Wächter der Nacht - Test, Taktik & Strategie, PC

Wächter der Nacht
01.06.2006, Jens Bischoff

Test: Wächter der Nacht

Mit Wächter der Nacht (ab 12,95€ bei kaufen) alias Nightwatch hat CDV frisches und obendrein günstiges Futter für Rundenstrategen mit RPG-Faible im Angebot. Der Titel basiert inhaltlich auf dem gleichnamigen russischen Fantasyfilm, der hierzulande seit kurzem auch auf DVD erhältlich ist. Wir verraten euch, ob die Scharmützel zwischen den Mächten der Finsternis und des Lichts fesseln konnten und warum wir uns vor Spielbeginn plötzlich auf einer Pornoseite wiederfanden.

Als wir nach der Installation unseres Testmusters die Update-Funktion nutzen wollten, wurde uns statt eines Patches doch glatt eine Sex-Flatrate zum kostenpflichtigen Pornogenuss angeboten. Für volljährige Nicht-Jack-Thompsons kein Grund zur Panik, aber auf jeden Fall ein unerwartetes Ärgernis. Will sich CDV etwa nebenher was mit schlüpfrigen Werbeverträgen dazu verdienen? Na ja, das Ganze war sicher nur ein technisches Versehen, da die entsprechende Seite mit dem englischen Titel des Spiels identisch, aber alles andere als eine offizielle Website zum Spiel war. In der Verkaufsversion soll dieser Bug laut CDV durch Nutzung des Auto-Updaters behoben werden können.

Böse Überraschung: Der angeschlagene Polizeichef bekommt plötzlich Rückendeckung von blutrünstigen Vampiren.
 Trotzdem könnte man spätestens beim US-Release gewaltige Probleme bekommen - selbst wenn der Link dann nur noch irgendwo passiv im Programmcode schlummern sollte. Nippelallergiker Thompson und Konsorten werden ihn bestimmt aufspüren...

Sex sells?

Das Grundthema von Wächter der Nacht, der ewige Kampf zwischen den Mächten der Finsternis und des Lichts, ist eigentlich ziemlich ausgelutscht, das konkrete Szenario ist jedoch recht interessant. So haben sich das Böse und das Gute in einem erbitterten Krieg fern der menschlichen Wahrnehmung fast gegenseitig ausgelöscht, woraufhin ein Waffenstillstand vereinbart wurde, dessen Einhaltung sowohl von den beiden Erzfeinden als auch einer neutralen Drittinstanz, der Inquisition, überwacht wird. Tagsüber regiert das Licht unter den kritischen Augen dunkler Kontrolleure, der so genannten Tagwache, während nachts die Mächte der Dunkelheit von lichten Vertretern, der so genannten Nachtwache, beschattet werden.

Zwischen Licht und Dunkelheit

Ihr übernehmt dabei die Rolle eines frisch von den Mächten des Lichts rekrutierten Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten, der nicht so recht weiß, wem er eigentlich vertrauen kann, da scheinbar beide Seiten Dreck am Stecken haben oder will man ihn das nur glauben lassen? Zudem stellt sich die Frage, ob die Inquisition wirklich so neutral ist, wie sie sich gibt. Jedenfalls könnt ihr an bestimmten Stellen Entscheidungen treffen, die den Spielverlauf nachhaltig beeinflussen, wodurch die Grenzen zwischen Gut und Böse immer mehr verschwimmen. So könnt ihr bezwungene Gegner töten oder laufen lassen sowie eure Kollegen bestärken oder in Frage stellen. Schade nur, dass Tragweite eurer Entscheidungen nicht allzu komplex ist und die Charaktere und Dialoge teils ziemlich albern wirken, was immer wieder Atmosphäre- sowie Glaubwürdigkeitspunkte kostet. Auch die durchwachsene Qualität der deutschen Synchronstimmen ist hier nicht gerade förderlich. Aber was soll‘s, das Storygerüst ist für ein Taktik-RPG ganz ordentlich, auch wenn der Trashfaktor oft unnötig hoch ist.       

