The Da Vinci Code: Sakrileg - Test, Action-Adventure, PC, PSP, GameCube, XBox, PlayStation2

The Da Vinci Code: Sakrileg
18.05.2006, Jörg Luibl

Test: The Da Vinci Code: Sakrileg

Katholische Mysterien, obskure Geheimgesellschaften, uralte Verschwörungen - der Kult um das Kultische hat seit Dan Browns Generalangriff auf die Bestsellerlisten Hochkonjunktur. Und wie so oft folgen auf den literarischen Erfolg erst die cineastischen, dann die Prosieben'schen, RTL2'schen und schließlich die virtuellen Nachbeben. Take 2 präsentiert mit "The Da Vinci Code - Sakrileg" das Spiel zur Buchverfilmung mit Tom Hanks.

Bevor man investigativ in das Action-Adventure rund um Mysterienmorde abtauchen kann, stellt man sich schnell die Frage: Wo zur Hölle ist Tom Hanks? Man hört ihn, aber man sieht ihn nicht. Leider konnte Take 2 den Schauspieler nicht als Figur

Sakrales Flair, wohin man schaut. Egal ob Museen oder Kirchen - Mr. Langdon spürt überall Geheimnissen nach.  (PC)
des Robert Langdon ins Spiel bringen. Zwar wird der Kinofilm gerade von der internationalen Kritik verrissen und sicher nicht als Juwel in Hanks oskarstarker Leinwandvita funkeln, aber wenn schon Spiel zum Film, dann will ich auch die richtige Besetzung!

Auf der Suche nach Stimme

So muss man mit einem hageren Anzugträger samt Seitenscheitel Vorlieb nehmen, der auch als Versicherungsvertreter durchgehen könnte. Das wäre noch kein Problem, aber sobald der Mann vor der ersten Leiche den Mund aufmacht, um über Pentagramme und Fußstellungen zu dozieren, beginnt das große Nuscheln. Das, was er zu sagen hat, ist ja inhaltlich durchaus interessant, aber er spricht so eintönig und emotionslos über die blutigen Zeichen auf dem Bauch des leblosen Museumsdirektors Jacques Saunière, dass man unweigerlich an einen unmotivierten Referendar denken muss.

Dieser Mangel an Dramatik und Spannung zieht sich durch das ganze Spiel. Obwohl es hier und da interessante Momente gibt, die auch musikalisch zwielichtig untermalt werden, kommt nicht die Herzklopfstimmung à la Fahrenheit oder angenehm subtile Düsternis à la Black Mirror auf. Das liegt auch daran, dass der Held einfach kein Charisma versprüht und die Kapuzen tragenden Antagonisten keine wirkliche Gefahr sind. Es gibt ja genug verlockende Story-Köder, verschwörerische Dialoge und reichlich halbdunkle Räume, aber all das wird ohne gute Regie recht steril und manchmal etwas konfus verknüpft, so dass lediglich Buch- und Filmkenner wichtige logische Lücken sofort schließen können. 

Ich hatte zunächst große Probleme, überhaupt etwas zu verstehen, weil die Hintergrundmusik einfach zu laut abgemischt ist; selbst nach Feintuning im Audiomenü bleibt die Sprachausgabe schwach: Erstens passt Tom Hanks Stimme nicht zu dieser hageren Figur, die einen amerikanischen Professor für Symbolologie mimt, der plötzlich im Pariser Louvre zunächst als Berater, dann als Verdächtiger in einem Mordfall auftritt. Zweitens habe ich Tom Hanks Stimme noch nie so uninspiriert, undeutlich und einschläfernd vernommen.

Investigatives Nuschel

Man hat fast das Gefühl, dass er bei den Tonaufnahmen in einem Trance-ähnlichen Zustand war. Das Gute ist, dass nicht alle Protagonisten einen dermaßen schlechten akustischen Eindruck hinterlassen, so dass die deutsche Sprachausgabe insgesamt noch gerettet wird. Hinzu kommt allerdings, dass die Mimik nur rudimentär vorhanden ist - oftmals passen Augen und Dialogpartner oder Blickwinkel und Augenrichtung nicht zusammen. Weil es sich hier um den detektivisch veranlagten Protagonisten eines der erfolgreichsten Romane der letzten Jahre handelt, der auch noch gerne frontal in die Kamera blickt, ist die Ernüchterung umso größer. Etwas mehr Charisma, Einsatz und Emotionen hätten dem Helden gut getan.

