Paradise - Test, Adventure, PC

Paradise
12.08.2006, Bodo Naser

Test: Paradise

In seinem neuen Point&Click-Adventure beschwört Syberia-Schöpfer Benoît Sokal die Geister des schwarzen Kontinents. Obwohl Paradise (ab 44,95€ bei kaufen) in einer Welt voll exotischer Menschen, fantastischer Plätze und seltsamer Kreaturen spielt, sind es aber eher die Geister des Schlafes und der Langweile, die sich einfinden. Warum auch die vielen Abstürze keinesfalls paradiesisch sind, klärt der Test.

Für das Paradies steht Afrika heute eigentlich weniger, obwohl der Kontinent gemeinhin als Wiege der Menschheit gilt. Schon eher für Chaos, Bürgerkrieg und Hunger. Aus diesem Grund hat Benoît Sokal sein Paradise in den ebenso

So hat sich die Heldin die Rückkehr in ihre Heimat sicher nicht gedacht. Sie muss ein fiktives Afrika durchqueren, um zum tyrannischen Vater zu kommen. 
 fiktiven wie fantastischen Staat Mauranien verlegt, der zwar paradiesisch anmutet, sich aber als alles andere als ein Elysium entpuppt. Dort herrscht der autoritäre König Rodon, der nicht nur rein äußerlich an den bulligen Marlon Brando im Kriegsfilm Apocalypse Now erinnert. Auch er hat sich in sein finsteres Domizil, einen unförmiger Schlachtkreuzer, zurückgezogen, von wo er die Fäden zieht.

Verlorenes Paradies

Vor seinem Tod will der alternde Gewaltherrscher unbedingt noch einmal seine Tochter Ann sehen, die im fernen Europa studiert. Ann, die selbst seit zehn Jahren nicht mehr in Mauranien war, lässt sich widerwillig darauf ein. Zwischen ihr und Rodon scheint es Differenzen zu geben. Leider kommt es zum mysteriösen Flugzeugabsturz, wobei sie genretypisch ihr Gedächtnis verliert. Hier kommt ihr ins Spiel, der ihr fortan Ann in Schulter-Perspektive durch das beigefarbene Render-Abenteuer begleitet. Klar, dass es nun an euch ist, ihrer Amnesie entgegen zu wirken. Erst langsam kommt ihr hinter das Geheimnis...

Zunächst befindet ihr euch in einem orientalischen Harem, der weit von eurem eigentlichen Reiseziel, der schwimmenden Residenz Robars, entfernt liegt und aus dem ihr erst einmal einem Weg finden müsst. Wie ihr dort hingelangt seid, bleibt ebenso im Dunkeln wie der Rest eurer Reise. Irgendwie muss es euch gelingen, zum Prinzen vorgelassen zu werden, um ihm von euch zu erzählen. Leider kann anscheinend nur seine Lieblingsfrau den Kontakt zu ihm herstellen. Ihr müsst euch also an die Regeln des Harems halten, um weiter zu kommen.

Story für die Katz

Die Story klingt zunächst interessant, kommt aber nicht richtig in die Gänge. Sie ist nur was für Leute, die erst Stunden spielen wollen, bevor sie mal ein paar spärliche Erzählhäppchen erhalten. So hinterlässt sie trotz der beeidruckenden Zwischensequenzen allenfalls einen bemühten Eindruck, der aber keine

Déjà-vu - die amnestische Ann muss erst herausfinden, wer sie eigentlich ist. Dumm nur, dass kaum einer mit ihr sprechen will.
bleibenden Spuren aufweist. Daran kann auch der geheimnisvolle schwarze Leopard nichts ändern, der immer wieder auftaucht, um euch gelegentlich anzufauchen. Ann ist mit ihm geistig verbunden, weshalb ihr ihn auch mal steuern dürft.

Die Dialoge, bei denen ihr immerhin das Gesprächsthema auswählen könnt, sind wenig prickelnd. Kein Vergleich etwa mit Dreamfall, wo es so etwas wie Wortwitz oder Hintersinn gab. Die blasse Ann ist auch kein Vergleich mit Kate Walker aus Syberia, die wenigstens Durchsetzungskraft hatte. Die meisten der 60 Charaktere sind daher wenig mehr als Abziehbildchen, die ohne großen Tiefgang auskommen müssen. Kein Wunder also, dass viele der Nebenfiguren gar nichts zu sagen haben. Dort bekommt ihr dann ein "Verschwinde, du störst!" an den Wuschelkopf geworfen. Na, dann eben nicht.

Ödes Gewäsch

                 

Auch spielerisch hat Paradise allenfalls biedere Hausmannkost zu bieten, was so gar nicht zur exotischen Location passen will. Die Rätsel unterscheiden sich keinen Deut von dem, was die breite Masse der bisherigen Adventures bietet.

Ob sich hier wohl ein Rätsel verbirgt? Nur der Unerschrockene, dem vor gar nichts graut, wird es erfahren.  
 Sie sind um einiges schlechter als das, was etwa in Syberia geboten wird. Überall stehen halblebige Apparate herum, die ihr in Gang setzen müsst. Meistens fehlt ein Teil oder ihr müsst eine Kombination erraten. Ihr sammelt Gegenstände ein, die in euer Inventar wandern.

