Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde 2 - Test, Taktik & Strategie, 360, PC

Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde 2
01.03.2006, Jörg Luibl

Test: Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde 2

Tolkiens Erbe bleibt lebendig. Drei Jahre nach Peter Jacksons Ring-Trilogie beben erneut die Schlachtfelder zwischen Düsterwald, Gondor und Mordor. Zwar geht es auch diesmal darum, Saurons Armeen im dritten Zeitalter zu stoppen, aber EA versetzt euch in den bisher kaum beachteten Norden Mittelerdes. Macht euch auf viele alte Bekannte, aber auch auf Regionen und Kreaturen gefasst, die bisher weder im Buch noch im Kino eine Rolle spielten.

Was hätte J.R.R. Tolkien wohl gesagt, wenn er eine dieser breitbeinig tänzelnden Kreaturen gesehen hätte, die in der Fantasymoderne "Goblins" geschimpft werden? Was hätte er dazu gesagt, dass sie plötzlich aus den Nebelbergen kommen und neben Orks, Uruks und Riesen seine altehrwürdige Mittelerde bedrohen? Vermutlich hätte er zunächst die Stirn gerunzelt, um sich dann genüsslich der

Drachenlord Drogoth zieht seine Kreise: Wie lange brauchen die Zwergenaxtwerfer, um ihn vom Himmel zu holen?
Wortbedeutung zu widmen: Er wäre vielleicht nach einem altfranzösischen Zwischenstopp beim Geistwesen "Gobelinus" über das verwandte mittelhochdeutsche "Kobold" gestolpert. Dessen altenglische Wurzeln hätten ihn zu einem Begriff namens "cofgodas" führen können, der die "Hausgeister" bezeichnet...

Etymologe & Entwickler

...Geister? Die hat auch EA in gewaltiger Zahl gerufen, um zum zweiten Mal eine Schlacht um Mittelerde zu inszenieren. Bekannte Figuren wie Elrond, König Dáin, Glorfindel oder Arwen sind erstmals spielbar. Unbekannte Wesen wie Goblins klettern erstmals wie Spinnen über Mauern. Und was für eine bildgewaltige Show die Amerikaner hier inszenieren: Man erkennt beim Zoom in den Felsen werfenden Riesen jede Muskelzuckung. Man kann die Hitze des Balrogs fast spüren, wenn er das Schlachtfeld versengt. Und man will Drogoth den Drachenlord am liebsten in die Vitrine stellen, wenn er seine Feuer spuckenden Kreise zieht.

Nicht nur im Großen, auch im Kleinen gibt`s viele Hingucker: Achtet auf den einsamen Troll im Boot, den lauernden Warg im Zwinger, die Waffenübungen in den Kasernen. Ihr werdet tausend kleine und ebenso feine Delikatessen finden. Ich dachte bisher, dass nur die friedlichen Siedler diese selige Aquariumstarre auslösen können, die einen zeitvergessen zum enstpannten Scrollen, Zoomen und Zuschauen einlädt. Pustekuchen: Das geht auch mit bis an die Zähne bewaffneten Isengart-Uruks, potthässlichen Mordor-Orks und Goblin-Spinnenreitern!

Zwar erreicht man in der Schlachtdarstellung nicht die brachiale Wucht eines Warhammer 40.000: Dawn of War, wo jeder Nahkampf vom Tritt bis zum Stich in der Totale zelebriert wurde: Zoomt man hinein, erkennt man z.B., dass Schwertkämpfer aus der dritten Reihe, die gar keinen Feindkontakt haben, trotzdem zuschlagen oder plötzlich umfallen. Sprich: Ein Verband hat eine Lebenspunktzahl, die einfach runtergerechnet wird. Aber das Drumherum an Manövern und Erschütterungen, Kreaturen und Explosionen ist hier vielfältiger, pompöser, beeindruckender, als z.B. im aktuellen Vergleichstitel Star Wars: Empire at War. Außerdem sind die Karten hier größer, wirken die Landschaften hier wesentlich lebendiger: Man wartet mit seinen Zwergenkompanien auf spiegelglattem Eis auf die nächste Goblinwelle, während die Schatten von Wolkenfetzen über den Boden jagen; Ents stampfen durchs idyllisch wuchernde Unterholz und weiße Hengste galoppieren alles nieder, wenn Arwen die tosende Flut beschwört - oh, du wunderschöne Strategiewelt!

