Atelier Iris: Eternal Mana - Test, Rollenspiel, PlayStation2

Atelier Iris: Eternal Mana
26.04.2006, Jens Bischoff

Test: Atelier Iris: Eternal Mana

Wer durch das traumhaft präsentierte Dragon Quest: Die Reise des verwunschenen Königs seine Liebe für Oldschool-RPGs entdeckt bzw. wiederentdeckt hat, darf dank THQ gleich wieder auf den Nostalgiezug aufspringen und mit Atelier Iris: Eternal Mana (ab 149,99€ bei kaufen) zum Teil sogar noch weiter in die fernöstliche Rollenspielvergangenheit zurückreisen. Aber können handgemalte 2D-Spielwelten und mäßig animierte Bitmap-Sprites heutzutage noch begeistern?

Eigentlich existiert die Atelier-Serie schon seit knapp neun Jahren. Mit dem fast zwei Jahre alten Atelier Iris hat es aber zum ersten Mal ein Spross der Serie bis nach Europa geschafft.

Charmantes Charakterdesign: Bei Dialogen werden die Spielfiguren zusätzlich im Großformat eingeblendet.
 Verwunderlich nur, dass man dem Spiel nach so langer Zeit nicht einmal eine Lokalisierung spendiert hat. Mit den meist kurzen und recht einfachen Dialogen dürften aber selbst Englischmuffel keine Probleme haben. Und wer‘s besonders authentisch mag, kann statt der gelungenen englischen Synchro sogar jederzeit dem japanischen Originalton lauschen. Zwar wurden nicht alle Dialoge mit Sprachausgabe versehen, aber das was man zu hören bekommt, trägt positiv zur stimmungsvollen Atmosphäre bei.

Besser spät als nie

Lediglich bei manchen Tierlauten hat man das Gefühl, dass diese einfach von angetrunkenen Programmierern auf ein Diktiergerät gebrüllt wurden. Jedenfalls habe ich noch nie so jämmerliches Schweinequieken wie in Atelier Iris gehört. Die restliche Soundkulisse präsentiert sich solide, aber unspektakulär: Die FX klingen charmant, aber antiquiert, während die Musikuntermalung vorwiegend aus folkloristischen Synthie-Rhythmen besteht, die einerseits ein breites musikalisches Spektrum abdecken und gekonnt verschiedene Stimmungen erzeugen, denen man andererseits aber auch recht schnell überdrüssig werden kann.

Die Kulisse sorgt mit ihren bunten isometrischen Bitmap-Hintergründen und putzig animierten Charakter-Sprites hingegen nicht nur bei Nostalgikern für schmachtende Blicke. Die malerischen Kulissen und liebevoll designten Figuren verleihen dem Spiel trotz lästigem Interlace-Flimmern einen ganz eigenen Glanz und haben auch in Zeiten von 3D und Photorealismus-Bestrebungen noch eine Daseinsberechtigung. Die Animationen hätten jedoch etwas vielfältiger und geschmeidiger ausfallen können und die PAL-Anpassung nervt mit dicken Balken. 

Malerische Oldschool-Kulissen: Die Schauplätze erstrahlen in liebevoll gezeichneter Bitmap-Optik.
An bestimmten Stellen bekommt ihr stimmungsvolle Anime-Sequenzen serviert - allerdings lassen sich diese an einer Hand abzählen. Ansonsten werden Storysequenzen in Spielgrafik präsentiert, während Dialoge zusätzlich von großformatigen Charakterzeichnungen begleitet werden.

Mit Liebe inszeniert

Selbst die Menüs wurden grafisch hübsch in Szene gesetzt: Zu jedem der insgesamt über 400 Items im Spiel gibt es eine kleine Zeichnung, gesammelte Elemente drehen sich in einem Reagenzkarussell und ausgerüstete Manageister kreisen um die jeweilige Spielfigur. Auch beim Ausführen alchemistischer Rezepte erhaltet ihr nicht einfach umgehend das Endprodukt, sondern seht zu, wie Zutatenkarten umherwirbeln und verschmelzen oder an der Erzeugung beteiligte Manageister Kommentare abgeben. Selbst beim Speichern schlagt ihr zuerst ein Zelt auf, wo ihr mit den anderen Partymitgliedern am Feuer sitzen und plauschen könnt, bevor ihr eure Fortschritte in einen überdimensionalen Schmöker schreibt oder eure Verletzungen von Waldgeist Popo (der heißt wirklich so) kurieren lasst.          

