GT Pro Series - Test, Rennspiel, Wii

GT Pro Series
07.12.2006, Michael Krosta

Test: GT Pro Series

Bei einem Konsolen-Launch ist es wichtig, möglichst viele Genres abzudecken. Zur Veröffentlichung des Wii hat sich Ubisoft für den Bereich Rennspiele empfohlen und neben den Monstertrucks aus Monster 4x4 World Circuit auch die Flitzer von GT Pro Series (ab 31,89€ bei kaufen) mit in die Startaufstellung gepackt. Erwartet euch hier eine flotte Mischung aus Ridge Racer und Sega GT oder erlebt das Genre auf der Wii-Konsole seine erste Fehlzündung?

Euch werden die Tränen kommen, wenn ihr GT Pro Series zum ersten Mal an der neuen Nintendo-Konsole zu Gesicht bekommt. Nein, ich spreche hier nicht von Freudentränen! Der Ubisoft-Racer ist von der ersten Minute an eine herbe Enttäuschung und pendelt sich grafisch mit seinen verpixelten sowie leblosen und sterilen Kulissen auf PSone-Niveau ein. Ach quatsch, was red ich da: Es ist noch schlimmer! Wenn ich die Wahl zwischen dem ersten Ridge Racer und diesem

Das Fahrerfeld ist mit insgesamt 12 Teilnehmern relativ groß für einen Arcade-Racer.
Machwerk hätte, würde ich den Arcade-Spaß aus dem Hause Namco ohne langes Überlegen vorziehen, denn er sieht nicht nur ansprechender aus, sondern hört sich auch besser an und spielt sich mit herrlich kontrollierbaren Drifts nebenbei tausendmal geiler als dieser Schrott.

Ein Trauerspiel

Trotzdem geht die Steuerung mit dem Wii-Controller insgesamt nicht schlecht von der Hand: Genau wie bei Monster 4x4 World Circuit liefert Ubisoft auch hier das kleine Plastik-Lenkrad mit, das auf den ersten Blick wie ein schlechter Witz wirkt. Doch hat man die Wii-Remote erstmal in die Mitte geklemmt und die erste Kurve nach einer kurzen Eingewöhnungszeit halbwegs sicher genommen, wird man feststellen, dass dieses Gimmick gar nicht mal so schlecht ist, obwohl es ein echtes Lenkrad mit Pedaleinheit und realistischen Force Feedback-Effekten niemals ersetzen kann. Vor allem die Tatsache, dass sich Gas- und Bremse auf dem 1- und 2-Knopf direkt nebeneinander befinden und die Handbremse auf dem Digitalkreuz platziert wurde, ist etwas gewöhnungsbedürftig. Allerdings versteht sich GT Pro Series trotz lizenzierter Japan-Karossen von Honda, Toyota, Mazda & Co ohnehin nicht als Simulation, denn dafür ist das Fahrverhalten zu sehr auf Arcade ausgelegt und erinnert ein wenig an Ridge Racer. Genau wie bei der Namco-Serie neigen die Fahrzeuge auch hier dazu, in Kurven mit dem Heck auszubrechen, so dass ihr fleißig gegenlenken müsst. Entscheidet ihr euch vor dem Rennen für das driftlastige Fahrverhalten, verlieren die Boliden sogar noch schneller an Grip, so dass schon fast Kart-Feeling aufkommt. Trotzdem hat man nie das Gefühl, die Rutschpartien so präzise kontrollieren zu können wie in Ridge Racer & Co, was ihr vor allem im separaten Drift-Kombo-Wettbewerb zu spüren bekommt. Auch die Kollisionsabfrage lässt zu wünschen übrig: Ihr habt manchmal das Gefühl, durch einige eurer elf Kontrahenten hindurch zu fahren und kommt ihr dem

Auch Nachtfahrten stehen in der GT-Serie auf dem Programm.
Fahrbandrand etwas zu nahe, wird das eigene Gefährt urplötzlich abgebremst, obwohl offensichtlich noch genug Platz zwischen euch und der Mauer ist. Ein Schadensmodell gibt es übrigens nicht und so wirken sich Kollisionen weder auf die Optik noch auf die Leistung eures Wagens aus.