Kulisse zum Verlieben

Es ist vor allem diese Kulisse in Verbindung mit den mittlerweile bekannten, aber immer noch eindringlichen Melodien der Kinovorlage, die

Welcher Ork will diese Reihe durchbrechen? Noch stehen alle entschlossen in Reih und Glied.
die Stimmung zunächst auf den Zenit treibt. Aber in dieser Höhe kann sie sich nicht länger als ein, zwei Tage halten. Mein Wertungsbarometer sank vor allem nach der Kampagne von der frühen Goldhitze in kühlere, wenn auch immer noch gute Regionen. Denn im Unterschied zum tief schürfenden Professor aus Oxford bleibt der Entwickler aus Los Angeles an dieser zuckersüßen Oberfläche Mittelerdes kleben. Weder strategisch und schon gar nicht erzählerisch kommt man an diese Perfektion heran, die die hauseigene Grafikabteilung mit ihrer Hingabe zum Detail und ihrer starken Lizenz erreicht. Die Kulisse ist ausgezeichnet, die Spieltechnik ist solide, die Story ist schwach.

Vielleicht würde Tolkien heute als 114-Jähriger am liebsten aus seinem Grab steigen und Producer Craig Owens angesichts der spröden Dramaturgie der guten und der indiskutablen Dramaturgie der bösen Kampagne online den Krieg erklären. Sein episches Erbe wurde hier einfach auf konsumtaugliches MediaMarkt-Niveau kastriert, das gerade mal die notwendigen Fantasynerven befriedigt. Okay: das hier ist "nur" ein Strategiespiel. Aber: es hat verdammt noch mal die am besten ausgearbeitete Welt abseits der unsrigen zum Hintergrund! Und: andere Spiele haben gezeigt, dass es besser geht!

                         

Obwohl alles so wunderbar mit dem edlen Hauptmenü im Glanze von Osgiliath anfängt, obwohl man schöne Übergänge von weichen Tuschezeichnungen zu Spielgrafikszenen schafft und viele Zwischensequenzen einstreut, will der Funke der Begeisterung weder während der guten noch der bösen Kampagne überspringen. Warum? Ganz einfach weil EA gut

Der alte Troll und das Meer. Wer ahnt schon, dass er Hochprozentiges in seinem Kahn gebunkert hat?
präsentieren, aber nur schlecht erzählen kann. Ihr habt den Auftrag, den Norden zu schützen, als sich die Gefährten schon mit dem Ring auf den Weg nach Mordor machen. EA vermittelt einem immer dieses Gefühl, an einem weniger wichtigen Nebenkriegsschauplatz  teilzunehmen. Dabei gibt es in der Romanvorlage namhafte Figuren wie den 250-jährigen Zwergenkönig Dáin aus Erebor oder Haldir aus Lothlórien, die man gut hätte nutzen können. Eine interessante Geschichte braucht solche Helden, braucht spannende Identifikationspunkte und Überraschungen - aber hier ist alles zu vorhersehbar. Die neuen Helden starten in Bruchtal, eine Invasion droht, man flieht, sammelt Verbündete und schlägt eine Schlacht nach der anderen, ohne dass auch nur eine markante Szene im Gedächtnis bleibt. Selbst wenn die Waldfestung der Elben geschliffen wird oder die Grauen Anfurten fallen, lässt einen das seltsam kalt.

Story zum Verabschieden

Die Helden bleiben viel zu blass. Und der Todesstoß für die Dramaturgie wird genau dann gesetzt, wenn ein Held wie Glóin fällt und nicht nur jegliche Bestürzung bei den kämpfenden Zwergen ausbleibt, sondern in der nächsten Mission einfach wieder ein lebendiger Glóin auftaucht - als wäre nichts passiert. Wenn man im Multiplayergefecht Helden wiederbeleben kann, ist das eine Sache. Aber wenn einer der Protagonisten in der Story stirbt, muss die Mission gescheitert sein. Dieses Recken-Recycling ist demotivierend, denn man macht sich automatisch weniger Gedanken, fiebert weniger mit. Dazu trägt übrigens auch bei, dass man erfahrene Truppen nie selbständig in die nächste Schlacht mitnehmen darf - schade. Nur ab und zu wird man von automatisch beigefügten Veteranen begleitet.

Vor allem bei der bösen Kampagne hat man erzählerisches Potenzial verschenkt: Warum sieht man hier dasselbe Intro wie

Es gibt sechs spielbare Völker:

(Spinnen, Trolle, Riesen, Drachen)in der guten Kampagne? Warum spricht ein Elf alle Einleitungstexte? Warum werden der Orkkönig und die Schergen Saurons nicht intensiver vorgestellt? Ein deutlicherer Perspektivwechsel auf die dunkle Seite hätte hier geholfen, sich besser mit Goblins, Orks & Co zu identifizieren. An das dramaturgische Niveau von Spielen wie Age of Mythology kommt das Team von EA nicht heran. Trotz dieser verpassten Chancen und Oberflächlichkeiten ist die Kampagne kein Reinfall. Es gibt auch packende Momente: Wenn der fauchende Skorpionreiter mit seinen Trollen und Grünhäuten Rache am Auenland nehmen will und Schlangenzunge ihm plötzlich in den Rücken fällt, greift man boshaft grinsend an. Auch die zynischen Kommentare der Nazgul und Uruks sorgen für eine herrlich fiese Grundstimmung. Nach acht Missionen auf jeder Seite ist der durchwachsene Fantasy-Happen dann aber auch schon verschlungen. Richtig satt geworden ist man nicht.

