Sherlock Holmes 3: Die Spur der Erwachten - Test, Adventure, PC

Sherlock Holmes 3: Die Spur der Erwachten
01.12.2006, Bodo Naser

Test: Sherlock Holmes 3: Die Spur der Erwachten

Auf den ersten Blick haben die Geschichten von H.P. Lovecraft und die von Sherlock Holmes wenig gemein, auch wenn bei ersterem gelegentlich auch Ermittler vorkommen. Beide handeln jedoch von finsteren Geheimnissen, denen ihr jetzt auch in Sherlock Holmes: Die Spur der Erwachten auf den Grund gehen könnt. Ob Cthulhu und der Detektiv in ein Abenteuer passen?

Ich lese die Storys aus der Feder von H.P. Lovecraft gerne, obwohl sie aufgrund des schwülstigen Schreibstils schwer zugänglich sind. Gerade die Erzählungen des Cthulhu-Mythos sind nicht einfach nur

Die Anspielungen auf Cthulhu finden sich im Spiel allerorten, meist eher offen als versteckt.
 Gruselgeschichten, sie eröffnen eine ganz neue geheime Welt, die sich hinter der unseren verbirgt. Ein Universum des Schreckens voller mysteriöser Völker, finsterer Riten und erbarmungsloser Götter, das menschliche Betrachter schlicht verrückt werden lässt. Hier überlebt nur, wer sich vor den so genannten "Alten" in den Staub wirft, sie anbetet und sich bedingungslos in ihre Fänge begibt.

Erzählungen des Wahnsinns

Wie viele "Große Alte" so ist auch der krakengesichtige Cthulhu längst in Vergessenheit geraten, nachdem alle das Zeitliche segneten, die ihn einst verehrten. Nach menschlichem Ermessen lebt er allerdings ewig. Aus dem Necronomicon wissen wir, dass nichts richtig tot ist - ganz bestimmt nicht ein uraltes Wesen aus den Tiefen der See. Er lauert nur auf seine Rückkehr, bis er wie in Cthulhus Ruf von einem Unglücklichen beschworen wird. Ähnlich Verwerfliches führen auch die Leute einer mysteriösen Sekte in Die Spur der Erwachten im Sinn, wenn sie scheinbar wahllos Personen auf der ganzen Welt entführen. Nicht auszudenken, was geschehen könnte, wenn das Böse tatsächlich wieder erweckt würde.

Im Adventure wecken die Cthulhu-Jünger das Interesse des berühmtesten Detektivs, den das London der viktorianischen Ära zu bieten hat. Der von Arthur Conan Doyle ersonnene Sherlock Holmes

Sherlock Holmes wirkt einmal mehr wie ein Fels in der Brandung des von Wirrköpfen heraufbeschworenen Chaos.
missbilligt derartige Unterwürfigkeit natürlich auf Schärfste, denn er ist ein Mann des Verstandes. Für ihn zählt nur die Wissenschaft, was ihn zum Feind der Anhänger solchen Unglaubens macht. Insbesondere Physik und Chemie haben es ihm angetan, die im Spiel immer wieder auftauchen. Obwohl es mehr als 30 Jahre vor den Geschichten um Cthulhu spielt, sind Holmes und sein getreuer Dr. Watson dennoch die Einzigen, die den Untergang der zivilisierten Welt noch aufhalten können.

Holmes vs. Cthulhu

Als der maoristämmige Diener eines vornehmen Londoner Herren verschwindet, macht sich Holmes missmutig auf die Suche nach ihm. Insgeheim vermutet er, dass der Knecht aus Neuseeland schlecht behandelt wurde und deshalb türmte. Doch als weitere Personen vermisst werden, darunter auch der Leibwächter einer waschechten Prinzessin, ist klar, dass es sich um eine größere Sache handelt. Zudem findet Holmes erste Spuren, die auf eine Entführung hindeuten. Nun hat der Meisterdetektiv Blut geleckt und nimmt die Fährte der Entführer auf.

Nun ist es an euch, Holmes und Watson durch die Gassen von London zu lotsen, wo alles beginnt. Zunächst übernehmt ihr den Detektiv, später könnt ihr auch in Watsons Rolle schlüpfen. Ihr seht das

Nicht nur im Hafenviertel sieht vieles im 3D-Adventure kahl und leblos aus, obwohl es durchaus alt wirkt. 
 Geschehen aus der Ich-Perspektive. Obwohl die Steuerung keinesfalls sehr ausgeklügelt ist, bleibt ihr fast nirgends hängen, was beim Vorgänger noch anders war; sogar sich zu ducken fällt leicht. Eine Schnellreisefunktion erleichtert euch das Fortkommen. Leider stoßt ihr ziemlich oft an sichtbare und unsichtbare Grenzen wie Barrikaden, wo Holmes dann zum Besten gibt: Ich habe keinen Grund, dort hinzugehen. Auch hier beweist er scheinbar hellseherische Fähigkeiten...

