FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2006 - Test, Sport, 360, GameCube, PlayStation2, PC, XBox, PSP, GBA, NDS

FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2006
05.05.2006, Mathias Oertel

Test: FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2006

Keinem Ereignis wird derzeit so entgegen gefiebert, kein Event sorgt für heißere Diskussionen – die Rede ist natürlich nicht von Billy Joels Bühnen-Comeback-Tour nach zwölf Jahren Abstinenz, sondern von der Fußball-WM in Deutschland. Und wie schon 1998 und 2002 bringt EA das offizielle Spiel zum Großereignis. Doch für wen lohnt sich der Kauf?

Dass Electronic Arts mittlerweile das bereits dritte Spiel zu einer Fußball-Weltmeisterschaft produziert, zeigt, wie viel Erfahrung der Publisher mit dieser sensiblen Materie hat. Sensibel aber nicht nur, weil dieses Jahr die Welt nach Deutschland blickt, sondern weil EAs FIFA-Serie in den letzten Jahren nur in wenigen Punkten einen spielerischen Schritt nach vorne gemacht hat.

1998, 2002, 2006

Die offizielle Lizenz bedeutet nicht nur Original-Namen, sondern auch akkurat nachgebildete Arenen wie hier das WM-Stadion Hamburg. (360)
Denn während das Kommen und Gehen der Off-the-Ball-Kontrolle sowie die Einführung der First Touch-Kontrolle der Serie sichtbar gut getan haben, blieben Ballphysik und KI seit Jahren hinter den Erwartungen und der Konkurrenz zurück.

Aber vielleicht hat EA die Gelegenheit am Schopfe gepackt und ein Spiel aus dem Hut gezaubert, dass nicht nur die mäßige 360-Premiere "Road to World Cup" vergessen lassen kann, sondern auf allen Systemen zum stimmungsvollen Rundumschlag ausholt. Denn wann, wenn nicht jetzt zur WM, steht man mehr im Rampenlicht und kann beweisen, dass gute Fußballspiele nicht immer aus Japan kommen müssen?

Um es vorweg zu nehmen: Die spielerischen Unterschiede zwischen FIFA 06 (ich lasse RtWC auf der 360 bewusst außen vor) und der WM-Edition halten sich in sehr bescheidenen Grenzen. Das heißt: Ihr müsst immer noch auf eine ausgefeilte KI verzichten, die euch mit möglichen Taktik-Wechseln überrascht oder euch gegen Ende einer knappen Partie entweder mit üblem Mauern oder hartem Pressing zur Verzweiflung treibt.

Stagnation mit Lizenz

Allerdings kann man dieses Manko auch zu seinem Vorteil ausnutzen. Ob es allerdings im Sinne der Entwickler war, dass ich ca. 15 Minuten vor Ende der Partie (ich führe zu diesem Zeitpunkt mit den Niederlanden 2:1 gegen Tschechien) den Ball zwischen meinen vier Abwehrspielern hin und her schiebe, während ich mich insgeheim über die Dummheit der gegnerischen Mannschaft freue, die mich nur dann angreift, wenn ich mich mit meinen Verteidigern quasi aus der Verteidigungszone bewege, wage ich zu bezweifeln.

Auch die häufig auftauchende Unfähigkeit der CPU-Verteidiger, den Ball nach vorne zu schlagen und stattdessen vollkommen unbedrängt die Kugel über die Torauslinie zimmern, freut mich als "Mannschaft" zwar, da ich natürlich einen Eckball bekomme, als Spieler vor der Glotze nervt mich das aber nur noch.

Trotzdem besitzt FIFA spielerische Qualitäten. Diese liegen zwar jenseits der simulativen Spielweise eines PES 5, doch Einsteiger (und hier vor allem diejenigen, die ab und an einen Kumpel zum Zocken zu Hause haben bzw. auf PS2, Xbox, 360 oder PC online spielen) werden mit den schnellen, leicht nach Arcade-Spielweise riechenden Ballstafetten sicherlich glücklich.

