Aeon Flux - Test, Rollenspiel, XBox, PlayStation2

Aeon Flux
17.08.2006, Benjamin Schmädig

Test: Aeon Flux

Schon wieder eine Filmumsetzung: Diesmal seid ihr als Charlize Theron, pardon Aeon Flux (ab 67,98€ bei kaufen), unterwegs, die sich mit akrobatischen Meisterleistungen und handfesten Argumenten durch ein imposantes Science-Fiction-Szenario schlägt. Väter der Action sind die BloodRayne-Macher, so dass sich die Heldin ähnlich elegant ihrer Gegner erwehrt wie ihre vampirische Vorgängerin. Funktioniert das auch ohne blutige Gewaltorgien?

Vorsicht: Wer weder mit dem MTV-Comic noch dem darauf basierenden Film etwas anfangen kann, den erwartet eine erzählerische Achterbahnfahrt, denn Aeon Flux pfeift auf einen roten Faden und schickt euch durch sieben unabhängige Episoden in einem Zeitrahmen aus 250 Jahren. Lediglich die Protagonistin haben sie gemein. Und weil Aeons Geist unabhängig von ihrem Körper wiederbelebt werden kann, seid ihr einen ganzen Abschnitt lang sogar für die Gegenseite aktiv. Die Gegenseite? Das sind die Truppen von Trevor Goodchild, dem Diktator der Metropole Bregna und Widersacher der Monicaner, welche ihn vom Thron stoßen wollen.

Zerstückelt, Verworren, Unerklärt

Auch wenn es künstlerisch interessant sein mag, Aeons Kampf gegen Goodchild in zeitlich getrennten Abschnitten zu erleben, so wenig erzeugen die zerstückelten Episoden ein tragfähiges Handlungsgerüst. Ihr erfahrt vor jedem Auftrag was zu tun ist, über die Hintergründe schweigen sich die Entwickler allerdings aus - eine Hand voll Dialogfetzen zwischen der Protagonistin und ihrer Verbündeten erklären kurz, worum es geht und dann geht's los. Ihr findet zwar jede Menge Datenkapseln, deren Audio- oder Filmdateien den Hintergrund aufrollen, doch die Bruchstücke tragen kaum zum Verständnis bei.

Eng, aber schnell: Einige Abschnitte durchrollt Aeon in solchen Metallkugeln.
Am besten ignoriert ihr den Menüpunkt, unter dem ihr sie extra abrufen müsst.

Im Vordergrund stehen ohnehin die akrobatischen Kunststücke der Protagonistin. Mein Favorit: Aeon lässt sich am Seil in die Tiefe hinab, ballert auf dem Weg fliegende Wachdronen in Einzelteile, dreht noch vom Seil aus einer Wache den Kopf um und schwingt sich wieder zurück. Sieht lässig aus, vermittelt ein beeindruckendes Gefühl von Tiefe und geht absolut unkompliziert von der Hand. Die agile Heldin ist flott in Szene gesetzt und beherrscht noch mehr Tricks als die Halbvampirin in BloodRayne. Sie läuft z.B. an Wänden entlang, reißt ihre Widersacher wie Sam Fisher über die Brüstung in den Abgrund, rollt in einer Metallkugel durch die Gänge oder springt von kleinen Vorsprüngen besonders hoch ab und dreht sich dabei elegant um die eigene Achse. Hin und wieder wird diese Einlage in cooler Zeitlupe präsentiert - brillant! Allerdings braucht Aeon spezielle Punkte, an denen sie ihre Show abziehen kann, was den Ablauf sehr statisch macht. Eigentlich braucht ihr nur die Steuerung zu verinnerlichen und schon sind viele Plattformrätsel Formsache. Die Experimentierfreude hält sich dadurch in Grenzen, Spaß macht's trotzdem.

Agile Rebellin

Während der Kämpfe genießt ihr deutlich mehr Freiheiten und könnt eure Angriffe so kombinieren, wie ihr lustig seid - vorgefertigte Kombos gibt es nicht. Die Kehrseite der Medaille ist oft langweiliges Prügeln, dem der rechte Wumms fehlt. Nur wenn ihr die letzte Taste einer Schlagfolge gedrückt haltet, setzt die Heldin zu einem mächtigen Stoß an.

Den Höhepunkt bilden ganz klar die tollen Finisher. BloodRayne lässt grüßen: Sobald ihr die Energie eures Gegenübers in den roten Bereich gekämpft habt, könnt ihr ihm mit einem mächtigen Manöver den Rest geben. Da das unterkühlte SciFi-Szenario nicht dem brutalen Blutrausch huldigt, stört es diesmal auch nicht, dass kein Blut fließt. Schade nur, dass Terminal Reality einmal mehr Bösewichter mit dem IQ einer saarländischen Waldameise erschaffen hat. Anders als im zweiten Vampir-Abenteuer hetzen euch die Entwickler aber nicht Dutzende der gleichen Feinde auf den Hals, so dass die Prügelszenen etwas glaubwürdiger wirken. Fordernd sind die Auseinandersetzungen trotzdem, denn Aeon hält nur wenigen Treffern stand, bevor sie zu Boden geht.

