Keepsake - Test, Adventure, PC

Keepsake
03.12.2005, Bodo Naser

Test: Keepsake

Viele Adventures sind in etwa so anrührend wie das Lösen eines Rätselheftes - Gefühle sind in den menschenleeren Welten kaum gefragt. Verlassen ist die Welt von Keepsake (ab 19,89€ bei kaufen) zwar auch, aber das hat einen Grund, dem ihr auf der Spur seid. Das entfernt an Kings Quest erinnernde Spiel zeigt sich aber sehr menschlich, auch wenn es in einem Märchenreich spielt, in dem es viel Geheimnisvolles zu entdecken gibt. Ein Geheimtipp?

Die Heldin plagen immer wieder Visionen, die die spannende Story weitererzählen.
Keepsake spielt in einer weit entfernten Welt, in der Drachen, uralte Magie und verzauberte Orte völlig selbstverständlich sind. Im idyllischen Tal von Dragonvale liegt die Akademie der Zauberer, die architektonisch nicht weniger beeindruckt als das Bruchtal aus der Herr der Ringe-Verfilmung. Lydia freut sich auf ihren ersten Schultag, an dem sie wie ihr Kollege Harry Potter an der angesehenen Akademie aufgenommen werden soll. Doch leider kommt alles anders: Als die flotte Heldin dort ankommt, findet sie das schlossartige Gebäude völlig verlassen vor. Wo sind all die Schüler hin und wo ist ihre beste Freundin Celeste, die am geheimnisvollen Brunnen auf sie warten hätte sollen?

Zauberer, Drachen und ein Mädchen

Der Einzige, den das Mädchen mit dem schwarzen Haar und dem roten Rock im Gemäuer aufstöbert, ist ein Wolf, der ihr erzählt, ein verzauberter Drache zu sein. Zak, so heißt er, behauptet Opfer eines Streiches der Schüler geworden zu sein. Aber irgendwie scheint er mehr zu wissen, als er zugibt. Dann findet Lydia eine Puppe, die sie vor langer Zeit Celeste mit dem Versprechen geschenkt hat, sie immer bei sich zu tragen. Das löst eine Vision in Form einer Rückblende aus, die eine anrührende Szene aus der Kindheit der beiden zeigt. Plötzlich wird klar: Celeste muss etwas Furchtbares passiert sein, wenn sie den Kasper einfach so liegen lassen hat. Nun wollt ihr spätestens wissen, was passiert ist.

Überall warten Rätsel und Prüfungen auf euch, die zum Teil nicht von Pappe sind.
Die Suche nach der Lösung ist allerdings alles andere als ein Zuckerschlecken, wie man nach dem überflüssigen Tutorial vielleicht noch glauben konnte. Wer es noch einmal beginnt, muss sich die Einführung durch Mustavio übrigens wieder antun, da sie sich nicht abbrechen lässt. Im Verlauf des Adventures sind immer wieder teils heftige Rätsel zu lösen, die sich wohl an solche Grübler wenden, die auch gerne Rätselhefte machen. Es sind weniger Gegenstände, die ihr aus eurem schön gestalteten Inventar richtig anbringen müsst, als Hebel für märchenhafte Apparaturen, die ihr in Gang setzen sollt. Aber auch Prüfungen gibt es, bei denen es ums magische Wissen geht. Um etwa das große Tor in der Halle öffnen zu können, müsst ihr alle Geräte im Maschinenraum mit Energie versorgen. Eine der Knobelaufgaben, die nicht nur mit viel Gehirnschmalz sondern auch immer wieder mit langen Wegen durch die verschachtelten Gänge verbunden sind.

Rauchende Köpfe

               

Wenn euch solche Aufgaben zu hoch sind, könnt ihr die gut gemachte Lösungshilfe zu Rate ziehen.
Wenn euch solche Knobelaufgaben -wie den Tester- zur Verzweifelung treiben, dann hält Keepsake einen Stresshemmer für euch bereit, den es auch schon bei Myst IV gab. Ein Lösungsbuch? Nein, aber für alle Rätsel gibt es eine eingebaute Hilfefunktion, die abgestuft ist und bis zur Komplettlösung reicht. Kommt ihr also irgendwo nicht weiter, könnt ihr nun den Hilfeknopf drücken. Dort erhaltet ihr zunächst drei Mal hintereinander einen Tipp, der dann immer exakter wird. Reicht das nicht, um die Blockade zu lösen, dann könnt ihr die Lösung des Rätsels anfordern. Nach einer weiteren Bestätigung löst sich das Rätsel wie von Zauberhand selbst, was das Spiel bei Dauernutzung allerdings witzlos macht.

Rätsel, löse dich!

