Thrillville - Test, Taktik & Strategie, XBox, PlayStation2, PSP

Thrillville
12.01.2007, Benjamin Schmädig

Test: Thrillville

Die Geschichte des virtuellen Freizeitparks ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Denn bislang blieben Manager vor der Mattscheibe stets von dem Vergnügen verschont, sich selbst in ihrem Park auszutoben. Aber nimmt man deshalb nicht stundenlange Autofahrten in die Pampa auf sich? Um sich auf Achterbahnen die Kehle aus dem Leib zu schreien oder den besten Kumpel auf der Kartbahn zu schlagen? Willkommen in Thrillville (ab 19,98€ bei kaufen)! Willkommen in der Welt der wilden Attraktionen! Doch was wird jetzt aus den Managern?

Peter Molyneux (Fable) hat als Erster das Sim City-Prinzip auf eine Fläche von wenigen hundert Quadratmetern gequetscht, mit Fahrgeschäften gepflastert und euch die Verwaltung eines Theme Parks überlassen. Chris Sawyer (beteiligt an Elite) fand die Idee offenbar klasse, war aber vor allem von den Achterbahnen begeistert. Das Ergebnis: Rollercoaster Tycoon, das den Schwerpunkt auf den Bau abgedrehter Loopings, Korkenzieher und Schwindel erregender Talfahrten legte. Den dritten Teil legte Sawyer in die Hände seines Elite-Kumpels David Braben bzw. dessen Entwickler-Schmiede Frontier Developments - aber für die heißt der Begriff "Freizeitpark-Simulation" scheinbar etwas anderes als ihn Rollercoaster Tycoon 3 auslegte. Schon richtig:

Wenn ihr es richtig anstellt, erstreckt sich eure Achterbahn über eine sehr weite Fläche.
Das Bauen und Fahren von Achterbahnen ist der Höhepunkt eines Besuchs im Themenland. Aber wo bleibt beim Managen der Anlagen eigentlich die "Freizeit"? Die Idee wurde bewässert, ein Konzept gebastelt, langwieriges Verwalten auf das Nötigste gekürzt und voilà: Thrillville steht in den Regalen.

Die Evolution des Themenparks

Wie der Name schon sagt, stehen Spannung sowie Unterhaltung im Vordergrund und so spaziert ihr als frisch gebackener Manager durch fünf Parks (euer Onkel und Park-Besitzer Mortimer fand die Achterbahn-Modelle eures aus 20 Modellen wählbaren Charakters so faszinierend, dass er euch kurzerhand die Kontrolle über seine Anlagen gibt), baut buchstäblich im Vorbeigehen Fahrgeschäfte, Getränkestände sowie Spielbuden und sorgt mit Werbekampagnen dafür, dass neue Besucher den Weg nach Thrillville finden. Eure Aufgabe ist denkbar simpel: Sammelt genug Punkte, um Zugang zum nächsten der fünf Areale zu erhalten. Jedes Areal ist dabei in drei Gebiete unterteilt, die sich unterschiedlichen Themen widmen. So entdeckt ihr Western-, Science Fiction- oder Dinosaurier-Motive, die zu Beginn noch dünn bebaut auf Attraktionen warten.

Dinos und Raumschiffe

Dünn bebaut? In der Tat, denn Mortimer hat euch unfertige Anlagen überlassen, aus denen ihr profitable Parks kreieren sollt. Die Grundstücke eures Onkels locken leider so wenig Gäste an, dass der Konkurrent Globo-Joy leichtes Spiel hat. Fragt sich also, wie ihr die benötigten Punkte sammelt, um Globo-Joy die Besucher zu entziehen? Ganz einfach: Tut einfach, was ihr wollt! Ihr schließt gerne Freundschaft mit euren Besuchern? Gut so, das bringt Punkte. Baut ihr lieber abgedrehte Achterbahnen? Nur zu, denn dafür erhaltet ihr Punkte. Oder steht euch der Sinn eher nach den über 40 Minispielen? Dann wagt euch an die Highscore-Tabellen! Dafür erhaltet ihr nämlich - na ja, ihr ahnt es schon...

Selbst wenn ihr eine Reinigungskraft einstellt, erhöht ihr euer Punktekonto. Auch das Trainieren des Angestellten (eine Art Ego-Shooter, bei dem ihr Müll aufsaugen oder Erbrochenes wegwischen müsst) wird belohnt. Genauso funktioniert es mit Mechanikern und Entertainern. Letztere heitern die Laune eurer

Nur eins der vielen Themen: Ein Dinosaurier-Park.
Gäste auf und damit ihnen das gelingt, müsst ihr sie im Rhythmusspiel trainieren - was ihr zu einem der tollen Musikstücke aus allen populären Stilrichtungen tut. Aber Thrillville lässt sich trotz der lockeren Präsentation nicht lumpen und fordert ab dem dritten Park euer ganzes Geschick.

Punktesegen überall!

