Project Zero 3: The Tormented - Test, Action-Adventure, PlayStation2

Project Zero 3: The Tormented
09.03.2006, Benjamin Schmädig

Test: Project Zero 3: The Tormented

Und wieder knarren die Dielen, stöhnen die Geister und ihr werdet zum Fotografen der besonderen Art: Take 2 lässt euch spüren, welche Albträume ein Herrenhaus bei Nacht beschwören kann - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn während die Heldinnen der Vorgänger am Ort des Geschehens waren, plagen Rei Kurosawa unheimliche Träume. Doch wie kommen die Gespenster in ihr wirkliches Leben und was haben die Protagonisten der ersten zwei Teile damit zu tun?

Was The Ring für den modernen Horrorfilm war, hat Project Zero für das interaktive Gruseln erreicht: Wie kaum ein anderes Spiel erweckt Makoto Shibatas Vision Urängste zum Leben und zitiert das Lexikon jener kleinen Vorkommnisse, die mir die Haare zu Berge stehen lassen. Mit einem winzigen Unterschied: Wo die Taschenlampe in der Realität nur durch den Verschlag im Keller flimmert, sitzt hier ein Mädchen und starrt mich an. Wo in Wirklichkeit nur ein seltsames Geräusch herkam, fallen hier Gegenstände von allein vom Regal. Meist dauert es eine Sekunde, bis ich realisiere, dass ich tatsächlich beobachtet werde. Der eiskalte Schauer, der

Diesmal ist es die Fotografin Rei Kurosawa, die den Untoten trotzen muss.
mir dann über den Rücken schnellt – das ist für mich die Faszination "Project Zero". Mit dieser Erwartungshaltung habe ich The Tormented ins Laufwerk geschoben und war darauf gespannt, wie Shibata den Ausstand seiner Serie auf der gegenwärtigen Konsolen-Generation inszenieren würde.

Aus eins mach zwei mach drei

Zunächst einmal fällt auf, dass das Spiel einer Tradition treu bleibt: Wart ihr im ersten Teil noch mit Miku Hinasaki unterwegs, musstet ihr euch in der Fortsetzung bereits um die Zwillingsschwestern Mio und Mayu Amakura kümmern. Dieses Mal sind gleich drei Charaktere am Start, auch wenn sich die Handlung wie im Vorgänger auf einen der Protagonisten konzentriert. Rei Kurosawa ist Fotografin und trauert um ihren Verlobten, der bei einem Unfall ums Leben kam. Das Schrecken nimmt seinen Lauf, als sie den Auftrag erhält, ein altes Gebäude zu fotografieren, in dem es einer Legende nach spuken soll. Und tatsächlich: Reis Kamera ist auf einen dunklen Gang gerichtet, in dem plötzlich ihr Verlobter erscheint. Sie folgt seinem Geist ins Haus des Schlafes – aber wer auf diese Weise an einem verlorenen Menschen festhält, geht für immer verloren...

Wieder einmal ist ein verwunschenes Gebäude Ort der Handlung. Wieder einmal sind die Charaktere einem grausamen Ritual auf der Spur. Doch diesmal ist das Schicksal der Charaktere unmittelbar mit den Ereignissen verbunden. Der Plot ist komplexer als bisher und führt die Handlungsfäden der drei Spiele zu einem gemeinsamen Abschluss. Keine Angst: Ich werde mich davor hüten, euch die Einzelheiten des Plots zu verraten. Wenn ihr diese entziffern wollt, verlangt The Tormented allerdings einen enormen Leseaufwand von euch. Teil eins und zwei haben sich darauf konzentriert, eine dichte Atmosphäre aufzubauen und gaben den Charakteren nur so viel Hintergrund, wie er für das Voranschreiten der Handlung nötig war. Teil drei weicht davon nicht ab, stellt das Ritual sowie die Geschichte aller Figuren aber sehr umfangreich dar. Wo es zuvor gereicht hatte, neue Informationen kurz zu überfliegen, müsst ihr hier bis zu zehn Seiten lange Schriftstücke lesen, um der Handlung zu folgen. Der

Dieser nette Kerl ist einer der stärkeren Geister und hat Kei fest im Griff.
 Spielfluss kommt dadurch leider oft ins Stocken. Sprachaufnahmen oder eine Hand voll Zwischensequenzen hätten Wunder gewirkt, doch die Entwickler entschieden sich für das bewährte Prinzip der Vorgänger – und stoßen erzählerisch damit an ihre Grenzen.

