Geist - Test, Shooter, GameCube
Alles sieht zunächst nach militärischer Routine aus: John Raimi beteiligt sich als Biochemie-Kenner an einer Infiltration in Südfrankreich. Dort experimentiert die dubiose Volks Corporation mit illegalen Waffen. Nachdem der erste Ermittler spurlos verschwunden ist und selbst Massenvernichtungsmittel nicht mehr unwahrscheinlich sind, schlägt eine Spezialeinheit zur Terrorbekämpfung zu. Die Profis seilen sich ab, ballern sich den Weg frei und suchen Spuren.
Körperlose Odyssee...
Die Story wirft etwas zu früh mit ihren mysteriösen Jokern um sich und ist daher vorhersehbar, aber aufgrund vieler Cutscenes und Überraschungen durchaus unterhaltsam: Ein seltsames Geistermädchen hält Kontakt mit euch, ihr müsst Freunde befreien und irgendwann beobachten, wie das dämonische Unheil aus den Tiefen steigt. Was hat es damit auf sich? Woher kommt es? Neun Kapitel habt ihr Zeit, das herauszufinden. Mal flackert etwas vom mutierten Kreaturenpool und totalitären Überwachungsflair eines Half-Life 2 auf, mal kommt etwas Horror-Stimmung à la F.E.A.R. hinzu. Aber Geist kann nicht in dieser Liga mitspielen: Dazu fehlt es dem Protagonisten an Profil und dem Plot an eigenständiger Dramatik.
Dafür entfaltet die Kulisse ihr eigenes, teilweise sogar beeindruckendes Flair: Obwohl man nicht an die Pracht eines Metroid Prime 2 heran kommt, zeigen die futuristischen Flure ihre Stärken. Vor allem die überaus plastischen Wandtexturen, die selbst aus kurzer Entfernung noch körniges Profil zeigen, sowie die sehr natürlich wirkenden Räume können sich sehen lassen. Zwar gibt es hier und da auch schwache Stellen in den Katakomben, aber insgesamt wird mit Dampf, Licht und bewegten Maschinen eine sehr stimmungsvolle Szenerie aufgebaut. Dazu tragen auch die optischen Verzerrungen in der Geistersicht bei: In astraler Form verschwimmen die Konturen leicht und alle Personen bewegen sich in Zeitlupe - eine coole Perspektive.
Prächtige Umgebung
Und man fühlt sich in der Geisterhaut pudelwohl: Egal ob Hunde oder Ratten, Lampen oder Leitern, Wache oder Wissenschaftler - ihr könnt von allem Besitz ergreifen. Und das macht richtig Spaß, denn ihr übernehmt sogleich die Fähigkeiten des Wirts. Als Nager könnt ihr fiepsen und durch enge Tunnel huschen, als Hund mit treuem Gebell Wachen erweichen, als Soldat Gewehre und Granaten nutzen oder als Wissenschaftler Computer bedienen. Allerdings müsst ihr lebende Ziele zunächst erschrecken: Als Hund bellt ihr die Ratte zittrig, als Duschkopf braust ihr Frauen in Angst und Schrecken und als Betriebsystem konfrontiert ihr den Wissenschaftler mit Totenköpfen auf seinem Desktop - bis er die Nerven verliert. Diese Momente sorgen für Unterhaltung und Abwechslung.
Von der Ratte in den Duschkopf
Aber was sich nach spukender Freiheit anhört, wird schnell zur linearen Besitzergreifung, wobei die Entwickler noch mit dem Zaunpfahl winken: Als Geist erkennt ihr nach kurzer Untersuchung eines Objekts sofort an seinem Leuchten, ob es sich für die Übernahme eignet. Und das die meisten Räume nur eine begrenzte Zahl dieser Ziele bieten, hat man schnell raus, dass man z.B. erst die Leiter und dann den Gashahn nutzen muss. Diese Offensichtlichkeit beugt natürlich langem Suchfrust vor, sorgt aber auch für eine gewisse Routine im Spielrhythmus: Dinge suchen, sie übernehmen, Personen erschrecken, sie übernehmen.
