Heimspiel – Der Fussballmanager - Test, Sport, PC
Das hätte fast ins "Auge" gehen können. Denn die Verpflichtung Klaus Augenthalers als so genanntes "Testimonial" für Heimspiel hätte sich unter anderen Umständen als verheerend herausstellen können. Denn für den Falle eines Abstiegs des VfL Wolfsburg in der letzten Saison hätte das Engagement des mehrfachen deutschen Meisters (als Spieler versteht sich) durchaus nachteilig gewirkt.
Zwangsabstieg?
Denn mit Ausnahme der Länderturniere und des "neuen" Textmodus ist Heimspiel 2006 im Wesentlichen der kalte Aufguss eines Spieles, das 2002 unter dem Namen Fussball Manager Fun die Runde machte. Sicher: Schaut man sich die beiden vergleichend an (siehe Seite 3), ist auch die 3D-Darstellung neu. Allerdings stellt man auch fest, dass die Optik zwar runderneuert ist und bei den Menüs leichte Farbtupfer hinzugekommen sind, sie aber immer noch auf dem Stand des nennen wir es mal "Originals" ist.
Schaut man hinter die "verbesserte" Optik, blieb alles beim Alten: Menüaufbau, Umfang, Art und Weise, wie Spieler neue Talente "lernen". Selbst Soundsamples, Ladebildschirme, Anzeigen beim Stadionausbau und das Video der Endcredits (!) sind identisch. Und wem das nicht reicht, der wird beim Blick in den Task-Manager feststellen, dass sich das Team nicht einmal bemüht hat, die Anwendung umzubennen: Fussball Fun steht da in dicken fetten Lettern.
Diese Aktion ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten: Für ein Spiel, das im Kern bereits ca. vier Jahre auf dem Buckel hat, 35 Euro zu verlangen. Ein Spiel, das es ohne 3D-Modus (irgendwie ist die Iso-Optik des FM Fun auch tatsächlich stimmiger) in einer Sammlung von Jowood-Spielen gibt bzw. auf Ebay für zwei Euro erhältlich ist. Ein Spiel, das bei seiner ursprünglichen Veröffentlichung nicht einmal 30 Euro gekostet hat.
Tut mir echt leid, aber mit dieser Preis-Attacke hat sich Heimspiel trotz aller Einsteiger-Vorzüge, auf die wir gleich eingehen werden, eigentlich für eine zweistellige Wertung disqualifiziert.
Denn die Ansätze von Heimspiel 2006 sind nach wie vor interessant: Ein schneller Einstieg, auf das Wesentliche reduzierte Menüstrukturen und schnelle Taktik- und Teameinstellungen locken all diejenigen Hobbytrainer an den Rechner, die bislang vor dem Umfang der Referenzen zurückschreckten.
Mit ein bis vier Leuten (per Hotseat oder Netzwerk) schnell mal eine Saison durchspielen ist überhaupt kein Problem: Zügig klickt man sich durch Taktikvorgaben, unkomplizierte Finanzstrukturen oder Stadionausbau und trainiert seine Mannschaft, die man natürlich auch auf dem Transfermarkt verstärken kann.
Mannschaftliches Niemandsland
Insofern sollte es der vom alten Bundesliga-Manager-Team Werner Krahe/Jens Onnen produzierte Titel eigentlich spielend leicht schaffen, eine unkomplizierte Alternative zu den Schwergewichten herzustellen, oder? ODER?
Heimspiel 2006 richtet sich also an die Einsteiger – das ist lobenswert. Weniger lobenswert sind die zahlreichen Mankos und Ungereimtheiten, die auch Einsteigern auffallen werden und das Spiel nach einer kurzen unterhaltenden Phase nicht unbedingt langweilig, aber trotzdem uninteressant machen. Denn machen wir uns nichts vor: Auch Management-Einsteiger benötigen eine gewisse Fußball-Affinität und besitzen damit auch zumindest marginale Kenntnisse, wie bestimmte Dinge im Profi-Fußball ablaufen.
Und manch einer wird sich vermutlich die Augen reiben, wenn man beim Stadionaus- oder Neubau nicht wie üblich warten muss, bis die neue Traumarena fertig ist. Einfach die gewünschte (und bezahlbare) Anzahl an neuen Plätzen, Verbesserungen oder gar ein neues Stadion in Auftrag geben und schwupps ist die neue Arena fertig. Wirtschaftliche Planung oder Weitsicht ist nicht gefragt. Meiner Meinung ein zu hoher Preis für gewünscheten Spielspaß, der sich allerdings nicht einstellt.