Der Schwerpunkt liegt auf rundenbasierten Waffen- und Magieduellen, die sich sowohl in der realen Welt als auch in einer Paralleldimension namens Zwielicht abspielen. Dabei ist das Zwielicht quasi ein verzerrtes Spiegelbild der realen Welt, so dass Veränderungen auch Auswirkungen auf die Welt der Menschen haben, wenn auch meist nur sehr geringe. Erwartet jedenfalls keine Einbindung wie in Soul Reaver, wo ihr nur durch gezielte Dimensionswechsel Hindernisse überwinden könnt. Das Zwielicht dient viel eher dazu, von Gegnern in der realen Welt nicht entdeckt zu werden, was sich vor allem eure Gegner immer wieder zu Nutzen machen.

Böser Grafikfehler: Auch wenn Protagonist Stas kein Jedi ist, verwandelt sich sein Handy urplötzlich in ein schädelspaltendes Lichtschwert - aua...
 Darüber hinaus seid ihr im Zwielicht auch agiler, was sich in einem Anstieg der pro Charakter und Runde verfügbaren Aktionspunkte bemerkbar macht. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch ein konstantes Abnehmen eurer Magiepunkte, was zu langen Aufenthalten einen Riegel vorschiebt und taktisches Ressourcenmanagement erfordert.

Wandel im Zwielicht

Ansonsten bewegt ihr euch unabhängig von der aktuellen Dimension strikt rundenbasiert über isometrisch dargestellte Schauplätze, sammelt Objekte ein und greift Gegner mit Zaubern, Spezialfertigkeiten sowie diversen Nah- und Fernkampfwaffen an, wobei jede Handlung Aktionspunkte verschlingt. Sind diese für jeden Charakter aufgebraucht, ist der Gegner am Zug. Je nach Charakterklasse können eure Partymitglieder auch telekinetische Fähigkeiten einsetzen, Alltagsgegenständen Magie einhauchen oder sich in eine reißende Bestie verwandeln. Potentielle Gegner werden übrigens erst sichtbar, sobald sie sich in eurem Blickfeld bzw. derselben Dimension befinden, während die Effektivität von Projektilwaffen von der Entfernung zum Zielobjekt anhängt. Ärgerlich ist nur, dass ihr weder gegnerische Aktionsradien, noch ein übersichtliches Spielfeldraster einblenden könnt, um gewieftes Stellungsspiel zu betreiben. Auch, die Position zum Gegner scheint sich nicht auf eure Angriffe auszuwirken. Angriffe von hinten, aus höheren Positionen oder ein in die Zange nehmen bringen also keine Vorteile, wodurch es dem Kampfsystem auf Dauer etwas an Tiefe mangelt.

Taktik ohne Tiefgang

Zudem verhalten sich Kollisionsabfrage und Kamera recht zickig, so dass ihr euch immer wieder an Orte bewegt oder Gegner angreift, die ihr eigentlich gar nicht ausgewählt habt, was mangels Zugrücknahme-Funktion ein ziemlich ärgerliches Manko darstellt. Auch die Physikeinbindung ist teils recht merkwürdig. Zerstörbare Umgebungsobjekte und von Druckwellen erfasste Gegner sind zwar ganz nett, wenn ihr durch massive Mauern geschleudert werdet oder euch plötzlich in einem anderen Stockwerk eines Gebäudes befindet, lässt die Begeisterung jedoch schnell nach.

Böse Parallelwelt: Im Zwielicht seid ihr agiler und könnt verborgene Gegner aufspüren, im Gegenzug verliert ihr jedoch konstant Energie.
Manchmal kommt es sogar vor, dass ihr auf ein Autodach oder ähnliches katapultiert werdet, von dem ihr nicht mehr herunter springen könnt oder euch in einem geschlossenen Raum wiederfindet, den ihr nicht mehr verlassen könnt. Wenigstens könnt ihr den Spielstand jederzeit speichern sowie von einer Quicksave- und -loadfunktion Gebrauch machen.

