Monster Hunter - Test, Rollenspiel, PlayStation2

Monster Hunter
17.07.2005, Jens Bischoff

Test: Monster Hunter

Habt ihr euch schon mal gefragt, was passieren würde, wenn man mit modernen oder wenigstens mittelalterlichen Technologien zurück in die Steinzeit reisen könnte? Capcoms Monster Hunter (ab 99,89€ bei kaufen) gibt eine Antwort: Paläontologen werden zwar den Kopf schütteln, wenn Ritter mit meterlangen Klingen auf Feuer speiende Dinos losgehen, aber die Mischung aus Hollywood-Kino (Jurassic Park) und Japan-Anime (Berserk) wird nicht nur imposant inszeniert, sondern macht auch noch eine Menge Spaß - zumindest wenn ihr über einen Breitband-Internetanschluss verfügt.

Willkommen in der Steinzeit, oder zumindest in einer prähistorischen Welt, wo neuzeitliche Menschen mit zentnerschweren Schwertern und geschützähnlichen Armbrüsten Jagd auf Urzeit- und Sagengeschöpfe machen. Klingt nach 50er Jahre-Science-Fiction, spielt sich aber eher wie Sword of the Berserk im Jurassic Park.

Imopsantes Intro: Mit solchen Bestien könnt ihr es aber erst viel später im Spiel aufnehmen...
Dabei sind überdimensionale Zweihänder nur eine der Waffengattungen in Monster Hunter. Wer‘s lieber klein und handlich mag, kann auch mit schnellen Jagdmessern oder Doppelsäbeln in den Kampf gegen Raptoren und Lindwürmer ziehen. Auch wuchtige Streithämmer, meterlange Lanzen und panzerbrechende Armbrüste stehen zur Auswahl.

Mit dem Zweihänder auf Dinojagd

Bevor ihr zu den Waffen greifen dürft, müsst ihr euch aber erst mal einen Charakter erschaffen. Über Rassen- oder Klassenunterschiede braucht ihr euch dabei keine Gedanken machen, da ihr später jederzeit zwischen leicht gepanzertem Schützen, agilem Lanzenträger oder brachialem Schwertmeister wechseln könnt - alles nur eine Frage der verwendeten Ausrüstung. Ihr bestimmt lediglich Geschlecht, Haut- und Haarfarbe sowie Frisur und Aussehen eures Recken, was allerdings ebenfalls völlig nebensächlich ist, da euer Alter Ego im Lauf des Spiels ohnehin zusehends hinter zentimeterdicken Knochen- oder Metallplatten verschwindet.

Ein Held wie jeder andere

Diese könnt ihr kostengünstig aus selbst gesammelten Materialien herstellen lassen oder für einen entsprechenden Aufpreis beim Händler eures Vertrauens erwerben. Gleiches gilt übrigens auch für die verfügbaren Waffen. Je nachdem, welche Materialien ihr bevorzugt, können sich eure Waffen sogar in ganz verschiedene Richtungen entwickeln. So kann sich z.B. ein Hammer nach diversen Upgrades entweder in eine knöcherne Streitaxt oder einen stählernen Streitkolben verwandeln. Manche Waffen können sogar spezielle Attribute wie zusätzlichen Feuer- oder Giftschaden entwickeln. Knapp 300 verschiedene Entwicklungsstufen bieten jedenfalls ausreichend Spielraum für Experimente.

Auch die Beschaffung der verwendbaren Materialien gestaltet sich sehr vielschichtig: Ihr könnt mit Spitzäxten verschiedene Erze und Mineralien abbauen, aus gesammelten Beeren, Kräutern, Pilzen und anderen Pflanzen wichtige Kombinate herstellen oder erlegte Dinosauriers ausweiden, um an wertvolle Knochen, Zähne, Krallen und Häute zu gelangen.

Jäger gegen Jäger: Die Raptoren sind die ersten Fleischfresser, auf die ihr im Spiel stoßt.
Zerlegte Kadaver könnt ihr sogar auf den tragbaren Grill schmeißen und zu nahrhaften Steaks weiterverarbeiten, die eure stetig abnehmende Ausdauer wieder auffrischen. Wer‘s gemütlicher mag, kann sich seine Nahrung auch mit einer Angel und diversen Ködern aus dem nächsten Tümpel an Land ziehen oder vorsorglich beim örtlichen Krämer erwerben.