Project Zero, der Wälzer

Das gilt nicht nur für das Übermaß an Schriftstücken, auch die restliche Präsentation wirkt unausgereift. Die Unterhaltungen zwischen Rei und Miku sind z.B. ein Mix aus echter Sprache und einfachem Text. Und da die gesprochenen Sätze mit starkem Hall unterlegt sind, passen sie noch weniger in das Szenario als es die immer gleichen Satzfetzen ohnehin tun. Das wirkt vor allem in Reis Wohnung unglaubwürdig, wo der Eindruck einer realen Umgebung erzeugt werden soll. Reis Wohnung? Spielt Project Zero 3 nicht im Haus des Schlafes? Richtig. Allerdings muss Rei erst ins Bett gehen, bevor sie in die Geisterwelt gelangt. Tagsüber sammelt ihr zu Hause Hinweise und entwickelt eure Fotos. Die Aufteilung in (Alb)Traum und Wachsein unterschiedet The Tormented am stärksten von seinen Vorgängern. Dadurch bekommen Rei und Miku (Reis Assistentin und Mitbewohnerin) so viel Profil, dass die Geschichte bodenständiger und erwachsener wirkt.           

Aber was erwartet euch diesmal im Reich der Geister? Kann Project Zero immer noch erschrecken und faszinieren? Tief Luft holen... JA! Das Grauen ist zurück und hat mich völlig überraschend gepackt. Ein Geist huscht hinter einer verborgenen Ecke hervor und ich zucke mitten am Tag im Büro zusammen. Meine Nackenhaare legen einen Höhenrekord vor, wenn ein regloser Geist plötzlich auf mich zu krabbelt. Eigentlich kennt man die Fäden, die die Entwickler ziehen, um solche Momente zu erzeugen. Und

Ob grinsende Gesichter oder hässliche Fratzen: Wenn euch die Toten so nahe kommen, habt ihr nicht mehr viel zu lachen.
 trotzdem haben sie genug Asse im Ärmel, um dem vertrauten Konzept immer wieder eine Überraschung zu entlocken. Von den absolut Furcht einflößenden Geräuschen ganz zu schweigen: Project Zero stellt noch immer jeden vergleichbaren Versuch, Angst akustisch festzuhalten, in den Schatten. Es wird so wirkungsvoll geflüstert, geknarrt und geschrien, dass selbst gestandene Horror-Kenner den Hut ziehen müssen.

Schreck lass nach!

Dabei war ich ein großer Skeptiker als klar wurde, dass The Tormented die Serie – vorsichtig ausgedrückt – nicht neu erfinden würde. Aber erstaunlicherweise sind es dieselben Kniffe wie eh und je, mit denen die Entwickler Spannung erzeugen. Besonders gut spielen sie z.B. immer noch mit eurer Erwartungshaltung, so dass allein das ständige "Was, wenn da hinten..." Angst erzeugt. Entspannung findet ihr lediglich in Reis Wohnung, denn statt einer klaustrophobischen Umgebung gibt es hier eben Betten, Sofas, eine Küche usw. Schade, denn gerade das unheimliche Alleinsein in den engen Räumen eines zerfallenen Gebäudes hatte mich an die ersten beiden Teile gefesselt. The Tormented holt den Grusel erst im letzten Drittel auch in Reis Wohnung.

Ebenfalls übernommen haben die Entwickler das Gerüst der Vorgänger, so dass ihr einmal mehr durch unheimliche Gemäuer aus Stein und Holz stapft, während ihr versucht, die Tücken der überempfindlichen Kollisionsabfrage im wahrsten Sinne des Wortes zu umgehen. So effektiv Tecmo auf der einen Seite in bekannten Gewässern fischt, so altbacken wirkt die Umsetzung. Die Animationen sind viel zu steif als dass sie anno 2006 begeistern könnten. Erstaunlicherweise unterscheiden sich die Figuren selbst in den Zwischensequenzen kaum von ihren in Echtzeit berechneten Pendants: Wenn Rei weint, schließt sie z.B. die Augen, ihre Mimik lässt aber kaum Gefühlsregungen erkennen. Das ist umso bedauerlicher, da in

Wer den Erstling gespielt hat, kennt sowohl das Fräulein als auch die Maske hinter ihr.
The Tormented nicht die Qualen der rastlosen Geister im Vordergrund stehen, sondern die Emotionen des spielbaren Trios. Außerdem hätte ich mir gewünscht, dass der Übergang von wirklicher Welt in die Albträume fließender dargestellt wird. Stattdessen benutzt ihr das Bett und schon seid ihr im Haus des Schlafes. Man spürt einen Bruch zwischen den beiden Elementen.

