RACE: The WTCC Game - Test, Rennspiel, PC

RACE: The WTCC Game
25.11.2006, Michael Krosta

Test: RACE: The WTCC Game

Realistische Rennsimulationen am PC wurden in den letzten Jahren hauptsächlich mit einem Namen verbunden: SimBin. Die schwedischen Entwickler sorgten mit Titeln wie der GTR-Serie sowie GT Legends für Aufsehen. Jetzt haben die Jungs das Team gewechselt und schicken für Eidos Race auf die Piste, das sich der WTCC-Serie widmet. Kann SimBin noch eine Schippe nachlegen oder legt man einen enttäuschenden Fehlstart hin?

Bisher richteten sich die Spiele aus dem Hause SimBin mit ihrer realistischen Fahrphysik in erster Linie an Profis, die es verstehen, die PS-starken und biestigen GT-Renner unter Kontrolle zu halten. Auch Race punktet mit einem durchweg realistischen Handling, gibt Anfängern aber dennoch die Chance, Rennluft ohne große Frustrationen zu schnuppern. Dazu tragen nicht nur die Fahrhilfen wie ABS, Antischlupfregelung oder Stabilitätskontrolle bei, die in drei Stufen geregelt werden können. Auch die Tatsache, dass ihr hier überwiegend in den Wagen der WTCC-Serie Platz nehmt, kommt Einsteigern entgegen: Mit ihren knapp 300 PS sind die Boliden deutlich leistungsschwächer als die GTR-Flitzer und reagieren

Frontantrieb gegen Heckantrieb: Wer macht das Rennen?
dementsprechend gutmütiger. Hinzu kommt, dass ihr hier nicht nur anspruchsvolle Heckschleudern wie den BMW 320si über die Kurse dirigiert, sondern euch vornehmlich in Fahrzeugen mit Frontantrieb wie dem Seat Leon oder Peugeot 407 wieder findet, die sich hauptsächlich durch Untersteuern auszeichnen, während Wagen mit Heckantrieb bekanntlich mit dem Heck ausbrechen.

Anfängerfreundlich

Tatsächlich wird sogar ein Neuling schnell feststellen, dass sich das Fahrverhalten der Rennwagen mitunter deutlich unterscheidet. Zwar lassen sich die original lizenzierten Karossen auch mit einem Gamepad komfortabel steuern, doch entfaltet Race sein volles Potenzial erst mit einem Lenkrad und dem hervorragenden Force Feedback, das euch jede Unebenheit, jede Kollision und jede Kraft, die da auch euren fahrbaren Untersatz einwirkt, spüren lässt. Genau wie schon bei anderen SimBim-Titeln ist das Fahrverhalten auch hier ein Traum, der kaum Wünsche offen lässt. Auch bei den Einstellungen bekommt ihr die gewohnte Klasse geboten und könnt überall herumschrauben, um den Flitzer optimal an die Streckenbedingungen und euren Fahrstil anzupassen. Die verschiedenen Setups könnt ihr speichern und sogar mit anderen Fahrern im Internet teilen.

Traumhaftes Fahrverhalten

Im Mittelpunkt steht die WTCC-Meisterschaft. Konnte SimBin für die beiden GTR-Spiele nur auf veraltete Lizenzen zurückgreifen, gibt sich Race mit der 2006er-Saison aktuell und bietet sämtliche Originalfahrer und Fahrzeuge. Die Saison umfasst 20 Rennen, die sich auf zehn authentischen Strecken vom italienischen Monza über das deutsche Oschersleben bis nach Mexiko und Brasilien verteilen. Als Premiere findet sich zudem erstmals der fordernde Stadtkurs von Macao in einem Videospiel. Trotzdem erscheint die Streckenauswahl im direkten Vergleich mit den inoffiziellen Vorgängern etwas mau. Als Ausgleich haben die Entwickler mit dem BMW M3 und Alfa Romeo 75 Turbo E allerdings zwei WTCC-Klassiker aus den Achtzigern integriert, mit denen ihr eure Runden drehen dürft. Außerdem findet sich die Mini-Challenge, die gerade wegen der gleichwertigen Fahrzeuge mit vergleichsweise wenig Leistung äußerst spannende Rennen garantiert. Neben der Meisterschaft erwarten euch zudem Zeitangriffe gegen eigene Ghosts, Fahrerduelle gegen ausgewählte Piloten auf festgelegten Strecken oder freie Trainingsrunden - eine Fahrschule gibt es jedoch nicht. Dafür bieten die Rennen eine Besonderheit: Wo Veranstaltungen in anderen Serien wie z.B. der Formel 1 nur aus einem Lauf bestehen, gibt es hier gleich zwei. Während ihr im ersten Rennen gemäß eurer erreichten Position im Qualifying startet, greifen beim zweiten Lauf andere Regeln. Hier starten die ersten acht Fahrer des ersten Rennens in umgekehrter Reihenfolge, sprich: Habt ihr den ersten Lauf gewonnen, startet ihr beim zweiten Lauf auf dem achten Platz und umgekehrt. Wie nicht anders zu erwarten,

Echte Rennfahrer brauchen eine Cockpit-Perspektive!
dürft ihr auch online oder via LAN Rennen austragen und könnt die Wettbewerbe nach euren Vorstellungen und Regeln gestalten. In unseren ersten Proberunden im Netz lief das Geschehen überwiegend lagfrei über den Bildschirm, womit Race auch online für puren Fahrspaß sorgt.

