Civilization 4: Warlords - Test, Taktik & Strategie, PC

Civilization 4: Warlords
09.08.2006, Jörg Luibl

Test: Civilization 4: Warlords

Wenn man großartige Spiele genossen und sie bis an ihre Grenzen erforscht hat, bleibt der Hunger nach mehr zurück. Vor allem, wenn es sich um fantastische Zeitfresser wie Civilization IV handelt. Knapp neun Monate nach dem international gefeierten Hauptspiel präsentieren Sid Meier und das Team von Firaxis den ersten Nachfolger. Kann Warlords an den Erfolg anknüpfen?

Die Wikingerzeit ist eines von sechs neuen historischen Szenarien, die alle von speziellen Regeln, Einheiten und Siegvarianten leben. Bei der Einigung Chinas müsst ihr z.B. nicht den Glauben, sondern eure Blutlinie verbreiten - fließt königlicher Saft

Schon im Intro deuten sich die kriegerischen Vorzeichen des Add-Ons an. Aber keine Bange: Auch die Diplomatie wurde bereichert. Die Erweiterung läuft übrigens nur zusammen mit dem Hauptspiel.
z.B. irgendwann in einem fremden Gebiet, habt ihr es dort als Eroberer leichter. Im großen Feldzug Alexander d. Gr. erwirbt der Makedone mit seinen Siegen auch einzigartige Titel, die sogar die Wirtschaft der Griechen beflügeln. Und im Szenario mit dem Aufstieg Roms besitzt jedes Volk Siegressourcen, die pro Runde zehn Punkte bringen. Kurzum: Es gibt mehr taktische Varianten, mehr auszuprobieren und die kampfbetonten Szenarien machen dem Untertitel alle Ehre. Gerade für Veteranen der Serie lohnt es sich, in die Fußstapfen berühmter Herrscher zu treten.

Nordmänner auf Schatzjagd

Aber zurück in den Norden, hinein in die Wikingerzeit: 200 Runden habe ich hier Zeit, insgesamt 47.500 Gold anzuhäufen. Neu sind hier die Schätze, die satte 1000 Goldstücke wert sind. Irgendwo in der Mitte Irlands soll sich einer verbergen. Das haben meine Spitzel mir verraten - auch über eine Technologie, die nur in diesem Szenario aktiv ist und euch immer wieder Hinweise gibt. Also belade ich meine Drachenboote mit Berserkern und Bogenschützen, hisse die rotweißen Segel und verlasse Norwegen mit einer bis an die Zähne bewaffneten Flotte.

Erzählerisch sollte man trotz des martialisch knisternden Intros nicht zu viel erwarten. Das Team von Firaxis kann aufgrund fehlender Ereignisse, Filme oder Story-Schnipsel keine dichte Kampagnen-Atmosphäre aufbauen, aber man spürt überall die

Lust auf bewegte Bilder? Kein Problem:

Historische Recherche

Download Teaser 2Früchte der Recherche: Nicht nur, dass die Wikinger deftige Sprüche auf Norwegisch von sich geben, sie erforschen irgendwann z.B. auch die Königssagas, berühmte Skalden wie Egil Skallagrimsson tauchen auf und selbst das historisch belegte Erpressen von Lösegeld ist integriert: Ihr könnt einer besiegten Stadt anbieten, sie gegen einen Batzen Gold vor der Annektierung oder Zerstörung zu bewahren. Diese Sonderregel weckt nicht nur geschichtliche Erinnerungen, sondern auch die Gier: Schottland wird also nordwärts umschifft und schon bald kommt die neutrale Stadt Dublin in Sicht - Schwerter raus, Speere zur Hand, das ist der ideale Stützpunkt!

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Die Verteidiger haben keine Chance: Meine Berserker besitzen nicht nur einen Angriffsbonus, sondern auch die Unterstützung ihres Königs Ragnar Lodbrok. Der hilft ihnen als Großer General - eine sinnvolle Neuerung des Add-Ons, die euch mehrere Aktionen ermöglicht: Ich habe ihn nicht als Ausbilder in einer Stadt oder zum Bau einer Militärakademie geopfert, sondern zum Kriegsherren ernannt. Alleine ist er zwar machtlos, aber wenn er eine Armee begleitet, erhöht er ihre Erfahrung und spendiert ihr automatisch exklusive Modernisierungen, die sonst keiner Truppe zukommen: Z.B. 25 Prozent mehr Stärke, eine erhöhte Heilungsrate, Rückzugsvorteile oder weitere Märsche - ihr habt die Wahl. Sobald man einen Großen General begrüßt, kann man seine Truppen oder seine militärische Infrastruktur gezielt verbessern.