Das Drumherum ist aufwändig inszeniert, ist aber auf Dauer zu einheitlich, um faszinieren zu können. (PC)
Auf lange Sicht allerdings wiederholen sich die Spielzüge. Man bekommt recht schnell mit, wie man die gegnerischen Abwehrrecken mit ewig gleichen Aktionen in Verlegenheit bringen kann. Und da die Torhüter auch nicht gerade mit einem hohen Intelligenzquotient ausgestattet sind und zudem immer wieder ein Opfer der unzureichenden Ballphysik werden, hält sich der Spaß in überschaubaren Grenzen.

Ebenso bei den Flankenbällen, die meist in einem hohen Bogen in den Strafraum gesegelt kommen und bei denen man eigentlich nie das Gefühl hat, sie unter Kontrolle zu haben.

Viel zu tun



Da hilft es auch nicht mehr, dass das Elfmeter-System leicht überarbeitet wurde und man mit diversen Modi versucht, die Spieler länger als die üblichen maximal sieben Spiele eines WM-Turniers bei der Stange zu halten.

Ihr könnt eigene Weltmeisterschaften mit neuen Teilnehmern und frisch verteilten Gruppen aufsetzen, Qualifikationen nach eigenem Gutdünken (auch mit Deutschland) ausrichten und euch am neuen Herausforderungsmodus versuchen.

Hier werdet ihr mit einer legendären WM-Situation konfrontiert und müsst versuchen, eine Aufgabe zu erfüllen, die nur bedingt mit den echten Geschehnissen konform gehen muss.

        

Da es hier wie in jedem anderen Modus Punkte freizuspielen gibt, die man wiederum im Shop für Gimmicks und Goodies wie neue Spieler, neue Bälle usw. ausgeben kann. Alles sehr nett, aber für mich persönlich kein Grund, das Spiel nach Gewinn des WM-Titels aus dem Schrank zu holen.

So müsst ihr z.B. in der Rolle Italiens verhindern, dass sich die Geschehnisse der WM 1994 wiederholen, in der Brasilien im Elfmeter-Schießen gewann.

Die Optik der 360 kann sich absolut sehen lassen und ist in allen Belangen ein Fortschritt gegenüber dem unterirdischen Road to World Cup.
Fernsehreife Präsentation

Egal auf welchem System: Wenn die Kamera durchs vollbesetzte Stadion fährt, die Zuschauer jubeln, Konfetti schmeißen, Papierschlangen durch die Luft jagen und die Spieler sich konzentriert dem Publikum präsentieren hat man bereits jetzt das Gefühl, dem WM-Finale beizuwohnen.

Man kann über die Ballphysik meckern, die KI mokieren, die segelnden Flanken kritisieren – in einem Punkt macht EA keiner was vor: Präsentation.

Das Problem hierbei ist nur, dass diese Highend-Atmosphäre in jedem Spiel zum Einsatz kommt. Vollkommen gleichgültig, ob Vorrunde, Qualifikation oder K.O.-Spiele: Immer das Gleiche. Denn zum einen wurde hier die Chance verschenkt, den Spieler auf eine emotionale Reise zum Finale mitzunehmen, indem man die Feierlichkeiten am Spielfeldrand nach und nach steigert. Zum anderen nutzt sich das überschwängliche Feiern sehr schnell ab, so dass man die eigentlich Stimmungs aufbauenden Sequenzen schnell weg klickt.

Wen interessiert da noch, das EA nicht nur die offiziellen Stadien und alle an dieser WM teilnehmenden Mannschaften integriert hat, sondern mit insgesamt über 120 Mannschaften (samt dazugehöriger lizenzierter Spieler) für einen eigentlich ausreichenden Umfang sorgt?

Auch auf "CurrentGen"-Systemen sind die Spieler deutlich zu erkennen. (PS2)
Statt dessen gibt es allerorten flüssiges Spiel, feine Animationen (die allerdings bei Zweikämpfen im Mittelfeld durchaus abwechslungsreicher hätten sein können) und meist gut wieder erkennbare Spieler.

