ParaWorld - Test, Taktik & Strategie, PC

ParaWorld
14.09.2006, Jörg Luibl

Test: ParaWorld

Ihr wollt keinen Zweiten Weltkrieg? Überaus verständlich. Science-Fiction ist auch nicht das Richtige? Haben wir notiert. Und klassische Fantasy erst recht nicht? Okay. Strategen mit einem Faible für ausgefallene Szenarien abseits konventioneller Echtzeitkriege haben es nicht leicht. Deshalb könnte ParaWorld (ab 29,95€ bei kaufen) interessant für euch sein: Das Berliner Team von SEK entführt euch in die beeindruckende Welt der Saurier, die als Kampfgiganten in die Schlacht ziehen.

Ein Hals ragt in den Himmel, eine blutrote Fahne flattert im Wind. In fünfzehn Metern Höhe sitzt ein Krieger auf einer Kreatur, die zunächst an eine titanische Giraffe erinnert: ein Brachiosaurus , 23 Meter lang, 85 Tonnen schwer. Eigentlich ist seine Rekonstruktion nur im Berliner Naturkundemuseum zu sehen. Aber in ParaWorld wird eines der größten Landtiere der Erde

Willkommen im Viking Park: Dahinter verbirgt sich das Trainingsgelände für eure ersten Schritte in der ParaWorld.
wieder lebendig. Und mit ihm gleich Dutzende weitere Dinosaurier vom Pflanzen mampfenden Stegosaurus bis zum Fleisch fressenden Tyrannosaurus rex. Lust auf bemannbare Kampfdinos mit peitschenden Schwänzen, schwerer Stampfattacke und schimmernden Rüstungen? Oder hitzige Raptoren an der Leine?

Urzeitriesen im Anmarsch

Dann übernehmt das Helden-Trio Anthony, Stina und Bela, das dem Geheimnis einer Parallelwelt auf die Schliche kommen will - und die sieht fantastisch aus: Die Kulisse beeindruckt von der ersten Sekunde an mit prächtigen Blumenwiesen und Licht durchfluteten Landschaften. Saurierherden grasen in der Steppe, Wolken ziehen über den Himmel, Nebel wabert in der Ferne. Das Figurendesign ist kreativ und enorm vielfältig - wie so ein Dinosaurier entsteht, könnt ihr hier verfolgen. Hinzu kommt idyllisch glitzerndes Wasser und eine Sonne, die Wald und Wüste langsam in Abendrot taucht. Ihr könnt sogar beobachten, wie die Schatten um Bäume oder Gebäude wandern.

Die eigens kreierte PEST-Engine zaubert eine faszinierende Welt auf den Bildschirm, die sich locker mit allem messen kann, was da draußen an klassischer Echtzeit-Strategie geboten wird. Schade sind nur zwei Dinge: Erstens kann man nicht sehr weit rauszoomen. Zwar immer noch weiter als etwa in WarCraft 3, aber man lechzt beim Spielen einfach nach einem Tick mehr Abstand.  Zweitens kommt keine Physikengine zum Einsatz - sprich: Wenn ein Saurier stürzt, fällt er ohne Schaden anzurichten in Gebäude oder Truppen. Dadurch kann schon mal ein unübersichtliches Gewusel entstehen, weil sich quasi jeder auf den Füßen stehen kann. Wie grandios wäre es gewesen, wenn man Panik und Chaos durch Kollateralschäden ausgelöst hätte? Fliehende Arbeiter! Zermalmte Kolonnen! Berstende Mauern! Egal, vielleicht gibt's das ja in ParaWorld 2...

Prächtig und mysteriös

Aber auch ohne den letzten zerstörerischen Realismus, geht es mit Schmackes zur Sache. Das liegt vor allem an den Kampfanimationen: Zwar wirkt das urzeitliche Getümmel zunächst sehr bunt, da Treffer und Aufstiege von Lichteffekten begleitet werden, aber wer reinzoomt wird erkennen, wie Krieger weggeschleudert oder umgeworfen werden, wie Bäume von Dinos zerknickt werden. Hinzu kommen brachiale Finishing-Moves, die für frühe Tode sorgen: Im Fall des T-Rex wird das Opfer mit Schmackes zerbissen. Das erinnert an das herrliche Schlachtfeldgetümmel von Warhammer 40.000: Dawn of War. Sprich: Es lohnt sich immer wieder, sich mit der Kamera ins Getümmel zu stürzen.