Guten Appetit

Online dürft ihr sogar im Wirtshaus dinieren oder euch in der Schenke die Kanne geben - inklusive positiver oder negativer Folgeerscheinungen. Während euch zu viel Alkohol lediglich vorübergehend umhertorkeln oder zu Boden sacken lässt, können schlechte Speisen auch nachhaltig an Gesundheit und Ausdauer nagen. Besonders nahrhafte Kost verleiht euch hingegen zusätzliche Energie oder einen Kraftschub. Je nach Charakterstufe stehen euch sogar verschiedene Mahlzeiten und auch Schlafunterkünfte zur Verfügung. Also nicht ärgern, wenn ihr zu Beginn noch im Schweinestall übernachten müsst und Küchenabfälle serviert bekommt; irgendwann dürft auch ihr in der Königssuite kulinarische Leckerbissen verköstigen und euch auf Daunen betten.       

Wenn ihr offline spielt, habt ihr hingegen ein eigenes Haus. Das sieht aber immer gleich aus und zu Essen gibt‘s dort auch nichts. Auch sonst ist das Angebot im Offline-Dorf wesentlich bescheidener als in der Online-Stadt, wo euch neben Schänke und Wirtshaus auch noch ein Marktplatz mit allerlei exotischen Waren erwartet,

Nutzlose Kreativität: Später verschwindet euer Charakter hinter klobigen Rüstungsteilen.
von denen ihr im Krämerladen des Offline-Dorfs nur träumen könnt. Selbst bei den ausgeschriebenen Quests haben Onlinespieler klar die Nase vorn. Gibt es doch nicht nur ein reichhaltigeres Standardangebot, sondern auch regelmäßige Event-Quests.

Aufträge statt Handlung

Eine durchgehende Story sucht ihr aber sowohl on- als auch offline vergebens. Ihr absolviert lediglich Auftrag für Auftrag und erhaltet dadurch Zugang zu immer schwierigeren Quests, bei denen ihr in der Regel entweder bestimmte Items beschaffen oder Monster erlegen müsst. Eine gewisse Abwechslung wird aber dennoch geboten, da gerade die Beschaffungsaufträge sehr vielfältig sind. Das reicht vom harmlosen Pilzpflücken über das Fangen bestimmter Fische bis hin zum Klauen von Eiern aus Drachennestern. Gerade bei letzterem sind im Team agierende Onliner klar im Vorteil, da der Eier tragende Spieler keine Hand für Waffen frei hat, nicht so schnell rennen kann und aufpassen muss, dass das Ei nicht durch Stürze oder ähnliches zu Bruch geht, während ihm die anderen Deckung geben oder alarmierte Brutdrachen ablenken.

Offline müsst ihr hingegen alles selbst in die Hand nehmen. Nicht einmal bei den teils wirklich harten Bossfights bekommt ihr Rückendeckung in Form von KI-Mitstreitern oder Ähnlichem. Online profitiert ihr hingegen enorm, wenn der Zusammenhalt in der bis zu vierköpfigen Party funktioniert.

Aufgeschlitzt: Erlegte Dinos könnt ihr ausweiden und bei Bedarf auf den tragbaren Grill schmeißen.
So können euch versierte Schützen mit Kräutergeschossen heilen oder mit lähmenden Projektilen lästige Verfolger vom Hals halten, während geübte Jäger Grubenfallen ausheben oder vergiftete Köder platzieren und Nahkampfexperten sich für den Gnadenstoß bereit machen oder einen Gegner mit wuchtigen Kombos vorübergehend festnageln.

Teamarbeit ist alles

In ruhigen Minuten nutzt ihr die Zeit hingegen, um abgenutzte Klingen zu schärfen, mit einem Netz seltenen Käfern nachzustellen, die Angel auszupacken, den Grill anzuschmeißen oder bestimmte Pflanzen zu sammeln und zu mischen, um zum Beispiel Vergiftungen oder Verletzungen zu heilen. Mit der Zeit werdet ihr immer besser darin, euch die vielfältige Fauna zu Nutze zu machen. So entdeckt ihr immer wieder neue Pflanzen und Kombinationsmöglichkeiten, die euch unter Umständen sogar das Leben retten oder ihr studiert die Aufenthaltsorte und Verhaltensmuster von Beutetieren, um eure Ausrüstung perfekt auf die jeweilige Jagd abzustimmen. Online ist zudem auch die Ausgewogenheit der Party ein wichtiger Punkt, der im Einzelspielermodus vollkommen fehlt.

Die Spielwelt ist übrigens nicht zusammenhängend, sondern ähnlich wie in Phantasy Star Online in verschiedene Zonen (Grasland, Dschungel, Wüste, Sumpf und Aschefelder) und Areale unterteilt, die jedoch nicht fließend ineinander übergehen,

Lohnender Aufwand: Mit einer Grubenfalle werden selbst übermächtige Drachen zu leichter Beute.
sondern bei jedem Ortswechsel nachgeladen werden. Das hemmt zwar den Spielfluss, hält euch aber stets eine Fluchtmöglichkeit parat, da die meisten Gegner nur die ihnen zugewiesenen Areale durchstreifen. Boss- und Zwischengegner lassen sich von diesen künstlichen Barrieren jedoch nicht zurückhalten und gönnen euch nur im Basislager eine Verschnaufpause, zu dem ihr auch automatisch zurückkehrt, wenn eure Lebensenergie zur Neige geht.

