New Super Mario Bros. - Test, Plattformer, NDS

New Super Mario Bros.
02.06.2006, Paul Kautz

Test: New Super Mario Bros.

Einmal möchte ich ein Klempner sein: Nach vielen Jahren der Abstinenz schwingen sich die rot-grünen Brüder endlich wieder in ein Abenteuer, das klassischer kaum sein könnte. Mit New Super Mario Bros (NSMB) findet Nintendo zu alter Stärke zurück, die Besitzern der PSP locker den kleinformatigen Neid entlocken dürfte.

Ja, ich gebe es zu, ich habe dieses Spiel erwartet wie kaum ein anderes. Zeitgleich liegt bei mir Half-Life 2: Episode 1 auf dem Tisch, aber es ist mir wurscht. Das Mittagessen lasse ich zwar dafür nicht sausen, aber währenddessen sind all meine ungenutzten Gedanken, jedenfalls diejenigen, die nicht mit der Gabel-Mund-Koordination beschäftigt sind, fest in der Hand der neuen alten Klempner-Brüder. Verrückt, oder? Es ist ja nicht so, dass Nintendo den Tom Selleck der Videospiellandschaft nicht schon oft genug in allen möglichen und unmöglichen

Klassischer geht's kaum: NSMB verbindet die Tugenden früheren Leveldesigns mit moderner Technik.
Genres verwurstet hat. Aber der Königsdisziplin, dem Oldschool-2D-Jump-n-Run, war der Welt berühmtester Prinzessinnenretter schon eine halbe Ewigkeit untreu – genauer gesagt 14 Jahre, denn so lange liegt der letzte klassische Plattformer mit den brüderlichen Helden schon zurück: Super Mario Land 2 auf dem Game Boy. Alles was danach kam, waren nur Spin-Offs, Remakes und Wiederveröffentlichungen! Liegt es also daran, dass ich den Aufriss der frisch importierten Verpackung kaum erwarten konnte? Die Vorfreude auf eine Hüpferei der alten Schule, an ein Spielsystem, an das sich heute kaum noch ein Entwickler herantraut? Oder liegt es einfach daran, dass meine Erinnerungen an Super Mario Brothers 3 (SMB 3), Super Mario World (SMW) und Super Mario Land bis heute nicht getrübt werden konnten - unabhängig davon, wie oft ich die alten Module in meinen sonst mittlerweile etwas vernachlässigten GBA SP gesteckt habe? Egal, was auch immer es war, es gibt kaum ein schöneres Gefühl auf unserem Erdenrund, als sehr hohe Erwartungen komplett und ohne Ausnahme erfüllt zu bekommen. Gibt es so was tatsächlich? Ja, so was gibt es tatsächlich. Ihr lest gerade alles darüber.

Die Klempner kommen!

Der Stein der Weisen der Videospiele nennt sich New Super Mario Bros, hat ein etwas einfallsloses Verpackungsbild und ist in Kürze auch bei uns erhältlich. Die Story, sofern man den kruden Erzählungsschnipsel so bezeichnen mag, dreht sich nach alter Tradition um die entführte Prinzessin Peach, die dieses Mal von Bowser Jr. geprincessnappt wird. Mario bzw. sein ausschließlich per Tasten-Cheat anwählbarer Bruder Luigi (beide spielen sich dieses mal identisch) müssen also durch acht Welten mit jeweils genau so vielen Levels rennen, springen, rollen und schweben, um den königlichen Dussel wieder ins heimatliche Pilzkönigreich-Schloss zu begleiten. Alle Zutaten eines guten Mario-Abenteuers sind vorhanden: Knifflige Sprungpassagen, selbstscrollende Levels, fiese Fallen, Kletterpflanzen, schliddrige Eiswelten oder rotierende Feuersäulen warten auf euren Auftritt, der von grooviger, comichaft-ragtimeartiger Musik mit Steeldrum-Tendenz in virtuellem Surround-Sound begleitet wird. Dazu gesellen sich coole neue Einfälle wie Levels mit schnell wechselnder Ebbe & Flut, eine Unterwasserverfolgungsjagd mit einer gigantischen Barrakuda, eine automatische Fahrt auf dem Rücken eines Schwimmosauriers oder wabbelige Plattformen.