Menschen

(Gondor, Rohan, Ithilien-Ranger)

Elfen (neu)

(Lórien, Düsterwald, Ents, Adler)

Zwerge (neu)

("Men of Dale")

Isengart

(Uruks, Warge, wilde Dunländer)

Mordor

(Orks, Korsaren, Trolle, Ostlinge, Haradrim)

Goblins (neu)

Immerhin hat sich EA redlich Mühe gegeben, sich spielerisch zu verbessern, so dass die Gefechte und Multiplayerduelle an

Selbst unter Tage geht's ab: In alten Zwergenminen beschwören wir einen Wald, um die Kampfkraft zu stärken.
Reiz gewinnen: Im Vergleich zum Vorgänger sind die Schlachten z.B. wesentlich dynamischer. Das liegt nicht nur daran, dass ihr jetzt mehr Völker wie Zwerge und Elfen zur Verfügung habt, sondern auch daran, dass ihr eure Türme, Kasernen und Mauern jetzt überall auf der Karte platzieren könnt. Zwar lassen sich immer noch per Mausklick Anbauten vom Pfeile schießenden Turm bis zur Ballista-Plattform an vorgegebenen Plätzen vor eurer Festung hochziehen, aber ihr dürft Mauern jetzt auch frei ziehen und könnt so theoretisch eine riesige Befestigungsanlage aus dem Boden stampfen. Leider gibt es keine bemannbaren Palisaden, auf die man seine Bogenschützen stellen kann - wie das z.B.  ParaWorld im August bieten wird - doch das manuelle Torsystem funktioniert besser als in Age of Empires III. Gerade in Multiplayer-Duellen kann man seinen Gegner mit gut platzierten Gebäuden schon sehr früh in Bedrängnis bringen. Außerdem könnt ihr neutrale Stützpunkte und Tavernen einnehmen, um billig Söldner anzuheuern oder die Karte nach Monsterhöhlen absuchen, um eure Helden Erfahrung und Schätze sammeln zu lassen. Das ist natürlich alles seit WarCraft & Co nichts Neues.

Strategischer Aufschwung?

Und die freie Festungsluft tut zwar gut, allerdings halten selbst die Verteidigungsanlagen der Zwerge erschreckend wenig aus, so dass es selten richtige Defensiv- und Grabenkämpfe à la Age of Empires II gibt: Wer schnell und zügig angreift, gewinnt! Selbst einfache Pikeniere oder gar einzelne Helden können Mauern und Türme in null Komma nichts zerstören. Das sorgt zwar für reichlich Staub und Trümmer auf dem Schlachtfeld, aber der Wert von Katapulten und Ballisten wird dadurch empfindlich geschmälert - sie sind zwar noch effektiver beim Einreißen, aber taktisch lange nicht so wichtig wie z.B. die Trebuchets in Age of Kings, die man gut schützen und klug postieren musste. Weder im Skirmish noch im Online-Turnier braucht man sie wirklich. Die Belagerungen sehen zwar unheimlich gut aus, aber es reicht auch eine große Truppenmasse ohne schweres Gerät, um alles platt zu walzen - selbst Bogenschützen lassen Mauerwerk Salve für Salve zerbröseln.

                 

Wie sieht es in Sachen Truppentaktik aus? Zunächst einmal besser als im Vorgänger: Es gibt die drei Verhaltensmuster defensiv, neutral und aggressiv, die nicht nur die Bewegung im Kampf, sondern auch eure Angriffs- und Verteidigungswerte

Pikeniere in Igelformation links, Uruk-Reiter rechts. Funktioniert Schere-Stein-Papier?
direkt beeinflussen. Das heißt, dass aggressiv eingestellte Orks nicht nur ihre Feinde hartnäckig verfolgen, sondern auch automatisch kräftiger zuschlagen - bei gleichzeitig schwächerer Rüstung. So kann man sich kurz vor dem Feindkontakt noch mal einen Bonus verschaffen. Schade ist, dass sich Truppenverbände beim Feindkontakt nicht intelligent auflösen und diesen z.B. umzingeln: So kann es vorkommen, dass ihr mit einer großen Überzahl vor dem Feind steht, dessen erste von drei Reihen gegen eure erste von zwanzig kämpft - obwohl das Gelände offen ist, wird er nicht umzingelt! Das kann seltsam aussehen, bis man es mit manuellen Marschbefehlen kompliziert umgeht.