          

Aber es geht ja nicht nur um ein Symbologen-Casting, sondern ein Spiel. Genauer gesagt um ein Action-Adventure - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Klassische Rätselelemente wie ein Inventar, Puzzles und kombinierbare Gegenstände treffen auf klassische Actionelemente wie Nahkämpfe, Deckung suchen, Rennen oder Schleichen. Das Ganze wirkt wie ein

Es gibt einige gute Rätsel: Vor allem Freunde von Wortspielen und Zahlenkombinationen kommen auf ihre Kosten. (PC)
Patchwork aus allen möglichen Zutaten, die in einigen Situationen durchaus ihren Reiz entfalten. Diese Verquickung wird konservative Point&Clicker natürlich sofort stören, denn sie verfolgt in etwa den Weg des letzten Baphomets Fluch: Der schlafende Drache  - kein Wunder, denn Spieldesigner Charles Cecil hat genau daran mitgearbeitet: Mal fühlt man sich wie Sam Fisher im Schatten, mal wie Ali im Ring. Das wird ansatzweise sogar gut inszeniert, denn ihr könnt euch an eine Wand drücken und über ein Klopfen Gegner anlocken, um diese schnell auszuknocken, oder geduckt im Dunkeln an ihnen vorbei huschen. Aber: All das will so gar nicht zum Harvard-Akademiker Langdon passen. Und all das wirkt manchmal so künstlich aufgesetzt wie eine Item-Kombination in Serious Sam.

Stealth-Action und Boxeinlagen

Vor allem, wenn Langdon die Fäuste schwingt, verliert das Spiel jeden Bezug zu Film oder Buchvorlage. Das wird gar nicht mal schlecht präsentiert, obwohl es eine Klasse unter den Martial Arts-Tänzen eines Fahrenheit liegt: Sobald es zum Kampf gegen Polizisten oder Kuttenträger kommt, simulieren Quick-Time-Reactions eure Hiebe, Würfe oder Ausweichmanöver. Sieht gut aus, lässt sich problemlos steuern, berücksichtigt sogar Überzahlmomente, wenn ihr zusammen mit Sophie Neveu agiert: einer hält fest, der andere schlägt zu. Die Enkelin des toten Louvre-Direktors begleitet euch während des Abenteuers, manchmal steuert ihr sie auch separat oder löst gemeinsam Puzzles. Leider erinnert auch sie höchstens ansatzweise an Schauspielerin Audrey Tatou und bleibt als Figur sehr blass - dafür spricht sie klar und deutlich.

Das Grundgerüst des Schleichens ist solide, aber spielerisch fast überflüssig. Die Reaktionstests beim Scheiben öffnen und Kisten verschieben sind annehmbar, aber wirken lächerlich - warum kann ich ein Bett nicht einfach so zur Seite rücken? Und das Boxen bietet zwar taktische Momente, aber es nutzt sich auf Dauer als schnell Durchschautes und sehr wiederholungsanfälliges Element ab - irgendwann weiß man, wie man die Feinde schnell aufs Parkett legt. Und dass man sie später zwecks Tatortbereinigung ins Dunkel ziehen kann, ist zwar nett gemeint, aber vollkommen unnötig. Man kann jede noch so große Übermacht einfach platt machen. Allerdings macht das auf lange Sicht wiederum keinen Spaß.

Gut, dass es eine Nuschel-Notbremse für Leseratten gibt. Die große Stärke des Spiels ist nämlich das Archiv mit all seinen historischen Informationen und Indizien. Egal ob Mona Lisa, Anagramme, Kulte oder alte Gottheiten - man erfährt dort nicht

Leider passen die ausufernden Nahkämpfe überhaupt nicht zum Harvard-Professor. (Xbox)
nur viel über die Hintergründe, sondern bekommt meist erst nach der Lektüre wertvolle Hinweise auf den weiteren Verlauf, die sogar miteinander verknüpft werden. Hier wird man immer wieder auf Wortspielereien treffen, die zwar manchmal auf Kreuzworträtselniveau bleiben, aber auch durchaus gezielte Recherche verlangen. Zwar gibt es keine großartigen Kopfnüsse, aber vor allem Leute, die weder Buch kennen noch Film gesehen haben, werden so etwas besser in die Welt der Brown'schen Mysterien abtauchen können. Und wer beides kennt, darf sich immerhin darauf freuen, dass die ein oder andere Situation bewusst für das Spiel verändert wurde.