Zum Reinschnuppern empfehlen wir:

Download Multiplayer-Demo

Download Trailer Ashvalley (HD)

Download E3-Trailer

Die Kulisse ist faszinierend, die Story gibt sich mysteriös: Gibt es tatsächlich zwei Erden? Oder mehr? Und falls ja: Wie lange schon? Haben sie sich beeinflusst? Sind die Saurier etwa keine Urzeittiere, sondern Einwanderer der anderen Erde? Und was hat es mit der Organisation SEAS auf sich, die sich scheinbar sehr gut mit dem Phänomen auskennt?

Das Geheimnis der Parallelwelten

Bela, Stina und Anthony vor ihrem großen Abenteuer. Ihr könnt schräg hinter eure Heldentruppe zoomen - die Kulisse ist prächtig.
Fragen über Fragen, die allerdings nur kämpfend in klassischer Manier gelöst werden können: Basis aufbauen, Truppen ausbilden, Gegner zerstören - hier gibt sich auch ParaWorld konservativ und erfindet das Rad nicht neu. Das wissenschaftliche Team um den Geologen Anthony Cole, die Biologin Stina Holmlund und den Physiker Benedek wird in eine martialische Parallelwelt gelockt, in der sich drei Völker bekriegen: Nordvolk, Wüstenreiter und Drachen-Clan. Außerdem wissen sie bereits zu viel und deshalb sollen sie dort am besten nicht mehr rauskommen. Ein Hauch von Jules Verne, ein Schuss X-Men und natürlich eine starke Prise Jurassic Park: das sind die Storyzutaten, die das fantasievolle Szenario würzen.

ParaWorld erzählt eine Geschichte im Stile der guten alten Abenteuerfilme. Natürlich strotzt die Besetzung vor Archetypen: Das hübsche Babe mit Katzenfaible, der an Wolverine erinnernde Macho - nur der philosophierende Bogenschütze hebt sich frisch von den Klischees ab. Die Pointen treffen zwar nicht immer und der Witz wirkt manchmal aufgesetzt, aber die Story ist insgesamt sehr unterhaltsam. Hier gibt's in der Kampagne keinen 08/15-Rahmen, sondern einen straffen roten Faden mit Biografien, Intrigen & Co. Zwar erreicht man nicht ganz die erzählerische Qualität eines Age of Mythology, aber das Epos macht mit seinen Wendungen immer wieder neugierig, die Helden wirken sehr lebendig.

               

Die Zwischensequenzen sind ein zweischneidiges Schwert: Einerseits gibt es sehr viele davon und die Protagonisten machen

Stina entdeckt ihre Liebe zu großen Wildkatzen - später wird sie darauf reiten. In zahlreichen Zwischensequenzen wird die Story erzählt.
eine gute Figur in Sachen Gestik sowie Dialoge. Das sorgt dafür, dass man der Story gerne folgt und sich mit den Charakteren identifizieren kann. Andererseits schwankt die Qualität in der Kampagne enorm: Manche Figuren sehen einfach zu klobig aus, wirken fast wie Gelenkpuppen. Etwa Tarna die Amazone, die euch in einer Zwischensequenz begegnet. Hinzu kommt, dass man inkonsequenter Weise auch die Helden in den Filmen zeigt, die gerade gestorben sind - das ist schade. Wie man so eine Szene erstellt, zeigt euch übrigens dieses Video.

Filme für alle Fälle

Im Gegensatz zu Blizzards WarCraft 3 wird man auch nicht mit exzellenten Rendervideos nach großen Kapiteln belohnt. Das Intro ist jedenfalls gelungen und macht eigentlich Appetit auf mehr brachiale Urzeitszenen. Die Geschichte wird jedoch nicht nur in Zwischensequenzen, sondern auch in gesprochenen Monologen während der Ladephase erzählt; die deutschen Sprecher der Helden überzeugen durch die Bank; nur einige Nebenrollen verblassen stimmlich. Über die Monologe erfährt man vor jeder Mission immer etwas mehr über die Helden und ihre Perspektive - ein gutes Stilmittel. Auch die Musik kann sich mit ihrem epischen Ansatz hören lassen, hier zwei Beispiele: Download Titelmusik 1, Download Titelmusik 2.