Formationen & Emotionen

Auch die Emotionen hätte man bei solchen Übermacht- und Einkesselungssituationen besser integrieren können: Verzweiflung, Panik oder Flucht sieht man hier nicht. Überhaupt hat EA diesen wunderbar innovativen Bereich, der den ersten Teil so aus der Masse heraushob, nicht konsequent weiter verfolgt: Nur, wenn man spezielle Angstpfeile einsetzt oder bestimmte Kreaturen einsetzt, schlägt das auf die Moral und die Gegner flüchten. Warum bekommen z.B. Arbeiter keine Panik bei einem Angriff oder legen die Schaufel nieder und rennen weg? Trotzdem ist das Wenige an Gefühlen hier immer noch ein Trumpf gegenüber anderen Spielen, denn eure Krieger jubeln beim Auftreten des Helden oder nach gewonnener Schlacht herzhaft und lassen ihre Schilde rasseln. Das sieht klasse aus und hebt die Stimmung. Das sorgt auch dafür, dass man sich immer wieder gerne ins Getümmel wirft.

Schön ist auch, dass die Schere effektiv durchs Papier schneidet und Steine die Schere zerschlagen: Pikeniere reiben Reiter schnell auf, Reiter walzen Bogenschützen nieder und Schwertkämpfer machen mit Speerträgern kurzen Prozess. Es gibt für jeden Angreifer den passenden Verteidiger und auch die Angriffsrichtung gibt euch Boni, wenn ihr z.B. von hinten oder der Seite attackiert. Hinzu kommen je nach Truppentyp spezielle Fähigkeiten wie der Schildwall, der Speerigel, die Giftpfeile,

Ja, es klappt: Die Reiter werden aufgerieben! Aber...
Brandbomben oder ein Sturmangriff. Gerade diese kleinen Zusätze laden immer wieder zum Experimentieren ein und können, geschickt eingesetzt, so manche Schlacht stark beeinflussen.

Allerdings kann die Aktivierung dieser Spezialmanöver in der Hektik schwierig sein. Da die eigenen Verbände keine Kollisionsabfrage kennen, kommt es bei großen Ansammlungen zu bunten Truppenklumpen, in denen man kaum noch mit einem Mausklick zwischen Bogenschützen und Schwertkämpfern wählen kann. Eine Funktion wie die Tab-Taste aus WarCraft III zum Schalten zwischen Truppentypen hätte hier geholfen.  Sehr umständlich sind auch die vielen Einzelklicks, die man benötigt, um Truppen mit besserer Rüstung oder Schwertern auszurüsten: Eine neue Entwicklung der Schmiede wird nicht automatisch auf alle Truppen übertragen, sondern muss für jede einzelne gekauft werden. Auch über die Kamera kann man sich nicht gerade viel Übersicht verschaffen, denn sie zoomt angesichts des großen Truppenauflaufs einfach nicht weit genug heraus. Da man über die Symbolleiste nur schnell zu Arbeitern oder Helden springen kann, muss man mit der frühen Gruppenbildung über STRG plus Zahl vorbeugen. Die Steuerung der wichtigen magischen Manöver geht dagegen leicht und komfortabel von der Hand: Ein Klick und schon hat man Nebelschleier, Heilungszauber, tödliche Pfeilhagel oder Erdbeben parat. Sobald diese Naturkatastrophe den Bildschirm füllt, sind viele kleine Unzulänglichkeiten für einige Momente vergessen.

Besonders intuitiv und komfortabel funktioniert auf den ersten Blick auch das neue Formationssystem: Haltet ihr beide Maustasten gedrückt, seht ihr auf dem Boden bereits die zukünftige Stellung und könnt Truppen verschiedener Art über das einfache Ziehen der Maus sinnvoll in die Breite oder die Tiefe postieren. Ganz brav stehen Schwertkämpfer vorne,

...wenn die Masse heranstürmt, bleibt erst lethargisch hängen, anstatt klug und eigenständig zu umzingeln.
Bogenschützen dahinter und Belagerungsgerät noch weiter hinten, während die Kavallerie die Flanken besetzt - bis hierher sehr schön. Allerdings leidet das System unter einer katastrophalen Inkonsequenz: Sobald ein wohl geordneter Verband den Marschbefehl bekommt, löst sich die wunderbare Formation schnell wieder auf! EA hatte uns im Interview noch versichert, dass die Formationen auch in Bewegung beibehalten werden, aber wir haben das nicht ausführen können.

