X-Men 3: The Official Game - Test, Action-Adventure, 360, PC, NDS, PlayStation2, GameCube, XBox, GBA

X-Men 3: The Official Game
21.06.2006, Jens Bischoff

Test: X-Men 3: The Official Game

Wer kürzlich X-Men III: Der letzte Widerstand im Kino gesehen hat und nicht genug von Marvels Superhelden kriegen kann, bekommt mit X-Men III: The Official Game das passende Nach- bzw. Vorspiel präsentiert. Wie der Untertitel vermuten lässt, hat das Spiel mit der Filmhandlung nicht viel zu tun. Dafür werdet ihr über die Geschehnisse zwischen dem zweiten und dritten Leinwandabenteuer aufgeklärt. Spannender Lückenfüller oder lizenzierte Mogelpackung?

In X-Men III: The Official Game schlüpft ihr abwechselnd in die Rollen von Wolverine, Iceman und Nightcrawler, um laut Spielhandbuch "epische Superhelden-Action, miteinander verbundene Storylines, wilde Schlachten gegen deine Feinde und einen dramatischen Höhepunkt" zu erleben.

Billige Diashow: Statt üppiger Render-, Comic- oder Filmsequenzen wird die Stroy lediglich in starren oder kümmerlich animierten Standbildern erzählt (PC).
 Klingt eigentlich ganz spannend. Aber gut sechs Stunden Spielzeit als "episch" zu bezeichnen, ist doch ziemlich dreist, die "wilden Schlachten" waren am Ende meist nichts anderes als dröges Button-Mashing und der "dramatische Höhepunkt" muss mir wohl irgendwie entgangen sein...

Ein paar Stunden Heldendasein

Überhaupt wirkte die Story trotz der Zusammenarbeit von Zak Penn (Drehbuchautor der X-Men-Kinofilme) und Chris Claremont (Story-Schreiber der X-Men-Comics) reichlich hanebüchen und erzwungen. Die meiste Zeit kam man sich trotz Sprachausgabe einiger Originaldarsteller wie Hugh Jackman (Wolverine), Alan Cummins (Nightcrawler), Shawn Ashmore (Iceman) oder Patrick Stewart (Professor X) wie in einem drittklassigen B-Movie vor. Dazu hat sicher auch die billige grafische Präsentation der Storysequenzen beigetragen, die wohl aufgrund des Zeitdrucks nur aus sterilen Standbildern mit kläglichen Animationsversuchen und ein paar chaotischen Comicstrip-Kollagen bestand.

Egal, die Story ist in einem Actionspiel ja nicht so wichtig und wer kein Englisch kann, weiß ohnehin nicht, um was es eigentlich geht, denn eine Lokalisierung hat sich Activision komplett gespart und das trotz des stolzen Preises von knapp 70 Euro für die Xbox 360-Version. PS2-Besitzer kommen hingegen zehn und PC-User sogar 30 Euro günstiger weg und das trotz identischen Inhalts und nur minimaler technischer Unterschiede. Das Spiel sieht auf PC und 360 nämlich nur geringfügig besser aus als auf der betagten PS2.

Lehrstunde mit Erzrivale Sabertooth: Die simple Steuerung der drei Superhelden wird euch anhand spielbegleitender Tutorials erläutert (PS2).
 Vor allem die verwaschenen Umgebungstexturen, holprigen Animationen und trotz Havoc-Engine lächerlichen Physikeffekte sind alles andere als NextGen-würdig.