Zerstückelte Jagdgebiete

Die einzelnen Locations sind zwar recht überschaubar und es hätte ruhig ein paar Klima- bzw. Vegetationszonen mehr geben können, aber dafür sehen die Landschaften an sich teils wirklich atemberaubend aus und bieten neben dichter Atmosphäre auch jede Menge Interaktionsmöglichkeiten. Schade nur, dass ihr nicht einfach zum Spaß losziehen und die Gegend erkunden könnt, sondern immer erst eine Quest inklusive Vertragsgebühr akzeptieren müsst, um vom entsprechenden Basislager mit einer strikten Zeitvorgabe losziehen zu dürfen. Gerade wenn neue Abschnitte verfügbar werden, hätte man sich doch gewünscht, einfach mal auf Erkundung zu gehen ohne auf irgendwelche Missionsziele oder Zeitlimits achten zu müssen.      

Akustisch werden eure Jagd- und Sammelausflüge mit soliden Sound- und Ambient-FX sowie einem sporadischen Soundtrack untermalt, der je nach Situation mit sanften Streichern, Stille oder Trommelwirbeln, den aktuellen Gefahrengrad wiedergibt. Sprachausgabe gibt es hingegen leider keine, während Dialog- und Menütexte sowohl auf Englisch als auch Deutsch angewählt werden können. Objektnamen wurden jedoch alle auf englisch belassen, was zwar anfangs etwas befremdlich wirkt, aber gerade online durchaus Sinn macht, da ihr unabhängig von der Nationalität eurer Mitspieler immer von den gleichen Gegnern, Items oder Gebieten redet. Wobei "reden" eigentlich nicht ganz richtig ist, denn Headsets werden nicht unterstützt. Stattdessen müsst ihr euch mittels USB- bzw. virtuellem Keyboard oder vorgegebenen Phrasen und Animationen verständigen.

Gefährlicher Störenfried: Für einen Schlagabtausch mit Diablo solltet ihr gut gerüstet sein.
Ohne angeschlossene Tastatur solltet ihr aber gar nicht erst online gehen, auch wenn in brenzligen Situationen kaum Zeit zum Tippen bleibt. Zum Glück könnt ihr aber jederzeit auf Knopfdruck ein Leuchtsignal aussenden, mit dem ihr eure Mitstreiter je nach vorheriger Absprache warnen oder zur Hilfe rufen könnt. Trotzdem wirkt das System etwas antiquiert, denn wenn man sowieso nur maximal zu viert losziehen kann, hätte sich die Nutzung des Headsets ja geradezu angeboten.

Zum Tippen verurteilt

Doch trotz limitierter Spielerzahl seid ihr nicht vollständig vor Lags oder dubiosen Gegnerausblendungen gefeit. Während der Testphase kam es jedenfalls nicht nur zu den üblichen Charaktersprüngen, sondern auch zu Kämpfen eurer Gefährten mit Gegnern, die auf eurem Bildschirm gar nicht angezeigt wurden. Zum Glück waren das seltene Ausnahmen. Ansonsten verliefen die Online-Streifzüge die meiste Zeit reibungslos. Ein völliger Griff ins Klo stellt hingegen die Einbindung der Freundesliste dar. Zwar kann man andere Spieler problemlos als Freunde registrieren oder wieder löschen, aber wenn ihr selbige ausfindig machen wollt, wird euer Treffen durch die geringen Spielerzahl-Limits der Server (maximal 40 User) und namensgleichen Lobbys (maximal acht User) zu einer unnötigen Geduldsprobe. Wenn sich euer Online-Kumpel dann auch noch auf einer Quest befindet,

Virtuelles Saufgelage: In den Städtelobbys könnt ihr euch betrinken und auf den Tischen tanzen.
verschwindet er sogar ganz von der Anzeigeliste und kann quasi überhaupt nicht mehr ausfindig gemacht werden. Ihr könnt ihm nicht einmal eine Kurznachricht zukommen lassen, um ihm eure Ankunft mitzuteilen. Was sich Capcom dabei bloß gedacht hat...