Aufstellungsdiziplin mit Tücken

Und selbst wenn man seine Kämpfer in kluger Voraussicht erst in Sichtweite des Feindes Position beziehen lässt, sorgt die uneinheitliche Marschgeschwindigkeit für eine tödliche Karawane: Die schnellen Reiter kommen immer als erste an die Front, die schweren Felsenwerfer zuletzt. Auf dem Weg dahin sind diese Einzelverbände natürlich verwundbarer, als wenn sie als kompakte Truppe marschieren würden. Warum kann man im Jahr 2006 nicht wenigstens optional das einheitliche Tempo anbieten? Ground Control 2, Rise of Nations und das kommende ParaWorld bieten es an. Earth 2160 hat es nicht ohne Grund per Patch nachgeliefert. EA macht ja in Sachen Wegfindung, Spezialmanöver und Basisbau so viel richtig.

Aber bei der Steuerung zieht man einfach nicht alle komfortablen Genreregister: Es gibt weder eine automatische Scoutfunktion noch den reinen Gebäude-Angriff als Befehl. Warum nicht? Das sind zwar alte Kamellen, mit denen man keinen Feature-Preis gewinnt, aber Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Spiele wie Rise of Nations haben mit ihrer Hingabe zu diesen Details kaum Wünsche in der Truppensteuerung offen gelassen. Stattdessen serviert man eine neue "Planungsphase", in der man seinen Truppen einzeln mehrere Marsch- und Angriffsbefehle geben kann, die dann zusammen auf Knopfdruck ausgeführt werden. Aber was sich nach ruhiger Reißbretttaktik anhört und durchaus Sinn gemacht hätte, wird tatsächlich in Echtzeit abgerufen. Hallo? Wer hat das denn ausprobiert und für gut befunden? Wenn schon Generalstabsplanung angeboten wird, dann bitte mit Pause! Dieses System funktioniert nur ansatzweise an einigen wenigen Stellen der Kampagne oder dann, wenn der Computergegner im Skirmish in totaler Passivität verharrt. Aber dieses Spiel ist ohnehin viel zu schnell und actionreich, als dass eine vorgelagerte Routenplanung samt gekoppelter Befehle Sinn machen würde. Für anspruchsvolle Feldtaktik wie in Rome: Total War oder Imperial Glory würde sich das eher anbieten.

             

Endlich geht es auch auf hoher See zur Sache: Transporter bringen Truppen an die Küste, Kriegsschiffe schießen Pfeile ab und Belagerungssegler lassen Ballisten oder Katapulte sprechen. Hinzu kommen ansehnliche Wirbelsturmattacken der Elfen oder selbstmörderische Brandbombenruderer auf der dunklen Seite. Sieht man von den Clippingfehlern ab, die mehrere

Auch auf dem Wasser herrscht die Magie: Elfen können andere Schiffe in einen Strudel ziehen.
Schiffe ohne Kollision einfach ineinander segeln lassen, ist der maritime Schauplatz wie auch alles andere höchst ansehnlich. Aber ist er auch ein spielerischer Gewinn? In der Kampagne auf jeden Fall: Die Landung der Korsarentransporter an den Stränden der Elfen, die eine Welle Orks nach der anderen an Land spülen, gehört zu den frühen Highlights - hier kommt richtig D-Day-Stimmung auf. Allerdings könnte es im Multiplayerbereich auch einige Seekriegshasser geben, denn die Reichweite der mächtigen Belagerungsschiffe ist enorm - sie schießen bis tief ins Land hinein. Hinzu kommt, dass man mit einem Treffer gleich einen Turm einstampfen kann. Natürlich kann man in seinem Hafen Kriegsschiffe bauen, die das Bombardement verhindern, aber vielleicht hätte man zugunsten der Spielbalance auch die Auswirkung dieser schweren Projektilgeschütze eindämmen können.