Ihr selbst übernehmt im Spiel die Rolle von Klein Kiesling (auch der heißt so - die Vorliebe der Japaner für deutsche Namen macht‘s möglich), der eigentlich nur an seiner Alchemistenkarriere interessiert und auf dem Weg zu den Ruinen von Avenberry ist, um dort seltene Ingredienzen für seine Experimente zu finden.

Magische Begleiter: Je mehr Manageister ihr rekrutiert, um so mehr Alchemie-Objekte lassen sich erzeugen.
Doch nachdem er unterwegs über die forsche Lita Blanchimont stolpert, kommt alles anders als geplant und ehe er sich versieht, zieht er mit einer sechsköpfigen Party aus, um die Welt vor den Machenschaften eines skrupellosen Alchemisten zu retten. Ja, ich weiß, klingt nicht besonders originell und den strikt vorgegebenen und nicht immer ersichtlichen Weg zum Ziel pflastern jede Menge Klischees und stereotype Charaktere. Aber das ist alles nicht ganz so schlimm wie es sich anhört, da sich das Spiel selbst nicht immer allzu ernst und hin und wieder auch andere Instanzen gekonnt auf die Schippe nimmt.

Mangelnde Kreativität

In punkto Humor und Selbstironie kommt es zwar nicht an Spiele wie Dragon Quest VIII oder The Bard‘s Tale heran, aber die Persiflagen sind teils durchaus gelungen und manche Charaktere und Ereignisse wirklich originell. Vor allem die geschickt eingeflochtenen Tutorials, in denen auch Protagonist Klein immer wieder sein Fett weg bekommt, bringen einen regelmäßig zum Schmunzeln. Weit weniger ideenreich präsentiert sich hingegen das über hundert Spezies umfassende Monsterkonsortium. Nicht nur, dass Schleimblasen, Mandragoren und Golems schon durch unzählige andere Rollenspiele geistern, von einzelnen Gattungen gibt es auch noch oft zig Abwandlungen, die sich teils lediglich in Farbe und Größe unterscheiden. Da ist es egal, ob die Schleimblasen winzig oder riesig, blau oder rot, unsichtbar oder mit Hut bekleidet sind, irgendwann kann man einfach keine mehr sehen. 

Monster-Recycling: Protagonist Klein kann im Kampf sogar Gegner in Elementarteilchen verwandeln.
Ganz davon abgesehen, dass Schleimblasen & Co einfach alles andere als spektakuläre Gegnerarten sind...

Gekämpft wird auf den ersten Blick übrigens ganz klassisch: Ihr schlendert durch die Gegend, plötzlich kommt es zu einer Zufallsbegegnung und das Geschehen blendet in einen ortspezifischen Kampfbildschirm um, wo ihr euch dann rundenbasierte Schlagabtausche liefert. Beim genaueren Hinsehen bietet das Kampfsystem aber zahlreiche Facetten, welche die Auseinandersetzungen nicht so schnell Routine werden lassen. Zum einen benötigen verschiedene Angriffe unterschiedlich lange, um ausgeführt oder wiederholt zu werden. Besonders harte Attacken lassen sich durch gezielte Gegenangriffe sogar ähnlich wie bei Climax‘ Grandia-Serie abbrechen. Und zum anderen haben verschiedene Waffen und Angriffe unterschiedliche Wirkungsbereiche. Mit Delsus‘ Armbrust könnt ihr z.B. mehrere hintereinander stehende Gegner auf einmal treffen, während ihr mit Litas Klauenhieb mehreren nebeneinander stehenden Widersachern Schaden zufügt.

Auf ins Getümmel

Um die Waffen und Attacken möglichst effektiv einsetzen zu können, gibt es zudem die Möglichkeit, Gegner mit besonders schweren Hieben oder Tritten zurückzudrängen, um sie für den nächsten Angriff vorteilhaft aufzureihen. Natürlich verfügt jeder der insgesamt sechs Charaktere über eine Reihe individueller Fertigkeiten, die ihr bei einem Level-Up nach persönlichen Vorlieben aufwerten könnt.

Schleimblase XXL: Sonst bekämpft ihr schleimige Punis in allen Größen und Farben, doch nicht den Puni-Gott.
 Katzenmädchen Norn kann Gegner zum Beispiel in Süßigkeiten verwandeln, während Klein mittels Alchemie magische Items erzeugt und einsetzt. Des Weiteren könnt ihr jederzeit aktive Charaktere gegen bereitstehende Reservisten zugfrei auswechseln, eine Verteidigungshaltung einnehmen, Inventargegenstände einsetzen oder einen Fluchtversuch unternehmen. Die Häufigkeit der Zufallskämpfe bewegt sich übrigens auf einem erträglichen Niveau. Später könnt ihr sie mit bestimmten Skills sogar noch reduzieren oder auch erhöhen - was zum einen das Erkunden und zum anderen das Aufleveln erleichtert.

