Urban Reign - Test, Arcade-Action, PlayStation2

Urban Reign
08.02.2006, Paul Kautz

Test: Urban Reign

Prügelspiele im Sinne von Tekken 5 oder Dead or Alive 4 sind bekannt und beliebt. Der klassische »Brawler«, Erbe von Serien wie Final Fight oder Streets of Rage ist hingegen schon fast ausgestorben. Urban Reign (ab 104,32€ bei kaufen), entwickelt von den Soul Calibur-Machern Namco, will die guten alten Haudrauf-Zeiten wie schon The Warriors in 3D wiederbeleben. Und steckt seine Ziele dabei eindeutig zu hoch.

Brad Hawk: ein Badass, wie er im Buche steht. Groß, wortkarg, kurzhaarig, mit Fäusten wie Vorschlaghämmer. Die Stadt: Gang-verseucht, Big Brother-überwacht, korrupt beherrscht. Die Situation: feindselig. Die Lösung: immer mitten in die Fresse rein, und zwar satte 100 Missionen lang! Die »Story« bemüht sich zwar mit nett inszenierten Zwischensequenzen und gut vorgetragenen Texttafeln um Atmosphäre, kommt dabei

Kämpft ihr zu zweit, springt die Kamera ständig zwischen beiden Recken hin und her.
aber nie über »Alarm für Cobra 11«-Niveau hinaus. Nicht zuletzt, weil sich ausnahmslos jede Mission um »Geh da hin und haue alle Anwesenden zu Klump!« dreht. Gelegentlich wird dieses Schema auch breiter gefächert: mal müsst ihr die Gegner innerhalb eines Zeitlimits verprügeln, mal müsst ihr eine Person schützen, mal einem bestimmten Feind nur die Beine brechen; alle paar Missionen wartet außerdem ein besonders starker Bossgegner auf seine verdiente Abreibung. Für erfolgreiche Kämpfe bekommt ihr ein paar Erfahrungspunkte, die ihr in euren Körper investieren und so eure Schlagkraft, eure Zähigkeit oder die Power eurer Spezialangriffe verbessern könnt. Und so geht es in einer Reihe immergleich weiter: Missionsbeschreibung, Prügelei, Punkte investieren, speichern, Missionsbeschreibung, Prügelei, uswusf. Das Ironische daran: Kaum ein Kampf dauert länger als zwei Minuten, dafür bringt euch fast jede Prügelei dem Spielende einen Prozentpunkt näher. Lange Rede, kurzer Sinn: Länger als drei Stunden werdet ihr kaum brauchen, um euch zum Finale durchzuholzen.

Spieler, wechsele dich!

Auf dem Weg da hin seid ihr wenigstens nicht allein: Im Laufe der Zeit füllt sich euer Partner-Kader mit immer mehr Schlägern diverser Kampfstile, so dass ihr vor den meisten Missionen einen Kumpanen wählen dürft, der selbständig loslegt. Ihr könnt ihm sogar rudimentäre Befehle geben, nach Hilfe schreien oder spektakuläre Team-Manöver durchführen. Trotzdem empfiehlt die Einsamer-Wolf-Fraktion der 4Players-Redaktion den Verzicht auf die Haudrauf-KI. Warum? Weil Namco es aus irgendeinem Grund für eine super Idee hielt, den Kämpfer sofort zu wechseln, sobald man niedergeschlagen wurde. Sprich: Ihr schlagt drauflos, bekommt ein paar Mal auf die Mütze und schwupp – 

Ihr tretet meist gegen mehrere Gegner gleichzeitig an.
schon steckt ihr im Gewand des anderen. Die Hirnlosigkeit dieses Systems offenbart sich nicht nur in der Tatsache, dass dadurch jegliche Kampfstrategie flöten geht. Sondern spätestens dann, wenn beide gleichzeitig verprügelt werden: Dann springt die Kamera nämlich wie wild zwischen beiden hin und her, völlig unkontrollierbar und völlig unspielbar. Wie konnte dieser Schwachsinn, der selbst bei wohlwollender Betrachtung nicht den geringsten Sinn ergibt, bei der Entwicklung übersehen werden?

Das Kampfsystem kann sich dennoch sehen lassen, auch wenn es anfangs sehr simpel scheint: Ein Angriffs-, ein Zupack-, ein Ausweich- und ein Rennknopf, außerdem dürft ihr noch recht einfach Energie fressende Spezialattacken loslassen. So weit, so einfach. Komplexer wird es dadurch, dass ihr in verschiedenen Höhen angreifen könnt. Konzentriert ihr euch z.B. auf die Beine, z.B. durch Kicks oder Würfe, brecht ihr einem Gegner schon mal dieselben – zack, ein Problem weniger.       