Kampf zu Wasser

Überhaupt wird es sicher viele Diskussionen über die Macht dieser oder jener Einheit, die Verhältnismäßigkeit des Schadens oder die Ausgewogenheit der Völker geben. Von der brillanten Balance eines StarCraft ist EAs opulente Schlachtplatte noch weit entfernt. Dieses Niveau hat sicher keiner erwartet. Und das ist natürlich nicht verwunderlich: Ein Spiel, in dem es vor Helden mit Spezialattacken, riesigen Kreaturen und Zaubern von der Flut bis zum Erdbeben nur so wimmelt, wird gerade im Multiplayerbereich erst nach den Härtetests langer Turniere so manche unbalancierte Baustelle bereinigen können. Angesichts dieser Fülle funktioniert vieles sogar ausgesprochen gut, wenn man z.B. Menschen gegen Mordor oder Elfen gegen Isengart antreten lässt. Aber unsere ersten Online-Gefechte haben auch gezeigt, dass man als Zwergenkönig kaum Chancen gegen Elfen oder andere Völker mit Kavallerie hat: Die spitzohrigen Reiter können die lebenswichtigen Minen zu einfach zerstören, weil sie zu schnell für die Pikeniere sind. Wer sie klug steuert, kommt nie in Feindkontakt. Da die Zwerge keine einzige schnelle Einheit besitzen und ihre Türme nicht viel aushalten, müssen sie quasi jede Mine sofort mit Speerträgern schützen und bleiben ein statisches Volk. Das muss ja nichts Schlechtes sein, wenn es Spielmodi geben würde, in denen man so zum Sieg kommen könnte - gibt's aber nicht. Aber vielleicht geht's ja doch? Wer einen guten Elfenspieler als Zwerg schlägt, möge mir Bescheid geben und die Aufzeichnung schicken.  Auch das stupide Ausbilden nur eines billigen Einheitentyps bringt schnell Erfolge, da jeder Mauern einreißen kann - die Feldtaktik geht dabei unter. Nur wenn sich zwei menschliche Gegner auf gewisse Regeln einigen, funktionieren auch konventionelle Schlachten ganz gut. Man kann immerhin bei den Grundeinstellungen in der Lobby etwas der Magiemacht vorbeugen, indem man z.B. die Füllrate der Kommandopunkte verringert, die die Zauber ermöglichen. Aber auch in der Kampagne und im Skirmish wirkt nicht alles ausgereift: Warum soll ich mir als Elf z.B. über teure Anbauten mit Tausenden von Rohstoffen mühsam das Adlernest zulegen, wenn der mächtige Level-10-Vogel schon bei der Attacke einer Orkhöhle die Hälfte seiner Energie verliert? Level-2-Arwen fuchtelt ein wenig mit ihrem Kurzschwert herum und zerlegt die Höhle ohne große Blessuren im Alleingang. Balancing-Patches ähnlich dem, der derzeit in Version 1.03 für den ersten Teil erschienen ist, werden sicher folgen...

Das Missionsdesign wirkt abwechslungsreicher und frischer als im Vorgänger. Abseits des Hauptpfades werdet ihr immer wieder mit lukrativen Nebenquests auf andere Routen gelockt, wo es kleine Überraschungsmomente gibt und die Gegner

Das war einmal eine Zwergenfestung: Bis ein Berserker aus Isengard die Mine entzündete...
Hinterhalte legen. An den vorgegebenen Stellen wirken die Schlachten daher sehr lebendig: Plötzlich wird der Rückzug versperrt oder man hat die Chance, Riesen in einem Tal zu befreien oder sich eine lukrative Mine zu sichern. Aber leider läuft es immer noch viel zu oft darauf hinaus, alle feindlichen Truppen oder ein paar Gebäude zu vernichten. Vor allem die böse Kampagne setzt auf angreifende Masse statt taktische Klasse. Es hätte viel öfter neuralgische Punktverteidigungen, taktische Rückzüge oder fordernde Manöver geben müssen, die das gezielte Einsetzen der Formationen verlangen. In der guten Kampagne gibt es immerhin Ansätze dazu, so dass man sich trotz durchwachsener Story durchschlägt.

KI & Missionsdesign

Die Intelligenz der Gegner in der Kampagne kann sich allerdings nicht mit Spielen wie Ground Control 2 oder Earth 2160 messen, wo viel gezielter effektive Einheiten gegen euch gebaut werden oder je nach Feind komplett unterschiedliche Manöver auf euch warten. Außerdem beobachtet man all zu oft, wie Truppen sinnlos in der Gegend verharren oder sich einfach abschießen lassen. Es gibt einige Schnitzer, die an den Vorgänger erinnern und die laut EA eigentlich nicht mehr vorkommen sollten, da man alle Skripte komplett neu geschriben habe - trotzdem: Man greift die Isengardfestung an, was zum Sieg führen würde, und eine Hand voll gegnerischer Kämpfer in Sichtweite greift nicht ein. Man beschießt hoch postierte Bogenschützen mit einem Korsarenschiff und sie lassen sich abschlachten. Eine mächtige Elfen-Ballista könnte die Stürmung einer Festung verhindern, aber segelt nicht los. Gerade in der Kampagne wirken die Schlachten nur dann glaubwürdig, wenn man sich streng an die Wege hält, die die Entwickler vorprogrammiert haben. Auch wenn die KI nicht wirklich überzeugen kann, gehört die schreckliche Wegfindung der Vergangenheit an: Goblins, Orks & Co erreichen selbst über einen Klick auf die Minikarte zielsicher weit entfernte Gebiete. Nur ab und zu bleiben Krieger an Anhöhen stecken. Und im Skirmish macht die KI, wie schon im Vorgänger, eine bessere Figur: Schon auf der zweiten der vier Schwierigkeitsstufen wird man als normaler Spieler richtig gefordert, denn die Feinde suchen Lücken in eurer Verteidigung und zerlegen z.B. gezielt eure lebenswichtigen Minen oder schmettern euch frech Zauber entgegen. Daher wird der Spaß auf lange Sicht vor allem in diesen Einzelgefechten aufrecht gehalten.