Godzillario!!! Als Giganto-Mario zieht ihr eine Schneise der Verwüstung durch die Levels.
Das Spiel orientiert sich an SMB 3 und SMW: Zuerst trabt ihr auf der kartenähnlichen Oberwelt von Levelpunkt zu Levelpunkt und springt dann in den Abschnitt. Selbstverständlich wird nur ein Level nach dem anderen freigeschaltet, außerdem warten auf der Karte noch viele Bonushäuschen, deren Betreten aber klingende Münze kostet. Jeweils drei der großen Taler sind in jedem Level versteckt. Je mehr ihr davon findet, desto besser – denn damit kommt ihr nicht nur in die Bonusräume, wo es zusätzliche Items oder Leben abzustauben gibt, sondern auch in sonst unerreichbare Bereiche. Und davon warten echt viele auf euch. Das Gemeinste an den Münzen ist, dass man sie meist recht deutlich im Level herumlungern sieht – hoch in der Luft oder direkt über einer Lavagrube. Wie soll man da nur rankommen? Die Ausführung genau dieses Gedankens trennt den Otto-Normal-Spieler vom Marioholic. Aber es lohnt sich, denn NSMB ist vollgestopft mit versteckten Inhalten: unsichtbare Blöcke, Kletterpflanzen, die einen zu sonst unerreichbaren Abschnitten leiten, viiiiiiele Warpröhren, die sonst wohin führen – hach, herrlich! Es ist eigentlich völlig unmöglich, beim ersten Durchspielen alles zu sehen; bei meinem ersten Durchlauf bekam ich z.B. nicht mal eine Spur der Welten 4 und 7 zu sehen!

Der Boss der Bosse

Mario-Kenner wissen, was sie thematisch in den acht Welten erwartet: ihr tummelt euch auf saftig-grünen Wiesen, schwimmt kilometerweit unter Wasser, bibbert durch ein Geisterhaus, schliddert über rutschige Eiswüsten und erobert Bowsers Festung. In jeder Welt warten mindestens zwei Bosse, später werden es mehr: Bowser Jr. muss ein paar Mal verkloppt werden, Bowser bzw. sein skelettiges Pendant wartet auf sein Lavabad – und dann sind da noch übergroße Raupen, Fische, Maulwürfe oder Fleisch fressende Pflanzen, die eurem Glück im Wege stehen. Im Gegensatz zum ultraleichten Super Princess Peach orientiert sich der hiesige Schwierigkeitsgrad an früheren Abenteuern, schwingt sich also schnell in durchaus anspruchsvolle Sphären – und gipfelt schließlich, wie jedes klassische Mario-Game, in herben

Test: Kirby Power PaintbrushFrust-Erlebnissen, die den DS eines labileren Spielers durchaus das elektronische Leben kosten können. Aber wie so oft gibt es auch hier viele Mittel und Wege, sehr schnell an sehr viele Leben zu kommen, außerdem dürft ihr auf der Oberwelt in regelmäßigen Abständen den Spielstand sichern – und innerhalb der Levels warten faire Rücksetzpunkte.         

Zum Vergleich empfehlen wir:

Test: Super Princess Peach

Test: Super Mario 64 DS

Test: Mario & Luigi 2

Was tut man gegen Cheep-Cheeps, Tintenfische, Goobas, Koopas, Bob-Ombs, Hammer-Brüder, grinsende Kanonenkugeln, boxende Geister, Schneeballwerfer, dicke Hornschnecken oder halloweenige Kürbisköpfe? Man springt ihnen auf den Kopf, schmeißt ihnen einen leeren Schildkrötenpanzer oder gar einen Feuerball entgegen!