Meisterlich?

Was muss eine Hardcore-Simulation außer einer realistischen Fahrphysik noch bieten? Richtig, ein gutes Schadensmodell. In diesem Punkt haben die Jungs von SimBin vor allem in optischer Hinsicht leider etwas geschlampt: Zwar gibt es einige Beulen zu sehen und nach richtig bösen Rempeleien fliegen auch Teile wie die Motorhaube oder Stoßstangen durch die Luft, doch vermisst man einige Details. Kratzer im Lack gibt es keine, auch die Scheiben bleiben heil und wenn der Motor in Flammen hochgeht oder die Reifen qualmen, sieht der grünliche Rauch alles andere als realistisch aus. Fahrt ihr euch zudem in der Außenansicht einen Spiegel ab und schaltet danach wieder in die insgesamt gelungene Cockpit-Darstellung, ist der verlorene Spiegel plötzlich wieder vorhanden - und das ohne irgendwelche Beeinträchtigungen, wie es sie z.B. in PGR 3 auf der Xbox 360 zu sehen gab. Auch erscheint das Schadensmodell in vielerlei Hinsicht etwas zu gutmütig zu sein: Wenn mich meine Crew informiert, dass ich meinen Verteiler verloren habe, ich aber trotzdem ohne großartige Beeinträchtigungen weiterfahren kann, gibt mir das einige Rätsel auf. Trotzdem ist das Schadensmodell besser als das, was einige andere Genre-Vertreter bieten, doch hätte man hier viel mehr machen können. Doch wahrscheinlich galt es hier abzuwägen, denn immerhin befinden sich oft über zwanzig Fahrzeuge gleichzeitig auf der Strecke. Die KI agiert meist kämpferisch und kann auch mit dem Begriff "Kampflinie" etwas anfangen, so dass es einige interessante Duelle zu sehen gibt. Allerdings steht ihre Leistung in den Qualifying-Sessions zu keinem Verhältnis zu den Rundenzeiten, die sie im anschließenden Rennen in den Asphalt brennen. Will heißen: Im Qualifying protzen die KI-Fahrer mit flotten Zeiten, doch im Rennen scheinen sie mit leicht angezogener Handbremse zu fahren. Landet ihr z.B. nur auf dem letzten Startplatz reicht in der Regel eine Runde aus, um am Fahrerpulk vorbei wieder in die Top 5 vorzufahren. Außerdem konnten wir ab und an KI-Aussetzer beobachten, bei denen Fahrer bei der Boxenausfahrt ohne Grund in das dort parkende Safety-Car gekracht sind. Apropos Box: Die Besuche bei euren Mechanikern für eventuelle Reifenwechsel, Betankungen oder Reparaturarbeiten hätten auch ansprechender ausfallen können. Anstatt den Stopp mit einer animierten Boxencrew spannend zu inszenieren, bleibt die Kamera in der Cockpitperspektive und zählt lediglich die Zeit hoch - ganz großes TV-Sportprogramm!       

Flammen & Beulen

Konfus ist zudem die Regelung nach der Qualifikation: Vor dem Rennwochenende dürft ihr festlegen, an welchen Sessions, angefangen beim freien Training bis hin zum Rennen, ihr gerne teilnehmen wollt. Beschließt ihr nach der ersten (misslungenen) Qualifying-Runde die Session abzubrechen und direkt zum Rennen zu gehen, findet ihr euch seltsamerweise auf der Pole Position wieder. Wie das? Weil kein anderer Fahrer vor eurem Abbruch eine Zeit fahren konnte. Und selbst wenn schon andere Piloten Rundenzeiten vor eurem Fortschreiten vorgelegt hätten, würdet ihr euch schlimmstenfalls

Mit nur 5 Gängen und dem Heckantrieb bildet der BMW eine Ausnahme im WTCC-Fuhrpark.
maximal hinter diesen in der Startaufstellung einordnen müssen. Wirklich schade, dass es SimBin nicht geschafft hat, das Qualifying auch nach einer Aufgabe zu simulieren. Denn wer nur eine schlechte oder sogar überhaupt keine Rundenzeit vorlegt, gehört auf den letzten Platz in der Aufstellung und nicht auf die Pole Position!

Ohne Quali auf die Pole?