Daher werden sich Einsteiger ebenfalls wundern, wieso man beim Erwerb eines neuen Spielers auf dem Transfermarkt einen aus dem aktuellen Kader verkaufen muss.
Und mir kann niemand erzählen, dass irgendein Fußball-Fan da draußen, der in sich das Bedürfnis spürt, Klinsi, Magath oder Thomas Doll nachzueifern, so blauäugig an das Thema herangeht und tatsächlich glaubt, dass man Spielern so mir nichts dir nichts neue Eigenschaften kaufen kann, wie es in Heimspiel passiert.
Und spätestens, wenn man keine Dauerkarten verkaufen kann und dementsprechend keine Fanbasis hat, hört für mich der "Spaß" auf und setzt der Wunsch nach mehr Realität ein.
Zumal diese Möglichkeiten nur unzureichend umgesetzt werden. Die grundlegende Taktik, die ich vor dem Spiel festgelegt habe, wird weitestgehend akkurat befolgt. Doch nutze ich die Schieberegler (an sich eine weitere dieser guten Ideen) um, sagen wir mal Anfang der zweiten Halbzeit mein Angriffsspiel von den Flügeln auf konzentrierte Aktionen durch die Mitte zu verlegen, passiert: Nix! Die Jungs greifen immer noch wie gehabt über außen an und scheren sich einen feuchten Kehricht um meine Anweisungen.
Doch gerade als Einsteiger will ich nicht nur inhaltlich überzeugt werden (was Heimspiel in Grundzügen definitiv gelingt), sondern auch optisch einen Anreiz und Gewissheit haben, mein Geld in ein ansehnliches Produkt investiert zu haben.
Doch die 3D-Darstellung der Matches, die wahlweise auch als unspektakulärer und spaßfreier Textmodus erfolgen kann, ist dermaßen öde, dass die Eingriffsmöglichkeiten, die man während des Spieles hat, fast schon wie vor Säue geworfene Perlen wirken.
Interessiert dann noch jemanden, dass bis zu vier Spiele gleichzeitig dargestellt werden können?
Fazit
Zu schade, dass der im Herbst 2002 veröffentlichte Fussball Manager Fun nicht in unserem Test-Archiv auftaucht. Ansonsten hätte ich den Bericht von damals 1:1 übernehmen und nur die Wertung anpassen können. Doch auch ohne Test von damals bleibt ein schaler Beigeschmack. Im Kern ist Heimspiel ein durchaus viel versprechendes Produkt, das Fußball-Management-Einsteiger (aber nur die!) durchaus interessant und ohne Tiefgang an die Materie heranführt. Doch auch Spieler, die bislang nicht viel mit dem Genre am Hut hatten, werden über kurz oder lang über die zahlreichen inhaltlichen Probleme (Stichwort: ad hoc-Stadionausbau, undurchsichtiger Transfermarkt) stolpern. Nimmt man dazu noch die Tatsache, dass mit Ausnahme der mittlerweile komplett dreidimensionalen, aber immer noch hoffnungslos veralteten Match-Darstellung das Spiel unter dem Namen Fussball Manager Fun mittlerweile gut vier Jahre alt und nicht nur in einer "Best of Jowood"-Compilation zu finden ist, können wir allen Interessierten nur von Heimspiel 2006 abraten. Hier wurde ein bereits vor Jahren nicht einmal durchschnittliches Produkt hemmungslos aus dem Archiv gekramt, um mit einem neuen Namen vom grassierenden WM-Fieber der deutschen Spieler zu profitieren und alle Ahnungslosen zum Fast-Vollpreis abzukassieren, während das Original auf ebay für zwei Euro den Besitzer wechselt. Sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt...
Pro
- einsteigerfreundlich
- übersichtliche Benutzerführung
- Reduzierung auf wesentliche Management-Mechanismen
- integrierter Editor
- Netzwerk-Spiel
- taktische Vorgaben werden umgesetzt
Kontra
- dreiste Wiederveröffentlichung eines leicht aufbereiteten 2002-Spieles
- Logikfehler
- gekaufte Spielereigenschaften
- grafisch hoffnungslos veraltet
- unrealistisch
- keine Lizenzen- unzureichend umgesetzte Eingriffsmöglichkeiten im 3D-Spiel
- "ad hoc"-Stadionausbau
- schwache, mitunter extrem nervige Soundkulisse