NBA Live 06 - Test, Sport, 360, PlayStation2, XBox, PC, PSP, GameCube

NBA Live 06
29.09.2005, Jörg Luibl

Test: NBA Live 06

Nowitzki und sein Team mussten sich gegen die Griechen geschlagen geben. Aber als überraschender Vize-Europameister dürfen die Jungs erhobenen Hauptes zur WM 2006 nach Japan fahren. Basketball-Fans können schon jetzt noch mehr Adrenalin am Bildschirm tanken: Auch EA will dieses Jahr wieder hoch hinaus und mit NBA 06 zum Slamdunk ins Spielerherz ansetzen. Volltreffer?

Habt ihr gesehen, wie Griechenland die deutschen Korbjäger im Endspiel vorgeführt hat? Ganz ohne spektakuläre Dunks und trickreichen Schnickschnack zelebrierten sie nüchternen europäischen Basketball mit starker Defensive, Teamplay und sicheren Würfen. Selbst Superstar Dirk Nowitzki konnte das Blatt trotz einiger spektakulärer Aktionen nicht wenden. Aber was wäre, wenn der NBA-Star heiß gelaufen wäre? Was wäre, wenn auch andere deutsche Spieler plötzlich geglänzt hätten?

Superstars im Rampenlicht

Der Kampf um den Rebound kann beginnen: Wer soll den chinesischen Hünen stoppen?
In NBA 06 könnt ihr es ausprobieren. Zwar nicht auf internationaler Ebene, aber in der amerikanischen Liga: Denn hier stehen die Stars im Rampenlicht und können dank der neuen Freestyle-Steuerung mit spektakulären Aktionen begeistern. Im Gegensatz zu NHL 06, wo jeder Star dieselben Moves aufs Eis zaubert, bekommt ihr hier je nach Position ganz andere Feinheiten zu sehen: Ein Center hat vier wuchtige Defensiv- , ein Power Forward vier Offensivmanöver in petto; ein Highflyer hebt ab zum Dunk, ein Playmaker sieht den freien Mann. Es gibt Spieler in sechs Star-Kategorien mit unterschiedlichen Fähigkeiten, die man sofort an ihrer Markierung erkennt.

Das Gute ist: Man sieht endlich mehr Varianten in den Bewegungsabläufen und jeder der Profis spielt deutlicher nach seinem Charakter - sowohl was die Technik als auch die Optik angeht. Nowitzki überzeugt mit Dreiern, bei denen er zum leichten Sprung ansetzt oder legt den Ball in seiner unnachahmlichen Art sanft in den Korb. Steve Nash begeistert mit ebenso eleganten wie tödlichen No-Look-Pässen im Getümmel und Hünen wie Stoutamire setzen zum mächtigen Tomahawk-Dunk an, bevor sie zum Hohn des Gegners noch den eigenen Bizeps knutschen. Wer genau hinschaut, wird deutlich mehr Jubel- und Ärger in den Gesten finden als letztes Jahr.

Hammerdunk & Blindpass

Dennoch hat EA das Spiel sehr gut ausbalanciert, denn man kann auch ohne Superstar-Moves erfolgreich und spektakulär punkten: Egal ob Tip-Ins, Tip-Slams, Fadeaway-Jumpshots, freche Steals, verzögerte Korbleger oder Alley-Oops - all das kann auch ohne Stars ausgeführt werden, so dass auch gutes Teamplay zum Sieg führt. Ihr wollt à la Griechenland ein Spiel aus der Defensive und mit sicheren Distanzwürfen kontrollieren? Kein Problem.

Der Nachteil dieser Fokussierung ist, dass die normalen Spieler etwas an Bedeutung verlieren.

Allerdings gibt es eine Inkonsequenz beim Blocken: Es ist wesentlich einfacher, mit einem Star zum Slamdunk zu ziehen als ihn selbst mit einem Star daran zu hindern. Zwar freut man sich dafür umso mehr, wenn man O'Neal mal das Leder aus den Händen haut, aber das braucht sehr viel mehr Timing als das Stopfen. Und weil der Block in diesem Fall so knifflig ist, stellt man seinen Verteidiger lieber dem Angreifer in den Weg und provoziert ein Offensiv-Foul.

Das ärgert zwar alle Slamdunk-Monster, sichert aber ebenfalls die Spielbalance und zwingt den Angreifer dazu, cleverer zu passen und auf Pro-Hops oder Dribblings über den rechten Analogstick zurück zu greifen, die Flügelflitzer und Power Forwards kurz vor dem Dunk nach links oder rechts ausweichen lassen. Falls euch die Pfiffe des Schiris nerven oder zu viele Fouls den Spielfluss stören, könnt ihr in den Optionen einzelne Regler zurückschrauben oder gleich ganz von Simulation auf Arcade stellen - dann steigt die Trefferquote enorm, aber statt NBA-Finesse gibt's dann eher Streetball.

