Lemmings - Test, Logik & Kreativität, PSP

Lemmings
13.03.2006, Paul Kautz

Test: Lemmings

Die Grünlinge sind wieder da! Mit ihrem allerersten Auftritt im Jahre 1991 schnappten sich DMA Designs Lemminge die Sympathien und Mäuse etlicher Computerspieler. Jetzt, 15 Jahre später kehren sie in ihrer Originalform zurück – allerdings optisch runderneuert und auf der PSP. Kann das alte Spielkonzept immer noch zu Begeisterungsstürmen hinreißen?

Für den Fall, dass jemand tatsächlich Lemmings (ab 25,89€ bei kaufen) nicht kennt: Eine pro Level unterschiedliche Anzahl der grün beschopften Wusler fällt in regelmäßigen Abständen aus Tür A raus und muss zu Tür B wieder rein. So weit, so einfach. Knackpunkt eins ist, dass zwischen A und B massig Hindernisse stehen. Um diese zu umgehen habt ihr acht verschiedene Eigenschaften zur Verfügung, die ihr euren Schützlingen zuweisen dürft: Buddeln, Treppen bauen, Schrägen hacken, an Wänden hochklettern oder einen Regenschirm, mit dem sie sanft zu Boden gleiten. Fies ist natürlich, dass ihr meist nur sehr wenig dieser Icons zur Verfügung habt – taktisches Vorgehen und genau platziertes Einsetzen der Eigenschaften ist daher oberste Lemminghüterpflicht. Knackpunkt

Acht Befehle, unendliche Möglichkeiten: Ihr müsst sehr oft um drei Ecken denken, um weiterzukommen.
zwei ist die Hirnlosigkeit eurer Schäfchen: Sie laufen stur geradeaus, bis sie auf ein Hindernis treffen – dann drehen sie um und dackeln mit Tunnelblick in die andere Richtung weiter. Kombiniert man diese Tatsachen, ergeben sich massig Möglichkeiten, daraus brillante und/oder fiese Levels zu stricken. Doch vor dem Herdenspaß steht das PSP-Update auf die Firmware-Version 2.50, die dem Spiel natürlich auch beiliegt.

Die grüne Gefahr

Lemmings war schon immer ein Maus-Spiel. Zwar gab es sehr viele Konsolen-Umsetzungen, die sich mit dem Gamepad mehr oder weniger brauchbar steuerten, aber an die Maus-Präzision kam keine Version heran. Vorab die Warnung: Auch Team 17 hat das auf der PSP nicht hinbekommen. Aber die Entwickler kommen so nahe an diesen Standard heran, wie es mit einer digitalen Kontrolle möglich ist! Zuallererst habt ihr die Wahl unter drei Cursor-Geschwindigkeiten, falls es euch nicht schnell oder langsam genug gehen kann. Ihr steuert das Fadenkreuz mit dem Digipad, das Analoghebelchen dient nur zum alternativen Levelscrollen. Und oh Wunder, es funktioniert – sehr gut sogar! Das Fadenkreuz verfügt z.B. über ein gewisses Toleranzfeld, so dass ihr nicht exakt auf den gewollten Lemming zielen müsst, er muss sich nur in der Nähe befinden. Auch der Rest der Steuerung wurde intelligent gelöst: Per Schultertasten schaltet ihr zwischen den Eigenschaften hin und her, was fast genauso schnell geht wie seinerzeit mit Hotkeys. Mit dem X-Knopf wird eine Eigenschaft zugewiesen, mit der Kreis-Taste der Turbo (inkl. Widdlwiddlwiddl-Soundeffekt) aktiviert, mit dem ihr lang dauernde Wartepassagen verkürzen könnt. Lediglich die Fallgeschwindigkeit, mit der ihr die

Der Zoom rückt nicht nur die Grünwuschel stärker in den Mittelpunkt, sondern hilft auch punktgenauen Platzierung des Fadenkreuzes.
aus Ausgang A herauskommende Lemmingrate regelt, könnte leichter zu bedienen sein, aber das gleicht der Turbo aus. Das einzig ärgerliche an der Kontrolle ist die Tatsache, dass ihr nicht schräg steuern könnt – in manchen Levels ist das lästig.

Lemmingoholiker kriegen genug Stoff für Monate: Der »Original«-Modus enthält alle 120 Missionen der Urfassung, die »Special«-Variante spendiert 36 brandneue Gehirnverdreher dazu. Euch erwarten wie in der Originalversion vier Schwierigkeitsgrade á 30 Missionen: »Fun« dürfte niemandem ernste Probleme bereiten; großzügige Zeitlimits, noch großzügigere Lemming-Kill-Limits, einfache Aufgaben. Spätestens auf »Mayhem« bricht dann die Lemminghüter-Hölle aus: man muss pixelgenau arbeiten, hier kommt es auf jeden einzelnen Lemming an, hier darf nicht eine Sekunde unnötig getrödelt werden. Die Welten tragen euphemistische Namen wie »Not as complicated as it looks«, »A beast of a level« oder »We are not at LEMCON ONE«, das Programm weist den Spieler sofort darauf hin, wenn er die für den Level benötigte Lemmingszahl bereits zum Ausgang gescheucht hat – gut für hektische Spieler.              