Pistole, MG oder Raketenwerfer?

Am besten ballert ihr daher erst auf die Fieslinge, bevor ihr ihnen im Nahkampf begegnet. Mitunter übernehmt ihr auch die Kontrolle über Geschütztürme und entledigt euch so mal mit Raketenwerfer, mal mit Maschinenkanone den Fieslingen. Noch mehr Abwechslung schaffen so genannte Orbs, mit denen ihr 

Auf Dauer leider monoton: Die Kämpfe gegen Bregnas Sicherheitsdienst.
Kontrolle über die Geschütztürme erhaltet oder Lichtschranken außer Kraft setzt. Entweder setzt ihr die kleinen Kugeln direkt in die Steuerung ein oder müsst sie über einen Hindernisparcours ans Ziel steuern. Das knappe Zeitlimit sorgt dabei für feuchte Hände, unterwegs aufgelesene Batterien verlängern die Laufzeit kurzfristig.

Die Mischung aus Schießen, Prügeln, Klettern und Knobeln stimmt, allerdings bekommt der Ablauf erst ab dem dritten Level so richtig Schwung, wenn ihr Aeons zahlreiche Fähigkeiten endlich verinnerlicht habt. Das kann länger dauern als es sollte, denn zum einen provoziert das nicht immer klar vorgegebene Ziel viele Fehlversuche und zum anderen verabschiedet sich Aeon Flux beim (langen) Laden eines Checkpoints hin und wieder mit einem schwarzen Bildschirm. Besonders kurz vor Levelende ist das eine ausgesprochen ärgerliche Erfahrung. Unerklärlich ist mir auch, weshalb ich nach einem missglückten Sprung eigentlich direkt vor das Hindernis gesetzt werde, manchmal aber der letzte Checkpoint geladen wird - wohl gemerkt an ein und derselben Stelle.

Absturzgefährdet

Das Spiel selbst läuft dafür hervorragend und stellt die große Stadt samt Neonreklamen sowie fliegenden Fahrzeugen (Blade Runner lässt wieder einmal grüßen) ruckelfrei dar. Die im graubraunen Einerlei aus BloodRayne 2 gesparte Farbe haben die Entwickler komplett, aber an den richtigen Stellen in Aeon Flux gepackt, was mir als Fan von unterkühltem Design und bunter SciFi-Optik mehr als entgegen kam. Es ist nur seltsam, dass die Protagonistin realistische Schatten wirft, bunte Lampen aber teilweise lichtundurchlässige Farbkegel "ausstrahlen".  Einen Rüffel hat sich auch die Lokalisierung verdient, denn deutsche Texte gibt es nur in Form von Untertiteln. 

Fazit

Aeon Flux ist die bessere Rayne: Gegner in den Abgrund werfen und das Ergebnis in Zeitlupe bestaunen ist genau so lässig wie à la Neo an der Wand laufen. Dass das Geschehen in unterkühlter, neonbelichteter Science-Fiction-Umgebung stattfindet, macht zusätzlich Laune und brachiale Finisher locken mich immer wieder in den Kampf. Es ist allerdings ein Jammer, dass die Gegner stark zuhauen, aber kein gewitztes Vorgehen an den Tag legen. Damit verlieren die Schlägereien schnell an Reiz und mutieren zum ernüchternden Pflichtprogramm. Anders als in der BloodRayne-Fortsetzung artet das immerhin nicht zum Dauerprügeln aus, sondern wird von Passagen abgelöst, in denen ihr Rätsel lösen oder klettern müsst. Aber auch hier wird die Coolness schnell zum Stolperstein, denn so befriedigend z.B. das flotte Abseilen in die Tiefe ist, so sehr ruft ihr viele der Bewegungen nur an dafür vorgesehenen Punkten ab. Für kurze Zeit kann die agile Lady richtig fesseln, auf Dauer verliert sie allerdings an Reiz. Lange Ladezeiten, einige Abstürze sowie das unnötige Zurücksetzen zum letzten Checkpoint sorgen dafür, dass die Motivation mitunter sogar im Keller verschwindet.

Pro

  • schöne SciFi-Kulisse
  • coole Finisher
  • agile Protagonistin
  • flüssige Bewegungen
  • offenes Kampfsystem
  • Abwechslung während der Aufträge
  • Zeitlupenaufnahmen

Kontra

  • keine deutsche Sprachausgabe
  • langweilige Gegner
  • gelegentliche Abstürze
  • langes Datenschaufeln beim Nachladen
  • auf Dauer eintönig
  • unnötiges Rücksetzen zum Checkpoint
  • viele Tricks nur an vorgesehenen Punkten

Wertung

XBox