieles? Juiced!
Es war einmal&
Eines vorweg: Wer bei Juiced ähnlich den Genre-Vorreitern Midnight Club und NfS Underground 2 eine frei befahrbare Stadt erwartet, sollte die Handbremse lieber ziehen, den Sicherheitsgurt lösen, aussteigen und die Disc aus dem Laufwerksschacht entfernen.
Zurück zu den Wurzeln
Doch dann würde euch ein durchaus unterhaltsamer, schneller und spaßiger Tuning-Raser durch die Finger schlüpfen. Denn trotz seiner im Endeffekt etwas minimalistischen Präsentation sowie der puren Konzentration auf festgelegte Rennstrecken sowie dem obligatorischen Abstecher in den Tuning-Shop entwickelt Juiced seinen Reiz.
Aber wie sieht es mit einem durchdachten Respekt-System aus? Könnte das euer Interesse wecken? Oder vielleicht die Aussicht, auch in der Einzelspieler-Karriere mit einer eigenen Crew durch Angel City zu brettern und im Zweifelsfall sogar in bester B-Spec-Manier nur Anweisungen zu geben? Na? Pocht das Rennspiel-Herz etwas schneller?
Dafür sorgen allerdings nicht die lizenzierten Fahrzeuge und Tuningteile - das bietet die Konkurrenz auch.
Respekt, Mann!
Das sollte es auch, denn diese beiden Features geben Juiced genau das innovative Fleisch auf die altbekannten Knochen, um es konkurrenzfähig zu machen.
Bevor ihr jetzt die Hände über dem Kopf zusammen schlagt und abwinkend Son Blödsinn! Das ist mir zu kompliziert! ruft, können wir Entwarnung geben: Das Respekt-Prinzip ist genau so schnell verinnerlicht wie die eingängige Steuerung, die einen gekonnten Spagat zwischen direktem Arcade-Fahrverhalten und Simulationsansätzen meistert, bei dem ihr euch auch mal mit durchdrehenden Reifen am Ende des Pulks wieder finden könnt.
Doch zurück zum Respekt: Nahezu jede Aktion, die ihr in der Werkstatt, beim Autohändler als auch vor allem im Rennbetrieb durchführt, hat Auswirkungen. Wenn ihr z.B. vor dem Rennen mit einem anderen Fahrer eine Wette eingeht, könnt ihr den Respekt pushen, wenn ihr ein hohes Risiko geht. Dass der Schuss natürlich auch nach hinten losgehen kann, wenn ihr verliert, ist selbstverständlich.
Wenn ihr es schafft, mit einem großen Vorsprung zu gewinnen, steigt euer Ansehen ebenfalls. Im Gegenzug müsst ihr allerdings aufpassen, dass dies nicht zu Lasten der anderen Fahrzeuge geht: Beschädigt ihr bei gewagten Überholmanövern die Karren der anderen Fahrer, nehmen diese euch das übel und euer Respekt sinkt - ganz zu schweigen von den teilweise horrenden Reparaturkosten für euer Fahrzeug!
Der Clou: Bei bestimmten Respekt-Werten werden Privilegien freigeschaltet. Anfangs könnt ihr euch als Zuschauer bei den Rennen anderer Clubs herum drücken, dann könnt ihr selber mitfahren und sogar die anderen Auto-Fanatiker zu einem Duell um ihren Schlitten fordern. Aber hier ist ebenfalls Vorsicht angesagt: Verliert ihr, ist euer hoch gezüchteter PS-Protz für immer verloren und der Respekt geht in den Keller.
So werden die Gebiete, in denen ihr euch auf dem Asphalt beweisen könnt, nach und nach immer zahlreicher und der Autohändler hat immer mehr Karossen zur Auswahl (neu und gebraucht). Vor allem der erste Punkt ist auch bitter nötig, denn in punkto Streckenvielfalt ist Juiced nur noch gerade mal so auf dem Podiumstreppchen zu finden. Viel zu schnell hat man die Kurse eines Stadtteils gesehen und auch das gespiegelte Fahren ist keine ausreichende Hilfe, um die Strecken aufzustocken. Doch nimmt man alle Gebiete zusammen, kommt man auf eine ansprechende Auswahl, so dass sich der anfängliche Frust schnell relativiert.
Im Laufe des Spieles bieten sich euch andere Fahrer über Mobil-Telefon an, die ihr in eure Crew aufnehmen könnt. Und damit bekommt Juiced einen ganz neuen Motivationsschub: Da jeder Fahrer seine eigenen Statistikwerte hat und diese durch Fahrpraxis gefördert werden, ist bei den Rennen eine leichte strategische Planung angesagt. Gehe ich selber an den Start oder lass ich einen meiner Schergen fahren? Wenn ich alle Rennen egoistisch für mich beanspruche, stehe ich spätestens dann blöd da, wenn in Zweierteams gefahren wird und mein Co-Fahrer in etwa so verkehrssicher ist wie Stevie Wonder…
Deine Crew, deine Regeln
Die verschiedenen Wettbewerbe (Rundkurs, Von-A-Nach-B, Sprint (entspricht dem Drag aus NfSU2) und Angeben) sind in einem übersichtlichen Kalender aufgeführt und zusätzlich nur für eine der acht PS-abhängigen Fahrzeugklassen zugelassen. Dabei enttäuscht eigentlich nur der Angeber-Wettbewerb, bei dem ihr innerhalb eines Zeitlimits so spektakuläre Fahrmanöver wie möglich auf den Asphalt zaubern müsst. Die ersten zwei, drei Wettbewerbe hat man zwar tierischen Spaß an 360s, Bootleg-Turns und anderen Kunststücken, die sich aus den Boliden herauskitzeln lassen, doch danach geht die Motivation im Show Off-Bereich deutlich zurück.