Nicht nur bezüglich der Fahrphysik, auch in Sachen Präsentation merkt man Race die Verwandtschaft zu GTR an: Die Fahrzeugmodelle sehen durchweg hervorragend aus und bieten neben den gelungenen Cockpit-Perspektiven auch detaillierte Karosserien in der Außenansicht, an denen ihr Details wie originalgetreue Schriftzüge oder die Bremsscheiben problemlos erkennen könnt. Ein toller, wenn auch etwas plötzlich aufpoppender Effekt ist zudem der Schmutz, der sich zunehmend auf eurer Windschutzscheibe breit macht sowie die sehenswerten, dynamisch reagierenden Regentropfen. Erst ein Druck auf den Scheibenwischer-Knopf sorgt hier wieder für den vollkommen klaren Durchblick. Doch so schön die Fahrzeugmodelle auch gelungen sind, so steril und abwechslungsarm präsentieren sich die zehn Kurse, die seit GTR kaum grafische Fortschritte gemacht haben. Noch immer hocken bis auf die Polygon-Streckenposten leblose Pappkameraden auf den Tribünen, die nicht mal Fahnen schwenken. Noch immer zieren zweidimensionale Bitmap-Bäume den Streckenrand, die heutzutage einfach überholt sind. Abgesehen von den Rennwagen und ihren spannenden Positionskämpfen  ist wenig los und so sucht ihr Objekte wie Hubschrauber oder Vögel am Himmel, die den Kulissen etwas von ihrer Sterilität nehmen würden, leider vergebens. Auch beim Sound haben wir schon Besseres gehört. Zwar klingt Race mit seinen leicht synthetisch anmutenden Motoren nicht schlecht, doch vermisst man genau diese aggressiven, kernigen Motorensounds sowie das kraftvolle Knacken des Getriebes, die GTR 2 so ausgezeichnet haben. Außerdem ertönt der Boxenfunk nur in englischer Sprache aus dem Lautsprecher und in den teilweise verschachtelten Menüs finden sich einige unschöne Überlappungen in der Navigation.    

Tolle Modelle, sterile Kulissen

Fazit

Ja, auch Race hat mir vor allem aufgrund seines tadellos genialen Fahrgefühls und einer weniger populären, aber durchaus spannenden Rennserie einige spaßige und aufregende Stunden am Lenkrad beschert! Allerdings macht sich SimBin mit Race selbst das Leben schwer, denn das aktuelle Projekt muss sich mit der hauseigenen Vorzeige-Simulation GTR 2 messen. Doch genau wie die recht schwachbrüstigen WTCC-Boliden nicht bei den leistungsstärkeren GT-Rennern mithalten können, scheitert auch Race daran, den Atari-Racer zu überflügeln. Dafür hat sich bei der Präsentation mit sterilen und weniger vorhandenen Strecken, Papp-Publikum und langweiligen Boxenstopps einfach zu wenig getan  - auch das Schadensmodell sowie die KI-Routinen hätten weiter verfeinert werden müssen. Der merkliche Leistungsunterschied der anderen Fahrer zwischen Qualifying und Rennen erscheint mir unverständlich, genau wie nach einem abgebrochenen Qualifying auf der Pole Position zu landen. Trotzdem ist Race vor allem aufgrund der traumhaften Fahrphysik und der ausgezeichneten Steuerung (vor allem mit Force Feedback) nicht nur für Profis, sondern auch für Anfänger empfehlenswert, die sich mit Fahrhilfen und den schwächer motorisierten WTCC-Boliden optimal an dieses Genre herantasten können. Nicht zu vergessen die tolle Mini-Challenge, in der ihr euch auch bei niedrigem Tempo aufregende Rennen liefert...

UPDATE: Obwohl unsere Testversion noch unabhängig von Steam funktionierte, sieht die Sache bei der heute bei uns eingetrudelten Verkaufsversion anders aus. Leider müsst ihr diese ZWINGEND über Steam freischalten lassen - will heißen: Ihr benötigt eine Internetverbindung sowie ein kostenloses Steam-Konto, um Race auf eurem PC zum Laufen zu bringen.

Pro

  • ausgezeichnete Steuerung
  • hervorragende Force Feedback-Unterstützung
  • Wagen mit Front- und Heckantrieb
  • exzellente Fahrphysik
  • umfangreiches Setup
  • sehr detaillierte Wagenmodelle
  • einsteigerfreundlich
  • sehenswerte Regeneffekte
  • guter Onlinemodus
  • Schäden wirken sich auf Fahrverhalten aus
  • zwei Rennen pro Veranstaltung
  • gutes Geschwindigkeitsgefühl
  • tolle Cockpitperspektive
  • integrierte Mini-Challenge

Kontra

  • vereinzelte KI-Aussetzer
  • KI je nach Session unterschiedlich stark
  • optisch schwaches Schadensmodell
  • unspektakuläre Boxenstopps
  • lange Ladezeiten
  • relativ wenige Strecken
  • vereinzelte Pop-Ups
  • nach Quali-Abbruch Pole Position
  • ausbaufähige Motorensounds
  • nur englischer Boxenfunk
  • überlagerte Menüs
  • sterile Kulissen
  • Raucheffekte mit Grünstich
  • Steam zur Freitschaltung notwendig

Wertung

PC