Fable: The Lost Chapters - Test, Rollenspiel, XBox, PC

Fable: The Lost Chapters
23.09.2005, Mathias Oertel

Test: Fable: The Lost Chapters

Vor gut einem Jahr sorgte ein gehyptes Rollenspiel-Erlebnis namens Fable auf der Xbox für Furore und heiße Diskussionen – und konnte trotz einiger verpasster Chancen sowie nicht gehaltener Versprechen einen Gold-Award einheimsen. Nun dürfen auch die PC-Zocker in die optisch opulente Welt von Albion abtauchen und sich sogar auf einige neue Inhalte freuen. Doch reicht das alles aus, um Fable – The Lost Chapters zu einem Rechenknecht-Hit zu machen?

"Wer mit einer vom immensen Hype geschürten Erwartungshaltung an das Spiel herangeht und ein innovatives Rollenspiel erwartet, wird enttäuscht sein. Denn die viel beschworene "Alles-hat-eine-Konsequenz"-Mentalität und weitere der angekündigten Features wirken sich nur minimal auf den Spielverlauf aus, der von einer linearen, aber gut erzählten Story geprägt wird.

Animationen, Effekte, Umgebungen: Die PC-Umsetzung überzeugt mit allseits verbesserter Grafikpracht!
Wer sich allerdings unvoreingenommen mit Fable beschäftigt, bekommt ein spannendes Action-RPG mit interessantem Kampfsystem, einer umfangreichen Charakterentwicklung, die sich auch optisch zeigt sowie vielen kleinen Gimmicks, die den Titel zu einem kampflastigen Abenteuerspielplatz machen. Bedauerlich ist allerdings, dass alles Drumherum abseits der Story wenig Auswirkungen auf den Spielverlauf an sich zeigt. Hier hätten Dialogbäume, ein transparenteres Gut/Böse-System oder auch offenere Gebietsstrukturen mit weniger Nachladen wahre Wunder gewirkt. Doch trotz allem werden sich die Gemüter an Fable scheiden: Die einen werden den vergebenen Chancen und fehlenden Features hinterher weinen, die aus dem Titel ein grandioses Rollenspiel gemacht hätten. Und die anderen werden sich auch nach Abschluss der Story durch die Gegend prügeln und zaubern, heiraten und versuchen, auch dem letzten Geheimnis der Fabelwelt auf die Schliche zu kommen."

Es war einmal… auf der Xbox

Wer noch nie von Fable gehört hat, scheint das letzte Jahr in einem Software-Winterschlaf verbracht zu haben. Denn das vom Lionhead-Satellitenstudio Big Blue Box entwickelte Rollenspiel, das seine Anfänge als "Project Ego" nahm, wurde schnell zu einem der heiß diskutierten Titel im vergangenen Spieleherbst.

So lautete mein Fazit der Xbox-Version vor etwas weniger als zwölf Monaten. Mittlerweile ist viel Zeit ins Land gegangen und mit der erweiterten Lost Chapters-Version schreit Fable nach einer neuen Chance für ein neues Publikum.

Erklärungsnot?

Dank einer bis auf kleine Ausnahmen gut umgesetzten Steuerung machen die Kämpfe einen Heidenspaß!
Doch so interessant dieses Konzept klang, so schwer taten sich die Entwickler rund um Design-Legende Peter Molyneux mit der Umsetzung. Das Ergebnis war ein ambitioniertes Action-RPG mit zahlreichen frischen Ansätzen, das aber nicht alle Erwartungen erfüllen konnte. Für weiter führende Infos empfehlen wir den Test der Xbox-Version, da wir hier nur auf die Umsetzung und die Änderungen eingehen werden.

Was nicht nur am Konzept lag, nach dem jede Aktion im Spiel eine Auswirkung auf eure Figur sowie die Wahrnehmung der Nicht-Spieler-Charaktere haben sollte.

Beginnen wir mit der Grafik: Schon beim Tutorial, das euch als kleinen Jungen zeigt, der seine ersten Entscheidungen treffen muss und damit möglicherweise die Weichen für sein weiteres Leben stellt, wird deutlich, dass die Grafikabteilung das Jahr seit Xbox-Release gut genutzt hat: Die märchenhafte Grundstimmung, die mit weichem Licht, zauberhaften Umgebungen und aufwändigen, hoch aufgelösten Texturen geschaffen wird, kann sich wahrlich sehen lassen und lässt vergessen, dass es sich bei Fable eigentlich um ein Konsolenspiel handelt.   

Ich kam nicht umhin, mit dem Wissen von damals eine andere Annäherung an das Spiel festzustellen. Bedeutet das etwa Rehabilitation für das damals arg gescholtene, aber dennoch mit einem Gold-Award versehene Spiel? Wir werden sehen…

Das ist ein Konsolen-Spiel?

Figurendesign im Allgemeinen und Animationen konnten schon auf der Xbox überzeugen, sehen aber auch ein Jahr später immer noch klasse aus. Allerdings fällt auch auf dem Rechenknecht auf, dass die NPCs alle beim gleichen Schneider ihre Klamotten einkaufen sowie häufig den gleichen Friseur oder das gleiche Make-Up-Studio besuchen. Etwas mehr Variation hätte nicht geschadet, um das optische Gesamtbild weiter zu vervollkommnen.

