Tiger Woods PGA Tour 06 - Test, Sport, 360, GameCube, PlayStation2, XBox, PSP, PC

Tiger Woods PGA Tour 06
10.12.2005, Benjamin Schmädig

Test: Tiger Woods PGA Tour 06

Nach einem routinierten Eagle auf PC, drei guten Birdies auf Konsolen und einem gelungenen Par auf PSP, schlägt der größte Golfer dieser Tage auch auf dem Rasen der nächsten Generation ab. In Sachen Simulationstiefe kann der Tiger ja von jeher überzeugen; Gespannt dürft ihr hingegen darauf sein, ob sich die nüchterne Kulisse der zuletzt gesehenen Golfplätze in einem neuen Glanz zeigt. Ist den Entwicklern der Sprung auf das höhere Grafiklevel tatsächlich gelungen?

Tiger Woods auf Konsolen: Das heißt arcadelastiges Golfen mit hervorragender Physik und dem exzellenten True Swing. Das Prinzip geht seit vier Jahren so gut auf, dass die Designer seit 2001 ihre Finger von der grundlegenden Mechanik gelassen und jede Fortsetzung nur mit Änderungen im Detail versehen haben. Warum hätte es auf Xbox 360 anders kommen sollen? Ihr bastelt also nach wie vor euren Wunschprofi, legt Erfahrungspunkte in Fähigkeiten an, kauft Kleidung und Ausrüstung ein und zeigt anschließend im kurzen Spiel oder der großen PGA Tour, was ihr drauf habt.

Gekürzte Fairways

Moment, fehlt da nicht etwas? Richtig: Der Rivalenmodus, bei dem

Das Grün sieht aus wie echter Rasen und die Zuschauer erstrecken sich in die dritte Dimension...
ihr auf den restlichen Konsolen gegen große Golfer der Vergangenheit in einem unabhängigen Turnier antreten durftet, wurde ersatzlos gestrichen. Selbst PSP-Besitzer kommen hier noch besser weg, denn die schlagen wenigstens in einer Variante des letztjährigen Legendenmodus' ab. Das ist besonders ärgerlich, da gerade die Zeitreisen jenes edle Gefühl, das den Golfsport umgibt, stilsicher unterstützt haben. Wollten die Entwickler etwa Einsteiger unterstützen und sie vor einer erschlagenden Optionsvielfalt bewahren?

Das Gefühl drängt sich nicht nur wegen des gekürzten Modus’ auf, auch der Rest des Spiels wurde nach dem Motto "Golferfahrung ohne unnötigen Schnickschnack" zurecht geschnitten. In der PGA Tour steigt ihr nämlich nicht umgehend in den Wettbewerb ein, sondern müsst erst eine ganze Reihe von Herausforderungen bestehen, bevor ihr Zugang zum Turnier erhaltet. Da müsst ihr z.B. besser Putten als euer Gegner, Schläge aus dem Bunker so nah wie möglich ans Loch setzen oder weiter als der Kontrahent vom Tee abschlagen.

Wenn weniger weniger ist

Vielleicht liegen die Veränderungen aber gar nicht in der Zugänglichkeit begründet, denn erfahrene Hobbygolfer stellen schnell fest, das von den 15 Links der Konsolenfassung gerade mal ein halbes Dutzend übrig blieb. Soll hier etwa der ausgesprochen geringe Abwechslungsreichtum der 360-Version verschleiert werden? Der Verdacht drängt sich auch deshalb auf, da die restlichen Optionen ebenfalls knapper ausfallen. U.a. fiel die Variante Skills 18, bei der ihr den Ball durch verschieden farbige Ringe schießen müsst, der Schnittschere zum Opfer. Schade, wurden erfahrene "Tiger" – abgesehen vom Punkten im Internet – hier doch am stärksten gefordert.

Im Gegensatz zum gekürzten Offline-Spaß verläuft das Spielen über Xbox Live wesentlich angenehmer als bisher: Das ständige Ruckeln, welches die Partien auf dem EA-Server zum zweifelhaften

... aber bei näherer Betrachtung rücken leider die schwachen Texturen und detailarmen Gebäude in den Vordergrund.
Vergnügen machte, gehört der Vergangenheit an. Ab sofort flutscht die weiße Kugel nahezu störungsfrei über den Bildschirm. Es sei allerdings angemerkt, dass sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum Gleichgesinnte ins weltweite Netz gesellen – vielleicht ist die mangelnde Auslastung ja der Grund für den flüssigen Ablauf. Wie gehabt tragt ihr in sämtlichen Modi Multiplayer-Partien aus und geht Wetten um harte Onlinemünzen ein. Zusätzlich nehmt ihr an den von EA angebotenen Turnieren teil und schaut in der Statistik nach, wie ihr im internationalen Vergleich dasteht. Das Spielen über Xbox Live gehört ganz klar zu den Höhepunkten eurer Golfkarriere!

Gemeinschaftlicher Abschlag

Ob allein oder mit Mitspielern, den Ball schlagt ihr mit dem bewährten True Swing, bei dem der linke Analogstick die Bewegung von Driver, Eisen und Putter simuliert. Neu hinzu kam in diesem Jahr der Shape Stick: Ihr bestimmt mit dem rechten Stick, wo ihr den Ball trefft, was die Flugbahn entscheidend beeinflusst. Das System funktioniert auch auf Xbox 360 hervorragend und wird von der blitzsauberen Ballphysik komplimentiert. Wer noch nie Hand an die Golftitel aus dem Hause EA gelegt hat, wird deshalb mit dem 2005er Tiger Woods ausgezeichnet bedient.        

