Neverend - Test, Rollenspiel, PC

Neverend
20.12.2005, Bodo Naser

Test: Neverend

2005 war kein gutes Jahr für Rollenspiele - Dungeon Lords gefloppt, Oblivion auf nächstes Jahr verschoben und Gothic 3 noch in weiter Ferne. Für ein einigermaßen ordentliches Fantasy-Abenteuer müsste es daher doch ein Leichtes sein, die Herzen der Hobby-Abenteurer zu erobern. Ob das eben bei Frogster Interactive aufgetauchte Neverend (ab 11,66€ bei kaufen) aus den Mayhem Studios wenigstens die Mindestkriterien erfüllt, erfahrt ihr im Test.

Die Protagonistin sieht ganz nett aus und sucht was. Das ist dann aber schon auch alles, was ihr über sie wisst.
Man sollte sich nie mit Gesindel einlassen. Dieser Satz gilt insbesondere dann, wenn man eine gut gebaute Fee ist, die doch eigentlich dem Guten verpflichtet sein sollte. Für Agavaen ist das Leben aber nicht leicht, denn nach ihrer Verstoßung aus dem Feenreich, muss sie fortan ihr Dasein unter den Sterblichen und ohne ihre Flügel fristen. Sie versteckt sich ausgerechnet bei einer Gruppe Strauchdiebe, wo hoffentlich niemand sie suchen wird. Leider tun die Räuber das, was ihr Beruf ist, sie betrügen die Elfenbraut um ihren Anteil und rauben ihr einen wichtigen Talisman. Natürlich will die Heldin Genugtuung und nimmt die Verfolgung der Diebe auf... Die genretypische Story kommt nur zögerlich in Gang, so dass sie schon von Beginn an nicht zum Weitermachen verführt. Ihr spielt eine Elfin, ihr wurdet beklaut und müsst rausfinden, was passiert ist. Mehr als diese spärlichen Details teilen euch die Macher am Anfang nicht mit.

Feen sind auch nur Menschen

Neverend ist kein waschechtes Rollenspiel wie etwa Baldur's Gate. Man könnte es stattdessen als Fantasy-Mixtur aus Rollenspiel und Adventure bezeichnen. Eindeutig vom Rollenspiel entstammt etwa der Ausbau der Fee, die ihr von Beginn an als einzig feststehenden Charakter spielt. Agavaen besitzt typische Attribute wie Stärke, Intelligenz und Geschmeidigkeit, die ihr Verhalten im Kampf und beim Zaubern kennzeichnen. Ihr könnt die Fee nach Gutdünken ausbauen: Ganz ähnlich wie bei Dungeon Siege verbessern sich nur die Werte, die ihr auch im Kampf oder beim Zaubern trainiert. Wenn ihr beispielsweise mit dem Kurzschwert kämpft, steigt auch euer Können mit mittelgroßen Waffen. Außerdem existiert eine Anzeige für euer Wesen, das gut oder schlecht sein kann. Wer sich bei den Multiple Choice-Dialogen grobschlächtig äußert, ist schnell unten durch. Seid ihr dagegen immer schön nett, blinkt eure Figur auf und das Ansehen verbessert sich. Das bringt Vorteile wie etwa, dass ihr Waren verbilligt bekommt, wenn ihr den Verkäufer bezirzt.

