UFO: Aftershock - Test, Taktik & Strategie, PC

UFO: Aftershock
27.10.2005, Marcel Kleffmann

Test: UFO: Aftershock

Basisbau, Ressourcenverwaltung, taktische Kämpfe und anspruchsvolles Rollenspiel - diese Puzzleteile möchte UFO: Aftershock (ab 1,50€ bei kaufen) unter einen Hut bringen. Vor allem deshalb, weil der Vorgänger bei den Fans der ersten Stunde nicht überzeugend ankam. Ob die Entwickler ihre Hausaufgaben gemacht haben und das Spiel an die Suchtgefahr des Klassikers Enemy Unknown rankommt, verrät der Test.

In UFO: Aftermath attackierten die Reticulaner die Erde und überzogen sie mit einer geheimnisvollen Biomasse, um den Planeten zu transformieren. Ohne echte Alternative nahm die Menschheit ein "Friedensangebot" an. Alsbald wurden alle Überlebenden auf eine Raumstation umgesiedelt. 50 Jahre verharren die Menschen auf dem so genannten Laputa und interessieren 

Mit der Knutschkugel startet ihr die Boden-Missionen und siehe da: Gesellschaft.
sich nicht für die Erde, was wohl daran lag, dass das totalitäre Regime des Councils of Earth keine Fragen zu den damaligen Geschehnissen zuließ. Eines Tages treten jedoch massive technische Fehlfunktionen auf und getrieben durch die existenzielle Bedrohung, fliehen viele Jünglinge mit Shuttles. Sie finden im Erdorbit eine neue Station - ein weiteres, größeres Laputa, das von Außerirdischen bewohnt wird. Kurzum wird zu den Waffen gegriffen und die fliegende Schüssel geentert. Voilà, die Menschheit hat eine neue Basis, die zufälligerweise über eine Transportkapsel zur Oberfläche verfügt. Mit diesen brandneuen Möglichkeiten vor Augen entschließen sich die Geretteten, die Erde zu erforschen und zurückzuerobern...

Geschichtsstunde

Wie der direkte Vorgänger und die klassische Serie, unterteilt sich das Spiel in eine globalstrategische und ein taktische Komponente. Die weltweite Steuerung erfolgt aus dem Laputa und sobald ihr Truppen entsendet, startet ein taktischer Bodenkampf. Kaum auf der Orbitalstation angekommen, blinkt ein Bereich auf dem 3D-Hologramm der Erde. Was kann das sein? Es entpuppt sich als Notruf eines Überlebenden aus dem süddeutschen Raum! Sofort werden Soldaten in die Landungskugel gesetzt und runter geschossen. Kaum gelandet, erwartet euch der "Alt-Mensch", der die Heldentruppe um Hilfe bitte und wie alle Personen mit geöffnetem und geschlossenem Mund sprechen kann -  na ja, nicht alles kann lippensynchron sein. Anschließend beginnt der taktische Einsatz, an dem sich die Geister scheiden werden…

Der Hilferuf

Alle Gefechte laufen in einem Echtzeit-Strategie/Runden-Mix ab, sinnigerweise SAS (Simultaneous Action System) genannt. Dieses System sieht vor, dass ihr eurem Team im Pause-Modus Bewegungsbefehle oder sonstige Order (Schießen, Hinlegen,

Zwei Feinde liegen unter Beschuss.
Kriechen, Einzelschuss, Feuerstoß, ...) geben könnt. Sobald ihr die Zeit laufen lasst, führen eure Soldaten die Aktionen aus. Sind die Ziele erreicht, die Aufgaben erfüllt oder ein Alien gesichtet, pausiert das Spiel für die weitere Planung. Klingt theoretisch ganz gut. Aber: In der Praxis wird der Ablauf zerhackstückelt: Schickt ihr z.B. vier Leute zu einer Stelle, wird viermal hintereinander unterbrochen und wenn dazu noch ein Alien gesichtet wird, folgt wieder eine Pause. Ähnliches geschieht bei Feuergefechten, wenn Gegner die Waffenreichweite verlassen oder nicht im Feuerbereich stehen: Pause, Pause, Pause. Einmal geplante Befehle müssen umständlich abgebrochen werden und dies ist in Kombination mit der teilweise zickigen Steuerkontrolle gar nicht so einfach: Z.B. können nur zwei Personen gleichzeitig aus der Kapsel aussteigen; die anderen werden durch die Kollegen blockiert.    

