Ys 6: The Ark of Napishtim - Test, Rollenspiel, PSP, PlayStation2, XBox, PC, GameCube
Die jüngste Episode der hierzulande eher unbekannten Ys-Saga wirkt wie eine Zeitreise in goldene 16Bit-Zeiten als Polygone, Render-Sequenzen und Surround Sound noch Fremdwörter waren. Dabei muss man bei The Ark of Napishtim auf keine dieser Errungenschaften verzichten. Die Spielgrafik präsentiert sich in schmuckem 3D, ihr bekommt aufwändig inszenierte CG-Filme serviert und die Sound-FX ertönen in raumfüllendem Pro Logic II.
Zugegeben, die Effekte wirken teils genauso wie der Soundtrack reichlich antiquiert und die Kulisse ist vergleichsweise schlicht. Aber alles wurde mit viel Liebe zum Detail zum Leben erweckt und die Musikuntermalung bietet trotz mäßiger Sampling-Qualität mitunter traumhafte Kompositionen. Zudem wurden gegenüber der zwei Jahre alten PC-Vorlage sämtliche Dialoge vertont.Aufgebohrter Oldie
Die durchgehende englische Sprachausgabe ist allerdings ein Segen mit vielen Schatten, denn die englische Synchro gleicht teils einer Freakshow. Irgendwie scheint es, als habe man das Sprecher-Casting in einem Zentrum für Sprachbehinderte abgehalten. So viel sonores Genuschel, piepsiges Gekrächze, eigenartiges Akzentuieren und nervtötendes Gelispel, welches die Charaktere wenig authentisch erscheinen lässt, habe ich jedenfalls schon lange nicht mehr gehört. Kein Wunder, dass Serien-Protagonist Adol Christin bei so viel stimmlicher Peinlichkeit den Mund lieber erst gar nicht auf macht. Allerdings wirkt der stumme Rotschopf dadurch reichlich profillos, was zusammen mit den bemüht übersetzten, aber gehaltlosen Dialogen und der altbackenen Story um ein von bösen Mächten bedrohtes Inselparadies nachhaltig an der sonst bezaubernden Atmosphäre kratzt.
Charaktere mit Sprachfehlern
Dass man nach einem Schiffsunglück an den Strand eines entlegenen Eilands gespült und mit Skepsis aufgenommen wird, bis man sich heldenhaft um die Probleme der Insulaner kümmert, ist jedenfalls genauso originell wie das Retten von entführten Prinzessinnen oder das Vermöbeln bösartiger Orks und dürfte Rollenspielveteranen nicht mehr als ein müdes Gähnen entlocken. Zudem strotzt die vorhersehbare und lineare Handlung nur so vor stereotypen Charakteren und klischeehaften Ereignissen. Aber sei‘s drum, Ys‘ Stärken liegen nicht in der Dramaturgie, sondern im Gameplay. Denn spielerisch wirkt der Titel wie aus einem Guss. Die Steuerung ist bis auf einige hakelige Hüpfmanöver sehr handlich und intuitiv, das Gegnerverhalten angenehm individuell, der Schwierigkeitsgrad gut ausbalanciert und der Spielablauf ungemein motivierend.
Einfallsloses Setting
Beschränkung aufs Wesentliche
Was zunächst bescheiden klingt, sorgt in der Praxis jedoch für ausreichend Abwechslung.
Neben diversen Sprungattacken und Komboangriffen, könnt ihr nämlich auch immer stärkere Elementarzauber entfesseln. So verwandelt euch die Windklinge bei entsprechender Aufladung in einen kontrollierbaren Tornado, während ihr mit dem Feuerschwert zielgerichtete Lauffeuer entfacht und mit der Donnerklinge zielsuchende Blitze aussendet. Levelt ihr die Schwerter in der örtlichen Schmiede weiter auf, steigt nicht nur deren Angriffs-, sondern auch die ihnen innewohnende Elementarkraft, was für noch gewaltigere Tornados, Lauffeuer und Blitzgewitter sorgt. Ein gewisses Maß an zusätzlicher Auflevelarbeit ist in Ys übrigens Pflicht, da ihr sonst keine Chance habt, die Panzerung bevorstehender Gegner zu durchbrechen, was euch spätestens beim nächsten Bossfight vor eine unlösbare Aufgabe stellt. Das ist aber nicht wirklich tragisch, da der Titel ansonsten viel zu schnell durchgespielt wäre. Doch auch so habt ihr nach etwa 15 bis 20 Stunden alle Orte besucht, alle Aufträge erfüllt und alle Bossgegner bezwungen...Die Kraft der Elemente
Die Spielwelt beschränkt sich nämlich auf gerade einmal drei recht überschaubare Inseln, auf denen Sidequests und bevölkerte Siedlungen Mangelware sind und die euch eher mit viel Hin- und Hergelaufe sowie dem Fehlen einer brauchbaren Kartenübersicht und dem Wiederentstehen von Gegnern als ihren Ausmaßen beschäftigen.