Dafür langweilen die Shooter-Passagen - und zwar gewaltig. Die Gegner laufen suizidfreudig und wenig intelligent vor eure Flinte. Wer Halo 2 oder F.E.A.R. kennt, wird sich angesichts der nicht vorhandenen KI entsetzt abwenden. Zwar reagieren sie auf Geräusche, aber Deckung suchen, Verstärkung rufen oder Verfolgungen gehören nicht zu ihrem Repertoire. Hinzu kommt, dass die explosiven Kisten meist so offensichtlich positioniert sind, dass man die Wachen auch ohne große Schusswechsel kinderleicht ins Jenseits befördern kann. Wenn man dann noch im zweiten Feuermodus Granaten zur Verfügung hat, reibt man sie selbst in Deckung schnell auf. Diese schwache Inszenierung der Action raubt Geist sehr viel Atmosphäre.
Ego-Shooter-Schwachpunkt
Lediglich die Bosskämpfe sorgen für Projektilspannung, denn da kommt es endlich auf ein wenig Taktik an: Jeder Gegner, egal ob Elitesoldat oder Riesenmonster, hat einen Schwachpunkt und eine Kampfroutine, die es zu erkennen gilt. Außerdem muss man hier gezielt zwischen wilder Ballerei, klugem Einsatz von Gegenständen und effektiver Seelenwanderung wechseln. In einer Situation habt ihr es z.B. mit mehreren Soldaten und einem Anführer zu tun, den ihr nur besiegen könnt, wenn ihr abwechselnd die Körper der Feinde und die beiden Selbstschussanlagen übernehmt. Falls ihr in einem Körper sterbt und kein Wirt in der Nähe ist, heißt es Game Over. Aber keine Bange: Das faire Speichersystem sichert automatisch vor wichtigen Duellen - lange Laufwege oder Wiederholungsfrust gibt's nicht, zumal ihr auch über eine dreh- und zoombare Karte verfügt und die Missionsziel vorbildlich archiviert werden.
Multiplayer-Hetzjagd
Obwohl die Multiplayer-Duelle im LAN wesentlich mehr Spaß machen würden als im kleinen Splitscreen, kommt hier durchaus Spannung auf. Man findet zahlreiche nützliche Power-Ups wie Geschwindigkeits- oder Sprungschübe, Rüstungen oder mehr Angriffskraft. Hat man nicht genug Freunde bei der Hand oder will die Teilnehmerzahl auf acht erhöhen, kann man noch Bots hinzufügen und sie Teams zuweisen. Ist ein Spieler zu gut, lassen sich auch Handicaps einstellen.
Fazit
Der GameCube siecht dahin und wird derzeit nur von einer zipfelmützigen Hoffnung künstlich am Leben gehalten: Legend of Zelda. Bis dahin muss man hochkarätige Spiele für den Würfel mit der Lupe suchen. Auch Geist kann trotz seines innovativen Ansatzes und seiner überaus ansehnlichen Kulisse nicht in die Riege der außergewöhnlichen Exklusivtitel à la Eternal Darkness oder Metroid Prime aufsteigen. Es ist insgesamt ein gutes Abenteuer, das den Durst nach Action und Adventure tatsächlich für kurze Zeit stillen kann - nicht mehr, nicht weniger. Die innovative Seelenwanderung und taktische Bosskämpfe stehen auf der einen, die wirklich schwachen Shootereinlagen sowie die Offensichtlichkeit der Rätsel auf der anderen Seite. Die Story pendelt sich auf einem unterhaltsamen Niveau ein, kann aufgrund ihrer Vorhersehbarkeit jedoch keine Dramatik aufbauen. Man kämpft sich gerne mit Raime bis zum Finale durch, legt noch ein paar Multiplayer-Matches nach, aber er wird als Held genau so schnell vergessen sein wie Geist als Spiel.
Pro
- gute Bosskämpfe
- sehr gute Kulisse
- unverbrauchtes Thema
- faires Speichersystem
- lebendiges Level-Design
- interessante Geistwanderungen+ stimmiges Adventure-Flair
- Multiplayer für vier Spieler
- einige schöne Spezialeffekte
Kontra
- sehr kurz
- schwache KI
- Held bleibt blass
- vorhersehbare Story
- recht lineares Leveldesign
- sehr offensichtliche Rätsel
- nur 60 Hz-Modus möglich
- anspruchslose Shooter-Einlagen
- nur englische Sprachausgabe