Barrikaden in London

Start ist in der bekannten Wohnung in Baker Street 221b, die stilecht umgesetzt wurde. Komplett mit viktorianischem Interieur, Labor und Droschke vor der Tür. Schön, das mal alles in 3D zu sehen, auch wenn die 3D-Grafik nicht vom Feinsten ist. Auf der Straße sieht alles ein bisschen steril aus, es gibt nur wenig Leben und Details. Das liegt auch daran, dass viele Objekte bloße Staffage sind. So könnt ihr nur einen Bruchteil der Schränke und Türen öffnen. Die Personen bewegen sich, als hätten sie einen Stock verschluckt. Später kommt ihr noch an andere Orte, wie den Hafen, ein Sanatorium in der Schweiz und nach New Orleans in Louisiana.

Knobeltechnisch gibt es einiges zu tun, auch wenn die Aufgaben recht unterschiedlicher Qualität sind. Die meisten Dinge sind mal wieder Inventarrätsel, bei denen ihr einen Gegenstand an die richtige

Eine der Aufgaben: Ihr erwacht in einer Zelle und müsst rauskommen. Wer sich richtig umschaut, ist klar im Vorteil.
Stelle bringen müsst. Die Kunst hierbei ist, auch wirklich alles in einem Raum aufzusammeln, was nicht immer gelingt - an der Bedienung liegt es aber nicht. Wenn die Chemie ins Spiel kommt, dürft ihr auch Sachen mischen. Kombinationsrätsel sind eher die Ausnahme, kommen aber auch vor, etwa wenn ihr ein Schloss mit einem Löffel knacken müsst. So was lässt sich oft durch Rumprobieren lösen. Die Rätsel sind laufintensiv, da ihr immer wieder an frühere Orte zurückkehren müsst.

Lösbare Rätsel

So müsst ihr etwa im Sanatorium in den Bergen zuerst mit einem Patienten namens Wolf sprechen, dann dessen Akte lesen, um festzustellen, dass er nur mit seinem geliebten Professor sprechen will. Dann müsst ihr ein Bild des Nervenarztes organisieren, die Verkleidung und euch als dieser ausgeben. Nur so verrät euch der Patient, was der Doktor immer getan hat, um die Geheimtür zu öffnen. Ihr seht schon, wie linear das Adventure aufgebaut ist, auch wenn ihr oft frei umherlaufen könnt. Immer wieder sind die Rätsel hintereinander geschaltet, denn hier könnt ihr die Geheimtür nicht öffnen, bevor ihr euch nicht unterhalten habt.

                               

Allerdings gibt es auch Aufgaben, die etwas von der üblichen Norm abweichen. Bisweilen wird hier sogar die 3D-Umgebung mit einbezogen, etwa wenn ihr in ein

Das tägliche Brot eines Detektivs kommt im Gegensatz zum Vorgänger eher selten vor.  
 verdächtiges Lagerhaus im Hafen gelangen wollt. Hier kommt sogar Dr. Watson als zweite Person ins Spiel. Ihr zieht mit Holmes am Strick, während Watson durchs Fenster schielt und die Anweisungen gibt. Nur so öffnet ihr den Mechanismus. Einiges wurde automatisiert, so dass es mitunter keine große Herausforderung ist. Holmes macht die Dinge von alleine, wenn ihr an der richtigen Stelle seid und alles vorbereitet habt; Actioneinlagen gibt es nicht.

Bei der Ermittlung

Echte Detektivarbeit, von der Vorgänger nur so strotzte, ist kaum gefordert: Es lässt sich an einer Hand abzählen, wie oft ihr Vergrößerungsglas, Maßband und Pinzette bemüht, um Spuren einzusammeln. Eine Ausnahme davon bilden die Abschlussfragen nach jedem Kapitel, bei denen ihr auch mal das sagen dürft, was ihr wollt. Hier müsst ihr meist nur ein Wort eingeben, um zum nächsten Schauplatz zu kommen. Leider lässt sich das nicht abbrechen, wenn ihr was nachschauen wollt. Also kein Vergleich mit dem Vorgänger, wo ihr nach jedem Abschnitt ein kleines Examen ablegen müsstet. Insgesamt sind die Rätsel einfacher als bei Der Silberne Ohrring.