Meine Armee ist nach dem ersten Gefecht in Dublin deutlich überlegen. Da ich die Nordmänner nach ihren ersten Siegen zusätzlich mit

Der Große General Ragnar Lodbrok wartet in Norwegen auf seine Aufgaben: Ihr könnt ihn z.B. zum Kriegsherren ernennen und damit alle Einheiten um ihn herum militärisch stärken.
Stadtangriffsboni trainiert habe, begleiten mich im Kampf die Belagerungstürme des martialischen Intros. Aber Irland ist ein bunter Flickenteppich aus Clans; ich kann nicht alle auf einmal besiegen. Und irgendwann muss ich auch noch Schätze in Europa oder Britannien suchen. Statt eines Vernichtungskrieges entscheide ich mich für die Unterwerfung: Sobald ich den Feudalismus erforscht habe, kann ich andere Herrscher nicht nur nach militärischen Siegen, sondern auch über ein diplomatisches Angebot zu Vasallen machen - viele Einschüchterungen vorausgesetzt.

Vasall statt Vernichtung

Dieser neue politische Status spielt gleich zu Beginn eine große Rolle in den Szenarien Peleponnesischer Krieg oder Alexander, denn dort ist Ägypten z.B. zum Start ein Vasall Persiens. Meist entsteht ein Vasallenstaat, wenn man einen Gegner klar geschwächt hat in Folge der Kapitulation. Manchmal muss man nur einige Städte schleifen und schon hat man das Angebot vorliegen. Ich habe in einem Endlosspiel z.B. nur über Luftangriffe die Kapitulation eines Gegners erzwingen können - das war nachvollziehbar und hat mir die langwierige Eroberung über Landeinheiten erspart!

Diese politische Unterwerfung bietet einige Vorteile gegenüber der totalen Vernichtung: Erstens erhöht sie die Zufriedenheit in meiner Heimat, zweitens genieße ich Durchreiserecht bei voller Kartensicht, was z.B. die Schatzsuche der Wikinger erleichtert, drittens heilen meine Truppen auf dem annektierten Boden als wären sie daheim, viertens kann ich die fremden Festungsanlagen oder Rohstoffe nutzen und schließlich muss mir der Vasall im Kriegsfall automatisch zur Seite stehen. Das hat auch Konsequenzen für das Ränkespiel der Herrscher: Man kann Vasallenstaaten geschickt als politische Pufferzonen einsetzen, die man einem größeren Widersacher als Köder serviert. Werden sie wieder unabhängig, haben sie nämlich zunächst dieselben Freunde und Feinde wie ihr...

Das sind alles gewichtige Gründe für Vasallen - nicht nur in den Szenarien, sondern auch im Endlosspiel. Allerdings habt ihr als Herr auch die Verpflichtung des militärischen Schutzes: Verliert euer Vasall während eurer Regentschaft die Hälfte seines Gebietes, darf er den Vertrag auflösen. Wachsen Land und Leute des Vasallen im Laufe der Zeit auf die Hälfte der eigenen an, kann der Vertrag ebenfalls aufgelöst werden. Und im Gegensatz zur totalen Vernichtung kostet der Vasall noch etwas Unterhalt. Also muss man quasi alle zehn Runden auch mit dem Unmut der Unterworfenen oder der Änderung der Lage rechnen. Zwar sind nicht alle Entwicklungen zwischen Anführer und Vasall in einem Spiel ganz nachvollziehbar, aber all das sorgt trotzdem für mehr Spannung und Möglichkeiten, so dass die Spieltiefe deutlich profitiert. Das ist die größte Stärke dieser Erweiterung, die zunächst konservativ wirken mag, was die Neuerungen angeht, aber gerade aufgrund der Vasallen überzeugt. 

                

Hat die Erweiterung noch mehr zu bieten? Ja. Alle neuen Einheiten, Technologien, Wunder oder Spezialgebäude

Der neue Status "Vasallenstaat" bereichert die diplomatischen Möglichkeiten.
aufzulisten, spare ich mir. Kenner werden überall kleine Mosaiksteine finden, die sich nahtlos in das großartige  Konzept einfügen. Erwähnenswert sind allerdings noch zwei Dinge: das Mongolenlager und der Pitboss. Ersteres ist im Dschinghis Khan-Szenario von Bedeutung. Es kann sich zwei Felder weit bewegen und dabei sogar Einheiten produzieren - quasi eine mobile Basis. Das ist natürlich ein entscheidender Vorteil gegenüber statischen Städten. Der Nachteil ist, dass ihr nicht wählen könnt, ob Bogenschütze, Schwertkämpfer oder Speerwerfer entstehen sollen - das wird zufällig bestimmt! Obwohl es auf den ersten Blick nicht so aussieht: Die Kampagnen haben alle ihren einzigartigen Rhythmus, stellen immer ihre eigenen Herausforderungen. Sie mögen erzählerisch nicht ganz überzeugen, aber sind spielerisch reizvoll.