              

Es sind ohnehin weniger die taktischen, als vielmehr die vielen kleinen optischen Finessen und völkischen Eigenheiten, die

Ein Held Marke Eigenbau: Mit dem könnt ihr auch online antreten.
ein Skirmish nach dem anderen nach sich ziehen: Wer Isengart spielt, kann z.B. Uruk-Chefbrüller Lutz zum Kompositbogen greifen lassen, mit dem er jeden Gegner mit einem Schuss ins Reich des Todes nagelt. Oder er schickt zwei Minenleger ins feindliche Lager, die dort einen mächtigen Sprengsatz justieren. Entzündet man jetzt die Fackel eines Berserkers, rennt dieser ohne Rücksicht auf sein Leben zur Mine und lässt sie nach einem lauten Brüllen hochgehen - alles wunderbare kleine Szenen, die im Gegensatz zur Story umgehend die euphorische Stimmung des Films beschwören.

 Nichts Neues an der Online-Front

Die sinkt wieder auf Normalniveau, wenn man sich die Monotonie im Multiplayerbereich anschaut: Es gibt im Grunde nur den Kampf bis zum letzten Mann. Warum hat man sich hier nicht interessantere Spielmodi einfallen lassen oder wenigstens das kopiert, was in anderen Strategietiteln online für Spannung sorgt? Statt Königsmord hätte man z.B. Heldenmord anbieten können. Man hätte ein Artefakt beschützen oder eine Festung gegen die Zeit halten können. Immerhin hat man an Gollum gedacht: Der Ringfetischist versteckt sich irgendwo auf den Karten. Wer ihn aufspürt darf einen mächtigen Ringgeist beschwören. Kein Geringerer als Sauron oder Galadriel unterstützen dann den Besitzer des Rings mit ihren arkanen Kräften - eine gute Idee, obwohl wir den kleinen Schmuck-Fetischisten bisher nicht gefunden haben. Versöhnlich stimmen auch die exzellent designten Karten: Zwar gibt es mit Mordor nur ein Schlachtfeld für bis zu acht Spieler, aber insgesamt warten 50 Schauplätze auf euch, die wirklich herrliche Landschaften zeigen.

Neu ist auch der Heldenbaukasten: Ihr könnt euch wie in einem Rollenspiel einen eigenen Recken basteln, der mit der Zeit an Erfahrung und Fähigkeiten gewinnt. Aber das hier ist kein SpellForce 2, wo RTS und RPG erneut eine Hochzeit mit epischen Quests feiern wollen. Euer Held kann Monsterhöhlen vernichten - das war's. Aber egal ob Zauberer, Uruk, Troll, Zwerg oder Haradrim: alle Figurentypen des Spiels stehen zur Auswahl. Ihr legt Attribute wie Kraft oder Heilrate fest und bestimmt, welche Zauber der Figur zur Verfügung stehen. Allerdings geht der Editor nicht so ins Detail wie bei den EA-Sportspielen, denn ihr könnt weder das Gesicht noch die Statur eures Helden verändern; lediglich die Farbe sowie die Art von Waffen und Rüstung dürft ihr bestimmen. Unterm Strich ist diese Personalisierung sicher ein Zugewinn, denn man keine seinen eigenen Kämpfer mit in die Online-Schlacht nehmen und seine Karriere in ausufernden Statistiken verfolgen: jeder getötete Ork und jeder Erfolg wird dort gespeichert. Das weckt sicher den Ehrgeiz. Wir haben allerdings schon viele in der Online-Lobby getroffen, die ohne diesen Helden spielen wollten. Kein Wunder, denn sie sind so mächtig, dass sie ganz alleine mehrere Verbände platt machen und -natürlich- auch Mauern einreißen können.

Last but not least findet ihr im neuen Eroberungsmodus eine kurzweilige Risiko-Variante: Ihr startet mit einem Reich auf

Risiko für Ringfreunde: Wer hat schneller alle Provinzen erobert?
einer großen Karte gegen einen oder mehrere Computergegner bzw. online mit Freunden und kämpft entweder bis zum letzten Gebiet oder bis zur Einnahme des Heimatlandes. Ganz in Brettspielmanier macht jeder seine Bau- und Bewegungszüge, bevor es zum Kampf kommt. Jede eroberte Provinz bringt euch kleine Vorteile, jedes eroberte Reich richtig große. Aber bis auf mehr Angriffskraft hier oder Kommandopunkte da gibt es nicht viel zu entdecken - Diplomatie gibt's gar nicht und Rohstoffe spielen keine Rolle.