Die Dialoge laufen leider nur automatisch ab, das heißt ihr dürft nicht wie beim Vorgänger bestimmen, was ihr sagen wollt. Für einen Detektiv ist das natürlich nicht das Gelbe vom Ei, denn er sollte schließlich die Zeugen und Verdächtigen verhören. Das Gesagte hilft euch meist weiter, so dass ihr alle Gespräche im Inventar nachlesen könnt. Die deutsche Sprachausgabe ist professionell aufgenommen, überzeugt aber nicht durchweg. Holmes und Watson sind würdig besetzt, der Rest geht so. Ansonsten kommt noch der Sprecher aus Die Gilde 2 vor.

Lesbare Gespräche

Lovecraft hätte wohl keine Freunde an dem Spiel. Obwohl sich die Macher Mühe gegeben haben, will leider keine rechte Atmosphäre aufkommen. Das gilt weniger für das viktorianische Flair, das noch in

Trotz finsterer Szenen. Wer hier auszieht, um das Fürchten zu lernen, wird kaum fündig werden.
Ansätzen vorhanden ist, als für die Gruselstimmung. Obwohl vieles düster bis trostlos aussieht, fährt euch nicht einmal in den wüstesten Szenen ein Schauer über den Rücken. Nicht im herunter gekommenen Hafenviertel, den klaustrophobisch engen Gängen des Sanatoriums oder den paar Filmszenen, in denen ihr zerstückelte Leichen findet. Noch nicht einmal als Cthulhu selbst seine Oktopusarme schwingt, graut es mir.

Gänge ohne Flair

Trotz regelmäßig vorkommender Zwischensequenzen in Spielgrafik hätte man vieles noch besser inszenieren können, denn sogar das spielerisch durchwachsene Action-Adventure Call of Cthulhu: Dark Corners of the Earth mit seinen Schockszenen ist gruseliger. Vielleicht liegt es auch an der Bombast-Musik, die sich irgendwie seltsam zerstückelt anhört. Auch die Geräusche wie die Schreie der Anstaltsinsassen sind eher unfreiwillig komisch als wirklich beklemmend. Für Horror ist derartige Komik freilich der Todesstoß

           

Fazit

Der dritte Auftritt von Sherlock Holmes enttäuscht, erinnert das Ganze doch eher an das verkorkste In 80 Tagen um die Welt als an den gelungenen Vorgänger. Obwohl das 3D-Adventure eine spannende Mystery-Story erzählt, die Elemente von Arthur Conan Doyle und H.P. Lovecraft gleichermaßen berücksichtigt, will keine rechte Stimmung aufkommen. Das liegt sicher auch daran, dass die Geschichte zu schnell die Katze aus dem Sack lässt. Schon nach dem zweiten Kapitel wisst ihr, dass Cthulhu-Jünger ihr grausiges Spiel treiben. Der richtige Thrill entsteht aber bekanntlich nur, wenn ihr gegen unbekannte Mächte kämpft. Die Rätsel sind recht abwechslungsreich: Es gibt Inventar-, Kombinations- und Logikrätsel, bei denen sogar Einsteiger massig Schlösser knacken, kühn konstruierte Mechanismen in Gang setzen und sogar Aufseher betäuben. Die Detektivarbeit kommt trotz gelegentlicher Chemieeinlagen allerdings zu kurz. Auch wurde der Anspruch vernachlässigt, da viele Rätsel quasi im Vorbeigehen lösbar sind. Ansonsten ist viel Laufarbeit gefragt, alles wirkt linear wie eh und je und ihr müsst an besuchte Orte ein zweites Mal zurückkommen. Die bemühte 3D-Umgebung wirkt irgendwie unecht, ihr dürft nicht alles erforschen und die Bewegungen der Personen sehen ungelenk aus. Dennoch wollen Fans von Sherlock oder Cthulhu wissen, wie alles ausgeht, weshalb ihr trotz aller Schwächen an der Maus bleibt, wenn ihr mal ein paar Kapitel durch habt.

Pro

  • geheimnisvolle Story
  • verschiedene Rätsel
  • lösbare Aufgaben
  • einfache Bedienung
  • nützliches Inventar
  • echte 3D-Grafik
  • viktorianische Umgebung

Kontra

  • kaum gruselige Atmosphäre
  • laufintensive Rätsel
  • linearer Aufbau
  • Rückkehr notwendig
  • viele Barrieren
  • automatische Dialoge
  • Umgebung wirkt steril
  • lächerliche Geräusche

Wertung

PC

Leider kommt es nicht an den stilechten Vorgänger ran.