Insgesamt warten 17 Missionen auf euch. Im Viking Park hilft das ausführliche Tutorial allen Einsteigern auf die Sprünge und macht sie mit dem Herz des Spiels vertraut: dem Army-Controller. Was verbirgt sich dahinter? Tatsächlich mal etwas Innovatives: Eine der komfortabelsten Benutzeroberflächen des Genres. Eine Art interaktive Pyramide, die ihr zur Auffindung, Steuerung, Heilung und Aufwertung eurer Truppen nutzen könnt. Ein Interface, das euch schnell und einfach die Armee kontrollieren lässt.

Der Army-Controller

Der Army-Controller kann an- und abgeschaltet werden, in ihm gelten sogar Lassomethode und alle Finessen der Einheitenwahl - sprich: Gruppenbildung, Doppelklick mit Sprung zur Figur etc. Stellt euch eine Rangleiter mit fünf Sprossen

Der Army-Controller auf der linken Seite zeigt euch alle Krieger auf einen Blick: Ihr könnt mit einem Rechtsklick ganz einfach Leute auswählen, gruppieren oder aufsteigen lassen.
vor: Ihr könnt dort eure Infanterie, Kavallerie oder Helden gezielt von der ersten bis zur fünften Stufe aufsteigen lassen. Allerdings ist das Aufrüsten innerhalb seiner gestaffelten Hierarchie nicht unbegrenzt möglich, denn es wird in einer sich nach oben verjüngenden Pyramide begrenzt: In jeder Stufe gibt es ein numerisches Limit, das euch z.B. für Level 3 nur Platz für acht, für Level 4 nur noch Platz für drei und in der höchsten Stufe nur noch Platz für eine Einheit bietet. Ihr müsst also genau überlegen, welchen Truppentyp ihr fördern wollt.

Ein wichtiger Nebeneffekt ist, dass im Moment des Aufrüstens ein verletzter Krieger voll geheilt wird. Man sollte im Gefecht also immer einen Blick auf seine kämpfende Truppe werfen und vor allem seine hoch dekorierten Veteranen möglichst in der letzten Sekunde über einen Rechtsklick auf das Icon aufsteigen lassen. Das funktioniert über die Landschaft im Getümmel weniger gut, weil es in Schlachten teilweise ein heilloses Durcheinander mit zahlreichen bunten Effekten gibt und die Kamera nicht weit genug rauszoomt.

Eure Helden führen zunächst das wikingische Nordvolk mit seinen stämmigen Axtkämpfern an, ab der vierten Mission die arabisch angehauchten Wüstenreiter mit filigranen Speerwerfern und Giftmischern und schließlich den asiatisch anmutenden Drachen-Clan mit seinen Ninjas und Samurai.

Heroische Perspektiven

Jeder Held entwickelt im Laufe des Spiels nicht nur eine Aura, die z.B. einen Bonus auf den Angriff oder die Verteidigung der benachbarten Einheiten spendiert, sondern auch Spezialfähigkeiten. Stina Holmlund setzt z.B. auf die Hypnose und kann

Das Tagebuch hält euch auf dem Laufenden über die Haupt- & Nebenquests. Wer alles erfüllt, bekommt in der nächsten Mission Bonuspunkte für den Truppenkauf.
jedes Tier umgehend einschläfern. Aber Vorsicht: Das Reittier ist zwar bewegungsunfähig, aber der Reiter kann vielleicht mit einem Bogen problemlos weiterkämpfen. Andere setzen eher auf ihre heilende Wirkung oder die Genauigkeit ihres Scharfschützengewehrs. Schön ist, dass die Entwicklung eines Helden auch Auswirkungen auf eure Aufbaumöglichkeiten hat: Ab der vierten Stufe stehen z.B. neue Einheiten oder Gebäude zur Verfügung. Wer seinen Helden auf die fünfte Stufe bringt, profitiert zudem von einem globalen Bonus: Stinas Saurier bekommen verstärkte Rüstungen, Anthonys Kämpfer erhalten mehr Lebenspunkte. Übrigens: Alle Aufrüstungen werden sofort visualisiert. Habt ihr euren Mammuts einen Klingenaufsatz spendiert, blitzt der scharfe Stahl umgehend an den Hörnern auf.