Taktischer Murks

Die taktische Komponente wird also furchtbar gestreckt. Als kleiner Wermutstropfen lassen sich Schlüsselereignisse, bei denen die Auto-Pause greift, individuell bestimmen - dies verbessert den Spielfluss einigermaßen, führt jedoch zu Kontrollproblemen. Deaktiviert ihr gar alle Optionen, habt ihr quasi ein Echtzeit-Taktikspiel vor euch, das nicht wirklich funktioniert, da 

Für Wissenschaftler gibt es viel Futter!
eure Truppen zu unselbstständig (Gegner nicht attackieren oder fliehende Feinde verfolgen) sind und somit wieder "Pause" angesagt ist. Warum verwenden die Entwickler keinen Runden-Modus wie in den brillanten ersten Teilen? Hinter dem SAS steckt ja ein sinniges Kampfsystem, das allerdings durch das Pause-Generve an Brisanz und Spannung verliert. Ich erinnere mich noch an die damalige X-Com-Zeit, bei der ich jeden Runden-Wechsel gebannt vor dem Monitor saß und dem gegnerischen Zug entgegenfieberte. Jetzt passiert alles simultan, ohne jegliche Spannung. Auch ein Semi-Echtzeit/Rundensystem à la Jagged Alliance 2 hätte Wunder gewirkt.

Ähnliche Querelen kennen bereits die Aftermath-Spieler, trotzdem gibt es auch gute Neuerungen: Gebäude (oder UFOs) sind keine Kulissen mehr, sondern können betreten werden - meist sogar mit mehreren Etagen. Außerdem könnt ihr mit schweren Waffen Wände einreißen oder zumindest demolieren, dazu reicht sogar eine Desert Eagle. Zur besseren Übersicht könnt ihr die Sichtlinien der Soldaten einblenden und der Rest wird à la Fog of War ausgeblendet, später kommen Wärme- und PSI-Sicht hinzu.

Viel Taktik im miesen System

Taktische Interventionsmöglichkeiten gibt es mehr als ausreichend, aber dank des unausgereiften SAS, der ständigen Pausen und der Kontrollmacken werden sich die meisten Spieler den einfachsten Weg aus den Missionen suchen: Leute in Stellung bringen, erstes Alien erschießen und auf die weitere Feinde warten. Sobald ihr nämlich die Waffen abfeuert, hören die restlichen Gegner den Krach und laufen zu euch hin - Kanonenfutter. Diese Vorgehensweise funktioniert bei fast allen Missionszielen der Marke "Gegner erledigen" oder "Region sichern". Lediglich bei "Personen-Rettungs"- oder "Eskort"-Einsätzen sowie bei "Basis-Angriffen" ist ein modifiziertes Vorgehen erforderlich. Ist solch eine Bodenmission irgendwann mal abgeschlossen,

Die Basis bei Stuttgart ist im Aufbau...
werden alle erbeuteten Gegenstände, Leichen oder "lebende Aliens" mitgenommen.

Wäre das unausgegorene Taktiksystem der Aftershock-Kern, würde die Spielspaß-Wertung in Richtung Keller wandern. Es gibt jedoch einen Lichtblick und zwar die erstarkte Globalstrategie: Kaum ist das Team von der ersten Mission zurück, überschlagen sich die Ereignisse und erschlagen den Einsteiger. Es meldet sich nämlich prompt der überlebende Erdling. Als Dankeschön bekommt ihr ein Paket Ressourcen und dürft eine Basis auf ihrem Territorium errichten. Hurra! Eine Basis und Ressourcen – wunderbar, jetzt werden Erinnerungen an die kultigen ersten Teile wach. Die erste Basis dürft ihr nun mit (maximal vier bis sechs) Einrichtungen aus den Bereichen Produktion, Forschung, Verteidigung und Wissenserwerb ausbauen. Anfangs stehen euch nur rudimentäre Gebäude zur Verfügung, je weiter ihr in der Forschung fortschreitet, desto mehr Bauoptionen folgen – und da gibt es verdammt viele.

