Football Manager 2006 - Test, Sport, 360, PC, PSP

Football Manager 2006
08.11.2005, Mathias Oertel

Test: Football Manager 2006

In England die unumstrittene Nummer 1, hierzulande eher ein Randgruppenprodukt: die Football Manager-Serie von Sports Interactive. Mit der Auflage 2006 unternimmt das Team, das mittlerweile seine Spiele für Sega herstellt, einen neuen Versuch, Fuß auf dem hart umkämpften deutschen Markt zu fassen. Ist das Vorhaben dieses Jahr von Erfolg gekrönt?

Wer bislang nichts von Sports Interactive und seiner Manager-Serie gehört hat, wird sich nach der Installation verwundert die Augen reiben: Statt Pomp und Hochglanzmenüs erwarten euch umfangreiche Tabellen und eher Excel erinnernde Auflistungen. Das hinter dieser staubtrockenen Präsentation jedoch ein ernst zu nehmender Konkurrent für EAs Manager steckt, findet man spätestens nach Studium des umfangreichen Handbuchs bzw. der Ingame-Hilfe heraus, die jederzeit über die F1-Taste aktiviert werden kann – kein Spiel geht so ins Detail des Ballsports.

Wer den FM 2006 von Sports Interactive spielt, muss die grafische Erwartung zurück schrauben - bekommt dafür aber im Gegenzug einen enormen Tiefgang.
Man fühlt sich fast wie in einem Rollenspiel, wenn man sich die Dutzenden Fähigkeiten und Atrribute der Profis anschaut. Selbst Schiris und Assistenten haben eigene Charakteristika, die ihr bei der Aufstellung der Marschroute für das nächste Spiel berücksichtigen müsst.

Manager? Trainer? Tabellenkalkulation?

Doch dann folgt schon der zweite Schock: Wo sind die Manager-Aspekte? Wie kann ich auf die finanzielle Struktur des Vereins Einfluss nehmen? Dieses Missverständnis kann relativ leicht erklärt werden: In England ist der Team-Manager eher der weitläufige Begriff für den Coach und weniger für die Position, die hierzulande in den Vereinen von Persönlichkeiten wie den Hoeness-Brüdern, Rudi Assauer oder Dietmar Beiersdorfer ausgefüllt wird.

Als Fußball-Trainer-Simulation jedoch kann Segas FM 2006 auf breiter Front überzeugen. Es krankt eigentlich nur von vorne bis hinten an der trockenen Präsentation, die die Wüste Gobi wie eine einzige Oase aussehen lässt. Nur einige sporadische Profifotos und Diagramme lockern die Datenwüsten auf.

Trainer-Simulation vom Feinsten

Inhaltlich gibt es jedoch kaum offene Wünsche: In Abstimmung mit dem Transferbudget könnt ihr euch z.B. um gezielte Verstärkungen für die Mannschaft kümmern. Scouts suchen für euch in allen Regionen der Welt nach dem optimalen Spieler: Ihr könnt die Position, den Kontinent und sogar Kleinigkeiten wie die gewünschte Sprache eures zukünftigen Superstars festlegen. Gesondertes Training ist für einzelne Spieler genau so möglich wie für das Team oder einzelne Mannschaftsteile und ist dank vollkommen überarbeiteter Menüs relativ leicht zu bewerkstelligen. Euer junges Talent soll sich beim Kopfball besser durchsetzen?

Kaum vorstellbar, aber wahr: Die Quasi-2D-Darstellung entfacht eine Mordsspannung - Fantasie vorausgesetzt!
Dann lasst Sprungkraft trainieren! Natürlich könnt ihr euch auch auf die Assistenten verlassen, die im Normalfall einen befriedigenden Job erledigen.

Damit das Training auch Erfolg zeigt, könnt ihr auch das taktische Verhalten haarklein einstellen. Und das bedeutet, dass ihr nicht nur die allgemeinen Marschrouten für die Mannschaft festlegen, sondern auch einzelne Spieler mit bestimmten Aufgaben betrauen könnt: Wer soll die Ecke von rechts übernehmen? Sollen kurze oder lange Pässe vorherrschen? Sucht ihr mit Vorliebe den Erfolg über einen Sturmtank wie Jan Koller oder versucht ihr, den Ball über Kombinations-Fußball ins Tor zu tragen? Ihr habt haufenweise Optionen, um eure Mannschaft nach eurer Pfeife tanzen zu lassen.

Alle Möglichkeiten hier aufzulisten, würde den Rahmen sprengen. Nur so viel sei gesagt: Wer Lust und Interesse hat, sich durch die hin und wieder zu stark verschachtelten Menüs zu klicken, kann vor jedem Spiel im wahrsten Sinne des Wortes Stunden zubringen, um sein Team zu optimieren.

     

Das Schöne dabei ist jedoch auch, dass alle Aktionen und Reaktionen logisch und nachvollziehbar scheinen und sich damit an die Realität annähern. Spieler, die ihr z.B. auf der Bank schmoren lasst, obwohl sie beständig gute Leistung im Training bringen, werden mit der Zeit unzufrieden und lassen sich nicht wieder so einfach besänftigen. Eure Ansprache nach einem Spiel kann deutlich die Moral erhöhen.

Wer seine Mannschaft gut einstellen will, sollte sich eingehend mit allen aufgearbeiteten Statistiken und Charakterwerten befassen.
Doch wenn ihr euch im Ton vergreift, kann das Ergebnis auch nach hinten los gehen.

