Kirby: Power Paintbrush - Test, Plattformer, NDS

Kirby: Power Paintbrush
30.11.2005, Jörg Luibl

Test: Kirby: Power Paintbrush

Mit Mario, Yoshi und Sonic gibt es auf dem DS bereits namhafte Helden, die springend, schwebend und hüpfend jede Menge Spielspaß garantieren. Der blaue Igel sicherte sich erst kürzlich in rasender Oldschool-Manier einen Gold-Award. Aber keiner konnte bisher die magische 90er-Mauer durchbrechen. Jetzt ist Kirby da - und räumt mal eben Platin ab.

Mario. Giana. Sonic. Rayman. Klonoa. Wenn euch diese kleine Ahnentafel der Jump'n'Run-Helden wehmütig seufzen lässt,

Was bunt und scheinbar kinderleicht anfängt, entwickelt sich zu einem Jump'n'Run für Profis.
dann gehört ihr zu der Spielerspezies, die drei Dinge braucht, um glücklich zu sein: einen akrobatischen Helden, ein intelligentes Leveldesign und jede Menge halsbrecherischer Herausforderungen. Dann schätzt ihr coole Figuren ebenso wie Abgründe und Plattformen, wie Secrets und Extraleben.

Heroische Ahnentafel

Wenn ihr jetzt nickt, dann seid ihr nach diesem Test 40 Euro los. Habt ihr die Knete? Okay. Da draußen wartet nämlich ein rosa Held auf euch, den ich bis vor kurzem nicht mal in die Top 10, vielleicht nicht mal in die Top 20 meiner Geschicklichkeitslieblinge gewählt hätte. Dieser Außenseiter sieht aus wie ein rund gelutschter Hubba Bubba, der zu viel Rammstein gehört hat und rockt den DS so gewaltig, dass ihm selbst der bescheuerte Spieletitel nichts anhaben kann: Kirby Power-Malpinsel.

Kindisch. Peinlich. Dämlich. Hab ich auch erst gedacht, als ich den deutschen Namen gelesen habe, der auf ein Deluxe Paint für Sechsjährige schließen lässt und die ersten kunterbunten Bilder auftauchten. Ja, es riecht zunächst verdammt scharf nach Kinderkanal. Aber dahinter verbirgt sich das intelligenteste und innovativste Jump'n'Run, das ihr derzeit für den DS bekommen könnt. Kirby geht weit über das hinaus, was Yoshi Touch & Go bietet. Kirby schlägt in Sachen Abwechslung, Leveldesign und Umfang selbst Super Mario 64 DS und Sonic Rush.

Rosa, rund und rockt!

Schuld an seinem Höhenflug trägt eine miese Hexe: Die hat nichts Besseres zu tun, als die Welt in ein Sammelsurium aus Gemälden und Kirby in einen hilflosen Ball zu verwandeln. Der amerikanische Titel "Canvas Curse" trifft es auf den Punkt: der Leinwand-Fluch. Doch der rosa Held hat Glück im Unglück: Ein magischer Malpinsel hilft ihm, die tödlichen Hindernisse in acht Welten zu überwinden. Aber jetzt vergesst die Pseudostory, die nicht über das hinaus geht, was Giana anno 1987 auftischte.

Denn die Erzährlung interessiert nicht: Auge und Hand tanzen auch ohne sie im motivierten Duett. Die Kulissen sind hervorragend gezeichnet und strotzen nur so vor Einfallsreichtum. Lasst euch vom ersten Level nicht abschrecken, denn die Bonbonkulisse der ersten Welten macht bald ganz anderen Eindrücken Platz: da gibt es düstere Schwarz-Weiß-Korridore, brodelnde Lavagruben, mechanische Radhallen, frostige Schneegebiete und fast schon avantgardistische Kunstareale. Die Hintergründe sind schon kleine Augenweiden und vorne wuseln Monster, schießen Kanonen und brutzeln Laser. Aber wie sollt ihr daran vorbei kommen?

               

Ähnlich wie in Yoshi Touch & Go könnt ihr Linien mit dem Stift ziehen, um über Gegner zu rollen oder sie aufzuhalten. Außerdem könnt ihr euch mit dem Stylus einen Turboschub verpassen und manche Feinde bewusstlos klicken, um sie mit einer Rammattacke zu überrollen. Aber Kirby führt das Prinzip der Stiftsteuerung in eine neue Dimension, denn ihr habt innerhalb der 2D-Levels viel Freiraum: Mit

Auch Schwarz-Weiß-Welten gehören zum 20-stündigen Geschicklichkeitsprogramm.
dem Stift malt ihr Brücken oder Rampen samt Loopings, damit Kirby gezielt aufgehalten, über Abgründe gelotst oder wie in der Achterbahn beschleunigt wird. Er rast, fliegt, schwebt, taucht und prallt wie eine Billardkugel im korrekten Winkel an Wänden ab.  Dabei könnt ihr euch in alle Richtungen bewegen, das Tempo gezielt rausnehmen und die weitläufigen Abschnitte samt all ihrer Schätze kreuz und quer erforschen.

