Sly 3 - Test, Action-Adventure, PlayStation2, PlayStation3

Sly 3
10.12.2005, Michael Krosta

Test: Sly 3

Wenn sich Jak, Ratchet & Co die Ehre einer Fortsetzung geben, darf einer im weihnachtlichen Sony-Lineup natürlich nicht fehlen: Sly Raccoon, seines Zeichens Meisterdieb im Cel-Shading-Look. Stiehlt der Waschbär mit seinem Team auch im dritten Coup unseren Award?

Wow, was für eine gut bewachte Festung, die der skrupellose Dr. M auf einer abgelegenen Insel errichtet hat: überall erhellen Suchscheinwerfer die Nacht, in denen schwer bewaffnete Wachen patrouillieren, während aus der Ferne bedrohliche Geschütztürme hinter den hohen Mauern hervorragen. Und wer ist mittendrin? Genau, Sly Raccoon. Ziel ist es, einen nahezu perfekt gesicherten Tresor zu knacken, hinter dem sich das komplette Vermögen der Raccoon-Familie befindet. Nicht gerade

Gemeinsam sind sie stark: Sly und sein Team.
wenig, denn Slys Vorfahren waren genau wie er selbst allesamt Meisterdiebe, bei denen einiges an wertvollem Diebesgut zusammengekommen ist. Allerdings hat sich Dr. M bisher die Zähne an der mächtigen Stahltüre ausgebissen, denn nur Sly hat den passenden Schlüssel: seinen Sichelstab. Und so steht der elegante Waschbär dank der tatkräftigen Unterstützung seiner Profi-Crew kurz davor, seinen wohl größten Coup zu landen. Alles schien so perfekt geplant, sicher und einfach - gäbe es da nicht ein großes, bewaffnetes Problem in Form eines Kampfroboters, mit dessen Hilfe sich Dr. M den diebischen Helden greift und zu zerquetschen droht… Ihr kennt dieses Phänomen sicher aus diversen TV-Serien: Gerade wenn es richtig spannend wird, ist die Folge vorbei. Auch die Entwickler von Sucker Punch bedienen sich dieses Stilmittels, denn habt ihr den interaktiven Prolog mit einem leichten Tutorial-Touch überstanden und befindet euch in der stählernen Hand des Robos und damit im Angesicht des Todes, sieht der gute Sly sein gesamtes Leben vor den Augen ablaufen. Wie es der Zufall will, steigt ihr als Spieler genau wieder dort ein, wo die Planungsphase für das aktuelle Vorhaben beginnt.

Am Anfang war das Ende

Leider hat sich seit Sly 2 einiges geändert, denn das Erfolgsteam von damals ist in alle Winde zerstreut. Das schlagkräftige Nilpferd Murray widmet sich mittlerweile der friedlichen Lehre eines Gurus, da es immer noch von Schuldgefühlen bezüglich Bentleys Unglück geplagt wird – der geistige Überflieger muss seinen Schildkrötenpanzer seitdem im Rollstuhl fortbewegen, auch wenn dieser vortrefflich mit Düsenantrieb und anderen Gadgets ausgestattet ist. Ohne die tatkräftige Unterstützung seiner Freunde und weiteren Helfern kann jedoch selbst der beste Meisterdieb sein Ziel nicht erreichen, zumal die knuffige Inspektorin Carmelita dem Waschbären immer noch an den pelzigen Kragen will. Was also tun? In bester Ocean’s Eleven-Manier müsst ihr alte Freunde wieder zurück ins Boot holen und darüber hinaus weitere Spezialisten ins Team integrieren, die euch bei eurem Vorhaben unterstützen.

Die große (Wieder-)Vereinigung

Dafür nehmen Sly & Co Abenteuer auf der ganzen Welt in Kauf und so führt euch die Reise u.a. nach Venedig mit seinen schicken Gondeln, ins heiße Australien, China und sogar mitten in ein Piratennest, in dem ihr nach dem Vorbild von Monkey Island Beleidigungskämpfe in einem Minispiel austragen müsst. Überhaupt glänzt Sly 3

Mit dem kleinen Genie Bentley knackt ihr u.a. Safes.
genau wie sein Vorgänger mit jeder Menge Abwechslung: Mal brettert ihr ballernd und springend mit der Polizei im Schlepptau in einem Boot durch enge Kanäle, ein anderes Mal lenkt ihr mit einer Verkleidung Wachen ab oder knackt kleine Bilderrätsel, bei denen ihr die Werke mit einer Lupe nach Hinweisen absuchen müsst. Selbst Spielchen im Stil von Space Channel 5 oder Parappa The Rapper wurden integriert und so sorgt das Opernduell zwischen dem Fiesling Octavio und Bentley in Venedig für einige Lacher. Zwar führt ihr einige Aufträge auch mit anderen spielbaren Charakteren wie Murray, Bentley oder sogar Carmelita aus, doch ist Sly nach wie vor der Star der Show. So schleicht ihr euch die meiste Zeit durch riesige, frei erkundbare Locations, stibitzt den Feinden mit eurem Sichelstab unauffällig die Goldtaler aus den Taschen, balanciert elegant auf Seilen oder vermöbelt eure Widersacher, wenn’s drauf ankommt. Trotzdem solltet ihr euch mit Sly die meiste Zeit unauffällig verhalten und Auseinandersetzungen möglichst aus dem Weg gehen – wer knallharte Daueraction sucht, ist z.B. bei Ratchet: Gladiator besser aufgehoben.      