Ein Spiel, drei Preise

In den Wolverine-Abschnitten kommt auch noch eine alles andere als überzeugende Kameraführung und in den Iceman-Abschnitten ein alles andere als befriedigendes Geschwindigkeitsgefühl hinzu. Zudem wird man als Wolverine die meiste Zeit zu drögem Massengemetzel im Dynasty Warriors-Stil degradiert, während die Flugeinlagen mit Iceman wie eine Mischung aus Space Harrier und SSX für Arme wirken. Für mich hat lediglich die an Prince of Persia erinnernde Akrobatikshow mit Nightcrawler für ein überdurchschnittliches, wenn auch wenig forderndes Spielerlebnis gesorgt. Überhaupt ist X-Men III trotz drei wählbarer Schwierigkeitsgrade die meiste Zeit viel zu einfach. Es sei denn, man landet aufgrund der teils ungenauen Kollisionsabfrage in einem tödlichen Abgrund oder aufgrund der teils unübersichtlichen Kamera in einem Hinterhalt, was dank kaum vorhandener Rücksetzpunkte immer wieder unnötig für Frust sorgen kann.            

Schlecht abgeschaut

Nervig ist auch, dass man ständig gegen dieselben Fließbandgegner kämpft und fast alle Missionen nach dem Töte-alle-Gegner- oder Zerstöre-Objekt-XY-Muster ablaufen und durch übertrieben häufigen Feindnachschub immer wieder künstlich in die Länge gezogen werden. Hin und wieder muss man zwar auch mal Bomben entschärfen, Brände löschen, simple Schalteraufgaben lösen sowie den ein oder anderen Bossfight bestehen.

Metzeln bis der Daumen glüht: Als Wolverine schnetzelt man sich gelangweilt durch endlos erscheinende Angriffswellen immer gleicher Gegner (360).
  Aber wirklich spannend oder originell sind die Einsätze quasi nie. Zudem sind die Spielabschnitte meist extrem mickrig und linear, so dass selbst das Aufspüren spezieller Bonusitems meist ein Kinderspiel ist. Der Suchaufwand lohnt aber ohnehin nur bedingt, bekommt man für eingesammelte Techteile und Waffe-X-Symbole doch lediglich alternative Outfits oder Extrapunkte für seine Gamercard (Xbox 360). Ansonsten spielt ihr während der kurzen Kampagne noch automatisch drei unspektakuläre Gefahrenraum-Missionen frei und das war‘s dann auch schon mit den Extras.

Massenmeucheln ohne Highlights

Da ist es weitaus motivierender, seine Mutantenkräfte individuell aufzustufen, wobei taktische Überlegungen nur bedingt wichtig sind, da ihr am Ende sowieso alle Kräfte auf Maximum habt, wenn ihr stets den höchsten Schwierigkeitsgrad wählt. Auch die verzweigende Missionsstruktur ist reine Augenwischerei, da ihr ohnehin stets alle angebotenen Aufträge absolvieren müsst, um im linearen Handlungskorsett weiter zu kommen.

Fliegender Feuerwehrmann: Als Iceman gleitet ihr gemächlich durch die Lüfte, löscht Brände und zerbröselt unterbelichtete Gegner (PS2).
Hin und wieder kämpft ihr übrigens an der Seite KI-gesteuerter X-Men-Kollegen wie Colossus oder Storm, denen ihr teils per Knopfdruck Spezialattacken entlocken könnt. In der Regel kommt ihr aber auch ganz gut ohne deren Hilfe zurecht und fühlt euch eher wie ein unfreiwilliger Babysitter als wie ein schlagkräftiges Team, obwohl die Idee an sich löblich ist und den oft viel zu monotonen Spielablauf durchaus hätte auflockern können.

Freiheiten, die keine sind

Die Aktionsmöglichkeiten sind nämlich recht bescheiden und Interaktionen mit der Spielumgebung selten. Ein paar Combos und Spezialangriffe hier, ein paar zerstörbare Kisten und Fässer da - das war‘s, handlich, aber unspektakulär. Und so schnetzelt ihr euch die meiste Zeit mit Wolverine durch endlos erscheinende Gegnerhorden, eliminiert mit Iceman luftige Brandherde und Sentinels oder teleportiert euch mit Nightcrawler von Vorsprung zu Vorsprung bzw. von Gegner zu Gegner und werdet das Gefühl nicht los, alles schon mal in anderen Spielen gesehen und gemacht zu haben und das auch noch in weit spannenderer und abwechslungsreicherer Form.