Welteroberung im Risikostil

Der Kampf wird entweder in Echtzeit ausgetragen oder in einer Statistik simuliert. Hört sich interessant an, macht zwischendurch mal Spaß, kann aber auf Dauer nicht begeistern. Es fehlt einfach an strategischer Tiefe, die man aus Spielen wie Rise of Nations oder Rome: Total War kennt. Hier hat auch Star Wars: Empire at War ganz klar die Nase vorn, denn es ist auf lange Sicht wesentlich motivierender. Man hat zu schnell alle nötigen Mechanismen durchschaut, um die Computergegner zu übertölpeln. Außerdem vermisst man Kleinigkeiten: Baut ihr z.B. eine Kaserne auf der Strategiekarte, wird diese auf der Echtzeitkarte nicht angezeigt. Dem eigenen Begriff "Living World Map" wird EA nicht wirklich gerecht. 

           

Fazit

Was für eine prächtige Kulisse! Ich dachte, den Aquariumeffekt gäbe es nur bei friedlichen Siedlern, aber ich könnte mir stundenlang diese rudernden Trolle oder Felsen werfenden Riesen anschauen. EA hat noch mal all die Jackson'schen Geister beschworen, die Fantasy-Fans zu Hunderttausenden in die Kinos trieb: Freut euch auf Arwens Flut mit galoppierenden weißen Hengsten oder die Peitsche des schwelenden Balrogs. Aber obwohl diese zweite Schlacht um Mittelerde optisch alle Register zieht und sogar mit neuen Völker, Zaubern, Bauprinzipien und Spielmodi auftrumpft, sinkt die heiße Begeisterung der ersten Stunden bald auf ein kühleres, wenn auch immer noch gutes Niveau. Denn statt ein Epos im Stile Tolkiens gibt's in der Kampagne bloß Fastfood - sie ist zu kurz und bietet kaum dramatische Würze. Hinzu kommt, dass die künstliche Intelligenz der Feinde nicht überzeugen kann und dass das an sich gute Formationssystem genau so inkonsequent umgesetzt wurde wie die überflüssige Planungsphase oder der halbgare Eroberungsmodus im Risikostil. In den Online-Duellen wird schließlich deutlich, dass die lobenswerte neue Freiheit im Befestigungsbau empfindlich geschmälert wird, wenn Bogenschützen und Schwertkämpfer Mauern einreißen können. Auch in Sachen Spielbalance wird EA noch nachhelfen müssen. Und warum hat man bei den Multiplayermodi so gegeizt? Hier hätte man doch mehr als schnöde Deathmatches anbieten müssen! Trotzdem spiele ich ein Skirmish nach dem anderen, denn hier zeigt die KI ein besseres Gesicht. Trotzdem lasse ich meine Truppen gerne online kämpfen, denn die Schlachten sind schnell, dynamisch und es gibt mit sechs Völkern verdammt viel auszuprobieren. Kurzum: Kein Spiel für Mitglieder der Deutschen Tolkien Gesellschaft. Kein Spiel für gewiefte Manöver-Strategen. Aber für ein Gemetzel bei voll aufgedrehter Anlage sehr empfehlenswert! Also lasst den Isengart-Fackelträger laufen…

Pro

  • sehr gutes Tutorial
  • üppiger Spielumfang
  • gute Lokalisierung
  • sehr gute Wegfindung
  • fordernde KI im Skirmish
  • klasse Musikuntermalung
  • coole Spezialmanöver
  • schnelle, dynamische Schlachten
  • freier Festungs- und Mauerbau
  • reichhaltiges Zauberarsenal
  • hervorragende Animationen
  • stimmungsvolle Einheitenkommentare
  • komfortables Formationssystem
  • Emotionen auf dem Schlachtfeld
  • eigenen Helden erschaffen
  • imposante Kreaturen
  • wunderbar designte Karten
  • bis zu acht Spieler im Multiplayer
  • schöne Überleitungen zu Zwischensequenzen
  • neutrale Gebäude erobern
  • angenehm einfacher Rohstoffabbau

Kontra

  • durchwachsene KI in der Kampagne
  • schwache Dramaturgie & Story
  • zu wenig Multiplayer-Modi
  • absolut sinnlose Planungsphase
  • teilweise unübersichtliches Gewusel
  • unzureichender Kamerazoom
  • inkonsequentes Formationssystem
  • Mauern & Festungen zu leicht einzureißen
  • keine einheitliche Marschgeschwindigkeit, kein Autoscouting
  • Emotionen nicht konsequent genug inszeniert
  • zu oberflächlicher Welteroberungsmodus
  • teilweise statisches Kampfverhalten
  • Spielbalance wirkt noch nicht ausgereift (z.B. ohmächtige Zwerge, überstarke Schiffe)

Wertung

PC