Volkswagen GTI Racing - Test, Rennspiel, PC

Volkswagen GTI Racing
27.05.2006, Michael Krosta

Test: Volkswagen GTI Racing

Techland, die polnischen Entwickler des gelungenen PC-Racers Xpand Rally, haben anscheinend ihre Liebe für die deutsche Traditionsmarke Volkswagen entdeckt: GTI Racing setzt euch hinter das virtuelle Steuer von Golf, Käfer & Co aus insgesamt fünf Generationen, lässt euch die Boliden ordentlich aufmotzen und dem Bleifuß freien Lauf. Ist GTI Racing das Spiel, auf das tuningbegeisterte VW-Fans gewartet haben?

Wer bereits in Xpand Rally über die staubigen Pisten gebrettert ist, wird sich bei GTI Racing schnell heimisch fühlen: Das Gerüst wurde weitgehend übernommen und stellt neben Einzelrennen und Mehrspieler-Veranstaltungen den Karrieremodus in den Mittelpunkt, in dem ihr euch in verschiedenen Rennserien vom Anfänger bis zum Racing-Profi vorarbeitet. Während ihr zu Beginn noch mit gemächlichen Modellen wie einem Käfer über den Asphalt tuckert, schaltet ihr mit der Zeit nicht nur neue Strecken und Herausforderungen frei, sondern erfreut euch auch an weiteren Flitzern wie einem hoch getunten 5er GTI, dem sportlichen W12 Coupe sowie kultigen Bonuswagen wie dem VW-Bus. Insgesamt dürften die mehr als dreißig

Der Anfang einer Erfolgsgeschichte: Der Einser-Golf.
Fahrzeuge das Herz eines jeden markentreuen Fans höher schlagen lassen, auch wenn ich neben den zig Golf-Modellen VWs sportlichste Kisten vermisst habe: Wo sind nur all die Sciroccos und Corrados geblieben?

Xpand VW Racing

Viele Autofahrer sehen in den Volkswagen nicht nur qualitativ hochwertige Fahrzeuge mit gutem Komfort, die einen sicher von A nach B bringen: Für viele Anhänger sind die Boliden aus Wolfburg zugleich Lebensinhalt und Freizeitbeschäftigung, wenn es mal wieder auf ein VW-Treffen geht und jeder verdiente Euro ins Aufmotzen der Karosserie oder Leistung gesteckt wird. Auch im Spiel könnt ihr die Kohle ins Tuning oder die Anschaffung neuer Modelle investieren. Egal ob ihr euren Motor mit Turbos, Rennchips, fetteren Auspuffanlagen, Fächerkrümmern oder Sportnockenwellen ausstatten wollt, findet ihr gegen passendes Kleingeld die entsprechenden Teile in der hiesigen Werkstatt. Daneben können auch Aufhängung, Lenkung, Bremsen und Getriebe mit Verbesserungen bedacht werden, während ihr der Karosserie fette Spoiler, überarbeitete Front- und Heckpartien sowie dicke Endrohre und Leichtbausätze spendiert. Wer mehr Wert auf das Aussehen seines motorisierten Babys legt, wird ebenfalls fündig: Neben glänzenden Felgen diverser Hersteller stehen euch auch unterschiedliche, jedoch leider nur vorgefertigte Lackierungen zur Verfügung. Schade, dass man sich nicht einmal die Wagenfarbe selbst aussuchen oder seiner kreativen Ader gleich vollkommen freien Lauf lassen kann. Hier sind Titel wie Need For Speed Underground mit ihren unzähligen Vinyls, Aufklebern und Bodykits viel weiter und auch in Sachen Tuning zieht EAs Raserei mit einem deutlich größeren Umfang locker an GTI Racing vorbei. Allerdings solltet ihr im Tuning-Kaufrausch nicht vergessen, immer ein paar Taler auf der hohen Kante zu lassen, denn euer (Volks-)Wagen nimmt bei zu heftigen Berührungen mit anderen Fahrern sowie Streckenbegrenzungen wie Bäumen oder Leitplanken Schäden, die nach dem Rennen repariert werden wollen, auch wenn das Schadensmodell vornehmlich optischer Natur ist und die Fahrleistungen kaum beeinflusst. Aber wer will schon bei der nächsten Veranstaltung mit angeknacksten Scheiben an den Start gehen? Viel mehr werdet ihr an Schrammen leider nicht sehen können, denn das Schadensmodell ist gelinde gesagt nur ein schlechter Witz! Egal, wie heftig ihr in Hindernisse knallt, euch überschlagt oder anders die Sau rauslasst: Bis auf ein paar zunehmende Risse in den Scheiben gibt es keine Beschädigungen zu sehen. Keine Beulen, keine herumfliegenden Teile, keine kaputten Lichter – gar nichts!