Die drei Völker bieten zwar keine Flieger, aber dafür jeweils ein knappes halbes Dutzend schwimmende Kähne samt Transportern, Rammen und Feuerspuckern für munteres Inselspringen. Interessant sind vor allem bemannbare Saurier und Fahrzeuge: Imposante Triceratops-Titanen können gleich mit vier Kriegern bestückt werden. Der Vorteil: Lasst ihr drei Bogenschützen und einen Heiler hinauf, habt ihr quasi eine mobile Fernkampfkreatur geschaffen, die auch noch Verwundete retten kann. Jedes Volk bietet euch derartig interessante Kombinationen, so dass kreatives Tüfteln gefragt ist. Angehende Paläontologen können sich übrigens über alle Einzelheiten wie Statur, Lebensumfeld oder Geschichte der original nachmodellierten Saurier im Archiv informieren.

Drei Völker, drei Spielweisen

Die Nordmänner sind konventionelle Nahkampfexperten mit soliden Verteidigungsanlagen wie Bunker, Steinschlag oder starken Mauern. Im Gegensatz zu Age of Empires III sind die übrigens erstens nicht durchlässig für Projektile und zweitens sogar begehbar - sprich: Ihr könnt Bogenschützen auf die Zinnen schicken - sehr gut. Hinzu kommt Maschinentechnik, die ein wenig an Rise of Nations: Rise of Legends erinnert: Mächtige Keiler, Kampfmammuts und Ballisten-Rhinos gesellen sich zu Dampfpanzern und Roboterskeletten in Kampfanzügen. Die mächtigste Kreatur ist der bereits erwähnte Triceratops: Er wird in der großen Tierfarm gezüchtet und sorgt schnell mit seinem Bereichsschaden für Angst und Schrecken.

Der Dampfpanzer des Nordvolks: Die Wikinger nutzen auch mechanische Kreaturen.
Die Wüstenreiter sind zwar nicht ganz so stark Mann gegen Mann und haben weniger robuste Gebäude, aber dafür sind sie mit ihren Zelten und mobilen Sammlern sehr flexibel, können überall siedeln. Sie haben sogar eine mobile Kaserne: Auf einem wandelnden Giganten stehen Bogenschützen, während Fußtruppen hinter geschützten Mauern ausgebildet werden können. Hinzu kommt, dass sie die größte Zahl an Sauriereinheiten aufbieten sowie fiese Giftmischer und Meuchler ins Feld schicken. Der Ankyloaurus kann Eier über Mauern katapultieren, die daraufhin platzen und gierige Raptoren freilassen. Die kleinen Räuber könnt ihr zwar nicht direkt steuern, aber sie wüten auch eigenständig hinter den feindlichen Linien - eine ebenso fiese wie effektive Möglichkeit, defensive Einigler ins Schwitzen zu bringen. Ihre mächtigste Kreatur ist der T-Rex-Titan, der alles in seiner Reichweite niedermacht.

Der Drachen-Clan ist interessant für Freunde martialischer Kampf- und Fallentechniken, die ihre Feinde gerne defensiv ins Verderben locken. Abgesehen von den eleganten Klingenkämpfern im Ninjastil, Sumoringern oder Gatlingschützen gibt es auch Mörser und Raketentürme, die ihre Projektile über weite Distanz schießen. Das Lager kann mit Schlingenfallen, Abwehrspießen und Minen, mit Stacheln und Brandsätzen geschützt werden. Wer hier ohne Spürdinos oder Aufdeckzauber reingeht, ist selber schuld. Und sie haben die flexibelste Marine mit U- und Raketenbooten. Ihre mächtigste Kreatur ist der Seismosaurus-Titan: Ein laufendes Ungetüm mit multiplen Geschütztürmen.