Nuschel-Notbremse: das Archiv!

Sehr intelligent gelöst ist auch das interaktive Hinweissystem: Manchmal könnt ihr euch auf Knopfdruck Tipps ansagen lassen. Die kommen nicht plump daher, sondern führen euch behutsam auf die richtige Fährte. Die Übersicht über aktuelle Ziele und Aufgaben lässt sich ebenfalls komfortabel aufrufen. Blöd ist nur, dass man manchmal gar nicht das Problem kennt, aber schon die Lösungsmöglichkeiten in die Hand bekommt: Wenn man eine verschmierte Staffelei nicht näher betrachtet, die man reinigen muss, wird man trotzdem mit einem Chemikalienmix experimentieren können, um ein Lösungsmittel zu mixen.

Große Systemunterschiede gibt es nicht, wobei das in diesem Fall eher für die PS2 spricht, denn sie braucht sich in keiner Hinsicht hinter der Xbox-Variante verstecken, die lediglich einen Tick schneller lädt. Auf dem PC gibt's gewohnheitsgemäß schärfere Konturen und Texturen, aber dafür wirken die Figuren nicht so harmonisch in die Kulisse eingebunden. Egal, welche Variante man kauft - es tut sich nicht viel an der durchweg durchschnittlichen Kulisse, die allein von ihrem authentischen  Anstrich lebt. Auch die Steuerung ist auf allen Plattformen zwar schnell verinnerlicht, aber nicht ganz perfekt: Ihr untersucht Leichen, Schränke oder Gegenstände und beim Anvisieren schwankt die Kamera oft um den erleuchteten Bereich herum, ohne ihn direkt zu erfassen; da muss man oft nachhelfen und kann schon mal was übersehen. Hier hätte eine direkte Fokussierung in der Nähe geholfen.

     

Fazit

Zwei Fragen vorweg: Wer hat diese Nuscheltonaufnahmen mit dem Hanks-Sprecher gemacht? Ist das keinem aufgefallen? Das ist eine akustische und schauspielerische Katastrophe. Und wer will in einem Spiel wie Sakrileg Knockouts und Schleichangriffe sehen? Die sind ja sogar solide gemacht, aber wirken bei einem Harvard-Professor völlig fehl am Platz. Selbst wenn man Action und Adventure kombiniert, was ja spätestens seit Fahrenheit richtig gut unterhalten kann: Dann muss man sich auch auf wenige, aber dafür packende Momente konzentrieren! Es gibt ja Ansätze dazu, aber viel zu wenig. Ich will in einem Thriller das Gefühl der Bedrohung, nicht der Beat`em Up-Seligkeit. Gut ist, dass das Spiel einige interessante Rätsel, Item-Kombinationen sowie ein umfangreiches Archiv bietet, das euch mit Querverweisen wenigstens etwas Hintergrundinformationen über die Mysterien bietet; auch das Hinweissystem gefällt mir. All das rettet das Abenteuer zusammen mit der grundsätzlich interessanten Story auf ein gerade noch befriedigendes Niveau. Allerdings vermisst man auf Dauer einfach Spannung, Dramatik und Gänsehaut. Trotz vieler Zwischensequenzen geht es sehr schleppend, manchmal konfus und ohne Spannungsbogen voran.

Pro

  • gutes Archivsystem
  • deutsche Sprecher (Tom Hanks etc.)
  • einige schöne Rätsel
  • zwei Figuren spielbar
  • Item-Kombinationen
  • authentische Architektur
  • interessantes Storygerüst
  • viele Zwischensequenzen
  • komfortabler Hinweisknopf
  • einiges an Hintergrundmaterial
  • solides Kampf- & Schleichsystem

Kontra

  • nur Durchschnittskulisse- wenig Spannungsmomente
  • auf Dauer eintönige Kämpfe
  • Action passt nicht zu Langdon
  • Tom Hanks nicht als Figur integriert
  • Schleichen wird schnell überflüssig
  • nuschelnder, emotionsloser Protagonist
  • schlechtes Sprecher-Musik-Verhältnis
  • Anvisieren von Items nicht präzise genug
  • manche Reaktionsspiele wirken aufgesetzt
  • Storyfaden nicht straff genug

Wertung

PC

XBox

PlayStation2