Leider funktioniert das zumindest bei einem Fall nicht, dem berüchtigten Türenöffnungs-Bug im Zusammenhang mit Lydias Prüfung. Wer nach einer erneuten Vision den falschen Weg nimmt und gleich nach oben weiter geht, der hat ein echtes Problem. Hier ist das weniger lineare Spiel nicht eindeutig, denn die Story zieht euch trotz Hilfefunktion nach oben. Bedient ihr euch erst anschließend im großzügig eingerichteten Kabuff des Hausmeisters, wo ihr auch euren Zauberstab erhaltet, dann lassen sich die magisch verschlossenen Türen nicht mehr öffnen. Anders herum wird nämlich ein Schuh draus. Hoffentlich beseitigt das ein Patch irgendwann, denn sonst hilft nur neu laden und noch einmal spielen. Immerhin hält das Spiel dafür wenn auch versteckt alle Spielstände bereit.

Keepsake ist recht dialoglastig, so dass es immer wieder notwendig ist, lange Dialoge zu führen. Leider sind die Gespräche nicht immer spannend, wie etwa der Dialog mit Mustavio zeigt. Oftmals ist das Gesagte langatmig und ihr fragt euch, wann es denn endlich vorbei ist. Ihr könnt den Dialog zwar abbrechen, was aber nur schleppend geht. Es gibt auch kaum Möglichkeiten, das Gespräch in eine Richtung zu beeinflussen, da ihr meist alles fragen müsst, was euch per Multiple-Choice zur Verfügung steht. Ganz ohne Humor sind die Dialoge jedoch nicht, wie etwa das Gezerre mit Zak zeigt, der partout seine Herkunft nicht preisgeben möchte. Die Gespräche sind allesamt auf Deutsch vertont, wobei die Sprachausgabe nicht berauschend ist. Ihr könnt dem Gesagten aber immerhin lauschen, ohne dass ihr einen Hörschaden davon bekommt, da zumindest Lydia und Zak eine angenehme Stimme haben. Und die reden ja noch am meisten.

Lange Dialoge

Wer auf gotische Gemäuer steht, kommt bei Keepsake trotz veraltete Grafik auf seine Kosten. 
Die altmodische Grafik von Keepsake ist der Tatsache geschuldet, dass es sich um das Erstlingswerk der Wicked Games handelt, das ohne großes Budget entstand. So gibt es natürlich keine in Echtzeit berechnete 3D-Umgebung, sondern allenfalls durchschnittliche animierte 3D-Figuren, die vor gerenderten 2D-Hintergründen agieren. Auf der Treppe merkt ihr, dass die Figuren nicht optimal in die Umwelt eingefügt sind. Zak, der euch stets hinterher trottet, startet schon mal ein Überholmanöver, bei dem er unnatürlich schnell vorbei saust. Viele der Zwischensequenzen bieten keinen richtigen Film sondern nur Einzelbilder mit ein bisschen Bewegung drin. Draußen im Wald, wo eigentlich überall Bewegung zu sehen sein müsste, wirkt das Spiel arg statisch. Das gilt auch für den Bach, der nicht lebensecht sprudeln will. Immerhin ist den Macher zugute zu halten, dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten Mühe gegeben haben. Stimmungsvoll ist das Adventure, was nicht zuletzt an der gotischen Architektur des Gebäudes liegt. Auch beim Lösen der Rätsel ist öfters ein wenig Bewegung drin. Einem Vergleich mit dem noch schöner gezeichneten Syberia hält es dennoch nicht stand.

Altmodische Grafik

         

Fazit

Für ein Erstlingswerk ist Keepsake gelungen, auch wenn es weder grafisch eine Wucht ist noch zum zweiten Kings Quest avancieren kann. Insbesondere die dramatische Story verleitet euch immer wieder zum Weiterrätseln. Es sind allerdings weniger die üblichen Knobeleien, die motivieren, als vielmehr die Frage, was um Himmels Willen in der Dragonvale-Akademie geschehen ist. Bei der Recherche tun sich menschliche Abgründe auf, die einfach fesseln. Die Rätsel empfinde ich als Durchschnittsabenteurer einfach zu heftig, aber die eingebaute Hilfefunktion beugt Frustrationen vor. Allerdings gefällt mir die lange und monotone Latscherei ebenso wenig wie die langatmige Aufmachung, die in den teils narkotisierenden bis nervenden Dialogen ihren Ausdruck findet. Unterm Strich ist Keepsake jedoch ein recht unterhaltsames und erfrischend emotionales Adventure.

Pro

  • spannende Geschichte
  • schön altmodisch
  • märchenhafte Szenerie
  • umfangreiche Spielhilfe
  • weniger linear
  • anrührende Filme
  • beeindruckende Architektur

Kontra

  • heftige Rätsel
  • viel Laufarbeit
  • langatmige Dialoge
  • nerviger Türenöffner-Bug
  • altbackene Grafik
  • schwache Animationen

Wertung

PC

Nicht ganz so wie Kings Quest, aber immerhin eine spannende Story