        

Zu Beginn ist alles noch sehr einfach gehalten: Ihr müsst Mammuts beschützen, wehrfähige Lager aufbauen, die Ursache

Auch aus der Nähe sehen die Saurier klasse aus. Man vermisst nur eine weitere Stufe zum Rauszoomen.
einer Stampede finden oder Karawanen eskortieren. Das Missionsdesign ist überaus abwechslungsreich und verlangt gutes Truppenmanagement von euch. In einigen Situationen seid ihr auch nur mit einem oder ein paar Helden unterwegs: Ihr müsst euch z.B. geschickt durch eine belagerte Stadt schlagen, indem ihr Heilbrunnen aufsucht oder Spezialfähigkeiten der Helden wie den multiplen Bogenschuss, die Schrotflinte oder die Tierlähmung effektiv einsetzt.

Kampagne & Missionsdesign

ParaWorld bietet übrigens keine ausgefeilte Feldtaktik mit Tarnung im Wald, ausgefeilten Formationen oder umfassenden Zangenbewegungen, sondern actionreiche Taktik. Abseits aggressivem, neutralen oder defensivem Verhalten sorgen sinnvolle Automatismen für Ordnung: Fernkämpfer postieren sich diszipliniert hinten, gewinnen auf Anhöhen Reichweitenvorteile, ihr könnt über die rechte Maustaste eine Richtungsformation aufziehen und auf einen Klick Spezialmanöver ausführen. Nicht sehr komplex, aber ausreichend. Schön ist, dass es eine einheitliche Marschgeschwindigkeit gibt: So kann man auch gemischte Verbände über die Minikarte Richtung Feinde schicken, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass die schnellen Reiter ohne Infanterie-Hilfe gleich aufgerieben werden.

Zwischendurch könnt ihr immer wieder Schätze bzw. Artefakte finden, die euch globale Boni verleihen. Über 25 dieser Gegenstände warten auf euch: Ein Sextant erhöht die Sichtweite der Marine, ein Knochenamulett schützt besser vor Tierangriffen, Kraftfutter erhöht die Lebenspunkte der Saurier. Auf der Minikarte wird euch komfortabel angezeigt, wo es etwas zu tun gibt; vorbildlich ist auch das Tagebuch, das euch noch mal über alle Einzelheiten einer Quest informiert. Manchmal hat man sogar die Wahl, wie man vorgehen möchte: Piraten fordern als Lösegeld einen Handelssaurier von euch. Geht ihr darauf ein oder bekämpft ihr die kleine Delegation am Strand? Und was macht ihr, wenn sie nach dem ersten Tribut tatsächlich einen weiteren fordern?

Diese interessanten Aufträge lockern den Kampfalltag natürlich auf und sorgen fast für ein wenig Rollenspielflair. Wer alle

Auch Mauern und Türme spielen eine große Rolle. Ihr könnt sogar Wehrgänge bemannen, Fallen bauen und Bunker errichten.
Nebenaufgaben löst, bekommt am Ende Punkte gutgeschrieben, die man wiederum beim nächsten Auftrag in mehr Starttruppen investieren kann: Wer fleißig ist, darf z.B. mit vier statt drei Helden beginnen. Das erhöht natürlich die Motivation innerhalb der Kampagne, die einen ganz schön ins Schwitzen bringen kann.

Knackige Herausforderungen

Ihr trefft auf einige knifflige Herausforderungen, für die ihr entweder mehrere Anläufe oder sehr viel Zeit benötigt. ParaWorld ist auf der mittleren Schwierigkeitsstufe kein Zuckerschlecken und damit der ideale Strategiespielplatz für Veteranen: Es gibt verzwickte Zweifrontenkriege, ihr müsst gezielt Rohstoffversorgungen unterbrechen, Minenteppichen ausweichen oder den maritimen Nachschub über die frühzeitige Hafenzerstörung stoppen. Gerade die Seekarten, die von euch die Verteidigung des Lagers, aktive Überfälle, das Sichern von Schätzen und den Aufbau der Wirtschaft verlangen, sind nicht ohne - und das ist gut so.

Neben dem Army-Controller gibt es eine weitere Besonderheit in ParaWorld: Schädel als Rohstoff. Jede Aktion ist abhängig von dieser wichtigen Ressource. Und diese Skulls bekommt ihr nur dann, wenn ihr wirklich aktiv seid und Saurier jagt, Gebäude oder Feinde vernichtet. Das ist gut so, denn wer eine schlagfertige Armee aus hochgerüsteten Einheiten aufbauen will, muss etwas dafür tun - sinnloses an die Front werfen von Truppen bringt gar nichts, denn Skulls gibts nur für den Sieg.