Das Herzstück des Spiels ist aber nicht das Kampf-, sondern das Crafting-System, das euch nicht nur das Erstellen von knapp 200 Speisen, Medikamenten, Kleidungsstücken, Mana-Items und mehr erlaubt, sondern gefundene Gegenstände sowie Umgebungsobjekte auch in ihre Einzelteile (Elemente) zerlegen lässt. So gewinnt ihr aus Pflanzen meist Holz- und Wasserelemente, aus Lagerfeuern Feuerelemente, aus Büchern Geistelemente und so weiter. Im Kampf könnt ihr sogar geschwächte Gegner in ihre Grundbaustoffe aufdröseln. Insgesamt gibt es 14 Elemente, von denen ihr jeweils bis zu 99 Einheiten in einem praktischen Reagenzglaskarussell mit euch führen und überall zusammenmixen könnt. Freies Experimentieren ist aber leider nicht drin. Stattdessen erhaltet ihr immer wieder Rezepturen für die ihr dann lediglich die nötigen Zutaten sammeln müsst.       

Die Macht der Alchemie

Etwas mehr Freiheit genießt ihr, wenn ihr Rezeptvorschläge von Bäckern, Wirten und Ladenbesitzern zubereitet. Zwar seid ihr auch hier an klare Vorgaben gebunden, könnt aber zumindest Materialien unterschiedlicher Größen und Qualitätsstufen ausprobieren.

Erster Stolperstein: Der Kampf gegen Katzenmädel Norn ist die erste größere Herausforderung im Spiel.
So erstellte Objekte könnt ihr von den Auftraggebern dann auch ins Verkaufsangebot aufnehmen lassen, um sie nicht jedes Mal selbst herstellen zu müssen und immer neue Rezepturen zu erhalten. So schafft ihr euch stets effektivere Ausrüstungs-, Heil- und Angriffsgegenstände oder einfach nur neue Zutaten für weitere alchemistische Synthesen sowie Vorräte, die ihr bei Bedarf in ihre Elementarteilchen zerlegen könnt.

Eine wichtige Rolle bei euren alchemistischen Tätigkeiten spielen die so genannten Manageister, die sich nach und nach eurer Party anschließen. Diese können nach ihrer Zuordnung nämlich nicht nur Statuswerte und Fertigkeitsstufen erhöhen, sondern ermöglichen euch auch erst den Umgang mit bestimmten Elementen. Waldgeist Popo führt zum Beispiel nur holz- und wasserbezogenen Synthesen durch, während Dämonin Plua ausschließlich mit Elementen der Finsternis, des Geistes und des Bösen umgehen kann. Manche Gegenstände können sogar nur durch den Einsatz mehrerer Manageister produziert werden. Zudem verbrauchen die magischen Helfer beim aktiv werden Energie, die ihr genauso wie ihre Gewogenheit euch gegenüber mit kleinen Geschenken wieder auffrischen könnt, um Fehlschläge oder schlimmeres zu vermeiden.

Bayrische Banane? Nicht alle Gegner wollen kämpfen - diese Werkatze macht euch sogar skurrile Geschenke.
 Seid ihr bei einem Manageist besonders beliebt, erzeugt dieser sogar manchmal mehr Gegenstände als gefordert.

Magische Gehilfen

Ein weiterer Hauptbestandteil eures Abenteuers stellt die Erkundung der Spielwelt und das Bewältigen von Hindernissen in traditioneller Action-Adventure-Manier dar. Ihr schlurft nämlich nicht nur von Schauplatz zu Schauplatz, um der äußerst linearen Story zu folgen, sondern setzt auch von rekrutierten Manageistern zur Verfügung gestellte Fertigkeiten ein, um ähnlich wie in der Wild Arms-Serie verschiedene Orte überhaupt erst erreichbar zu machen. So könnt ihr Weg versperrende Objekte, die sich nicht in ihre Einzelteile auflösen lassen, mit Hilfe einer Zerstörungswelle dem Erdboden gleich machen, unerreichbare Ebenen mit einem beschworenen Zauberstein erklimmen, mit einem fliegenden Teppich durch die Lüfte gleiten oder euch in ein mystisches Wesen verwandeln, um kleine Schlupflöcher oder tiefe Abgründe zu erreichen. Dadurch gelangt ihr an Orte, die euch früher noch verwehrt blieben und sammelt Schätze, die zuvor unerreichbar schienen.