Lenkrad inklusive

Neben Einzel- und Zeitrennen sowie weniger empfehlenswerten Splitscreen-Rasereien mit bis zu vier Spielern ist die Meisterschaft der Spielmodus, in dem ihr die meiste Zeit verbringen könnt. Genau wie in Gran Turismo stehen euch diverse Wettbewerbe zur Auswahl, die oft bestimmten Beschränkungen wie z.B. dem zulässigen Höchstgewicht unterliegen oder nur bestimmte Wagenmodelle zulassen. Während ihr beim Polyphony-Titel oft hart arbeiten musstet, um die notwendige Kohle zur Anschaffung eines bestimmten Boliden zu ermöglichen, werden die Anforderungen bei GT Pro Series denkbar einfach erfüllt. Ihr sitzt gerade im falschen Wagen? Kein Problem, dann begebt euch einfach in die Fahrzeug-Übersicht und wählt das Auto, das ihr für den Wettbewerb braucht. Zahlen müsst ihr nichts, denn hier ist alles kostenlos - und damit halten sich Herausforderungen in Grenzen. Das gilt auch für das Tuning: Genau wie bei den Flitzern, bekommt ihr auch hier jedes Teil, ohne einen Cent dafür zahlen zu müssen. Einziger Haken: Neue Tuning-Optionen wie Auspuffanlagen, Federn und Motor-Upgrades müssen erst durch Rennsiege freigespielt werden. Erst dann stehen euch nach und nach die Leistungsstufen vom Straßen- bis zum Rennpaket zur Verfügung.

Karriere ohne Kohle

  

        

Bei den Pisten handelt es sich durchweg um Phantasie-Kurse, die nicht nur äußerst bescheiden aussehen, sondern auch von der Streckenführung kaum überzeugen können. Wahrscheinlich ging es den Entwicklern dabei hauptsächlich darum, Pop-Ups zu kaschieren, was aber nicht immer gelingt. Ein großes Problem ist, dass sich die Kurse ständig wiederholen: So war ich schon bei der ersten Meisterschaft mehrfach auf vielen Strecken zu Gast. Da helfen auch Tag- und Nachtrennen sowie

Die Fahrzeuge neigen in Kurven zum Driften, doch lassen sich die Rutschpartien nicht optimal kontrollieren.
verschiedene Witterungen nicht mehr viel, so dass ihr euch schnell an den öden Kulissen satt gesehen habt, die steriler kaum sein könnten. Anstatt z.B. mit blinkenden Leuchtreklamen oder Objekten wie Flugzeugen oder animierten Zuschauern am Streckenrand etwas Leben ins Spiel zu bringen, tummelt sich auf dem Bildschirm bis auf die Fahrzeuge rein gar nichts. Man hatte es nicht mal nötig, ein Riesenrad im Hintergrund zu animieren, das ständig bewegungslos in der Gegend herumsteht. Grafisch stechen die Boliden hervor, da diese im Cell Shading-Stil modelliert wurden und an den Capcom-Racer Auto Modellista erinnern - ohne jedoch auch hier an die Qualität des Vorbilds heranzureichen. Neben zwei Außenansichten stehen mit der Stoßstangen- und Motorhaubenperspektive auch zwei Innenansichten zur Verfügung. Einen virtuellen Rückspiegel mit fiesen Pop-Ups bietet dagegen lediglich der Blick von der Stoßstange - anscheinend waren die paar Polygone der Motorhaube schon zu viel für die Engine, um zusätzlich noch den Rückspiegel darstellen zu können. So bleibt euch nichts anderes übrig, als mit einem Blick nach hinten die Verfolger im Auge zu behalten. Diese geben sich am Anfang noch sehr lasch: Obwohl ihr immer von ganz hinten startet, kommt ihr in der Regel mit einem großen Vorsprung im Ziel an - und das, obwohl in der ersten Meisterschaft lediglich eine Runde pro Kurs gefahren wird. Allerdings steigern sich die Kerle mit neuen Serien gewaltig, für die ihr später sogar wie bei Gran Turismo Lizenzprüfungen absolvieren müsst. Hier ist Tuning absolute Pflicht, um bei den Gegnern mithalten zu können. Ausgebremst werdet ihr jedoch von den furchtbar düdeligen Techno- und Elektronik-Tracks, bei denen ihr die Finger
Splitscreen-Rennen mit bis zu vier Teilnehmern sind weniger zu empfehlen. Es sei denn, ihr verfügt über einen gigantischen Fernseher und schaut über die mageren Kulissen hinweg.
lieber dazu benutzt, um euch die Ohren zuzuhalten anstatt aufs Gaspedal zu drücken. Scheinbar wollte man auch hier in die Ridge Racer-Kerbe schlagen, versagte dabei jedoch auf ganzer Linie. Auch beim Geschwindigkeitsgefühl ist man meilenweit von der flotten Namco-Raserei entfernt.