Im Zeichen der Schädel

Überhaupt überzeugt das Balancing der Völker mit durchdachten Reglementierungen: Da ist nicht nur die Maximalzahl der Truppen, auch das Aufrüsten wird immer teurer - der erste Held ist noch günstig, der zweite kostet gleich das Doppelte. Selbst die Rohstoffe spielen eine wichtige Rolle, denn sie können nicht unbegrenzt abgebaut werden: Irgendwann erreicht euer Haupthaus ein Aufnahmelimit von 300 und um dieses zu erhöhen, müsst ihr ein Lager mit 1000 Kapazität bauen.

Bei aller Faszination über die dynamischen Kämpfe, den Army-Controller und das Schädelsystem: Schade ist, dass die Wirtschaft manchmal wie ein Klotz am Bein wirkt. Natürlich ist das Sammeln von Rohstoffen wichtig. Natürlich will ich auch Gebäudebau und Handel. Aber man möchte die Zähigkeit des Aufbauteils manchmal verfluchen, die einzig und allein durch

Im Kampf gehts deftig zur Sache: Im bunten Gewusel hilft der Army-Controller, um verletzte Truppen zu finden.
die bereits erwähnte Rohstoffsammelbeschränkung entsteht. Sprich: Ihr könnt nicht einfach 10.000 Holz sammeln, sondern müsst entsprechende Lager vergrößern bzw. neu bauen. Also immer zurück ins Lager springen und hier und dort expandieren.

Die Aufbaubremse

Das mag für das Balancing wichtig sein, aber es bremst den Spielrhythmus von ParaWorld unnötig aus. Ich will mich lieber auf die Saurier und die Schlachten konzentrieren müssen als auf Arbeiter, die Holz anschleppen, aber stehen bleiben, weil sie es nicht verstauen können. Natürlich lernt man im Laufe der Zeit, damit umzugehen. Und über F1 kann man sich eine vorbildliche interaktive Hilfe aufrufen. Aber es gibt innerhalb des Spiels keinen HInweis, was genau zu tun ist, falls die Rohstoffleiste rot blinkt und die Sammler plötzlich nichts tun. Hier hätte ich mir einen Klick auf ein Icon gewünscht, der mir sofort hilft und das Ganze vereinfacht. Wir haben ParaWorld mit mehreren Redakteuren gespielt und bei der Rohstoffbegrenzung kamen immer wieder dieselben Fragen: Wie kann ich die Lagerkapazität erhöhen? Warum muss das so kompliziert sein?

Bei aller Kritik: Man kann dieses System auch zu schätzen wissen. Man gewöhnt sich daran. Vor allem, wenn man sich länger mit den Völkern beschäftigt, sind solche Fragen natürlich kein Thema mehr. Und immerhin hat dieses System einen gemeinen Vorteil, der gerade im Multiplayer fiese Überfalltaktiken fördert. Vernichtet ein Feind ein Lager, habt ihr ein großes Problem: Hat er im Moment der Zerstörung z.B. 1150 Rohstoffe auf dem Konto, werden es auf einen Schlag nur noch 300. Ups? Richtig: Diese effektive Form der Wirtschaftszerstörung kann ein Spiel schnell kippen und Spezialeinheiten mit Gebäudefokus sehr beliebt machen...

    

Die KI ist sehr solide, schlägt in ihrem Verhalten Spiele wie Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde II: (SuM2) Feinde auf dem Weg

Auch an den Küsten sind die Saurier los: Große Titanen hier im Kampf mit Schiffen.
zum Angriffsziel attackieren eure Verbände z.B., wenn sie sie auf dem Weg treffen. Sprich: Sie folgen nicht stur ihren Skripten von A nach B. Außerdem werden immer gezielt eure Helden angegriffen, da sie die mächtigsten Einheiten darstellen. Ihr müsst also auf der Hut sein und sie gut schützen bzw. rechtzeitig heilen. Vorbildlich ist auch, dass es für die KI im Gefechtsmodus nicht nur zehn Schwierigkeitsgrade gibt, sondern auch vier Verhaltensweisen: defensiv, ausgeglichen, offensiv und passiv. Darunter kann man sich etwas vorstellen, das erinnert wohltuend an andere große Spiele wie Ground Control 2 & Co. Und: So kann man eine ungerade Party optimal auffüllen oder sich gezielt vorbereiten.