Echte Golfprofis geben aber dennoch der PC-Fassung den Vorzug, denn nur da reizen die Entwickler den möglichen Simulationsanspruch voll aus. Auf der Next-Gen-Konsole gibt es hingegen die von Xbox, PS2 und GameCube bekannten Hilfen, mit denen ihr dem Ball während des Flugs Spin verpasst oder beim

Das hohe Gras schaut gut aus, ist aber nur dort sichtbar, wo ihr gerade steht.
 Abschlag einen besonders kraftvollen Schuss auslöst. Die Hilfen könnt ihr zwar deaktivieren, auf Konsole bleibt der Titel aber trotzdem eine leicht zu meisternde Disziplin.

Platte Aufmachung

Abgesehen vom abgespeckten Umfang hat sich das meiste natürlich im Bereich der Aufmachung getan. Aber um es gleich vorweg zu nehmen: So gut sich Tiger Woods 06 auch anfühlt, so enttäuschend wird es präsentiert. Ihr habt die eintönig gestalteten Gebäude samt farblosem Putz der bisher erschienenen Versionen noch im Kopf? Dann stellt euch dezent aufpolierte Texturen, schönere Grüntöne und polygone Zuschauer vor und schon seid ihr auf 360-Niveau. Fairway, Green und Rough mit unterschiedlich hohem Gras gehen dabei noch in Ordnung, doch sobald Tribünen oder Besucher ins Blickfeld rücken, macht sich Ernüchterung breit.

Dass Microsofts Nachwuchs viel Power zur Darstellung von Polygonen hat, merkt man gerade noch bei den dreidimensionalen Zuschauern, Häuser wirken jedoch wie flache Blaupausen ihrer selbst. Dazu kommen verwaschene Texturen sowie regelmäßig auftauchende Ruckler. Zum Glück leiden nur die Kamerafahrten darunter, beim Abschlag merkt ihr davon nichts. Seltsam auch, dass das Loch selbst dann sehr schwer zu finden ist, wenn euer Alter Ego nur einen Zwei-Meter-Putt zu absolvieren hat – eine deutlichere Kennzeichnung des Ziels steht ganz oben auf meinem Wunschzettel für das nächste Jahr.

Licht und Schatten

Die Optik hat allerdings auch ihre (buchstäblichen) Glanzpunkte, denn die Gesichter der Golfer überzeugen auf der einen Seite zwar mit unzähligen

Wenn das Licht durch die ansonsten polygonarmen Bäume fällt, strahlt der Golfplatz ein wenig im Next-Gen-Glanz.
Details, strahlen auf der anderen aber wie Madame Tussauds’ Kreationen aus Wachs. Vor allem hatte ich mir von der neuen Generation Bewegungen gewünscht, die nicht nur den aktuellen Standards gerecht werden. Zugegeben, die Animationen in EAs Golfserie gehörten stets zu den Highlights der Präsentation, was hier nicht anders ist. Aber gerade den Gesichtern hätte EA mehr Ausdruck verleihen müssen, um das angepriesene neue Zeitalter einzuleiten.

Erst beim Wirken von Licht und Schatten läuft die Xbox 360 zur Höchstform auf, denn wenn Sonnenstrahlen durch entfernte Baumkronen flackern oder sich der Schatten eures Charakters sanft über den Fairway legt, blitzen die Fähigkeiten des frisch geborenen Spielzeugs dann doch noch durch. Alles in allem erwartet euch aber ein Titel, der weit von seinen Möglichkeiten entfernt bleibt. Allein die klangliche Untermalung kann überzeugen und vermittelt entspannte Golfplatz-Stimmung. Highlight sind wie üblich die witzigen englischen Kommentare von Gary McCord und David Feherty.     

Fazit

Um es ganz bewusst überspitzt zu formulieren: Die Umsetzung für Xbox 360 ist im Vergleich kein gutes Spiel. Grafisch wird Besitzern einer beliebigen anderen Fassung nur eine frisch polierte Neuauflage geboten und die Anzahl der Optionen wurde stark beschnitten. Würde die eigentliche Simulation nicht auf einem konkurrenzlos guten Fundament fußen, wäre das Projekt "Next Generation Golf" für EA beinahe in die Hose gegangen. Was zu sehen ist, wirkt roh und unausgereift, denn so detailliert die Gesichter z.B. gezeichnet sind, so leblos wirkt die Welt um sie herum. Abgesehen davon wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass den Entwicklern ein Weg einfällt, jenes störende Glänzen tiefenscharfer Texturen in Zukunft einzuschränken. Ich habe keine Lust, mich die nächsten fünf Jahre mit Figuren aus Kunststoff zu identifizieren. Aber sei’s drum: Die Steuerung über True Swing samt Shape Stick begeistert noch immer auf hohem Niveau und wenn ihr einmal in der PGA Tour drin seid, tragt ihr abgesehen von der PC-Umsetzung das realistischste Golfturnier aller Zeiten aus. Allein dieser Chip-In-Par rettet den 360-Erstling vor einem Wertungsabsturz.

Pro

  • erstklassige Ballphysik
  • nahezu perfekte Steuerung
  • umfangreicher Onlinemodus
  • unterhaltsamer englischer Kommentar
  • umfangreicher Game-Face-Modus
  • schöne Charakteranimationen
  • detailliertes Spiel mit Licht und Schatten
  • viel Hilfestellung für Anfänger

Kontra

  • keine Next-Gen-Grafik
  • für Kenner etwas einfach
  • spielerisch keine Weiterentwicklung
  • Wegfall von Rivalenmodus und Skills 18
  • nur noch sechs Golfplätze
  • kein Soforteinstieg in die Tour

Wertung

360