Globale Rettung

Video: E3-Trailer 2005 (Laufzeit: 1:38 min)Wissenschaft, Herstellung und Instandhaltung der Einrichtungen gehen zu Lasten des Ressourcen-Kontos. Tja und bisher bekommt ihr nur von den "Alt-Menschen" einen der drei Rohstoffe. "Cyborgs" und "Psionierinnen" stellen exklusiv die anderen "Bodenschätze" her und diese verdient ihr euch zunächst ebenfalls mit Hilfsmissionen. Schwupps habt ihr neue Freunde, mehr Basenbauplätze und frische Ressourcen, die mit einem unterhaltspflichtigen "Track"-System zur Hauptbasis gelangen. So dehnt ihr langsam und passiv euer Einflussgebiet aus.  



Weitere UFO-Themen:

Special: Interview mit Jiri Rydl

Download: Singleplayer-Demo (deu.) (267 MB)

Geht euch das zu lahm, könnt ihr Regionen rund um euer Territorium sondieren und erfahrt, welche Partei ansässig ist und welche Ressourcen es gibt. Leben dort Mutanten, könnt ihr problemlos angreifen. Sollte eine der drei befreundeten Parteien hier leben, geht euer Ruf beim Angriff in den Keller, was mit dem Verlust gewisser Gebiete einhergehen kann. Ansonsten

Die "Alt-Menschen" stellen euch u.a. folgende Personen zur Verfügung.
könnt ihr die drei Parteien dazu verwenden, neue Leute zu rekrutieren, Ressourcen einzufordern oder zugunsten eines besseren Rufes zu spenden. Last but not least wäre die vierte Gruppe zu nennen, die fanatisch auf die Rückkehr der Aliens wartet…seltsame Wesen…

Aggressive Ausdehnung

Im globalen Modus kontrolliert ihr also Forschung, Diplomatie, Produktion und das Einsatzteam - UFOs brauchen nicht mehr vom Himmel geholt werden. Stattdessen könnt ihr das Laputa bewegen und zu einem Einsatzort außerhalb der Reichweite hinschippern. Insgesamt dürft ihr fünf Teams mit maximal sieben Personen kommandieren (entsprechende Technologien vorausgesetzt) – pro Einsatz kann nur ein Team aktiv sein. Jeder Soldat hat sechs Grundattribute (Stärke, Geschicklichkeit, Willenskraft, Wendigkeit, Intelligenz und Wahrnehmungsvermögen), die seine Fähigkeiten wie "Reichweite", "Stealth" oder "Medizin" beeinflussen und nach einigen Missionen könnt ihr die Attribute verbessern. Später können sie an Fortbildungen teilnehmen und sich zu Scharfschützen oder PSI-Kämpfern, etc. weiterentwickeln. Gleichzeitig könnt ihr die Soldaten in diesem Menü mit gefundenen oder selbst hergestellten Waffen sowie Items ausrüsten – besonders die Munitionstypen sind gut und sauber aufgelistet. Neu sind hierbei Kampf-Droiden oder Cyborg-Implantate, sofern ihr Cyborgs im Team habt.

Globale Kontrolle

Wie bei vielen Strategiespielen mit globalem Ansatz ist die Anfangsphase überaus motivierend und abwechslungsreich, da Bau und Forschung zum Experimentieren einladen. Nach einigen Stunden und nachdem ihr alle Parteien kennen gelernt habt,

Das markierte Gebiet liegt in Frankreich, gehört den Cyborgs und würde im Falle einer Übernahme stetig "47 Rohstoffe" bringen.
stellt sich allerdings eine gewisse Eroberungs- und Ausbreitungsroutine ein. Die Entwickler waren sich dieser Schwäche bewusst und bemühten sich spezielle Missionen und Überraschungen einzuflechten, jedoch ohne durchschlagenden Erfolg, da sich wenig Abwechslung im Taktik-Gameplay einstellt. Hauptmotivationsfaktoren bleiben die Soldaten-Fähigkeiten, der Basisausbau und die Forschung.