Allein, zu zweit, zu dritt, zu viert

Im Laufe der Zeit lernt ihr immer neue Attacken, so dass ihr auch von der Wand aus angreifen oder Feinde aus der Luft holen könnt. Mit geschicktem Timing lassen sich gegnerische Angriffe umgehen und kontern, mehrere Widersacher gleichzeitig attackieren und natürlich

Mit gut getimten Team-Aktionen könnt ihr eure Gegner schnell fertigmachen.
auch Waffen wie Rohre oder schwere Werkzeuge benutzen. All das lässt sich nach etwas Übung auch wunderbar miteinander verbinden, so dass man einen Gegner in einer endlosen Kombo beharken kann, bis seine Energie darnieder liegt – theoretisch jedenfalls. In der Praxis habt ihr jedoch nicht nur mit euren Feinden, sondern auch mit der Kollisionsabfrage zu kämpfen, die wie der sonst gut rockige Soundtrack einfach ab und zu auszusetzen scheint: Gelegentlich schlägt man ins Leere, obwohl der Gegner direkt vor einem steht und auch nicht ausweicht. Etwas lieblose Texttafeln klären den Spieler über die grundlegende Steuerung auf, mehr Praxis gibt’s auf Wunsch im Trainingsmodus, bevor der harte Alltag wartet. Fünf Schwierigkeitsgrade halten Fortgeschrittene bis Profis bei der Stange, Prügel-Neulinge sollten ganz die Finger vom Spiel lassen: Der Schwierigkeitsgrad steigt steil an, die Gegner werden schnell hammerhart - mit reinem Kloppen kommt man schnell nicht mehr sehr weit, da müssen Kombos, Spezialangriffe, Wandläufe und Doppelgegnerangriffe ran.

Während ihr euch durch dreckige Bars, Hinterhöfe, Parkplätze, Lagerhallen, Schrottplätze oder U-Bahnstationen prügelt, spielt ihr immer mehr Figuren für den Multiplayermodus frei – am Ende warten satte 32 Charaktere auf Kloppkommandos eurerseits, inklusive Gastauftritte der Tekken-Helden Marshall Law und Paul Phoenix. Hier dürfen sich via Multitap bis zu vier Spieler gleichzeitig austoben, alternativ

Neben Fäusten und Füßen dürft ihr auch allerlei Waffen einsetzen.
dürft ihr auch zu zweit (allein oder im Team) bzw. auf Solopfaden (gegen die variable KI) antreten. Drei unterhaltsame Spielmodi, Waffennutzung und ein generell gutes Spielgefühl machen den Multiplayermodus zum heimlichen Highlight des Spiels – auch wenn er  nie den Nimbus eines Nebenprodukts loswird und sich natürlich nicht mal ansatzweise mit Tekken & Co. messen kann.

Optisch ist Urban Reign weder gut noch schlecht - »bieder« trifft es am besten: schön animierte, etwas schwach texturierte Figuren, die weitaus besser aussehen als ihre Beat Down-Pendants, treffen auf dunkle und dreckige Levels, die lang geladen werden. Ordentlich inszenierte Zwischensequenzen, die wie der Rest des Spiels von guter englischer Sprachausgabe inkl. deutscher Untertitel begleitet werden, stimmen frohgemut – die kontraproduktive Kamera während der Prügeleien dämpft die Freude wieder: Gegner die aus dem Bild laufen, werden nicht erfasst, die Kamera zentriert sich immer auf den Protagonisten. Rennt ihr nun raus um den Feind zu verdreschen, landet ihr fast immer in seiner bereit stehenden Faust.    

Fazit

Namco, dafür habt ihr echt langsam Prügel verdient: Erst Death by Degrees so in den Sand setzen, jetzt dümpelt Urban Reign in der Mittelmäßigkeit daher. Das Spiel ist gerade im Multiplayermodus nicht übel, in kleinen Dosen macht es auch solo richtig Spaß. Auf Dauer ist es aber so schrecklich belanglos und eintönig: Für ein Prügelspiel viel zu simpel, für einen Brawler fehlt der sinnvolle Zusammenhang. Hier kloppt man sich nur in einer Arena nach der anderen, echtes Final Fight- bzw. Streets of Rage-Gefühl kommt nicht auf - in der Hinsicht hatte sogar Beat Down die Nase vorn. Es hat durchaus seinen Reiz und einige schöne Ideen, die aber durch einige der blödesten Design-Entscheidungen aller Zeiten prompt wieder zunichte gemacht werden. Verdammt schade.

Pro

  • spaßiger Mehrspielermodus
  • viele Bewegungen möglich
  • rasantes Kampfsystem
  • macht in kurzen Dosen Laune
  • gute Animationen
  • schöne Zwischensequenzen

Kontra

  • schnell enorm abwechslungsarm
  • lieblos aneinandergeklatschte Missionen
  • lange Ladezeiten
  • mäßige Kollisionsabfrage
  • schwache Texturen
  • nur wenige Schauplätze
  • sehr kurz
  • bescheuertes Kämpfer-Umschalt-System
  • schwache Story

Wertung

PlayStation2