Langer Atem

Wiederverwertet wird auch ein beliebtes Konzept im Genre des Survival-Horrors: Das verdammt langatmige Suchen nach Hinweisen oder dem einen Raum, in dem die Handlung fortgeführt wird. Ihr bekommt zwar Hinweise auf euer nächstes Ziel, doch die werden so unscheinbar gestreut, dass ihr das Haus meist im Trial-and-Error-Verfahren abklappern werdet. Hilfreich wäre ein Notizbuch, in dem ihr nicht nur die Vielzahl an Tagebüchern und Aufzeichnungen sammelt, sondern das auch den aktuellen Auftrag festhält. Das wäre besonders für jene Minderheit interessant, die zwischen den 30 Stunden Lösungszeit auch mal Pause macht oder Schlafen geht... Meiner Liebe zu Project Zero tut das keinen Abbruch. Aber ich habe selbst in den Fußweg-reichen Vorgängern selten so gelangweilt das Gamepad bedient wie es hier teilweise der Fall war. In den ersten zehn Stunden trefft ihr nicht einmal auf zufällig erscheinende Geister, was dem ziellosen Umherwandern den Rest gibt.           

Im Gegensatz zum Vorgänger zieht die Schwierigkeit der Kämpfe übrigens wieder an und erinnert an die knackigen Foto-Gefechte aus Teil eins – ein großes Plus, da mir die Gegner in "The Crimson Butterfly" zu wenig Angst eingeflößt hatten. Die Handhabung der Camera Obskura bleibt hingegen so, wie ihr sie aus dem Vorgänger kennt. Ihr habt noch nie einen Geist fotografiert? Dann wird es höchste Zeit, denn Project Zero bietet die wahrscheinlich originellste Waffe, an die ihr in einem ernsthaften Spiel je Hand anlegen durftet. Richtig: Gespenster reagieren auf Kugelhagel und Laserfeuer mit einem müden Schulterzucken. Was tun?

Schnappschüsse

Ideengeber Shibata besann sich auf einen Mythos, der besagt, dass ein Foto die Seelen von Verstorbenen festhalten kann. Für euch bedeutet das: Ihr entzieht den Angreifern Energie, sobald ihr sie im Kasten habt. Je länger ihr den Fokus auf dem Ziel haltet, desto mehr Schaden fügt ihr ihm zu. Gelingt euch ein Bild kurz bevor sie zuschlagen, stoßt ihr sie außerdem zurück und sackt die meisten Punkte ein. Kurz gesagt: Je effektiver ihr knipst, desto schneller füllt sich euer Konto. Mit diesem erweitert ihr wiederum die Fähigkeiten der Kamera und

Mitbewohner: Als Reis Assistentin wohnt Miku im selben Haus wie ihr Boss.
fügt neue Funktionen hinzu. So könnt ihr z.B. die Geister verlangsamen oder die Unholde zurückstoßen, wenn sie euch festhalten. Neu ist, dass alle spielbaren Charaktere unterschiedlich gut mit der Camera Obskura umgehen, was eine willkommene Abwechslung zum bisherigen Konzept ist.

Mein Favorit ist Miku, da sie den Apparat zum einen am wirkungsvollsten einsetzt und zum anderen über spirituelle Kräfte verfügt, dank denen sie die Zeit verlangsamen kann. Kein Wunder: Hat sie doch bereits den Fluch des Herrenhaus aus dem Erstling gebrochen. Den Großteil eurer Zeit seid ihr mit Rei unterwegs, die über keine nennenswerten Vor- oder Nachteile verfügt. Dritter im Bunde ist Kei Amakura, der interessanteste der Charaktere. Sein Nachnahme kommt euch bekannt vor? Volltreffer! Kei ist der Onkel von Mio und Mayu, den Protagonisten aus "The Crimson Butterfly". Als Freund von Reis Verlobtem ist er jenen Legenden auf der Spur, die sich um die Ereignisse der beiden Vorgänger ranken. Seine Aufzeichnungen dienen dazu, die drei Geschichten zusammenzuführen. Allerdings ist er der Schwächste im Bunde und im Umgang mit dem Fotoapparat wenig begabt.

Fang mich doch…

Das macht die Kämpfe selbst dann zu einer Herausforderung, wenn ihr es mit einem schwachen Gegner zu tun bekommt. Dafür kann sich Kei vor den Unlebenden verstecken: Geht hinter einer Wand in Deckung und schon fliegen die Gespenster an euch vorbei. Die Idee klingt aber besser als sie umgesetzt wurde, denn das Versteckspiel beschränkt sich auf wenige Szenen. Die gewöhnlichen Widersacher greifen euch wie gehabt an. Für die Fortsetzung auf PlayStation 3 wünsche ich mir mehr davon! Könnte man Geister umgehen, indem man mit wachem Auge auf Zehenspitzen durch das Haus schleicht – das wäre der Kick, der den wirkungsvollen, aber ausgetretenen Pfaden der Serie neues Leben einhaucht.