Der kultige VW-Bus gibt als Bonuswagen sein Stelldichein.
Dies mag zwar den generellen Arcade-Charakter des Spiels unterstreichen, hätte in diesem Fall aber auch komplett unter den Tisch fallen können. Wer will schon ein Schadensmodell, wenn es nicht konsequent umgesetzt wird?

Pimp your Auto

Bei der Fahrphysik steht eindeutig der Spaß am Fahren im Mittelpunkt: Anstatt euch mit einer realistischen Simulation zu konfrontieren, lassen sich die verschiedenen Karossen relativ simpel steuern und verzeihen den ein oder anderen Fehler. Das mag Einsteigern und Arcade-Liebhabern entgegen kommen, könnte aber die wahren Autofreaks, die das Spiel sicher ebenfalls ansprechen soll, abschrecken, da einfach dieses Quäntchen Realismus fehlt. Vielleicht wäre es eine bessere Lösung gewesen, die Befürworter von Simulationen mit einer herausforderenden Fahrphysik zu beglücken, während Anfänger und Fans von Arcade-Spielen mit zuschaltbaren Fahrhilfen über die Pisten gedonnert wären. So aber fehlt jede Einstellungsmöglichkeit und macht das Spiel lediglich für die letztere Gruppe wirklich interessant. Dafür können die Spielmodi überzeugen, die sich teilweise von der Konkurrenz abheben: Neben allseits bekannten Standard-Rennen erwarten euch unter anderem auch Drift-Wettbewerbe oder Querfeldein-Fahrten, in denen ihr nach bester Midnight Club-Manier die verteilten Checkpunkte abklappert. Besonders witzig und in dieser Form einzigartig gefielen mir die so genannten legalen Rennen, in denen ihr gegen die Zeit antretet und dabei Pappkameraden ausweicht, die euch unerwartet in den Weg gestellt werden und die Fahrt damit quasi in einen interaktiven Hütchen-Parcours verwandeln. Eine Schande ist jedoch, dass Techland seiner GTI-Raserei nur magere sechs Szenarien spendiert hat, die euch vom heimatlichen Bayern über Frankreich bis nach Sizilien, Großbritannien und sogar in den US-Bundesstaat Texas führen. Zwar erwarten euch verschiedene Ausbaustufen der einzelnen Kurse, doch hat man sich an den Landschaften trotz anfänglicher Begeisterung über die hübschen Kulissen mit der gelungenen Weitsicht schnell satt gesehen, da sie sich auch untereinander nicht großartig voneinander unterscheiden und zudem auf unserem Test-System von sporadischen Slowdowns geplagt wurden. Ansonsten kommt das Geschwindigkeitsgefühl jedoch sehr gut rüber.

Arcade-Raserei

      

Eure Konkurrenten verhalten sich leider nicht sonderlich clever und lassen kaum den Nervenkitzel eines Rennens aufkommen. Neben ihren halsbrecherischen Rempeleien und teilweise extrem dämlichen Fahrfehlern trägt vor allem das

Beim legalen Rennen sind schnelle Reaktionen gefragt, wenn ihr den sich bewegenden Papp-Aufstellern ausweichen müsst.
extreme Gummiband-Verhalten dazu bei, dass ihr die KI nicht so richtig ernst nehmen könnt – es sei denn, sie hängen euch bei der Führung direkt an der Stoßstange und fegen euch kurz vor dem Ziel rücksichtslos von der Strecke. Liegt ihr dagegen hinten, warten sie, bis ihr wieder den Anschluss an die kleine Gruppe gefunden habt, die nur aus mageren drei Teilnehmern besteht. Von einem echten Fahrerfeld kann hier also keine Rede sein. Was macht man, wenn man in Führung liegt und die Verfolger in Schach halten will? Man schaut in den Rückspiegel oder wirft einen Blick zurück und macht bei Bedarf dicht. Leider scheitert diese Abwehrmethode bei GTI Racing an dem fehlenden Rück- und Innenspiegel sowie der nicht vorhandenen Möglichkeit, auf Knopfdruck nach hinten zu sehen. Was soll das? Gerade bei derart aggressiven Gegnern ist eine solche Funktion eigentlich ein Muss. Doch dafür gibt es eine Cockpit-Perspektive, bei denen VW-Kenner sicher sofort merken werden, dass es sich dabei um originalgetreue Nachbildungen der jeweiligen Modelle handelt. Ich liebe authentische Cockpit-Ansichten, wenn sie gut gemacht sind. Aber mussten sie hier derart grobpixelig realisiert werden? Und warum so dermaßen statisch, dass sich noch nicht einmal die Nadel im Tacho oder Drehzahlmesser rührt? Das ist erbärmlich! Das gilt auch für die arg gewöhnungsbedürftige Synthi-Techno-Mucke, die aus den Lautsprechern dröhnt und die höchstens durchschnittlichen Motorengeräusche begleiten. Wenn Mitarbeiter mit der Frage in die Redaktion kommen, ob wir Retro-Spiele testen und anschließend aufgrund der GTI-Lärmbelästigung die Tür schließen, spricht das wohl für sich – nicht aber für den Audiobereich des Spiels. Genial sind dagegen die Replays, die das vorangegangene Renngeschehen mit etlichen Filtern Revue passieren lassen und sich auch abspeichern lassen. Besonders angetan hat es mir der Edges-Filter, der die gesamte Kulisse und auch die Fahrzeuge in einen comicartigen Cell-Shading-Look
Da hebt er ab...
verwandelt. Hier hätte ich mir gewünscht, auch während des Rennens auf diesen witzigen Grafikstil umschalten zu können, der dem Spiel ein gewisses, cooles Flair verliehen hätte.