Wenn ihr alle Möglichkeiten zur Respekt- und Geldvermehrung nutzen wollt, heißt es, einen Fuhrpark aufzubauen, der für alle Rennklassen geeignet ist. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, der durch das eine oder andere im Duell verlorene Auto schmerzhaft mit Stolpersteinen versehen wird. Andererseits gibt es kaum eine größere Genugtuung, als einem Rivalen in der Karriere den Schlitten abzunehmen und ihn umgehend zu verscherbeln, um das letzte Quentchen Kleingeld für eine neue Sportkarosse im Sparschwein zu haben.
Wie es sich für einen Tuning-Raser gehört, kann man auch in Juiced seinen fahrbaren Untersatz mit allerlei Performance steigernden Teilen ausrüsten oder die Karosserie mit diversen neuen Teilen versehen. Hierbei haben die Feinschrauber unter euch die Möglichkeit, haarklein ins Detail zu gehen, während die "Ich mach das Tuning nebenbei"-Front auch eine Liste der derzeit verfügbaren Performance-Upgrades abrufen und automatisch installieren kann – ein guter Service!
Tuning? Ehrensache!
Zugegeben: Juiced verströmt nicht den Hochgeschwindigkeits-Adrenalinrausch, den Midnight Club 3 entfachen kann. Und in punkto Umgebungsdetails kommt man auch nicht an NfS Underground 2 heran. Doch trotzdem kann sich die Kulisse sehen lassen: Das Geschwindigkeitsgefühl stimmt, die Fahrzeuge sehen durch die Bank sehr gut aus und dass die abgegrenzten Areale nicht immer die überzeugendsten Texturen haben, kann man verschmerzen. Denn letzten Endes geht es bei Juiced nur um den Spielspaß – und der passt einfach!
Grafik-Feuerwerk?
Standesgemäß kann die PC-Fassung auf Anhieb mit ihren hohen Auflösungen den besten Eindruck machen. Allerdings nur auf der Strecke, denn die Videos sind vergleichsweise gering aufgelöst und wirken im Vergleich zu den optimierten Konsolen-Versionen grobkörnig. Doch so ganz ohne Makel kann sich auch der Rechenknecht-Raser nicht präsentieren: Selbst auf einem 3GHz-PC mit 1 GB RAM und Radeon 9800 wird man auf einer verregneten Strecke mit vollem Gegnerfeld und hohen Details das Gefühl nicht los, dass die Engine im nächsten Moment in die Knie geht. Ähnliche Eindrücke gehen einem auch bei der PS2-Fassung durch den Kopf, doch nur in den seltensten Fällen bestätigen sich diese Vermutungen.
Was die Akustik betrifft, setzt man musikalisch auf einen lizenzierten Mix, der von Rock bis Techno alles abgreift und der die ab und an etwas schwächlichen Motorengeräusche gut zu kaschieren versteht. Die Sprachausgabe der anderen Fahrer und Gang-Anführer schließlich ist ebenfalls gelungen, ohne jedoch markante Highlights setzen zu können.
Auf allen Systemen könnt ihr natürlich auch online antreten, wobei alle Rennvarianten möglich sind. Einen besonderen Reiz dürfte hier allerdings wieder das Duell ausüben, denn wenn ihr das Risiko eingeht, euren Wagen aufs Spiel zu setzen und gewinnt, könnt ihr das erbeutete Auto auch offline in der Karriere einsetzen – oder natürlich zu Geld machen, um neue Tuning-Teile für euren Fuhrpark zu ergattern.
Wagen weg online
Fazit
Ist neben Midnight Club 3 und NfS Undergound 2 noch Platz für einen weiteren Raser? Im Falle von Juiced lautet die Antwort "Ja"! Zwar kann man nicht mit einer frei befahrbaren Stadt protzen, die Lizenzen und das Tuning bietet auch nahezu jeder Konkurrent und die Präsentation ist bei weitem nicht so durchgestylt wie bei den Mitbewerbern. Dafür hat Juiced jedoch andere Stärken: Mit der Konzentration auf Tuning und Rennen begibt man sich auf einen wohltuenden "Old School"-Weg und ergänzt dieses nostalgische Gefühl mit einem interessanten Respekt-System und der Möglichkeit, seine Crew zu managen und sich auch mal gemütlich zurücklehnen zu können. Vor allem die letzten beiden Punkte sind es, die Juiced neben der Konkurrenz so interessant machen. Optisch auf allen Systemen durchaus ansehnlich und mit einem guten Geschwindigkeitsgefühl ausgestattet, dürfte es Juiced zwar nicht gelingen, die Schwergewichte zu überholen, doch als Alternative in der Tuning-Bibliothek ist THQs Raser sowohl off- als auch online eine eindeutige Empfehlung wert.
Pro
- lizenzierte Fahrzeuge
- haufenweise Original Tuning-Teile
- Schadensmodell
- ansprechende KI
- "Pink Slip"-Rennen
- interessantes Respekt-System
- Crew-Fahrer und –Management
- gutes Geschwindigkeitsgefühl
- online spielbar
Kontra
- eingeschränkte Streckenauswahl
- keine frei befahrbare Stadt
- Angeber-Wettbewerbe vergleichsweise öde
- leichte Ruckel-Probleme (PC)
- grob aufgelöste Videos (PC)