Jede Nacht seid ihr mit Rei, Miku oder Kei unterwegs, tagsüber spielt ihr ausschließlich mit der Fotografin. So sinnvoll die zusätzlichen Handlungsplätze in Reis Haus für die Story aber auch sind, so unnötig strecken

Frauenpower: Mit dieser Grauen erregenden jungen Dame bekommt ihr es schon früh zu tun.
sie euer Vorankommen. Warum müssen Fotos jetzt erst entwickelt werden, bevor die Hinweise darauf deutlich werden? Wieso muss ich Miku Hinweise geben, damit sie Zusammenhänge für mich erforscht? Ohne das heimische Intermezzo wäre Project Zero atmosphärisch dichter und näher dran am gruseligen Geschehen. Das Spiel wirkt wie die Fortsetzungen von Matrix: größer, imposanter, komplexer, aber auch verzerrt und weniger stimmig.

Packend nur zum Schluss?

Erst das Ende entschädigt für viele Durchhänger: Die letzten fünf Stunden sind straffer inszeniert als die Zeit davor. Die Hinweise sind konkreter, die Laufwege kürzer. Besonders wirkungsvoll stellen die Entwickler die Gefahr dar, dass die drei Charaktere für immer in dem Albtraum verschwinden könnten. Auf einmal seid ihr die meiste Zeit in einer schwarz/weißen Umgebung unterwegs, begleitet von fast schon verstörenden Klängen. Bis zum Finale fesselt The Tormented dann an den Controller – und dieses ist ein mehr als gelungener Abschluss für eine grandiose Trilogie.       

Fazit

30 Stunden Spielzeit! Fast drei mal so lang wie der Vorgänger hat mich Project Zero 3 verängstigt und genervt, gefesselt und gelangweilt – mehr gemischte Gefühle hätte der Abschluss der Trilogie nicht hervorrufen können. Die neuen Ideen hinterlassen einen ebenso zwiespältigen Eindruck wie die alten, denn so sehr die getrennten Schauplätze der Handlung auch gut tun, so inkonsequent wird diese in Szene gesetzt. Die bruchstückhaften Dialoge, der Mangel an Zwischensequenzen – all das zeigt die Grenzen des drei Jahre alten Konzepts. Was damals die richtigen Zutaten für ein geradliniges und effektives Horror-Abenteuer waren, eignet sich nicht zum Geschichten erzählen. Immerhin: Meine Liebe zu den Vorgängern hat mich eine starke Bindung zu den Charakteren aufbauen lassen und das Finale ist über jeden Zweifel erhaben. Aber für Spieler ohne nostalgische Brille dürfte die Story nur eine unter vielen sein. Vor allem die penible Kollisionsabfrage hätte Tecmo in den Griff bekommen müssen. Stattdessen nehmen die Entwickler die bekannte Schwäche in Kauf und schicken euch lediglich durch eine aktuelle Version der ersten Geisterhatz. In seinen schlechteren Momenten zieht es sich wie alter Kaugummi. In seinen besten Momenten ist das Spiel jedoch brillant, trumpft mit einer ebenso glaubwürdigen wie emotionalen Geschichte auf. Anders als Silent Hill oder Resident Evil bewegt sich Project Zero zwar kaum vom Fleck, aber es zehrt immer noch von seiner ganz besonderen Inszenierung des Grusels.

Pro

  • brillante Soundeffekte und „Musik“
  • Rückkehr von bekannten Charakteren
  • geschickt platzierte Geister
  • spannende, komplexe Story
  • die beste Waffe im Survival-Horror

Kontra

  • Aufteilung in normale und Geisterwelt
  • ungenaue Kollisionsabfrage
  • aktuelle Aufgabe oft nicht klar
  • Rückkehr in Reis Wohnung nimmt Spannung
  • Präsentation zu starr
  • steife Animationen
  • keine deutsche Sprachausgabe

Wertung

PlayStation2

Kommentare
Gibson_Rickenbacker

Wenn man es alleine gespielt hat im dunkeln mit Kopfhörern...Ja es ging mir einer ab (Anderen vermutlich nicht). Nicht wegen den eingestreuselten Schock Momenten oder (deftigen) Jump Scares, sondern wegen der gruseligen , einzigartigen Atmosphäre. Bin mir leider nicht mehr ganz sicher, aber irgendwie atmete das Spiel neben japanischem Geister- Grusel auch etwas Hammer-Studios Atmosphäre aus den späten 60ern/frühen 70ern (Auch wenn nicht dominant).

Leider ein vergessenes Horror-Adventure Juwel. Hätte richtig Lust auf eine modernisierte Version.

vor 4 Jahren