Kleiner Lichtblick: In der Rolle von Tele-Akrobat Nightcrawler keimt am ehesten Spielspaß auf - auch wenn man kaum gefordert wird (PC).
 Gut, für eine Weile macht X-Men III durchaus Spaß - vor allem in den Abschnitten, wo ihr die Kontrolle über Nightcrawler übernehmen dürft.

Nicht konkurrenzfähig

Aber warum sollte man sich überhaupt mit Nightcrawler abgeben, wenn der Prinz von Persien bereit steht oder mit Wolverine, wenn man Kratos haben kann? Selbst Fans der Marvel-Helden sind mit den beiden X-Men: Legends -Episoden weit besser beraten und das nicht nur weil dort neben Logan, Bobby und Kurt noch zahlreiche andere X-Men auf ihren Einsatz warten. Zudem sind die verfügbaren Alternativen nicht nur hochwertiger und umfangreicher, sondern mittlerweile auch noch weitaus günstiger. Ich würde mir jedenfalls zweimal überlegen bis zu 70 Euro für sechs Stunden halbgaren Spielspaß auszugeben, wenn ich schon für weniger als die Hälfte erstklassige Alternativen wie X-Men Legends, Prince of Persia oder God of War bekommen könnte.       

Fazit

X-Men III merkt man an, dass es unter Zeitdruck entwickelt wurde, um ja rechtzeitig zum Kinostart des dritten X-Men-Films in den Verkaufsregalen zu stehen. Der Umfang ist dürftig, eine Lokalisierung hat man sich komplett gespart und die Präsentation hätte mit ihren primitiven Standbildsequenzen kaum mickriger und liebloser ausfallen können. Die Story ist zudem völlig belanglos, die Technik unspektakulär, die Kameraführung holprig, das Leveldesign einfallslos und der Schwierigkeitsgrad unausgewogen. Zwar bekommt ihr durch den Charakterwechsel zwischen Wolverine, Iceman und Nightcrawler drei sehr unterschiedliche Spielerlebnisse geboten, aber das stupide Massenmetzeln mit Klingenmeister Logan im Dynasty Warriors-Stil ödet schon nach kurzer Zeit an, während Bobby Drakes unterkühlte Flugeinlagen lahm und antiquiert wirken. Lediglich die an Prince of Persia angelehnten Schleichabschnitte mit Schattenakrobat Kurt Wagner retten den plumpen Action-Mix vor der völligen Bedeutungslosigkeit. Auch Soundkulisse und individuell aufrüstbare Mutantenkräfte wissen zu gefallen. Dreist ist allerdings, dass Activision für die 360-Fassung fast doppelt so viel verlangt wie für die quasi identische PC-Version. Doch auch auf dem Rechenknecht ist das Preis-/Leistungsverhältnis angesichts der kurzen Spielzeit und des einfallslosen Inhalts alles andere als zufrieden stellend.

Pro

  • ermäßigter Preis (PC)
  • einfache Handhabung
  • gelungene Soundkulisse
  • englische Originalsprecher
  • kurzweilige Nightcrawler-Abschnitte
  • drei sehr unterschiedliche Charaktere
  • individuell auflevelbare Mutantenkräfte

Kontra

  • sehr kurz
  • laue Story
  • nicht lokalisiert
  • holprige Animationen
  • geringe Gegnervielfalt
  • unspektakuläre Technik
  • überteuerter Preis (360)
  • öde Wolverine-Abschnitte
  • billige Standbildsequenzen
  • durchwachsene Kameraführung
  • so gut wie keine Rücksetzpunkte
  • einfallsloses Level
  • & Missionsdesign
  • unausgewogener Schwierigkeitsgrad

Wertung

360

PC

PlayStation2