Farbe, Loopings & Timing

Aber Vorsicht: Im Gegensatz zu Yoshi könnt ihr nicht maßlos Linien pinseln, denn der Stift muss sich nach reichlichem Gebrauch erst wieder aufladen. Interessant wird diese Begrenzung auch in einem Zusatzmodus, wo ihr mit möglichst wenig Farbe ins Ziel kommen müsst - also heißt es, sparsam zu pinseln. Überhaupt reagiert Kirby punktgenau auf jeden noch so kleinen Strich, so dass selbst komplizierte Tauchmanöver und gut getimtes Ausweichen möglich sind.

Das Motivierende an Kirby ist das vor Variationen, Ideen und Gefahren nur so strotzende Leveldesign: Mal muss man geschickt Schalter umlegen, poröses Mauerwerk aufbrechen, auf bewegte Plattformen springen, Geheimgänge finden, Ansaugröhren treffen, einstürzenden Decken ausweichen, Laserfallen gezielt entsichern, dunkle Räume erhellen, Felsen wegsprengen, rotierende Messer rechtzeitig aufhalten, klebrige Flächen nutzen, Smartbombs auslösen oder sich von Transportkränen schnappen lassen.

Abwechslung pur!

Ich hatte bisher keine einzige Minute Langeweile in diesem fulminanten Mix aus Yoshi und Sonic, der auch immer wieder angenehm an den Rätselmeister unter den Jump'n'Runs erinnert: Klonoa 2. Und selbst die Bosskämpfe trumpfen mit Abwechslung auf, denn es gibt drei Versionen, zwischen denen ihr nach dem Meistern eines Levels wählen könnt: eine Art Breakout, in dem ihr Kirby gezielt Richtung Boss jagen müsst; ein Wagenrennen, indem ihr über schnelles Aufsammeln von Extras beschleunigen könnt; ein Zeichen-Memory, in dem ihr ein vorgegebenes Muster mit dem Stift nachziehen müsst.

Nicht nur die Bossfights, auch die normalen Kämpfe und Herausforderungen machen Laune: Kirby kann knapp ein Dutzend Fähigkeiten von besiegten Monstern aufsaugen und sich verwandeln. Schön ist, dass man diese Spezialeigenschaften geschickt innerhalb der Levels einsetzen muss: Kirby bläst sich zum Ballon auf und schwebt in höhere Gefilde, er wird zum Stachelschwein und bleibt an der Decke hängen, er mutiert zum schweren Stein, der auf den Meeresboden sinkt und sich dort ein Extra schnappt oder jagt als ferngesteuerte Rakete durch schmale Korridore.

Und das Beste ist: satte 20 Stunden Spielzeit warten auf euch; allerdings inklusive vieler Neu- und Fehlversuche. Einsteiger werden sich in der komplexen Architektur späterer Levels die Zähne ausbeißen und sich über die Checkpoints freuen, die zum schnellen Sichern einladen. Der obere Bildschirm dient der Übersicht und zeigt eure aktuelle Gesundheit sowie einen Ausschnitt der verwinkelten Levels samt Türen sowie den Standort der roten Münzen. Davon sind in jedem Abschnitt bis zu drei versteckt. Ihr braucht sie, um Extras wie neue Linienfarben, Songs oder weitere Figuren freizuschalten.

Checkpoints & Minigames

Aber der Weg dorthin ist knifflig: Mal liegen sie in Sackgassen, hinter verschlossenen Türen oder an besonders gefährlichen Stellen. Leichter zu ergattern sind die Münzen, die ab der Hundertsten ein Extraleben gewähren. Der Schwierigkeitsgrad steigt jedoch angenehm sanft an und wenn man mal nicht weiter kommt, kann man sich in den freigespielten Wettbewerben auf Zeit durch die Levels schlagen oder sich am Weitsprung versuchen - ein cooles Minigame, in dem Kirby drei mal beschleunigen darf, bevor ihr mit dem Stift eine optimale Sprungschanze gezeichnet habt. Nur einen Multiplayermodus gibt es leider nicht.

        

Fazit

Lasst euch vom bescheuerten Titel nicht täuschen: Kirby ist das intelligenteste, umfangreichste und spaßigste Jump'n'Run auf dem DS. Das liegt vor allen Dingen an der Vielfalt, die der kleine Hüpfmeister in Sachen Spezialfähigkeiten und Leveldesign bietet. Er kann sich von der Stachelkugel in einen Ballon verwandeln, wie ein züngelnder Blitz wüten oder als Stein auf den Grund eines Sees sinken. Statt stupider Daueraction gibt's eine gute Mischung aus Kampf, Akrobatik und Rätseln: Ihr müsst Schalter aktivieren, durch Wasserströme gleiten, Plattformen erreichen, Lasern ausweichen oder einfach mit Schmackes Feinde rammen. Kirby führt die intuitive Stiftkontrolle von Yoshi Touch & Go konsequent fort und begeistert mit Qualitäten, die man sonst nur von Sonic und Mario kennt. Ich hätte nie gedacht, dass ich vor diesem rosa Ball mit dem bösen Blick mal den Hut ziehen würde.

Pro

  • ca. 20 Stunden Spielspaß
  • innovative Steuerung
  • coole Bosskämpfe
  • viele Spezialattacken
  • intelligentes Leveldesign
  • unterhaltsame Minispiele
  • Schwerkraft & Magnetismus
  • viel freispielbare Extras
  • enormer Wiederspielfaktor
  • optimal für Jump'n'Run-Fans

Kontra

  • kein Multiplayer-Modus

Wertung

NDS

Kirby ist das intelligenteste, umfangreichste und spaßigste Jump&Run auf dem DS.