In jeder Welt warten mindestens zwei Boss-Begegnungen auf euch - schleudert Bowser in die Lava!
Ha! Keine grundsätzlichen Änderungen also im normalen Bewegungs- und Item-Sortiment, dafür einige Neuzugänge: Mit dem Giganto-Pilz wird man bildschirmgroß und poltert kurzzeitig wie Godzillario durch den Abschnitt. Das sieht nicht nur schweinecool aus, es nutzt auch was – teilweise kann man nur so bestimmte Bereiche zugänglich machen. Allerdings ist auch gefährlich, wenn man alles niederwalzt: Reißt man eine Warpröhre weg, dann bleibt sie auch weg – und damit vielleicht auch die Chance, einen versteckten Abschnitt zu finden. Auf der anderen Seite könnt ihr mit der 20m-Mario-Nummer Leben dazuverdienen – je mehr ihr auf der kurzen Tour de Force kaputt trampelt, desto mehr grüne Pilze kassiert ihr. Das genaue Gegenteil der ersten Anwendung passiert mit dem Mini-Pilz: Mario schrumpft auf Stubenfliegengröße, kann über Wasser laufen und winzige Warpröhren benutzen. Und zu guter Letzt wartet noch der stilsichere blaue Schildkrötenpanzer, mit dem ihr euch, vor gegnerischen Attacken sicher, euren Feinden entgegen werfen könnt – sehr nützlich, aber schwierig zu kontrollieren.

Immer auf den Bruder

Das ist aber auch der einzige Kritikpunkt an der sonst traumhaften Steuerung: Per Digikreuz habt ihr Mario jederzeit voll im Griff, man schmeißt das Spiel an und fühlt sich sofort zuhause – kein großes Reinfummeln, kein Auswendiglernen: einfach loslegen! Mario kann jetzt einen weiten Dreiersprung ausführen, von Wänden abhopsen, an Seilen hangeln bzw. wie Tarzan daran baumeln, sich vorsichtig an Kanten entlang tasten und mit dem Hosenboden voran durch losen Boden brechen – größtenteils aus Super Mario 64 bekannte Moves, die aber in 2D absolut problemlos funktionieren. Vertreter der DS-Features-müssen-genutzt-werden-Fraktion dürften dagegen verhältnismäßig traurig sein: Das Touchpad wird im Hauptspiel nur für die Darstellung der Karte sowie die Anzeige des Spielfortschritts benötigt, außerdem wird da ein Item zwischengelagert (nicht mehr drei, wie es ursprünglich mal geplant war), welches man nach Bedarf einsetzen kann. In der einen Hälfte des zweigeteilten Multiplayermodus dürft ihr dagegen freudig den Stift zücken: Das sind nämlich 24 Minigames für bis zu vier Spieler, für die ihr insgesamt nur ein Modul benötigt – die zwar höllisch viel Spaß machen (Empfehlungen des Hauses: sowohl die Schneeballschlacht als auch das Bob-Omb-

Multiplayer, Teil 1: via WiFi klauen sich Mario und Luigi gegenseitig die Sterne.
Verschieben sind grandios!), aber zum größten Teil aus Super Mario 64 DS bekannt sind. Der andere Modus steckt zwei Spieler in fünf Levels, in denen sie um ebenso viele Sterne fighten – wer als Erster alle hat, hat gewonnen. Um sie dem anderen abzuluchsen, könnt ihr ihn nach allen Regeln der Kunst bekämpfen! Ein großer Spaß, der aber etwas durch die sehr wenigen Levels getrübt wird.