Doch die schon angesprochene stark verbesserte Grafik hat ihren Preis in Form eines enormen Hardware-Appetits: Selbst auf einem Rechner jenseits der 3 GHz-Marke samt 1 GB an RAM und leistungsfähiger Grafikkarte zeigen sich bei allen Details durchaus Ruckler, die aber spielerisch nicht ins Gewicht fallen.

Gnade oder Rache? Eure Entscheidung beeinflusst, wie es mit eurer Persönlichkeit weiter geht.
Add-On inklusive

Dafür allerdings wurden die Ladezeiten (auf der Xbox seinerzeit ein kleines Ärgernis) auf ein akzeptables bis teilweise kaum spürbares Niveau reduziert.

Mit den verlorenen Kapiteln (die es vor gut einem Jahr auf der Xbox nicht gab) bekommen PC-User quasi gleich noch das Add-On mitgeliefert. Neue Quests, Cut-Scenes, Gegenstände und Monster warten nach Abschluss der Hauptstory auf wagemutige Abenteurer, die sich auf den Weg in den albionischen Norden machen wollen, um dort einer neuen Gefahr gegenüber zu treten.

Das Ergebnis passt nahtlos in das Fantasy-Universum, dürfte aber für Xbox-Fablisten kaum echten Reiz entfalten, da es sich hier nur um gut eingebautes "More-Of-The-Same" handelt – obwohl die Kern-Spielzeit von zwölf bis 15 Stunden um gute vier bis fünf Stunden verlängert wird. Macht man sich auf die Suche nach allen Geheimnissen, die Albion inkl. der neuen Nordgebiete zu bieten hat, ist man gut 40 Stunden beschäftigt und kann immer wieder neue Kleinigkeiten entdecken, die zeigen, welches Potenzial eigentlich in dem Spiel steckt – abseits der im Mittelpunkt stehenden Action.

Bleibt schließlich noch die Steuerung, die vom Gamepad auf die Bedürfnisse der Rechenknecht-Zocker zugeschnitten werden musste. Und bis auf eine Ausnahme ist der Versuch gelungen. Denn obwohl mit der Maus-/Tastatur-Kombo eine noch präzisere Kontrolle als mit dem teilweise extrem überbelegt scheinenden Xbox-Controller möglich ist, wurde bei der "Standard-Belegung" ein kleines Problem mit eingebaut: Die Shift-Taste ist sowohl der Initiator für Magie als auch der Knopf, der gedrückt werden muss, um die Erfahrungs-Orbs einzusammeln. Dass dies im Eifer des Gefechtes immer wieder genau zu der Situation führt, die man eigentlich nicht haben wollte, ist fast schon zwangsläufig, kann aber durch einen kleinen Abstecher ins Optionsmenü schnell behoben werden.

Ansonsten wurde die Steuerung gut angepasst, reagiert ebenso schnell wie zuverlässig und macht die Kämpfe zu einem kleinen Vergnügen, in dem sich Bogenkunst, Magieeinsatz und gnadenlose Schwerthiebe nahtlos die Klinke in die Hand geben.

  

Fazit

Der Hype hat ein Jahr nach Xbox-Veröffentlichung kaum noch Bestand und so kann Fable The Lost Chapters auf dem PC all seine Stärken ausspielen, ohne sich großartig Gedanken um das "Was-Wäre-Wenn" machen müssen, das seinerzeit noch die Konsolen-Fassung gequält hat. Und dann bleibt ein überdurchschnittliches Action-RPG, das mit seiner umfangreichen Charakter-Entwicklung, hübsch anzusehenden (aber durchaus gefräßigen) Optik und vielen netten Kleinigkeiten abseits der linearen Geschichte nicht nur angesichts der diesjährigen Rollenspiel-Flaute in keiner RPG-Sammlung fehlen sollte. Die neuen Inhalte sind zwar nicht die absolute Erfüllung, verlängern die Spieldauer jedoch erheblich, so dass auch die immer noch vorhandenen Schwächen selbst nach einem Jahr nicht mehr so stark ins Gewicht fallen. Da zudem die Umsetzung auf Rechenknechte mit Ausnahme der Zielerfassung nahezu vorbildlich gelungen ist, haben sich die verlorenen Kapitel von Fable auch hier den Gold-Award redlich verdient.

Pro

  • gut inszeniertes Action-RPG
  • feine, für PC aufgemotzte Grafik
  • riesiger Fantasy-Abenteuer-Spielplatz
  • umfangreiche Charakter-Entwicklung
  • zahlreiche Sidequests und Rätsel
  • gute Spielbalance
  • stimmungsvolle Musik
  • intensive Kämpfe
  • viel zu entdecken
  • zahlreiche ironische Seitenhiebe auf Filme
  • schöner Humor
  • umfangreiche Statistiken
  • sehr gute Umsetzung
  • diverse neue Inhalte

Kontra

  • keine Dialogbäume
  • inkonsequentes "Jede Handlung hat eine Konsequenz"-Denken
  • viele Gimmicks unerheblich für den Spielverlauf
  • fester Story-Weg
  • Zielhilfe nicht immer optimal
  • außer euch altert niemand
  • wenig optische Variation bei den NPCs

Wertung

PC