Gish - Test, Plattformer, PC

Gish
18.07.2005

Test: Gish

Permanentes Gejammer und Diskussionsthema in Spielerkreisen: modernen Spielen fehlt es an Innovation, recycelte Konzepte und Fortsetzungswahn bestimmen das Bild. Aber es gibt Ausnahmen: Nach der ideenreichen Strategie-Action-Mixtur "Darwinia" kommt mit "Gish" erneut ein mutiges Experiment aus der Szene der Independent-Entwickler und haucht den vernachlässigten Plattformspielen neues Leben ein.

Das Gesundheitsministerium warnt immer wieder vor den Schadstoffen, die in Zigaretten stecken. Wir meinen: alles Quatsch! Millionen Raucher auf der ganzen Welt können einfach nicht irren. Denn in den Glimmstängeln steckt Teer und seit kurzem ist bewiesen, dass eben jene zähflüssige Substanz glücklich macht. Zurückzuführen ist diese These auf die Forschungswissenschaftler des Unternehmens Chronic Logic . Diese haben ein Computerprogramm entwickelt, bei dem das

Oldschool-Kulisse trifft auf Newschool-Physik.
schwarze Gemisch in Ballform durch knifflige Hindernisparcours dirigiert werden muss. Das Produkt wurde bereits von zahlreichen Testpersonen unter die Lupe genommen, mit dem Resultat, dass aufgrund des innovativen und äußerst spaßigen Designs der Körper verstärkt Glückshormone produziert. Jetzt erlangte das auf den Namen "Gish" getaufte Projekt Marktreife und wird ab sofort durch die Gesundheitsspezialisten von Halycon Media zu Therapiezwecken eingesetzt. Die Zielgruppe: gelangweilte Patienten der Spezies PC-Gamer.

Unwissende Nichtraucher!

Gish ist einer der ungewöhnlichsten Protagonisten der Spielegeschichte. Als lebender Teerball muss er sich auf die Suche nach seiner entführten Freundin machen, durchrollt im Story-Modus dabei 34 seitlich dargestellte Labyrinthe, umgeht tückische Fallen und bekämpft gefährliche Monster. Im innovativen 2D-Jump & Run der Nachwuchsentwickler von Chronic Logic erlebt ihr permanent spannende und ungewöhnliche Momente - ungewöhnlich für ein Spiel dieser Machart!

Geteert und gequetscht

Denn im Programmcode werkelt eine Physik-Engine, die nicht nur den Hauptdarsteller, den Gesetzen der Schwerkraft und Umwelt gehorchend, durch die Abschnitte wabbeln lässt, sondern auch auf die Umgebung wirkt. So muss sich der zähflüssige Klumpen durch enge Passagen quetschen, rollt mit Karacho gegen Säulen, um diese zum Einsturz zu bringen, oder packt sein ganzes Gewicht auf bewegliche Plattformen. Auch an Decken und Wänden kann sich Gish festsaugen, um die teils äußerst kniffligen Abschnitte zu überstehen. Da unser Matschgesicht über keinerlei Gliedmaßen verfügt, muss es sich bei der Bekämpfung der Gegnerschar etwas einfallen lassen. So lassen sich Übelwichte elegant an irgendwelche Mauern zerdrücken, oder man zerquetscht sie mit einem beherzten Sprung von einer höher gelegenen Plattform. Am Ende jeder Spielwelt wartet dann ein obligatorischer Endgegner, der in knüppelharten Sprung- und Rollexzessen zermanscht werden möchte.

Das Figurendesign ist so skurril wie Klumpheld Gish.
Sprung zum Frust

Anfangs stellt die Steuerung die größte Herausforderung dar: Mit vier Aktionstasten plus Richtungsbewegungen wird der Held manövriert. Knifflige Sprungpassagen sorgen in den ersten Minuten für Frusterlebnisse, da Gish erst an Sprunghöhe gewinnen muss. Dazu wird im exakt richtigen Moment die Leertaste oder ein Controller-Button wiederholt gedrückt, um sich besser vom Boden abstoßen zu können. Das gelingt leider nicht immer und es dauert ein wenig, bis ihr den richtigen Moment verinnerlicht habt. Mit etwas Übung kugelt es sich dann aber recht flott durch die Unterwelt.

In punkto Kulisse reißt Gish keinen Teerklumpen aus dem Asphalt: Trotz 3D-Kartenunterstützung sieht das Werk von Chronic Logic reichlich blass aus. Vom bunten Bonbon-Look anderer Genrevertreter ist Gish in etwa so weit entfernt wie unser Kanzler von der erneuten Wiederwahl, denn farbarm und wenig detailliert sind die flachen Welten gestaltet. Zwar gibt es in Echtzeit berechnete Lichteffekte zu sehen, richtig zur Geltung kommt dieses Feature leider nur selten. Umso erstaunlicher sind deshalb die Systemvoraussetzungen: Publisher Halycon Media empfiehlt 1,5GHz und eine 64MB-Grafikkarte. Reichlich viel für einen Teerklumpen im Retro-Look!

Wo sind nur die Farben?

Bekanntlich zählen innere Werte jedoch mehr, und genau davon hat Gish für einen Preis von knapp 20 Euro eine Menge zu bieten: Neben dem bereits erwähnten Story-Modus erwarten Einzelspieler noch 20 Zusatzlevels, in denen das Einsammeln von Münzen auf dem Programm steht. Außerdem wurden sechs Mini-Spiele integriert, die vom irrwitzigen Dragster-Rennen über Sumo-Ringen bis hin zum Geschicklichkeitstest auf dem Football-Feld reichen. Diese können zu zweit an einem Rechner oder auch gegen einen Computergegner bestritten werden.

  

Fazit

2D-Spiele gehören längst noch nicht zum alten Eisen. Vor allem, wenn sie nur so vor Ideen strotzen wie Gish. Der Gewinner des letzten Independant-Game-Festivals mag zwar nicht der hübscheste oder umfangreichste Genrevertreter sein, dafür ist schon die Idee oskarverdächtig, eine Physik-Engine in ein seitlich scrollendes Spiel einzubauen! Dieser technische Kniff und der ungewöhnliche Hauptcharakter wurden von den Designern gekonnt inszeniert. Auch wenn der kleine Teerklumpen ohne spektakuläre Kulisse gegen den Strom wabbelt, ist er doch mitverantwortlich dafür, dass sich auch in Zukunft Kreativköpfe in der Branche tummeln. Und bitte nicht vergessen: Spiele brauchen keine 3D-Killer-Optik, um Spaß zu machen - gebt Gish eine Chance!

Pro

  • tolle Physik-Engine
  • innovatives Spieldesign
  • knifflige Rätsel
  • zahlreiche Mini-Spiele
  • geheime Levelabschnitte
  • Bosskämpfe
  • Joystick-Unterstützung
  • Zwei-Spieler-Modus
  • günstiger Preis

Kontra

  • triste Optik
  • lange Ladezeiten
  • nervige Musik
  • anfangs knifflige Steuerung

Wertung

PC