Technische Mängel

Die Bildrate hätte jedoch stabiler, der Schwierigkeitsgrad ausgewogener und die Ladepausen kürzer sein können. Des Weiteren trüben einige Grafikfehler das Spielerlebnis, während die Animationen teilweise unter aller Kanone sind. Bei einem Taktik-RPG fällt so etwas aber nicht allzu schwer ins Gewicht. Unterm Strich sind die Scharmützel mit Werwölfen, Vampiren und Hexern jedenfalls recht solide, wenn auch unspektakulär inszeniert und motivieren mit Multiple-Choice-Dialogen, die die Handlung beeinflussen sowie individuell erlernbaren Charakterfertigkeiten. Auch die Bedienung, die euch im Tutorial schrittweise veranschaulicht wird, geht bis auf die erwähnten Probleme mit der Zielerfassung und das etwas umständliche Inventar-Management gut von der Hand. Die Soundkulisse präsentiert sich hingegen recht durchwachsen: Neben der zum Teil trashigen, zum Teil gelungenen deutschen Synchro will auch die an sich ordentliche Musikbegleitung nicht immer zum Geschehen passen und die Sound-FX klingen mitunter fast schon vorsintflutlich. Angesichts des günstigen Preises kann man diesbezüglich aber vermutlich ein Auge zudrücken.   

Fazit

Wächter der Nacht ist ein nicht besonders hübsches, aber spielerisch solides Taktik-RPG in einem interessanten Szenario mit nicht-linearem Spielverlauf. Das Abenteuer wird allerdings immer wieder von technischen, spielerischen und dramaturgischen Mängeln geplagt: Die Kameraführung ist unübersichtlich, die Kollisionsabfrage ungenau, die Bildrate alles andere als stabil, der Schwierigkeitsgrad unausgewogen, der Spielkomfort eingeschränkt und die Präsentation ziemlich trashig. Viele Charaktere und Dialoge wirken einfach albern, was von der durchwachsenen deutschen Synchro sogar noch begünstigt wird. Grundlegende Features wie einblendbare Spielfeldraster und Aktionsradien vermisst man genauso wie taktisches Stellungsspiel oder eine Zugrücknahme. Und wer das Spiel mit einem Patch aktualisieren will, findet sich plötzlich auf einer Pornoseite wieder... Trotzdem ist man immer wieder motiviert, die rundenbasierten Fantasy-Scharmützel erfolgreich zu Ende zu bringen, die Charaktere individuell mit Fähigkeiten auszustatten und den Storyverlauf nachhaltig zu beeinflussen. Wer Spiele wie Jagged Alliance, UFO oder Silent Storm mochte, kann jedenfalls ruhig einen Blick riskieren, ein Genrehighlight dürft ihr von der russischen Lizenzversoftung jedoch nicht erwarten.

Pro

  • günstiger Preis
  • interessantes Szenario
  • nette Phsyikeinbindung
  • nicht linearer Spielverlauf
  • solides Rundenkampfsystem
  • taktische Dimensionswechsel
  • komfortables Speichersystem
  • individuelle Fertigkeitsvergabe

Kontra

  • bockige Kamera
  • instabile Bildrate
  • lange Ladezeiten
  • kein Bewegungsraster
  • durchwachsene Synchro
  • keine Reichweitenanzeigen
  • ungenaue Kollisionsabfrage
  • fehlerhafte Update-Funktion
  • keine Zugrücknahme möglich
  • teils alberne Charaktere & Dialoge
  • peinliche Animationen & Grafikfehler
  • durchwachsener Schwierigkeitsgrad

Wertung

PC

Technisch und spielerisch durchwachsenes Taktik-RPG zum gleichnamigen Film.