Wo spielerisch so viel alte Schule vorherrscht, darf sich die Präsentation keinen Stilbruch erlauben. Und so vermischt Nintendo geschickt alte Klasse (2D-Perspektive) mit moderner Technik: Alle Figuren und größeren Objekte bestehen aus vielen Polygonen, was in erster Linie bei den feinen Animationen sowie Vergrößerungs-Spielchen zum Tragen kommt. Alles lebt und zappelt und wackelt wie in einem Comic, die zweidimensionalen Hintergründe erzeugen durch ruckelfreies Parallax-Scrolling einen coolen Tiefeneffekt. Aber was die Kulisse wirklich zum Leben erweckt sind die tausend kleinen Dinge, die einem erst nach und nach auffallen, die man aber keinesfalls missen möchte: Wenn z.B. Bowser nach dem obligatorischen Endweltkampf mehrmals wie der T-1000 aus der blubbernden Lava auftaucht, Mario ins Wasser springt und es munter platschend kleine 2D-Wellen schlägt, wenn Bowser Jr. die kreischende Prinzessin Pech am Kleid zerrend aus dem kleinen ins große Schloss zerrt und Letzteres ein paar Mal rauf- und runter wabbelt oder wenn die fleischfressende Pflanze mit ihrem gewaltigen Kiefer nach Mario schnappt, während der Stängel und die Blätter draufloswackeln, dann kann sich auch der größte Hüpfkostverächter ein Grinsen kaum verkneifen. Das Liebe-pro-Pixel-Verhältnis ist hier so ausgeprägt wie in kaum einem anderen Spiel.      

Di-Di-Dip-Diri-Dip-Dip!

Fazit

Ihr habt den Test gelesen, ihr habt die Wertung erblickt – was macht ihr noch hier? Schmeißt euren DS ans Ladekabel, wartet noch einige Tage und stürmt zum Release von New Super Mario Bros in den Softwaretempel eures Vertrauens, schließt euch in euer Zimmer ein und seid für Wochen glücklich! Wäre dieses Spiel eine Sinfonie, so hätte Mozart sie geschrieben – ein kleines Meisterwerk, auf das kein DS-Spieler verzichten sollte! Es ist nicht nur die coole Präsentation, das ideenreiche Leveldesign oder die perfekte Steuerung, die dieses Spiel zu etwas Besonderem machen, es sind die vielen Kleinigkeiten, die das Bild erst richtig abrunden: das gekrähte »Bye, Bye!«, wenn man den DS zuklappt, das in bestimmten Fällen gezündete Feuerwerk am Levelende zusammen mit der nostalgischen Originalmusik. Das Spielgefühl erinnert herrlich direkt an gute alte Tage, das Ganze fühlt sich fast wie das allererste Mario-Abenteuer an, ohne die Item- oder Sidekick-Flut der Nachfolger. Und gerade nach dem kinderleichten Super Princess Peach ist NSMB eine echte Oldschool-Wohltat, auch wenn es nicht höllisch schwer ist. Der wahre Kern des Spiels liegt im Erkunden der Levels, dem Finden der vielen versteckten Goodies, der Bonuslevel-Belohnung. Nur die Bossgegner sind etwas enttäuschend: Bowser Jr. ist kein Vergleich zu den früheren Koopa Kids, Bowser ist selbst für Neulinge kein großer Akt - lediglich die Nicht-Bowsers bieten gleichsam Abwechslung wie Herausforderung. Egal: Freut euch auf das liebenswerteste, charmanteste, sympathischste und herausforderndste Abenteuer, das es derzeit für Handhelds gibt - ein durch und durch empfehlenswerter Spaß, ein Muss für jeden Pixelakrobaten!

Pro

  • herrliches Oldschool-Spielgefühl
  • detailverliebte Grafik
  • intuitive und direkte Steuerung
  • exzellente Mehrspielermodi
  • stolzer Umfang
  • merklich ansteigender Schwierigkeitsgrad
  • Tonnen versteckter Boni
  • subtiler Humor
  • Singlepak-Multiplayer
  • groovige Musik

Kontra

  • - Minigames größtenteils recycelt
  • etwas abwechslungsarme Obermotze

Wertung

NDS

Das riecht so verdammt gut nach der Pionierzeit der Jump&Runs! Knifflig, witzig, großartig!