Lemmings Construction Kit

Wer hingegen möglichst lange über einen Zug nachdenken will, dürfte sich freuen, dass Befehle auch im Pause-Modus verteilbar sind. Und wer an einem Abschnitt verzweifelt, muss nicht für den Rest seines Lebens darauf herumkauen: Ihr dürft aus bis zu vier weiteren im selben Schwierigkeitsgrad wählen, um vorwärts zu kommen - so kann man erstmal andere Levels erledigen, bevor man sich den wirklichen Kopfknackern widmet. Habt ihr alles gesehen und gespielt, dürft ihr auch selbst den Bastlerhut aufsetzen und den beiliegenden Leveleditor starten: Ihr wählt aus fünf Hintergrundthemen (Römisch, Erde, Hölle, Ägypten, Kristall) sowie satten 320 Teilen, aus denen ihr eure eigenen Lemming-Höllen schrauben dürft. Seid ihr mit eurem

Mit dem beiliegenden Editor könnt ihr eigene Levels basteln und verbreiten.
Ergebnis zufrieden, dürft ihr es auch lokal oder per Internet verbreiten, die Entwickler versprechen darüber hinaus regelmäßige Levelupdates. Spendierfreudige Lemminghüter dürfen außerdem drei voll spielbare Levels per Gamesharing unters Volk bringen.

Die vor gut fünf Monaten genau unter die Lupe genommene Vorschau-Version bot noch einen echten Nerv-Punkt: die tüdelige, fast schon meditative Musik, die den Spieler mit Sphärenklängen einlullte, dabei aber die klassisch-fröhlichen Lemminge-Melodien völlig außer Acht ließ. Tattriges Testerzittern beim Einlegen der Test-UMD – wird Team 17 auf seine Synthie-Klänge bestehen? Die schlechte Nachricht: ja. Die gute Nachricht: nicht ausschließlich! Zu den asiatisch angehauchten Stücken gesellen sich einige der Originalsongs in neuer Version – juhuuuu! Dazu gibt es noch knuffige Musik im Hauptmenü sowie teilweise neue Soundeffekte: Das fröhliche Levelend-»Yippie!« klingt jetzt zusätzlich nach »Yeah!« und »Hooray!«, zum klassischen letzten »Oh No!« vor der Sprengung gesellt sich gelegentlich ein nicht ganz so ergreifendes »Bye bye«. Polyglotte Spieler haben außerdem die Wahl unter zehn Bildschirmsprachen.

Massenselbstmörder!

Optisch wurde das Spiel runderneuert, ohne sich zu weit vom Original zu entfernen. D.h. es gibt keine 3D-Sperenzchen, stattdessen erwartet euch die klassische Seitenansicht, hinter der Echtzeit-3D-Grafik als Augenschmankerl ihr eigenes Süppchen kocht. Die 

Die abwechslungsreichen Hintergründe bringen zwar die PSP zum Gähnen, sind aber schön anzusehen.
Levels bestehen aus hochauflösender Rendergrafik, die sich in zwei Stufen zoomen lässt – praktisch, um millimetergenaue Lemmingbefehle zu vergeben. Dank 16:9-Screen gibt es jetzt mehr Übersicht, doch leider ist das Scrolling gerade bei reingezoomtem Bild immer noch nicht völlig ruckelfrei. Dem Spielspaß tut das keinen Abbruch, ärgerlich ist es dennoch – genau wie die für Lemmings-Verhältnisse langen Ladezeiten.

Die Helden des Bildschirms sind natürlich die Massenselbstmörder selbst: Die grünwuscheligen Massen sind zuckersüß animiert, wenn mit der kleinen Hacke drauflosgeholzt oder ein Brückenteil klackend an das andere gebaut wird, möchte man gar nicht aufhören zu grinsen. Neuerdings werden die Hirnakrobaten deutlich nach ihrer erworbenen Spezialfähigkeit markiert – Fallschirmspringer kriegen Regenschirme in die Hand, Buddler einen Bauhelm verpasst.         

Fazit

Es ist Liebe auf den ersten Klick: Lemmings ist eines der wenigen Spiele, das keine unnötigen Experimente verträgt – wie man an Lemmings 2, 3D Lemmings und vielen anderen Ablegern überdeutlich zu spüren bekam. Deswegen bin ich überglücklich, dass die finale Fassung der PSP-Grünlinge das klassische Spielgefühl fast verlustfrei in die Neuzeit transportiert. Nur »fast«, weil ich mit der neuen Musik nicht sonderlich glücklich bin, weil der geniale Mehrspielermodus fehlt, weil unnötig lange Ladezeiten, wenn auch fern der Schreckenszeiten eines Midnight Club 3 liegend, einfach nicht zum Spiel passen. Aber was spielt das für eine Rolle, wenn mich das Spielprinzip schon nach wenigen Sekunden wie Superkleber an die PSP pappt, wenn ich nur vom Zuschauen der hoppelnden Schritte meiner Schützlinge wie ein Irrer grinse, wenn ich einen »Mayhem«-Level auch nach dem 30ten Fehlversuch gerne nochmal in Angriff nehme – einfach, weil ich es schaffen will! Lemmings ist auch auf der PSP ein spielerischer Meilenstein, der nach all den Jahren kein bisschen seiner Faszination verloren hat. Kaufen!

Pro

  • zeitlos-geniales Spielprinzip
  • brillant designte Levels
  • knuffige Grafik
  • einfache Steuerung
  • beiliegender Leveleditor
  • Game Sharing-Modus
  • beschwingte Musik
  • süße Soundeffekte

Kontra

  • fürchterlich süchtig machend
  • längere Ladezeiten
  • teilweise gewöhnungsbedürftige Musik
  • Musik setzt beim Vorspulen aus
  • keine Schrägsteuerung des Fadenkreuzes möglich
  • kein Mehrspielermodus

Wertung

PSP

Die kleinen Suizidbomber rocken auch auf der PSP - zugreifen!