Alarm & Gegnerverhalten

Unverständlich ist, dass es keine Alarmglocke gibt und dass Arbeiter beim Angriff weder fliehen noch selbständig attackieren. Man kann sie höchstens in Bunker stecken, aber das auch nur manuell. Sprich: Sobald man euer Lager angreift, muss man seine Befehle in einem Wirrwarr aus Zivilisten und Kriegern geben. Warum hat man sich hier nicht einfach am Klassiker Age of Kings orientiert? Da herrschen klare Fluchtwege nach dem Gebimmel. Ein kleiner Trost ist, dass bei der Auswahl eines gemischten Verbandes nur die militärischen zum Angriffsbefehl ausrücken - sprich: Die Bauern bleiben zurück. Auch wieder so eine feine Kleinigkeit, die ParaWorld in Sachen Steuerung positiv abhebt.

Im Multiplayer beginnt die Tüftelei um die beste Armee schon vor dem Spielstart: Ihr könnt euch nämlich mit eurem Freund auf ein Punktelimit von 1000, 3000 oder 10000 einigen und danach wie in einem Trading-Card-Game euer eigenes Deck

Der Drachen-Clan kurz vor dem Untergang: Die Kriegsmammuts des Nordvolks kennen keine Gnade.
zusammenstellen. Das ist zwar nicht ganz so komplex und am Original verhaftet wie in Age of Empires III, aber sehr interessant für individuelle Startvorlieben. Wer den zähen Aufbauteil umgehen will und direkt mit den mächtigen Sauriern loslegen will, kann sich hier in null Komma nichts eine schlagfertige Dinotruppe zusammen stellen. Gerade diese Freiheit relativiert natürlich den Kritikpunkt des zähen Aufbaus in der Kampagne für den Multiplayer.

Mein Deck, dein Deck

Ihr habt keine Lust auf die lange Tüftelei und Armeeaufstellung? Kein Problem, denn es wird auch vorgefertigte in drei Varianten geben: Standard, Taktiker und Stürmer. In Ersterem befinden sich z.B. vier Arbeiter und ein Scout - ideal, um die Karte zu erkunden und schnell Gebäude zu bauen. In Letzterem gibt's nur einen Arbeiter, aber dafür schon zwei Krieger, Bogenschützen und Streitwagen - ideal, für schnelle Attacken und das Sammeln von Skulls über die Saurierjagd.

Die 27 Karten sind nicht nur eine Augenweide, sondern wirken sehr durchdacht: Es gibt reine Kriegslandschaften ohne Gebäudebau, in denen es um die effiziente Truppennutzung geht. Zwischendurch findet man heilende Quellen oder manchmal schützende Artefakte in der Mitte der Karte, die allen Einheiten einen defensiven Bonus verleihen. Es macht einfach Spaß, durch die verschlungenen Canyons zu ziehen oder einsame Inseln zu erforschen. Dabei hat man bei den von uns getesteten Zwei- und Vierspielerkarten auf eine gute Balance geachtet: Die schnellen Wege zum Gegner werden meist von mächtigen Sauriern oder Raubtieren geschützt, die man nicht so einfach besiegen kann.

Die drei Spieltypen erfinden mit Deathmatch, Domination und Defender das Rad zwar nicht neu, aber das Angebot geht mit all seinen Einstellungsmöglichkeiten weit über das hinaus, was z.B. SuM2 bietet. Es macht einen Heidenspaß, gegen die Zeit eine Stellung zu halten - einfach mal 30 Minuten alles in Türme, Mauern und Bunker stecken! Ihr könnt nicht nur das Punktelimit für die Armee festlegen, sondern auch abschalten, dass man Dimensionstore oder Diplomatie samt Rohstoffhandel nutzen kann, Handicaps aktivieren oder den Nebel des Krieges auflösen. Eine Replayfunktion und ein Spectator-Modus runden das prall geschnürte Paket für bis zu acht Spieler ab.