Hin und wieder kann es zwar vorkommen, dass man über irgendeine Nachricht, die einen im gut sortierten E-Mail-Ordner erreicht, Stirn runzelnd den Wahrheitsgehalt in Frage stellt, doch bei all dem Informationswust, den euch der Football Manager 2006 (ab 5,99€ bei kaufen) entgegen wirft, hat man nie das Gefühl, dass die Berechnungs-Routinen versuchen, euch ein X für ein U vorzumachen.

Habt ihr alle nötigen (und vielleicht die eine oder andere unnötige) Entscheidung getroffen, steht schließlich der Spieltag an. Und hier wartet auf Einsteiger in die Fußball Manager von Sports Interactive der nächste Schock: Man reibt sich ob der zweidimensionalen Vogelperspektive, in der sich platte Kreise einen dreidimensional scheinenden Ball zuschieben, verwundert die Augen. Das kann doch nicht wahr sein? Doch, ist es und dazu noch spannend – wenn man sich darauf einlässt. Denn sobald man zusätzlich zu dem unspektakulär scheinenden Kick seine Fantasie ein wenig einschaltet und sich als Trainer auf das Spiel konzentriert, fiebert man mit, wenn ein Ball über die Torlatte jagt, ärgert sich, wenn der Verteidiger in der Vorwärtsbewegung einen Fehlpass spielt und beginnt, die Schiedsrichter bei einer vermeintlichen Abseitsposition zu verfluchen.

Spartanische Spannung

Die dazu gehörigen Texte, die am unteren Bildschirmrand durchlaufen, kann man allerdings getrost vergessen, da sie sehr nüchtern das Spielgeschehen widerspiegeln und bei weitem nicht die Intensität der Textmodi in diversen Managern aus deutschen Landen erreichen. Außerdem gibt es ab und zu kleine Fehler bei der Übersetzung.

Selbst eine haarklein aufgeschlüsselte Übersicht über verletzte Spieler fehlt nicht!
Als Neuerung in der diesjährigen Auflage des FM könnt ihr nun on-the-fly taktische Änderungen vornehmen – und das unkomplizierter als in den normalen Menüs für Aufstellung, Taktik und Anweisungen.

Während EAs Manager-Titel immer noch im Hotseat-Steinzeitalter verhaftet sind, bietet euch der Konkurrent aus dem Hause Sega die Möglichkeit, euch über Netzwerk sowie Eingabe der IP mit anderen Spielern zu messen. Das zwangsläufige Warten ist dabei allerdings nicht jedermanns Sache. Was auch für die zeitlich mögliche Zugbeschränkung gilt, doch mit geeigneten Mitspielern wird man sicherlich einen Modus finden, der allen gefällt.

KI vs. Netzwerk

Die Auswirkungen der Option, verbal zum nächsten Gegner und deren Trainer Stellung zu nehmen, sind uns im Test allerdings verschlossen geblieben. Dass es diese Möglichkeit jedoch gibt, ist bemerkenswert und suggeriert einem gleichzeitig, dass das Beschimpfen des gegnerischen Coaches (siehe Jose Mourinho und Arsene Wenger in der jüngsten Vergangenheit) tatsächlich etwas bewirkt.     

Die KI kann ebenfalls  überzeugen: Wie die inhaltlichen Zusammenhänge eurer Entscheidungen auch, sind vor allem die Transferaktionen der anderen Vereine meist logisch nachvollziehbar.

Fazit

Man muss schon ein richtiger Fußball-Freak sein, um Gefallen an dem Manager von Sports Interactive zu finden. Anfänger werden von der äußerst spartanischen Präsentation sowie der enormen Komplexität erschlagen und werden vermutlich aufgeben, ehe sie auch nur ansatzweise den Tiefgang des Football Manager 2006 ausloten können. Wer die Serie bereits kennt – und daher weiß, was ihn erwartet – bzw. wer gewillt ist, sich auch über einige Frusterlebnisse hinweg in die Materie einzuarbeiten, bekommt im Gegenzug eine nahezu perfekte Trainersimulation. Ihr könnt auf alle wesentlichen und einige unwesentlichen Aspekte eurer Mannschaft Einfluss nehmen, die Zusammenhänge sind logisch, die KI-Aktionen nachvollziehbar und die Spiel-Ergebnisse realistisch. Wenn jetzt auch noch die Präsentation einladender wäre, stünde eine neue Referenz ins Haus. Doch selbst mit diesem Makel ist der Football Manager 2006 eine lohnenswerte Anschaffung für alle, die richtiges Trainer-Feeling erleben wollen und vor einer spröden Präsentation keine Angst haben.

Pro

  • umfangreiche Trainer-Simulation
  • spannende Matches
  • Zehntausende Spieler mit Original-Namen
  • Original Trainer-Namen
  • viele Einstellungsmöglichkeiten
  • Netzwerkspiel möglich
  • weitestgehend realistische Ergebnisse
  • logische Zusammenhänge
  • gutes KI-Verhalten
  • überarbeitetes Trainings-System

Kontra

  • äußerst spartanische Präsentation
  • schwache Soundkulisse
  • Mager-Optik
  • im Wesentlichen kein Finanzmanagement
  • für Anfänger zu komplex

Wertung

PC