Ein Hauch von Action-Adventure

Überhaupt gibt es in Atelier Iris trotz der recht klein und hässlich geratenen Oberwelt viele Geheimnisse und Extras zu entdecken, so dass schnell eine Spielzeit von 60 Stunden und mehr zustande kommt. Wer nur dem Hauptplot folgt, wird zwar schon nach weniger als 30 Stunden den Abspann sehen, verpasst dadurch aber zahlreiche Sidequests, Bonus-Items und mehr.  Und selbst nach dem Durchspielen könnt ihr euren Spielstand nochmals laden, um einen Extra-Dungeon freizuschalten.

Triste Oberwelt: Im Gegensatz zu den bezaubernden Einsatzorten, sieht die eigentliche Spielwelt trostlos aus.
Durch das Sammeln und Registrieren bestimmter Gegenstände öffnet sich darüber hinaus auch eine vom Hauptmenü aus zugängliche Bonussektion, in der ihr euch freigespielte Charakter-Artworks, Musikstücke und Filmsequenzen zu Gemüte führen könnt. Lita hält überdies noch ein Monsterkompendium parat, wo ihr genau nachschauen könnt, welche Gegner welche Items, Elemente etc. hinterlassen - eine praktische Sache.

Wer sucht, der findet

Doch auch sonst gibt es eine Menge zu tun und auszuprobieren: Nach einem Lehrgang als Schmied könnt ihr euren Waffen bestimmte Spezialeigenschaften einhämmern, ihr lernt wie ihr mit Aromastoffen die Fähigkeiten eurer Manageister puscht oder wie das Ausrüsten von Manageistern eure Fähigkeiten verändert. Zudem erspart ihr euch später mithilfe von eröffneten Dimensionsschleusen lange Fußmärsche, verdient euch Extrageld durch das Registrieren neu entdeckter Gegenstände oder verpasst Lita im Hauptquartier eine regenerative Manadusche, um ihre schwindenden Lebensgeister aufzufrischen. Das ist natürlich noch lange nicht alles, aber ihr merkt schon, dass man sich mit Atelier Iris ungemein lange und motivierend beschäftigen kann. Schade nur, dass Story- und Questverlauf streckenweise ziemlich altbacken und zäh wirken, aber der Umfang stimmt und die Aktionsmöglichkeiten lassen ebenfalls nur wenige Wünsche offen.       

Fazit

Auf den ersten Blick wirkt Atelier Iris wie ein klassisches Bitmap-RPG der SNES-Ära, was bei Rollenspielveteranen nostalgische Gefühle wecken, Technik-Junkies aber eher abschrecken wird. Doch antiquierte 2D-Optik hin, althergebrachte Spielmechanik her, Atelier Iris besitzt einfach einen Charme, dem man sich nur schwer verschließen kann. Die malerischen Schauplätze schaffen es auch ohne Polygone oder Renderprunk zu verzaubern, die Charaktere wachsen einem auch noch so pixelig und schlicht animiert ans Herz und das traditionelle Gameplay-Gerüst bietet so viele motivierende Features und liebevolle Details, dass man sich schon nach kurzer Zeit nicht mehr vom Gamepad trennen will. Vor allem das Zerlegen der Spielumgebung und Sammeln von Gegenständen für alchemistische Synthesen fesselt. Aber auch das facettenreiche Rundenkampfsystem sowie das Erkunden der Schauplätze in klassischer Action-Adventure-Manier sorgen für anhaltenden Spielspaß. Da nimmt man sogar zähneknirschend die bescheidene Oberwelt, das enge Storykorsett, die recht einfallslosen Gegner sowie die fehlende Lokalisierung und die schlampige PAL-Anpassung in Kauf. Ein Geheimtipp für Freunde klassischer Nippon-RPGs und welche, die es werden wollen.

Pro

  • reduzierter Preis
  • ordentlicher Umfang
  • malerische Schauplätze
  • humorvolle Präsentation
  • charmantes Charakterdesign
  • interaktive Spielumgebungen
  • facettenreiches Kampfsystem
  • motivierendes Crafting-System
  • zahlreiche Sidequests & Secrets
  • individuelle Charakterentwicklung
  • nette Action-Adventure-Elemente
  • englische und japanische Synchro

Kontra

  • nicht lokalisiert
  • miese PAL-Anpassung
  • schmucklose Weltkarte
  • überschaubare Spielwelt
  • sehr linearer Spielverlauf
  • altmodische Zufallskämpfe
  • unspektakuläres Gegnerdesign
  • klischeehafte Story & Charaktere
  • wenig Freiraum beim Item-Erstellen

Wertung

PlayStation2

Oldschool-RPG mit zuckersüßer Bitmap-Optik und üppigem Item-Baukasten.