Auch die Servertechnik ist vorbildlich: Normalerweise nutzen Echtzeit-Strategiespiele Peer-to-Peer-Verbindungen, was zu Problemen bei der Performance führen kann. Bei Paraworld verbinden sich beide Clients mit einem neutralen Dedicated-Server, so dass die Leitungsqualität des anderen für das eigentliche Spiel egal ist. Kein Wunder, dass auch die ESL zugeschlagen und ParaWorld den Ritterschlag als offizielles Turnierspiel verliehen hat: Dort könnt ihr euch in der Amateurliga  beweisen. Wer ansonsten online spielen will, findet eine Lobby samt Forum und Laddersystem sowie einer Serverübersicht auf der offiziellen Community-Seite www.myskulls.com  - die ist über den Button "ParaWorld Webseite" aus dem Hauptmenü heraus erreichbar. Natürlich kann man auch im LAN oder über TCP/IP direkt mit einem Freund loslegen.

        

Fazit

Glückwunsch nach Berlin: Der Kampf der Urzeitgiganten hat unseren Gold-Award erobert! ParaWorld punktet mit einem kreativen Szenario, einer hervorragenden Spielbalance sowie abwechslungsreichem Missionsdesign. In der Kampagne weht ein Hauch von Jules Verne, es gibt ein Schuss X-Men mit den Helden und eine Prise Jurassic Park - diese Storyzutaten sorgen schnell für Abenteuerflair, auch wenn die Zwischensequenzen in ihrer Qualität durchwachsen ausfallen. Schade ist auch, dass der Aufbauteil den actionreichen Spielrhythmus etwas ausbremst - etwas weniger Zwang zum Mikromanagement und mehr Fokus auf intensive Kämpfe hätten das Wertungspendel noch höher ausschlagen lassen. Aber ansonsten macht ParaWorld nicht nur alles richtig, sondern vieles handwerklich besser als so manche internationale Konkurrenz: Mauern sind undurchlässig und begehbar, die Marschgeschwindigkeit ist einheitlich, die KI-Routinen sind im Skirmish komplexer, die Karten vielfältiger. Damit ist es gerade im Multiplayer ein Garant für spannende Schlachten. Das innovative Herz des Spiels pocht im Army-Controller - endlich mal etwas Neues und Durchdachtes! Erstens ist er ein herrlich komfortables Werkzeug zum Finden, Heilen und Gruppieren eurer Truppen. Zweitens sorgt er mit seinem Einheitenlimit und der Pyramide der Aufstufung dafür, dass ihr euch klug spezialisieren müsst. Tankrush-Siege oder Kanonenfuttertaktik? Das könnt ihr hier vergessen. ParaWorld erfindet das Genre nicht neu, aber es ist ein überaus kreatives, durchdachtes und intelligentes Spiel. Ich wünsche mir jetzt schon einen Nachfolger mit integrierter Physik-Engine.

Pro

  • fantasievolles Szenario
  • spannende Parallelwelt-Kampagne
  • hervorragende Kulisse
  • klasse Einheitendesign
  • sehr gutes Tutorial
  • fordernde Missionen
  • klasse Fallenbau-Systeme
  • Bonuspunkte für Nebenaufgaben+ innovatives Armee-Management
  • sehr gute Spielbalance
  • drei interessante Völker
  • sinnvolles Skull-Rohstoffsystem
  • einheitliche Marschgeschwindigkeit
  • nur gute Taktik führt zum Sieg
  • Mauer-, Bunker- und Turmbau
  • bemannbare Dinosaurier & Mauern
  • Dinopedia zum Nachschlagen
  • gute deutsche Sprecher
  • sehr großes Kartenangebot
  • Dedicated-Server-Unterstützung
  • Army-Builder sorgt für Trading-Card-Flair
  • diverse Multiplayer-Varianten

Kontra

  • keine Alarmglocke, um Arbeiter zu sichern
  • Rohstofflimit bremst Aufbau aus; zu viel Mikromanagement
  • einige schwache Zwischensequenzen
  • tote Helden tauchen in Filmen auf
  • Kamera zoomt nicht sehr weit raus
  • keine Physik-Engine
  • keine Formationen
  • kein automatisierter Scout
  • keine Flugeinheiten

Wertung

PC

Der Kampf der Urzeitgiganten rockt: kreatives Szenario, klasse Spielbalance, abwechslungsreiche Missionen!