Technisch verbessert

Erfreulich ist die allgemeine technische Weiterentwicklung auf allen Systemen. Die Ruckler, die seinerzeit bei FIFA 06 die Konsolenfassungen plagten sind genauso verschwunden wie das zombiehafte Aussehen mancher Spieler und Trainer der 360-Variante.

Was man vom Umfeld auf den Tribünen nur mit Einschränkungen behaupten kann. Die Ränge sind zwar prall gefüllt, doch egal wo man hinschaut sieht man nur einen Zuschauerbrei, der mit Klamotten in Teamfarben von der Stange ausgestattet wurde. Dass auf den CurrentGen-Systemen und PC dieser Brei nur aus Bitmaps besteht und auf 360 aus polygonisierten Massen, ist dabei vollkommen gleichgültig. Letztlich zeigt sich eine in zwei Lager gespaltene blökende Fanherde.

Okay: Patrick Owomoyela ist ein wenig zu dunkel geraten, Oliver Kahn ist etwas zu vergrämt (und immer noch die Nr.1) und Christian Wörns immer noch im Team. Doch das Gesamtergebnis kann sich trotz kleinerer Mankos sehen lassen.

Akustisch liefert EA mit Ausnahme der sich nach wie vor wiederholenden und ab und an schlichtweg falschen Kommentare weitestgehend überzeugende Kost ab. Die Fangesänge passen zumeist und die Zuschauer scheinen emotional mit dem Spiel mitzugehen.

Insofern bleibt alles beim Alten: Technisch überzeugend, spielerisch weiterhin zweite Wahl bleibt das Spiel zur WM einiges schuldig – auch wenn viel richtig gemacht wird.      

Fazit

Das offizielle Spiel zur WM punktet in erster Linie mit einer grandiosen Präsentation, dank offizieller Lizenz akkuraten Stadien sowie Original-Spielernamen. Vor allem mit der Xbox 360-Variante, die das unterirdische Road to World Cup vergessen lässt, hat man immer wieder das Gefühl, einer TV-Übertragung beizuwohnen. Und auch die anderen Versionen können sich sehen lassen. Doch so gut die allgemeine Präsentation auch ist, vermisst man eine emotionale Steigerung der Atmosphäre. Ein Quali-Spiel oder auch die Vorrunden-Begegnungen zeigen sich genauso stark bzw. schwach wie das Finale. Hier wäre mehr drin gewesen. Und spielerisch?  Trotz propagierter Änderungen fühlt sich die WM-Edition 2006 (mit Ausnahme der deutlich verbesserten 360-Variante) nicht wesentlich anders an als das normale FIFA 2006 – schwache KI, fehlendes Pressing und viele ähnliche Tore zeigen die Unterschiede zur Konkurrenz auf. Technisch stark, spielerisch nicht schlecht, aber wahrlich nicht berauschend hinterlässt die virtuelle WM angesichts des nicht ausgeschöpften Potenzials ein "Nicht-Fisch-Nicht-Fleisch"-Gefühl.

Pro

  • offizielle Lizenz
  • ansprechende WM-Stimmung
  • akkurat nachgebildete Stadien
  • Originalnamen
  • Herausforderungsmodus
  • auch Qualifikationen spielbar
  • fernsehreife Präsentation
  • haufenweise freispielbares Material
  • Gruppen neu zuweisbar
  • meist gut erkennbare Spieler
  • über 120 Mannschaften

Kontra

  • keine emotionale Steigerung der Atmosphäre
  • Aussehen mancher Spieler höchst zweifelhaft
  • viel Gestocher um den Ball
  • spartanische Statistiken
  • viele gleiche Tore
  • kein echtes Pressing
  • zweifelhafte Ballphysik
  • grob aufgelöste Videos (PC)
  • eintönige Bitmap-Zuschauer
  • polygonisierter Zuschauerbrei (360)
  • veraltete Mannschaftszusammenstellungen

Wertung

360

GameCube

PlayStation2

PC

XBox