Die Slamdunks sehen zunächst klasse aus, aber in den Wiederholungen stören Animationsfehler.
Beim Passen kommt man zwar nicht an die 2K-Konkurrenz heran, da es immer noch etwas statisch wirkt und man immer noch Feinheiten wie den Pass in die Tiefe vermisst, der einen anvisierten Spieler direkt in die Spitze laufen ließe, aber der Abstand schmilzt: Es ist jetzt häufiger zu beobachten, dass wilde Zuspiele beim Gegner und im Fastbreak landen. Das ist sehr gut, denn so wird man gezwungen, ein Auge für wirklich frei stehende Korbjäger zu haben. Das geht auch problemlos über den Symbolpass, der euch Icons über den Mitspielern anzeigt. Auch die KI der eigenen Mitspieler kann sich sehen lassen: Je nachdem, welche Schnelltaktik ihr über das Digikreuz wählt, nehmen sie klar erkennbare andere Laufwege und stellen Blocks.

Das perfekte Zuspiel

Haltet ihr die Pass-Taste gedrückt, könnt ihr auch zum Doppelpass ansetzen, der aber bei uns in der Praxis noch keine all zu erfolgreichen Früchte tragen wollte, da die Koordination etwas zu lange dauert. Die Alley-Oop-Zuspiele funktionieren hingegen problemlos: Vor allem Fastbreaks lassen sich damit wunderbar und spektakulär abschließen. Schön ist, dass diese Aktionen im Getümmel eher selten möglich sind. Diese positiven realistischen Tendenzen beim Passen und Abschluss zeichnen NBA seit 2004 aus und haben es weg vom Arcade-Flair näher Richtung Simulation gerückt - was dem Spiel unheimlich gut tut.

    

Schön ist, dass man in der Defensive nicht nur komfortabel zwischen Mann- und Zonendeckung umschalten kann, sondern mit dem rechten Analogstick sowohl nach unten und zur Seite gegen Dribblings als auch nach oben gegen Würfe verteidigen kann - NBA 2K6 wird mit einem ähnlichen System aufwarten: Die Profis fuchteln dann entweder mit den Armen oder heben

Im Simulationsmodus werden fleißig Fouls gepfiffen, so dass man diszipliniert verteidigen muss.
sie wie eine Mauer in die Höhe. Das kommt dem Charakter der echten Verteidigung sehr nahe und hievt NBA 06 wieder ein Stückchen Richtung Realismus. Im Gegensatz zu früheren Versionen kann man jetzt auch nicht einfach im Angriff über die Linie gedrängt werden oder auf den Ball führenden Spieler rennen und dort wie wild für einen Steal auf den Button hämmern: Erstens kann sich der Angreifer umdrehen und den Ball sichern, zweitens sorgen diese Dauerattacken dafür, dass er ins Straucheln gerät, fällt und ein Foul gepfiffen wird. So wird auch in der Defensive mehr Fingerspitzengefühl und Timing gefordert.

Knifflige Defensive

Trotzdem krankt auch NBA 06 noch an kleinen Schwächen, vor allem in der Präsentation: Während das Spiel auf dem PC mit eindeutig überlegener Grafik und butterweichen Bewegungen glänzt, ruckelt es auf allen Konsolen - zwar kann man das mit einer anderen Kameraperspektive wie z.B. "Presse" eindämmen, aber es trübt die ansonsten blitzsaubere Kulisse. Das ist uns bereits noch deutlicher bei FIFA 06 aufgefallen und lässt den Verdacht aufkommen, dass sich EA in Sachen Technik scheinbar voll auf die Xbox 360-Fassungen konzentriert. Das erkennt man auch daran, dass es abseits vom Court quasi keine Fortschritte im Publikum gibt, das mit seltsamen Falt-Polygonfiguren eher ernüchtert. Immerhin kann es akustisch begeistern - vor allem bei Heimspielen in den Play-Offs, wo es bei knappen Ergebnissen euphorisch jeden Korb feiert.

Still stehende Präsentation

Obwohl es mehr Variation in den Bewegungsabläufen gibt, sind sie wie schon letztes Jahr immer noch etwas zu abgehackt; es fehlt der letzte Schliff, der z.B. NBA 2K6 geschmeidiger wirken lässt. Ich bin sehr gespannt, inwieweit die 360-Fassung diese Kulisse in den Schatten stellt - Zeit wird's. Selbst Mimik und Gestik bleiben vor allem auf den Konsolen auf einem gerade mal durchschnittlichen Niveau und Nowitzki ist genau so wie viele andere immer noch nicht zu erkennen. Der technische Stillstand wird auch in den Zeitlupen deutlich: Eigentlich sollte man sich gerade hier an den Superstar-Moves satt sehen wollen, aber einige hässliche Clipping-Fehler und kantige Bewegungen dämpfen die Wiederholungslust.