Unscheinbare Kurse

Seid ihr der englischen Sprache nicht mächtig, könntet ihr mit GT Pro Series ein kleines Problem bekommen. Zwar ist das Handbuch auf Deutsch und erklärt alle wichtigen Punkte, doch ist das Spiel komplett in Englisch, wie es schon beim Xbox 360-Titel Import Tuner Challenge (ebenfalls von Ubisoft) der Fall war. Genau wie dort, könnt ihr auch hier die Geschwindigkeitsanzeige nicht auf das metrische System umstellen, so dass ihr nur Angaben in Meilen, nicht aber in Kilometern pro Stunde zu sehen bekommt. Doch dies zeigt, welchen Stellenwert solche Titel bei Ubisoft haben. Deshalb ein Tipp: Anstatt billige Schrott-Lizenzen aus Fernost zu kaufen, sollte man bei Ubisoft endlich ein eigenes Studio mit Rennspiel-Spezialisten einrichten, wenn man in diesem Genre Fuß fassen will. Wenn es so weitergeht wie bisher, ist Ubisofts Ruf unter Racing-Fans jedenfalls schneller hinüber als ein Sportwagen, der mit Vollgas in eine Mauer kracht.     

Du juu spiik Inglisch?

Fazit

Es ist schon eine bodenlose Frechheit, was Ubisoft da mit GT Pro Series zum Vollpreis auf den Markt schmeißt! Wii ist so was möglich? Das Spiel sieht mit seinen erbärmlichen Pixel-Texturen schlechter aus als so mancher PSone-Titel und auch inhaltlich reißen mich das langweilige Streckendesign und die Reiskocher in Cell Shading-Optik zusammen mit den Techno-Elektro-Düdeleien jenseits des guten Geschmacks alles andere als vom Hocker. Zudem enttäuscht der Meisterschaftsmodus mit ständigen Streckenwiederholungen sowie kostenlosen Tuning-Upgrades und freiem Zugang zu allen Fahrzeugen, ohne viel dafür tun zu müssen. Die Wii-Steuerung haben die Entwickler zwar insgesamt solide hinbekommen, doch vermisste ich gerade bei den Drifts die nötige Präzision. Vor sechs oder acht Jahren hätte GT Pro Series vielleicht noch aufhorchen lassen. Aber wir schreiben mittlerweile fast das Jahr 2007, haben eine brandneue Konsole an den Fernseher angeschlossen und können mittlerweile mehr erwarten als diesen Schund, der mich vor allem grafisch, aber auch inhaltlich in einen Schock-Zustand versetzt hat. Die beliebte Ausrede, dass es sich ja "nur" um einen Starttitel handelt, zieht hier nicht, denn die Entwicklung hinkt selbst einem GameCube um Jahre hinterher. Von daher: Finger weg von GT Pro Series!

Pro

  • überwiegend gelungene Steuerung
  • Mini-Lenkrad im Lieferumfang enthalten
  • 82 Fahrzeuge mit Tuning-Möglichkeiten

Kontra

  • grafische Katastrophe
  • grobe Texturen
  • vereinzelte Pop-Ups
  • Kantenflimmern
  • lahmes Geschwindigkeitsgefühl
  • leblose Kulissen
  • übler Soundtrack
  • nur japanische Fahrzeuge
  • langweilige, sich ständig wiederholende Strecken
  • Tuning-Teile und Fahrzeuge komplett kostenlos
  • Rückspiegel nur in Stoßstangen-Ansicht
  • Drifts nicht immer kontrollierbar
  • seltsame Kollisionsabfrage
  • komplett in englischer Sprache
  • keine Umstellung auf metrisches System möglich

Wertung

Wii