Grand Theft Auto: Vice City Stories - Test, Action-Adventure, PlayStation2, PSP
Victor »Vic« Vance ist im Grunde kein übler Kerl: Eigentlich trat er nur der Armee bei, um seine Familie, und da ganz besonders den kranken Bruder versorgen zu können. Aber wie so oft, wenn man nur beste Absichten hat, geht das Ergebnis nach hinten los. In diesem Fall ist der Knackpunkt sein Vorgesetzter Sergeant Martinez, der ihn dazu bringt, Drogenpakete und Nutten abzuholen, was Vic ratzfatz von höheren Vorgesetzten mit einer unehrenhaften Entlassung quittiert bekommt. Na toll! Nun, wo er schon in Vice City ist, kann er sich auch gleich mal nach Arbeit umsehen: Und so landet er beim dauerbreiten Ballerfreak Phil Cassidy, womit das Unheil seinen Lauf nimmt&
You're in the army now
Logischerweise cruist ihr durch die aus Vice City bekannte Stadt, die aber an einigen Stellen merkliche Unterschiede aufweist - Gebäude wie
»Sunshine Autos« sind noch im Bau, andere fehlen völlig oder sind anders designt. Im Großen und Ganzen ist der Aufbau der Stadt aber identisch, wer Vice City kennt, wird sich hier nicht verfahren. Falls doch, liegt der Packung wie gewohnt ein aufklappbarer Straßenplan bei.Neben der Hauptstory, die euch ungefähr zwölf Stunden in Schach halten sollte, aber leider kaum auf Vics Persönlichkeit und seine Hintergründe eingeht, gibt es GTA-typisch auch in VCS viel nebenher zu tun. Das wären z.B. Klassiker wie Rennen, Feuerwehr- oder Polizei-Missionen, die ihr jederzeit angehen könnt - außerdem könnt ihr auch Strandwache spielen. Im Stadtgebiet sind 99 Luftballon (natürlich rot) verteilt, deren Aufsammlung Bonuswaffen bringt. Neuerdings dürft ihr auch ein eigenes Firmen-Imperium errichten: Bestimmte Gebäude könnt ihr wie in den letzten GTA-Teilen kaufen und sie als Speicherort nutzen. Darüber hinaus lohnt es sich, Geld in diese Unternehmen zu investieren, um sie auszubauen: Bordelle, Schutzgeldzentralen, Kreditinstitute oder Folterkeller gibt es in drei Größen. Je größer der Bau, desto mehr Geld wirft er ab, was ihr jeden Tag automatisch ausgezahlt bekommt - das gewohnte Rennen nach den schwebenden Cash-Icons entfällt hier.
Der kleine Immobilienhai
Ferner bieten in den Häusern stehende Gangster-Kollegen neue Missionen an, die je nach Art des Gebäudes unterschiedlich ausfallen. Im Endeffekt macht man in denen allerdings die ganze Zeit das Gleiche: Laden wird überfallen -> hinrasen, Räuber erledigen -> raus, zum nächsten Geschäft, dasselbe von vorn. Zwischendurch überfällt man auch aus Rache gegnerische Läden, das funktioniert aber nach dem gleichen Prinzip.
Betreibt man ein Bordell, muss man Nutten von einem Klienten zum nächsten Karren, und das 15 Mal hintereinander - gähn! Diese Missionen machen sich selbst das Leben schwer: Sie sind rotzöde und völlig überflüssig - so viel Geld und Respekt bringen sie nicht ein, besonders wenn man durch den Erwerb von ein oder zwei weiteren Imperien weitaus mehr Asche machen kann. Und auch die sind nicht so individuell, wie man meinen könnte, obwohl man sich frei aussuchen kann, welche Art von Haus man errichtet: Der praktische Nutzen (sprich: Geld) ist immer derselbe.Spielerisch bleibt also alles beim Alten, auch wenn's einige sinnvolle Neuerungen bzw. Erweiterungen gibt: Vic kann schwimmen, nach einer vergeigten Mission ein günstiges Taxi nutzen, das ihn direkt zum Auftragsanfang bugsiert, Gangs rekrutieren und unter diversen Klamottensets wählen. Sehr praktisch ist außerdem, dass ihr jetzt die Möglichkeit habt, euer Waffenarsenal, das ihr normalerweise komplett verliert, wenn ihr getötet oder verhaftet werdet, gegen ein Lösegeld wieder vollständig in eure Taschen wandern zu lassen - das ist allerdings ziemlich hoch, so dass sich der Einsatz erst spät im Spiel und eigentlich nur bei besonderen Waffen lohnt.
Der Tradition von LCS folgend erwartet euch hier auch ein Mehrspielermodus für bis zu sechs Gangster: Zehn Spielmodi, von der DM- und CTF-Variante über ein Bombenlegespiel und diverse Rennen gibt's genug Abwechslung. Das Problem ist wieder mal, dass die maximale Spielerzahl im Grunde auch der minimalen entspricht: Da die Levels sehr groß sind (ihr bekämpft euch in gewaltigen Stadtteilen), läuft man sich z.B. zu zweit kaum über den Weg, auch wenn die Position des anderen stets als Namenseinblendung zumindest erahnbar ist. Lediglich das Rennen hat auch mit weniger Teilnehmern Sinn, darüber hinaus muss jeder natürlich seine eigene UMD dabei haben.
Rosa Flamingos überall!