Obwohl die akustische Kulisse hervorragend ist, enttäuscht das Publikum abseits des Courts.
Enormer Umfang?

Trotz dieser technischen Tücken und der Überlegenheit von NBA 2K6 sieht NBA 06 immer noch richtig gut aus und die Stadien vermitteln mit ihren Fans genau so Basketballfieber wie die amerikanischen Kommentatoren mit ihrer Mischung aus nüchterner Analyse und Euphorie - genau das ist auf lange Sicht wichtig. Genau so wie der Umfang, der sich für Solospieler auch dieses Jahr sehen lassen kann: Es gibt nicht nur das Einzeltraining und 1-on-1-Duelle, sondern auch die Play-Offs, die Liga und den Dynasty-Modus mit Transfers, Talentsichtung und allem was dazu gehört. Hinzu kommt das All-Star-Weekend inklusive Slam Dunk-Wettbewerb und Dreier-Shootout, das schon letztes Jahr begeisterte. Alles nichts Neues, aber auch dieses Jahr immer gut für Abwechslung vom spannenden Liga-Alltag.

Weniger gut sieht's im europäischen Online-Bereich aus: Dieses Jahr ist tatsächlich keine Plattform onlinefähig. Angesichts des "Live" im Titel und der wachsenden Multiplayer-Community im Konsolenbereich eine herbe Enttäuschung. Was früher nur die GameCube-, PS2- und Xbox-Fassung betraf, ist jetzt aber auch ein negatives Markenzeichen der PC-Version. Besonders ärgerlich: In den USA kann man sich über Xbox Live und das PS2-Netzwerk messen. Sehr wahrscheinlich wird die Xbox 360-Version jedoch über einen kompletten Live-Modus verfügen, so dass sich der Kauf für Besitzer der schwarzen Kiste nur lohnt, wenn sie öfter Freunde daheim haben oder solo zocken.

  

Fazit

Okay, dass es nur in Europa keinen Online-Modus gibt, ist eine herbe Enttäuschung. Und die insgesamt gute Präsentation krankt vor allem auf Konsolen unter leichten Rucklern und Clipping-Fehlern. Auch in Sachen Spielermodelle sowie Zeitlupen hinkt man, den PC ausgenommen, hinter NBA 2K6 her. Kann es sein, dass man sich vor dem Start der Xbox 360 auf den alten Systemen ausruht? Aber selbst, wenn man diese Frage mit Ja beantwortet: NBA 06 macht einfach einen Heidenspaß! Es ist dynamisch, taktisch, packend. Und es fängt den Zauber des Sports dieses Jahr noch besser ein, da Teams und Profis ihrem Charakter entsprechend auftreten. EA geht damit den realistischen Weg konsequent weiter und hat das Spiel mit individuellen Top-Star-Manövern bereichert: Jetzt schlüpfen mächtige Center und eiskalte Scorer viel deutlicher in ihre Rollen. Zwar bietet NBA Live 06 aufgrund einiger automatisiert wirkender Körbe und der Alley-Oops immer noch mehr Arcade-Flair als NBA 2K6, aber es nähert sich an. Hier ist wesentlich mehr Fortschritt zu erkennen als z.B. im Fußballbereich. Und eine inflationäre Korbjagd braucht man aufgrund der guten Defensivmöglichkeiten sowie des fehleranfälligen Pass-Systems nicht befürchten. Wer den Adrenalinschub von Slamdunks und Last-Second-Würfen sucht, muss zugreifen.

(Die Wertung der GameCube-Fassung liefern wir nach, sobald wir die Testfassung haben. Anm. d. Red.)

Pro

  • klasse Kulisse
  • taktisches Spiel
  • gute Offensiv-KI
  • sehr gute Atmosphäre
  • schnelle Taktikwechsel
  • gutes Pass- & Defensivsystem
  • ansehnliche Top-Star-Manöver
  • Training, Dynasty, All-Star-Weekend, 1on1
  • gutes Deckungsverhalten
  • gute Balance zwischen Stars & Standardspielern
  • Spieler lassen sich nicht mehr einfach abdrängen

Kontra

  • leichte Ruckler (Xbox, PS2)
  • Power-Dunker schwer zu stoppen
  • noch zu viele Automatismen
  • nur englische Kommentare
  • etwas ruckartige Animationen
  • Clipping-Fehler in den Wiederholungen
  • kein Online-Modus (PC, Xbox, PS2)

Wertung

PlayStation2

XBox

PC