Black & White - light

Viele der 2D-Ansichten könnten auch genauso gut in einem Adventure vorkommen. 
Dass Neverend auch etwas von einem Adventure hat, merkt ihr rasch an den unbewegten 2D-Standbildern, die ihr mit eurer 3D-Fee durchstreifen könnt. Trotz ungenauer Steuerung erinnert das an Syberia und Co., erreicht dessen Edellook allerdings gerade mal ansatzweise. Die Umgebung, die es nur in einer festen Auflösung gibt, wirkt statisch, unbelebt und sieht grob aus. Gerade die Bäume sehen so unecht wie bei der Modelleisenbahn aus. Die Figuren fügen sich nicht in die Umgebung ein. Obwohl ihr auch durch Orte streift, sehen viele der Szenen wie ausgestorben aus. Außerdem stoßt ihr überall an unsichtbare Barrieren, wo ihr nicht rein dürft. Sporadisch sind ein paar NPCs über die Stadt verteilt, die ihr vielleicht was fragen könnt. Vielleicht sagen sie aber auch nur, dass sie gerade keine Zeit für einen Plausch haben. Neverend verfügt noch über andere Ansichten wie den 3D-Kampfbildschirm und die Reiseansicht, die ihr von oben aus der Vogelperspektive seht. Beide erfüllen zwar grob ihren Zweck, sehen aber noch altbackener aus als die gerenderten Hintergründe.

Adventure-Look

In dieser fiesen Draufsicht lauft ihr meist orientierungslos durch die kahlen Lande.
Die wenigen Rätsel sind schnell gelöst, weil sie viel zu offensichtlich sind. Wie kommt ihr beispielsweise an der Wache vorbei? Lösung: Hütte betreten, Brechstange einsacken, Kiste mit Brechstange aufbrechen und Abzeichen der Garde entnehmen. Wenn ihr Glück habt, geratet ihr an irgendjemand, der einen Auftrag für euch hat. Anlaufpunkte dafür sind Amtsstuben, Läden oder Wirtshäuser, in denen bisweilen sogar ein völlig vereinsamter und betrunkener Gast herumlungert. Der erzählt euch dann vielleicht von jemand, den er vermisst und den ihr finden sollt. Manchmal erzählt euch jemand anderer, dass sein Sohn verschwunden ist, den ihr unbedingt suchen müsst. Oder aber der Bürgermeister sucht jemand, den ihr bitte auffinden sollt. Ihr seht also, für sonderlich viel Abwechslung ist nicht gerade gesorgt. Die Orientierung in den Wäldern und Fluren ist gelinde gesagt fast unmöglich, da es keinen Kompass oder eine Karte gibt. Ihr könnt lediglich den Straßen folgen und darauf hoffen, irgendwann den Richtigen zu treffen. Oder aber es verschlägt euch dorthin, wo ihr partout nicht hinwollt: in die Berge oder in den Sumpf. Ein erster Patch fügt die längst überfällige Karte ein.

Öde Quests

              

Die rundenbasierten Gefechte sind auch deshalb mau, weil ihr ihr immer gegen dieselben Gegner kämpft.
Neverend besitzt drei verschiedene Schwierigkeitsgrade, die sich hauptsächlich in der Zahl der Zufallsbegegnungen bemerkbar machen. Auf Stufe "normal" kommen die allerdings schon nervig oft vor, was auch dadurch getrübt wird, dass ihr in der Wildnis auf die immergleichen und hässlichen Gegner trefft, als da sind schmutzige Wichte, von Fliegen umkreiste Räuber und Wölfe. Das Spiel schaltet dann automatisch in einen rudimentären Kampfmodus, bei dem es Runde für Runde ums Überleben geht. Neben verschiedenen erlernbaren Hieben könnt ihr natürlich auch mit Feuerbällen werfen oder euch heilen. Leider ist keine richtige Verteidigung möglich, da ihr nur einstellen könnt, wie sehr ihr euch in den Angriff oder die Verteidigung hineinknien wollt. Ihr könnt natürlich auch auf einen der Tränke zurückgreifen, die hoffentlich in eurem Inventar schlummern. Wen ihr angreift, dürft ihr auch nicht bestimmen, da die Kämpfe stets von selbst losgehen. Einige der Wölfe scheinen gar das ewige Leben zu haben, denn sie attackieren noch nach ihrem Tod.