Die Dunkelheit ist ein weiteres Problem: Dafür, dass Vice City eine sonnendurchflutete Stadt ist, geht die Sonne recht früh unter, dafür leisten die Straßenlampen einen unterdurchschnittlichen Job! Bereits ab 20 Uhr des Spieltages ist es ziemlich schwer, Details oder Hindernisse
zu erkennen - obwohl die Sonne offiziell noch gar nicht untergegangen ist. Ein weiterer Nervtot ist die Kamera: Nicht nur, dass das manuelle Nachkorrigieren mit der Kombination Schultertaste + Analogknubbel mit eben intuitiv und schnell funktioniert, auch zeigt die Automatik nicht zuverlässig auf Vic, oft genug sind massive Hindernisse im Weg. Noch dazu tummelt ihr euch sehr oft in engen Räumen - wo gleichsam Kamera wie Steuerung fast völlig versagen, denn der Nahkampf ist der nächste Punkt auf der »Oh je!«-Liste: Prinzipiell könnt ihr schlagen, treten, euren Gegner packen und Angriffe blocken. Praktisch allerdings hat es schon seinen Grund, dass es in GTA so viele Waffen gibt, denn sobald eine gewisse Distanz unterschritten ist, habt ihr keine Chance mehr! Steht euch der Feind gegenüber, kriegt ihr selbst mit Waffe in der Hand nur aufs Maul - die einzige Rettung besteht dann darin, kurz die Beine in die Hand zu nehmen, etwas Distanz zu gewinnen, sich umzudrehen, und den Feind aus der Entfernung auszuschalten. Steckt ihr zwischen mehreren Angreifern fest, ist der Griff zum letzten Savegame fast unumgänglich.Wie gewohnt müssen Besitzer der deutschen Fassung ein paar Schnitte hinnehmen: Es gibt weniger Blut, keine platzenden Köpfe bei entsprechenden Treffern und keine Rampages mehr - das gewohnte Bild, das man im Spielalltag weder merkt noch vermisst. Dafür fallen dieses Mal mehr
Bugs als gewöhnlich auf: In der Garage stehende Fahrzeuge verschwinden ungefragt, ein Bike fängt mitten in der Fahrt, ohne beschossen oder beschädigt zu werden, zu brennen an, die Grafikperspektive verstellt sich immer wieder mal von selbst, Wheelie-Stürze können trotz voller Energie und Schutzweste tödlich enden. Kein Bug im eigentlichen Sinne, aber höchst ärgerlich ist, dass man sich nicht bewegen kann, während man einen Gegner anvisiert. Und richtig doof ist, dass die Musik während der Fahrt immer wieder hörbar für einen Sekundenbruchteil aussetzt. Denn der Soundtrack, die DJs, die Werbespots, die Dialoge sind wieder einmal brillant! Bekannte Sprecher wie Gary Busey, Phillip Michael Thomas und Phil Collins verleihen ihren Figuren Leben, die Sprachausgabe ist komplett englisch, auf Wunsch auch deutsch untertitelt. Während Fahrt oder Flug schmettern euch Dutzende Eighties-Hymnen von Kiss, Judas Priest, INXS, Genesis, Toto, Foreigner oder Art of Noise entgegen, wobei es erstaunlich wenig Überschneidungen mit Vice City gibt! Schmähnaturen können auch eigene Soundtracks nutzen, dürften dann aber beim falschen Spiel gelandet sein.Zeit für hellblaue Jacketts!
Fazit
Wenn ich an Vice City denke, gerate ich immer noch ins Schwärmen: So mancher Nerv-Mission zum Trotz ist das für mich nach wie vor einer der besten GTA-Teile, was in einem Pool hochklassiger Produkte einiges heißt. Wenn ich mich geistig allerdings drei Jahre in die Zukunft versetze, glaube ich nicht, dass ich dasselbe über Vice City Stories sagen werde - da gibt es einfach zu viele Ärgernisse: Die schlaffe Story, die kaum in die Gänge kommt. Die krampfigen Nahkämpfe. Die Drive-Bys, die eine Pein sind. Die unnötig dunkle Darstellung. Und mit Vic den eindimensionalsten Helden seit langem, über dessen Hinter- oder Beweggründe man kaum etwas erfährt. Hinzu kommen die Fade-In-Probleme, die ausgeprägter sind als bei jedem anderen GTA. Und doch zocke ich weiter und weiter, denn obwohl VCS die Serie spielerisch nicht weiterbringt oder spürbar verbessert, liefert es gewohnt unterhaltsame und bissige Action! Es macht tierisch viel Spaß, mit High-Speed durch die sonnigen Straßen Vice Citys zu cruisen, die Kulisse ist fantastisch, die Akustik grandios! Unterm Strich ist das immer noch ein sehr gutes GTA. Bloß kein brillantes mehr...
Pro
- gute Atmosphäre
- meist flüssige, detailreiche Grafik
- großartige Zwischensequenzen
- coole englische Dialoge
- ausgezeichneter Soundtrack
- gute Animationen
- tolle Vehikel-Steuerung
- intelligentes Missionsdesign
- große Stadt
- intelligentes Zielsystem
- skurrile Charaktere
- verhältnismäßig kurze Ladezeiten
- witziges Handbuch
- spaßiger Multiplayermodus mit vielen Spielvarianten
- allerlei Nebenbeschäftigungsmöglichkeiten
Kontra
- gelegentlich problematische Kamerasteuerung
- erheblich mehr Fade-In-Probleme als gehabt
- krampfiger Nahkampf
- schlaffe Story
- eckige Figuren
- gelegentliche Soundaussetzer
- diverse Grafikbugs
- gelegentliche Ruckler
- gewöhnungsbedürftiges Grafik-Nachziehen
- teils öde Nebenmissionen