KI mit Gummiband-Ausrüstung

Ihr ahnt es sicher schon: Wenn schon bei der Karriere nur drei weitere Fahrer mit euch an den Start gehen, wird es im Multiplayer-Modus sicher nicht anders aussehen, oder?! Ja, das entspricht leider den Tatsachen und so könnt ihr nur mit maximal vier Teilnehmern im LAN oder über das Internet Einzelrennen oder ganze Meisterschaften austragen. Besondere Veranstaltungen wie die Drift-Wettbewerbe sind dagegen leider nicht möglich, doch steht euch als Ausgleich sofort der gesamte VW-Fuhrpark zur Verfügung, den ihr zudem ohne Geldnöte nach Belieben bis an die Leistungsgrenze tunen könnt. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass man aus den Multiplayer-Möglichkeiten deutlich hätte mehr machen können, wobei vor allem die Begrenzung auf magere vier Spieler den Spielspaß-Motor ins Stocken bringt. 

Multiplayer auf Sparflamme

  

Fazit

Hier ist es also: Das Spiel, das VW-Verehrer vermutlich lieben und alle Opel-Fahrer hassen werden! Ich gebe zu: Ich mag VW und mein guter, alter 2er Golf hat mich nach fast zehn Jahren nur selten im Stich gelassen. Auch GTI Racing macht seine Sache in vielen Bereichen gut: Die Karriere bietet viele abwechslungsreiche Modi, die Steuerung geht einfach und unkompliziert von der Hand und der Tuning-Aspekt wird so manchem VW-Besitzer ein Leuchten in die Augen zaubern. Zudem sieht das Spiel gut aus, auch wenn man sich an den wenigen Kulissen schnell satt gesehen hat und viele Fahrzeugmodelle etwas grob und matt rüberkommen. Größter Schwachpunkt ist neben dem enttäuschenden Audiobereich jedoch die KI, deren Anzahl mit drei Fahrern in Zeiten eines DTM Race Driver 3 und Fahrerfeldern von bis zu 20 Teilnehmern erschreckend niedrig ausgefallen ist: Nicht nur, dass die Kerle euch gnadenlos in die Karre fahren; sie verderben auch durch ihr extremes Gummiband-Verhalten, was Rennenfahren eigentlich ausmacht, nämlich der faire Kampf um Positionen und die Aufholjagd sowie das Verteidigen der Position, ohne einen Abschuss oder plötzliche Geschwindigkeits-Boosts der Konkurrenz befürchten zu müssen. Trotzdem werden VW-Fans allein durch den üppigen Fuhrpark verschiedener Generationen und die Tuning-Optionen glücklich, obwohl man Modelle wie den Corrado neben den vielen Golf-Varianten vermisst.

Pro

  • viele VW-Modelle
  • massig Tuning-Teile
  • einfache Steuerung
  • verschiedene Wettbewerbe
  • geniale Replays mit coolen Filtern
  • für VW-Fans ein Traum
  • kostenloses Tuning im Multiplayer
  • alle Klassen sofort frei im Multiplayer

Kontra

  • extreme Gummiband-KI
  • nur sechs Szenarien
  • gelegentliche Ruckelanfälle
  • nervige Synthi-Techno-Mucke
  • durchschnittliche Motorengeräusche
  • nur drei Gegner
  • kein Rückspiegel / Blick zurück
  • z.T. matte Fahrzeugmodelle
  • nur oberflächliches Wagen-Setup
  • keine Farbwahl / eigene Lackierung möglich
  • pixelige, statische Cockpit-Ansicht
  • durchschnittlicher Multiplayer-Modus
  • für Opel-Fahrer nicht geeignet

Wertung

PC