Rundenbasierte Kämpfe

Das Erlernen der Zauber ist gar nicht mal so einfach, wie man das von einem Einfachst-Rollenspiel wie Neverend erwarten könnte. Zunächst braucht ihr eine Spruchrolle wie Energiestoß, Unterstützung oder Heilung, die ihr in eure Zaubersammlung übertragen müsst. Wer nun glaubt, er könnte danach einfach so drauflos hexen, ist glatt auf dem Holzweg. Ihr braucht erst noch eine Reihe von Runen, die ihr in eurem Inventar hintereinander legen müsst. Was für welche ihr braucht, könnte ihr in der Spruchsammlung nachlesen. Das Ganze braucht allerdings noch einen Abschlussstein, um einsatzbereit zu sein.

Habt ihr erst einmal alle Runen vertan, müsst ihr euch für teures Geld neue kaufen.
Dumm nur, wenn ihr mal was verkehrt macht, denn dann sind die Runen futsch. Für teures Geld müsst ihr dann neue kaufen. Immerhin werden einmal abgespeicherte Zauber wie Lebenspunkte durch Camping im Zelt oder Nächtigen im Gasthof wieder aufgefrischt.

Magie ist, wenn man trotzdem lacht

Optisch hart an der Grenze zur Hässlichkeit, reißt das Spiel auch akustisch keine Bäume aus. Es gibt zwar eine deutsche Sprachausgabe, die ist allerdings nur sporadisch vorhanden. Gerade mal ein Bruchteil der vielen Gespräche, die ihr führen müsst, ist vertont. Dabei haben außerdem nur Hauptcharaktere wie Agavaen einigermaßen ansprechende Stimmen bekommen. Alle anderen fristen mit offensichtlichen Laiensprechern ihr Dasein, die nicht selten wie mit einem Blecheimer überm Kopf klingen. Das Positivste, was man über Musik sagen kann, ist das sie mit ihren heroischen Posaunen- und Harfenklängen wenigstens einigermaßen zur Fantasy-Welt passt. Allerdings soll auch sie nur verdecken, dass es in Neverend leider so gut wie keine Geräusche gibt.

Nicht überall Sprachausgabe

      

Fazit

Als ich Neverend zum ersten Mal anspielte, hat mich fast der Schlag getroffen ob solch spielerischer Brillanz... nein, war leider ein Scherz. Will sagen, dass ich fast aus den Stiefeln gekippt bin, weil ich ein derart unansehnliches Simpelspielchen nicht erwartet hätte. Alles sieht wenig prickelnd aus, es gibt nur eine Heldin, die Steuerung ist mies, die Kämpfe nerven und ihr werdet storytechnisch ins kalte Wasser geworfen. Okay, das gab es bei Gothic eins auch, aber dort wurdet ihr durch die höchst lebendige Welt zum ständigen Weitermachen animiert. Bei Neverend gibt es nur eine sterile Umgebung, die zu gar nichts verlockt. Vielleicht liegt es daran, dass es eigentlich schon vor Jahren hätte erscheinen sollen. Wenn ihr ein wenig länger gespielt habt, was sicher die Wenigsten machen werden, macht es sogar für kurze Zeit neugierig. Ihr habt trotz fehlender Einführung kapiert, wie der Hase läuft und seid entschlossen weiterzumachen. Schließlich muss eure arme Heldin auf einen grünen Zweig kommen! Doch dann verfällt Neverend rasch ins öde Rollenspieleinerlei, was jeglichen Antrieb vollends abtötet. So bleibt mir nur noch zu sagen: Wäre Neverend tatsächlich endlos, müsste man glatt per Pixelschwert aus der Endlosschleife scheiden.

Pro

  • Mischung aus RPG und Adventure
  • Hauptdarsteller weiblich
  • Wahl zwischen gut und böse
  • recht freie Charakterentwicklung

Kontra

  • Story kommt nicht in Gang
  • nur ein Charakter
  • 08/15-Quests
  • ungenaue Steuerung
  • Orientierung fast unmöglich
  • unsichtbare Barrieren
  • schwacher Kampfmodus
  • immergleiche Gegner
  • unschöne Grafik
  • sporadische Sprachausgabe
  • geräuscharme Welt

Wertung

PC

Das Beste an dem Spiel ist eigentlich, dass man es beenden kann.