Wer sucht, der findet

Na ja, wenigstens fallen für den Online-Gang keine zusätzlichen Gebühren an und wenn man erst mal zueinander gefunden hat, kann man sich kaum mehr von der PS2 loseisen. Anfänger werden sich hingegen erst einmal daran gewöhnen müssen, ihre Angriffe mit dem rechten Analogstick auszuführen, was aber mit der Zeit ganz gut von der Hand geht und einige nette Kombos ermöglicht. Schade nur, dass sich diese einmal eingeleitet nicht mehr abbrechen lassen und mangels Zielaufschaltung bei schnellen Gegnern schnell ins Leere gehen können, was euch zudem jeglicher Verteidigungsmöglichkeiten wie Blocken oder Abrollen beraubt. Womit ich mich auch nie so richtig anfreunden konnte, ist die vor allem in hektischen Momenten völlig unbrauchbare Kameraführung via Steuerkreuz, aber da der rechte Analogstick ja bereits anderweitig genutzt wird, gab es da wohl keine Alternative. Zwar könnt ihr die Blickrichtung jederzeit manuell zurücksetzen, aber oftmals versperren dann dank fehlender Transparenzfunktion Umgebungsobjekte die Sicht oder die Kamera bleibt an irgendwelchen Felsen oder ähnlichem hängen und zeigt das Geschehen plötzlich aus einer noch ungünstigeren Perspektive.

Willkommen im Urwald: Die jeweiligen Jagdreviere sind sehr atmosphärisch und abwechslungsreich.
Hier hätte man einfach mehr Sorgfalt walten lassen oder eine andere Kamerasteuerung implementieren müssen.

Schläge ins Leere

An was man sich als Rollenspieler auch erst mal gewöhnen muss, ist, dass es bei Monster Hunter weder Erfahrungspunkte, noch Levelaufstiege gibt - von den Rangaufstiegen im Online-Modus einmal abgesehen. Selbst Fähigkeiten werden nicht erlernt, sondern einzig durch das Anlegen bestimmter Waffen- und Rüstungskombinationen freigeschaltet. Je mehr Quests ihr absolviert, um so bessere Waffen und Rüstungen werden verfügbar. Ihr werdet also nicht durch Kämpfen, sondern nur durch neue Ausrüstungen stärker. Wenn also ein Veteran seine Ausrüstung ablegt, hat er immer noch genau die gleichen Charakterwerte wie zu Spielbeginn. Das ist aber nicht weiter schlimm, da man sowieso nie ohne Ausrüstung in den Kampf zieht und Ausrüstungsgegenstände auch nicht tauschen kann. Das heißt, man definiert sich eben nicht durch seinen Rang, sondern durch seine Waffen und Rüstungsteile und jagt nicht Erfahrungspunkten, sondern Ausrüstung verbessernden Materialien und Gold, das man durch erfolgreich abgeschlossene Quests oder den Verkauf von nicht benötigten Gegenständen erhält, hinterher. Und dank geräumigem Inventar ist eigentlich immer auch Platz für diverse Spezialrüstungen und -waffen, die man nur bei bestimmten Gegnern oder Aufträgen rauskramt.      

Kleider machen Leute

Fazit

Online präsentiert sich Monster Hunter trotz nerviger Einschränkungen wie fehlendem Headset-Support oder umständlicher Spielersuche als ein ungemein motivierendes und obendrein auch noch kostenloses Spielvergnügen, das euch in eine genauso skurrile wie wundervoll gestaltete Fantasywelt entführt. Wer auf atmosphärische Kulissen sowie überdimensionale Waffen und Gegner steht, wird hellauf begeistert sein - auch wenn Kampf- und Kamerasteuerung etwas Eingewöhnungszeit erfordern und die Spielwelt recht überschaubar ausfällt. Gesellige Jäger- und Sammler kommen während der kurzen, aber intensiven Beutezüge trotzdem voll auf ihre Kosten, während das teamorientierte Quest-Design für engen Zusammenhalt sorgt. Offline gestaltet sich das Abenteuer ohne begleitende Mitstreiter und Hintergrundgeschichte hingegen zäh und monoton. Zudem ist das Missionsangebot offline deutlich geringer und bietet keinerlei Team-Aspekte. Wer also keinen Breitbandanschluss hat, sollte lieber die Finger von Monster Hunter lassen, während Online-Konsoleros, die sich schon mit Phantasy Star Online die Nächte um die Ohren geschlagen haben, nicht nur angesichts des günstigen Preises bedenkenlos zugreifen können!

Pro

  • 60Hz-Modus
  • günstiger Preis
  • originelles Szenario
  • imposante Waffen
  • keine Onlinegebühren
  • prächtige Landschaften
  • spektakuläre Bossfights
  • packendes Jäger- & Sammlerflair
  • teamorientiertes Multiplayer-Vergnügen

Kontra

  • keine Sprachausgabe
  • überschaubare Spielwelt
  • viele Ladeunterbrechungen
  • unkomfortable Spielersuche
  • keine Headset-Unterstützung
  • keine freien Levelerkundungen
  • auf Dauer öder Einzelspielermodus
  • teils umständliche Kamerajustierung
  • gewöhnungsbedürftige Kampfsteuerung

Wertung

PlayStation2

Atmosphärische Dinoschlachtplatte, die aber erst online ihre wahren Reize entfaltet.