Auf langer Zeit

Technisch präsentiert sich Aftershock durchaus solide. Die taktischen Schauplätze sind fast auf dem Stand des Vorgängers, lediglich die Gebäude sehen einen Tick feiner aus. Optimierungsbedarf gibt es den Charakter-Modelle, die recht eckig sind und längst nicht die schönsten Texturen tragen – gleiches gilt für die Aliens und Mutanten. Obwohl ein weiterer Auszoomfaktor fehlt, reicht diese Kulisse für das Taktikspiel halbwegs aus. Die Geosphäre hingegen sieht richtig gut aus, wobei die dort befindlichen Berater ebenfalls zu viele Ecksteine im Gesicht haben. Im Hintergrund düdelt derweil die scheinbar aus dem MIDI-Synthesizer stammende Musik. Besser sind da die Soundeffekte, allen voran die Waffen-Sounds sowie die gut gewordene dt. Sprachausgabe. 

Grafik & Sound

Fazit

Als UFO-Fan der ersten Stunde freut es mich, dass der Strategiemodus ausgebaut wurde. Insbesondere Basisaufbau, Forschung und Expansion machen unheimlich Spaß. Hinzu gesellen sich nette, aber nicht vollends ausgeschöpfte Diplomatiemöglichkeiten sowie ein motivierendes Rollenspielsystem für alle Soldaten. Dieser ungeheure Umfang wurde zwar in sinnvoll gegliederte Menüs verpackt, aber trotzdem ist der Einstieg für UFO-Neulinge haarig. Das ist für Veteranen zwar kein Kritikpunkt, aber es gibt einen anderen: die taktischen Gefechte - hier wurden Runden- und Echtzeit-Kampf nicht optimal gemischt. Ständig gibt es Unterbrechungen, sich wiederholende Befehle und die KI beider Seiten bietet kaum Überraschungen. Ohne dieses hinfällige SAS, sondern mit einem Kampfsystem à la Jagged Alliance 2 oder der damaligen UFO-Serie hätte das Spiel locker den Gold-Award erringen können. So bleibt Aftershock leider auf einem gerade noch guten Niveau kleben. Der Kauf lohnt sich für geduldige Fans, aber Glanz und Glorie vergangener X-Com-Tage werden leider nicht erreicht.

Pro

  • gute globale Strategie
  • vielschichtiges Gameplay aus Forschung, RPG, Produktion, Expansion und Taktik
  • nettes Einfluss-System bei den Fraktionen
  • motivierendes Erfahrungssystem
  • viele Forschungen & Entwicklungen
  • mehrere Einsatzteams
  • Gebäude können betreten werden
  • großes Arsenal an Ausrüstung
  • übersichtliche Menüs
  • zerstörbare Umgebung
  • lange Spieldauer
  • weitgehend gelungene Übersetzung
  • ordentliches Handbuch

Kontra

  • <P>
  • ziemlich durchwachsene Missionen
  • taktische Kontroll
  • und Bedienungsprobleme
  • holpriges, spannungsfreies Kampfsystem
  • nicht ausreichende KI (Soldaten &amp; Aliens)
  • Diplomatiesystem könnte umfangreicher sein
  • zu wenige Bauplätze pro Basis
  • Einstieg ist recht schwierig
  • hässliches Introvideo
  • keine Abfangeinsätze mehr
  • schwache Charakter
  • und Alien-Modelle
  • nervige Sprachsamples der Soldaten
  • schwankende Musik-Güteklasse
  • Text-Formatierungsfehler in der dt. Version
  • keine lippensynchrone Sprachausgabe</P>

Wertung

PC

Ohne die Echtzeit-Kämpfe wäre das Spiel richtig gut geworden.