Einheitsrätselei

Um am Anfang aus dem Zimmer zu kommen, müsst ihr zunächst die Öllampe anzünden, Erst dann gelingt es euch, den Schlüssel zu verwenden. Zuvor war es einfach zu dunkel, um das Schlüsselloch zu finden. Schlüssel, Verschlussmechanismen und abgesperrte Türen spielen eine große Rolle in Paradise. Der Ablauf ist ähnlich linear wie etwa bei Syberia, da stets sklavisch Abschnitt auf Abschnitt folgt, was durch ein Rätsel unterbrochen wird. Natürlich könnt ihr in einem Abschnitt einigermaßen frei umherlaufen, wie ihr das von anderen Sokal-Abenteuern kennt.

Am 20. Juli kam bei uns die Goldmeldung für Paradise, so dass das Adventure eigentlich fertig sein sollte. Leider strotzt es nur so vor Fehlern, die den ohnehin dünnen Spielspaß noch weiter in die Tiefe reißen. Das Spiel startet nach dem Installieren nicht, der Bildschirm des Rätsels bleibt schwarz. Immer wieder gibt es Soundprobleme, die in der harmloseren Variante einen Ruckler oder ein Knacken produzieren. In der heftigeren Form können sie zum Rücksturz auf den Desktop führen, was ziemlich nervig ist, da es eigentlich immer auftritt, wenn die Geräusche wechseln, was fast jede neue Szene vorkommt. Das Spiel scheint erhebliche Probleme mit dem Soundsystem zu haben.

Abstürze en masse

Damit nicht genug, gibt es durch die auch noch Fehldarstellungen, die durch die ständigen Ruckler verursacht werden. Bislang gibt es keinen Patch, der das beheben könnte. Bisher konntet ihr wenigstens davon ausgehen, dass Sokals

Die Darstellung wirkt total farblos und verblichen, was sicher auch an der niedrigen Auflösung liegt, die sich nicht erhöhen lässt. 
Adventure-Träume zumindest optisch überzeugten. Auch dieses Mal handelt es sich um die typische Mischgrafik aus 2D-Umgebung und 3D-Akteuren, allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau. Schon die feste Auflösung von 800x600 mutet in Zeiten superschneller Grafikkarten seltsam wenig an. Die verwaschene bis unscharfe Darstellung lehrt euch dann eines besseren.

Unscharfe Optik

Bei einigen Hintergründen, Personen und Wesen blitzen Sokals Designer-Qualitäten dann aber doch durch. Die Macher haben sich in all den Standgrafiken um Bewegung bemüht, weshalb etwa kleine Insekten umherschwirren. Ihr kurzer Auftritt ist leider auch wieder vom Absturz oder von Grafikfehlern gekrönt. Auch für Lichteffekte wurde gesorgt. Richtig gut sind eigentlich nur die Zwischensequenzen, bei denen so etwas wie Kinofeeling aufkommt.

Wären da die allgegenwärtigen Soundruckler nicht, könnte zumindest der Sound unter "geht in Ordnung" durchgehen. Die Musik ist orientalisch, was zur afrikanischen Geschichte passt und wechselt angenehm den Rhythmus. Geräusche gibt es allerdings kaum. Die deutsche Sprachausgabe ist durchaus professionell gemacht, hakt aber auch öfters, was zu unliebsamen Begegnungen mit der Desktop-Oberfläche führt. Genießen könnt ihr die Sprache so jedenfalls kaum.

Sound

      

Fazit

Das Paradies habe ich mir wahrlich anders vorgestellt, denn das müde Afrika-Adventure ist eindeutig Sokals bislang schwächstes Werk. Es ist derart abweisend, als wäre es gar nicht zum Spielen gemacht. Zunächst sind da die mannigfaltigen Abstürze, Soundruckler und Grafikaussetzer, die einen gar nicht zum Spielen kommen lassen. Teils seht ihr mehr vom eigenen Desktop als von der erdfarbenen Spielgrafik. Wären alle Fehler auf einen Schlag verschwunden, hätte sich das Abenteuer allerdings kaum mehr Meriten verdient. Das Spiel ist allenfalls durchschnittlich, bietet wenig Abwechslung und hinterlässt einen unfertigen Eindruck. Die Rätsel bieten wieder mal nur das im Genre Übliche. Die Dialoge sind so spröde wie die Lippen eines in der Wüste Verdurstenden. Die Personen, auf die ihr trefft, könnten uninteressanter nicht sein. Die Story ist lahm, was verhindert, dass so etwas wie Entdeckerdrang überhaupt aufkommt. Die Misch-Grafik mit der niedrigen Auflösung sieht zudem unscharf aus. Welchen Grund außer den des Sammelns sollte ein Adventure-Fan haben, sich Paradise zu kaufen?

Pro

  • fantastische Umgebung
  • Leopard steuern
  • orientalische Musik
  • professionelle Sprachausgabe

Kontra

  • Story kommt nicht in Fahrt
  • ständige Abstürze, Soundruckler
  • übliche Rätselei
  • linearer Ablauf
  • öde Dialoge
  • Charaktere sind Abziehbilder
  • verwaschene Grafik
  • nur 800x600 Auflösung

Wertung

PC

Die ganzen Abstürze und Fehler weggedacht, wird auch kein Traumabenteuer draus.