Große weite Welt

     

Die Stärke der Sly-Titel war schon immer die Stealth-Action im comicartigen Cel-Shading-Look, die nicht nur optisch auf einem hohen Niveau angesiedelt ist, sondern auch spielerisch viel Spannung bietet, wenn man sich an Gegner heran oder vorbei schleichen muss, dabei Infrarotstrahlen und Scheinwerfern ausweicht und am Ende fette Beute macht. Leider zickt dabei die Kamera an manchen Stellen nervig herum, doch könnt ihr die Übersicht meistens durch manuelle Korrekturen wieder herstellen. Während der interaktive Soundtrack wie immer überzeugt und mit seinen typischen Pizzicato-Sequenzen (gezupfte Streicher) einen bedeutenden Teil

Wie gehabt schleicht Sly elegant über Seile und geht so den hartnäckigen Gegnern aus dem Weg.
zum Spannungsaufbau beiträgt, ist die deutsche Synchronisation nach wie vor nur durchschnittlich ausgefallen: Man hat oft den Eindruck, als würden die Stimmen einfach nicht richtig zu den Charakteren passen und so gehen selbst manche Gags aufgrund der deutschen Lokalisierung unter. Besser macht’s da die englische Fassung, die sich ebenfalls auf der DVD befindet.

Genau wie der direkte Vorgänger besteht Sly 3 im Prinzip aus einer Aneinanderreihung diverser Minispiele und inhaltlich verknüpfter Episoden, die ihr in den frei erkundbaren Ortschaften findet. Als Orientierung genügt ein Klick auf den linken Analogstick und schon bekommt ihr eine Peilung angezeigt, wo der nächste Auftrag auf euch wartet. Außerdem könnt ihr euch jederzeit ins Hauptquartier zurückziehen, das nicht nur den Ausgangspunkt für Missionen und Charakterwahl darstellt, sondern euch auch den Zugriff auf das Thiefnet erlaubt. Hier könnt ihr eure mühsam geklauten Wertsachen gegen Upgrades wie durchschlagendere Angriffe und diverse Gadgets wie Ableckungs-Wecker etc. eintauschen, deren Anschaffung für manche Missionen obligatorisch ist. Von daher solltet ihr schön sparen, damit ihr genügend Kleingeld übrig habt, wenn ihr es wirklich braucht. 

Gameplay in Episodenform

Auch wenn es an der überwiegend flüssigen Comicgrafik bis auf die zuweilen bockige Kamera nicht viel zu meckern gibt, wollten die Entwickler einen Schritt weiter gehen und verfrachten das Geschehen jetzt in die dritte Dimension. Moment mal, ist Sly 3 nicht ohnehin ein 3D-Spiel? Ja, aber um einen wirklichen 3D-Effekt "aus dem Fernseher heraus" zu ermöglichen, hat Sony jeder Verpackung eine 3D-Brille im hübschen Sly-Design beigelegt, mit der ihr die ein oder andere Sequenz auf Wunsch wirklich dreidimensional erleben dürft. Allerdings hält sich der Effekt in Grenzen und fällt nur dann richtig auf, wenn

Im Multiplayer liefert ihr euch Duelle bei Räuber und Gendarm.
sich z.B. irgendwelche Pfosten vor dem Charakter auf dem Bildschirm befinden. Spielerisch hat dieses Feature praktisch keinerlei Auswirkungen und muss daher lediglich als nettes, aber de facto nutzloses Gimmick angesehen werden.

Volle 3D-Power?

Das gilt auch für den neuen Zweispieler-Modus, der neben bekannten Abschnitten aus dem Hauptspiel weitere Mini-Games bietet. Da wäre z.B. Räuber und Gendarm, bei dem ein Spieler als Carmelita Jagd auf Sly macht, der sich und sein Diebesgut besser in Sicherheit bringen sollte, bevor er erwischt wird. In Hackathron hackt ihr euch dagegen gemeinsam durch eine Computermatrix, während ihr euch außerdem mit Flugzeugen und Schiffen heiße Dogfights liefert. Wie gesagt, ist auch der Zweispielermodus nicht mehr als ein Bonus, der sich jedoch immer wieder für eine kleine Partie zwischendurch eignet.   

Räuber & Gendarm

Fazit

Da ist es wieder – das Fortsetzungssyndrom: Im Prinzip haben wir hier ein Sly 2 mit einem neuen Setting und ein paar neuen Figuren vor uns liegen. Die butterweichen Animation, gelungene Sounduntermalung und präzise Steuerung kennt man genau so aus dem Vorgänger wie die wichtigsten Mitstreiter Murray und Bentley. Und trotzdem versprüht Sly immer noch diesen gewissen Charme und eine Coolness, die es euch unmöglich machen, den Waschbären und sein Team nicht zu mögen. Hinzu kommt ein extrem abwechslungsreiches Leveldesign, selbst wenn sich Aufgaben und Minispiele irgendwann wiederholen. Die Schleich-Action fesselt immer noch mit famoser Grafik und witzigen Einlagen, auch wenn der Humor der Vorgänger nicht mehr ganz erreicht wird. Verglichen mit Ratchet: Gladiator legt die Serie zudem weiter an Umfang zu, so dass ihr deutlich mehr Stunden mit Sly und seinen Freunden verbringen werdet. Von daher können Fans und solche, die es werden wollen, mit Sly 3 – Honor among Thieves nicht viel falsch machen, obwohl sich erste Abnutzungserscheinungen bemerkbar machen.

Pro

  • coole Comicgrafik im Cel-Shading-Look
  • geschmeidige Animationen
  • unterschiedliche Charaktere
  • viele Mini-Spiele
  • präzise Steuerung
  • Headset-Support
  • abwechslungsreiche Locations
  • passende Sounduntermalung
  • 3D-Brille als nettes Gimmick
  • relativ umfangreich

Kontra

  • Kameraprobleme
  • Synchronisation oft unpassend
  • kaum Neuerungen

Wertung

PlayStation2