Auch das Nicht-Vorhandensein von Rätseln und Interaktionsmöglichkeiten mit der Umgebung macht sich hierbei negativ bemerkbar. Dafür dürft ihr euch aber speziellen Herausforderungen wie einem Time Attack Modus stellen, eine Reihe von Spielmodifikationen freischalten und zwischen insgesamt drei Schwierigkeitsgraden wählen, die sich spielerisch teils erheblich voneinander unterscheiden. So gibt es in den höheren Stufen etwa verschiedenfarbige Gegner, die man nur mit der passenden Waffe oder gar nicht besiegen kann, während die Bossgegner nicht nur zäher sind, sondern auch zusätzliche Attacken beherrschen, was natürlich für einen entsprechenden Wiederspielwert sorgt.Der Weg ist das Ziel
Euren Spielstand könnt ihr nur an speziellen Speicherpunkten sichern; das allerdings so oft ihr wollt. Außerdem sind sie fair verteilt und heilen bei Berührung Verletzungen sowie negative Statusveränderungen. Zudem könnt ihr im Todesfall eine praktische Continue-Funktion nutzen, was gerade bei den taktischen Bossfights, bei denen ihr die Angriffsmuster eurer Gegner genau studieren und teils auch die Waffen wechseln müsst, ein Segen ist. Ärgerlich sind hingegen einige optionale Hüpfpassagen, bei denen euch ein Fehltritt oft weit zurückversetzt, was aufgrund hakelig auszuführender Supersprünge und des schwammigen Absprungverhaltens für reichlich Frust sorgen kann.
Etwas verwunderlich ist auch, dass es, obwohl ihr das ganze Spiel über ein Schild mit euch tragt, keine Block-Taste gibt. Aufgrund der sehr individuellen Verhaltensmuster und Schwachpunkte eurer Gegner macht das an sich simple Kampfsystem aber dennoch eine gute Figur.Komfort und Frust
Auch die Grafik kann sich sehen lassen. Zwar präsentiert sich die Kulisse eher schlicht, aber dafür ist sie mit vielen liebevollen Details wie sichtbare Ausrüstungsveränderungen, Schatten vorbeiziehender Wolken, durchs Dickicht brechende Sonnenstrahlen oder sich im Wind wiegende Bäume und Gräser ausgeschmückt. Auch die flüssigen Animationen begeistern. Einen Vergleich mit aktuellen RPG-Schwergewichten hält die Optik natürlich trotzdem nicht stand, aber ein charmantes Flair kann man ihr nicht absprechen. Dafür sorgen auch die hübschen Charakterzeichnungen, die bei Dialogen eingeblendet werden. Fans japanischer Zeichentrickkunst können im integrierten Cheat-Menü sogar die Anime-Sequenzen des PC-Originals aktivieren, wobei die speziell für die PS2-Version produzierten Renderfilme alles andere als von schlechten Eltern sind. Zudem gibt es gegenüber der PC-Version zusätzliche NPCs, Spielabschnitte und Musikstücke.
Liebe zum Detail
Fazit
Nach achtjähriger Pause ist vor zwei Jahren endlich wieder ein neues Ys erschienen, das nun auch seinen Weg auf die PS2 bzw. nach Europa gefunden hat. Im Vergleich zur nur in Japan erhältlichen PC-Vorlage spendierte Konami der Konsolenkonvertierung sogar ein paar nette Extras: Neben zusätzlichen Charakteren, Spielabschnitten und Musikstücken, fallen vor allem die schicken Render-Sequenzen sowie die durchgehende, wenn auch recht trashige Sprachausgabe auf. Die etwas knapp bemessene Spielzeit hat sich durch die zusätzlichen Inhalte zwar nur geringfügig erhöht, der Wiederspielwert wurde dank spezieller Bonusaufgaben aber deutlich aufgewertet. Spielerisch blieb hingegen alles beim Alten. Das heißt euch erwartet solide, leicht zugängliche Action-RPG-Kost in guter alter Secret of Mana- bzw. Zelda-Manier mit motivierender Item-, Waffen-Upgrade- und Erfahrungspunktehatz. Schade nur, dass Setting und Dialoge reichlich abgedroschen wirken und die Designer vor kaum einem Rollenspielklischee halt gemacht haben. Dafür glänzt das idyllische Insel-Abenteuer mit viel Liebe zum Detail und einem unwiderstehlichen Oldschool-Charme, der trotz zeitgemäßer Präsentation selige 16Bit-Zeiten wieder aufleben lässt. Wer diese vermisst, kann angesichts des günstigen Preises bedenkenlos zugreifen, auch wenn der Nostalgietrip aktuellen Story-Ansprüchen keineswegs gerecht wird.
Pro
- 60Hz-Modus
- günstiger Preis
- taktische Bossfights
- einfache Handhabung
- hübsche Präsentation
- variabler Schwierigkeitsgrad
- atmosphärischer Soundtrack
- durchgehende Sprachausgabe
- motivierendes Upgrade-System
- charmantes Oldschool-Gameplay
Kontra
- recht kurz & linear
- abgedroschene Story
- antiquierte Sound-FX
- durchwachsene Synchro
- hakelige Sprungsteuerung
- keine brauchbare Kartenfunktion
- stereotype Dialoge & Charaktere
- keine Interaktionen mit Umgebung