Zig Zusätze & Verbesserungen

Der Pitboss ergänzt den Multiplayer-Bereich um eine epische Note: Hier müsst ihr nämlich warten, wenn sich ein Spieler ausloggt und ihr nicht am Zug seid. Erst, wenn er wieder teilnimmt und seine Arbeiter oder Krieger bewegt hat, seid ihr wieder dran - so soll der Rhythmus des Solospiels auch online besser simuliert werden. Man spielt quasi auf einem dauerhaft rundenbasierten Server, wobei man wie in alten Zeiten über E-Mails auf den nächsten Zug aufmerksam gemacht wird. Aber Vorsicht: Haltet ihr euch nicht an das vorher festgelegte Zeitlimit, z.B. 24 Stunden, wird ohne eure Aktionen weitergespielt.

Egal ob Einheitenstärke, Geländebonus oder Technologien - das Team hat seit dem Release an vielen kleinen Rädchen

Neue Herrscher, neues Verhandeln: Neben Ramses II. ergänzen Ragnar Lodbrok, Shaka, Churchill, Brennus und Augustus die Riege historischer Persönlichkeiten.
gedreht, die einem beim normalen Endlosspiel zunächst nicht auffallen. Aber wenn man genau hinschaut, entdeckt man viele sinnvolle Änderungen: Berittene Bogenschützen haben jetzt z.B. eine erhöhte Rückzugsgeschwindigkeit, Mathematik macht die Rodung effizienter und das Wunder Heldenepos ist sofort verfügbar, wenn ein Kämpfer die fünfte Stufe erreicht hat. Alle Änderungen seit Oktober 2005 werden bei der Installation von Warlords automatisch eingerichtet.

Der Teufel im Detail

Schade nur, dass man den deutschen Texten nicht immer dieselbe Aufmerksamkeit gewidmet hat: Gleich zu Beginn schwirren einige grammatische Fehler oder fehlende Übersetzungen umher, die zwar keine Oblivion'schen Ausmaße annehmen, aber bei einer sauberen Korrektur hätten vermieden werden können - etwa: "Es werden hohes Geländedetails verwendet." Aber das sind erstens nur wenige Fehler und zweitens solltet ihr ohnehin das Sprach-Update der Fanseite Civilized.de installieren, das fast alle Texte lesbarer macht - auch die deutschen. Kai Fiebach & Co haben hier wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Der kleine Nachteil: Die gesprochenen Technologie-Errungenschaften passen dann meist nicht mehr zum Beschreibungstext.

         

Fazit

Ihr liebt Rundenstrategie? Und ihr wollt euch trotz des herrlichen Sommers in eine Dunkelkammer verabschieden? Nicht aus Trotz, sondern aus Lust am Spiel? Dann schlagt zu: Civilization IV: Warlords bietet euch nicht nur neue Einheiten, Gebäude und Anführer, sondern auch durchdachte inhaltliche Ergänzungen, die die Spieltiefe bereichern: Mit dem Vasallenstatus wurde die Diplomatie um eine interessante Beziehung ergänzt, denn es gibt jetzt eine Alternative zur totalen Vernichtung. Und die Kriegsherren eröffnen mit ihrer Präsenz etwas mehr militärische Möglichkeiten. Hinzu kommt, dass die sechs historischen Szenarien alle interessante Sonderregeln besitzen, die selbst gewiefte Veteranen auf eine frische Probe stellen. Schade, dass man sich bei den Texten und der Dramaturgie dieser Kampagnen nicht etwas mehr Mühe gegeben hat - da wäre mit einigen Ereignissen oder Zwischensequenzen noch mehr drin gewesen. Aber wichtig ist ohnhein nur aufm Brett: Und da wurde das derzeit beste Rundenstrategiespiel noch besser gemacht!

Pro

  • sinnvoller Vasallenstatus
  • Große Generäle erweitern Militäroptionen
  • sechs neue Völker & Spezialeinheiten
  • zehn neue historische Herrscher
  • neue Spezialgebäude
  • drei neue Anführer-Eigenschaften
  • drei neue Wunder, neue Rohstoffe
  • sechs historische Szenarien mit interessanten Sonderregeln
  • Pitboss-Modus ermöglicht epische Rundenstrategie online
  • gute Kommentare in den Landessprachen
  • jedes Volk mit eigenem Grafik- und Musikhintergrund

Kontra

  • kleine Übersetzungsfehler
  • historische Kampagnen ohne dramaturgische Ereignisse
  • Einleitungstexte zu den Kampagnen sehr spartanisch

Wertung

PC

Vasallenstatus und Kriegsherren bereichern das Hauptspiel sinnvoll - zugreifen!