Was für sämtliche Minispiele gilt: Es handelt sich zwar um einfache Varianten von Ego-Shootern, Rennspielen, Jump&Runs, Sportspielen oder Vertikalshootern (viele davon erinnern an bekannte Klassiker), in denen ihr allerdings nicht mal eben so alle fünf erreichbaren Sterne absahnt. Im Gegenzug gibt es auch dann Punkte, wenn ihr nicht die Highscore knackt. Entsprechend motivierend sind die Minispiele denn auch - frei nach dem Motto "einfach zu begreifen, schwer zu meistern". Viel Zeit hat mich z.B. das Trampolin-Springen gekostet, wo ihr ähnlich wie in Snowboard-Spielen zum richtigen Zeitpunkt abspringen müsst, um in der Luft möglichst viele Tricks zu kombinieren. Ganz zu schweigen davon, dass ich viel zu viel Zeit auf den Kartbahnen Marke Eigenbau verschwendet habe. Für sich genommen locken die Zeitvertreibe natürlich niemanden hinter dem Ofen vor. Aber die Illusion, tatsächlich die Attraktion eines Freizeitparks zu besuchen, war nie lebendiger! Was auch daran liegt, dass ihr euren Charakter die gesamte Zeit über aus der Schulterperspektive durch Thrillville lotst. Entwarnung für Lauffaule: Über das Menü könnt ihr euch umgehend zu sämtlichen Zielen "beamen".           

Habe ich eigentlich schon das Erstellen der eigenen Achterbahnen erwähnt? Denn die sind das Glanzstück eures Parks! Natürlich kann man sich mit vorgefertigten Modellen zufrieden geben, aber wer will das schon? Also überlegt man sich lieber, mit welcher Kombination aus steiler Abfahrt und anschließendem Korkenzieher den Fahrgästen am schnellsten schlecht wird und setzt die Idee schnurstracks in die Tat um. Das Erstellen und Abändern der Strecken geht wunderbar leicht von der Hand und falls ihr mittendrin die Lust verliert, hilft euch genau wie in Rollercoaster Tycoon 3 das automatische, und zugegebenermaßen unspektakuläre, Vervollständigen des Kurses. Dass ihr dabei nach einer Achterbahn nicht satt seid, sondern gleich noch zwei, drei weitere bauen wollt,

Lasst euch nicht abschrecken: Auf den ersten Blick sehen die Achterbahnen verwirrend aus...
liegt daran, dass verschiedene Modelle nur einen bestimmten Satz an Bauteilen erlauben. Falls ihr euer ganzes kreatives Potential entfalten wollt, müsst ihr deshalb mehrere Fahrgeschäfte bauen.

Es wird loopig

Das Erstellen von Kartbahnen funktioniert genauso, nur dass die Kurse nicht so buchstäblich verdreht ausfallen wie die der Achterbahnen. Zum größten Teil ist das natürlich verständlich, andererseits habe ich mir schnell ein paar mehr Kurven und Schikanen gewünscht, um alle meine Ideen umzusetzen. Bei den Minigolf-Anlagen war ich hingegen für die bereits fertigen Plätze dankbar, denn zum Golflatz-Designer fühle ich mich nicht berufen. Im Wettkampf gegen meine Besucher habe ich mich auf dem Kunststoff-Rasen hingegen sehr wohl gefühlt!

Das ist ohnehin großartig: Ihr könnt jeden Gast ansprechen, mit ihm oder ihr plaudern, flirten (wobei gleichgeschlechtliche Romanzen in Thrillville unsinnigerweise nicht vorgesehen sind) oder euer Gegenüber zum Wettkampf herausfordern - in jeder der vorhandenen Spielinseln. Ich hatte z.B. trotz beschämender Niederlage wahnsinnig viel Spaß (und einen Retro-Flash) mit einer Art Super Sprint , das mich zu Atari ST-Zeiten wochenlang begeistert hat. Nicht zu vergessen auch das von Anfang an erhältliche Untertassen-Sumo, wo ihr drei feindliche Raumschiffe von einer kleinen Plattform rammen müsst. Einige der späteren Minispiele gleichen den anfänglichen zwar sehr, doch es spornt trotzdem zum Weitermachen an, sie alle auszuprobieren.

"Hey du, wie geht's?"

Weniger motivierend sind auf Dauer die Gespräche mit euren Gästen (auf PS2 übrigens mit müder Sprachausgabe, auf PSP komplett ohne), da sie an eine

Ein kleiner Auszug dessen, was euch in Thrillville erwartet:

stark vereinfachte Form einer halbwegs ordentlichen (gibt es eigentlich richtig gute?) Dating-Simulation erinnern. Das heißt, ihr wählt so lange aus verschiedenen Gesprächsthemen, bis ihr wisst, was euren Gegenüber interessiert. Wenn ihr anschließend auf diese Themen zurückkommt, steigt eure Freundschafts- oder Flirtanzeige und wenn sie voll ist, heimst ihr - wie sollte es anders sein - Punkte ein. Mehr passiert allerdings nicht; wenn ihr nach mehreren Gesprächen Freundschaften schließt, hebt das lediglich die Stimmung bei allen Gästen. Dafür könnt ihr sogar in euren Gesprächspartner schlüpfen und für ihn oder sie nach einem Liebhaber suchen. Das Problem mit dem Plaudern ist nur, dass sich die Dialoge schnell wiederholen. Deshalb kennt ihr bald alle Texte und schaut nur noch auf die das Thema anzeigenden Symbole und klickt euch so flott wie möglich durch die Unterhaltung. Bis es dazu kommt, erfahrt ihr aber immerhin einen Haufen interessanter Sachen. Oder hättet ihr gewusst, dass ein Hurrikan in zehn Minuten so viel Energie freisetzt wie alle Nuklearwaffen unserer Erde?

Sobald ihr einmal alle Attraktionen besucht, ein wenig gebaut und mit den Gästen geredet habt, sollte euer Punkte-Konto auch bereits so voll sein, dass ihr den nächsten Theme Park betreten dürft. Und plötzlich zeigt Thrillville seine große Schwäche: Es spielt sich praktisch von alleine. Solange ihr das Gelände erkundet, euch an Minispielen probiert und Fahrgeschäfte erstellt, sammelt ihr so schnell Punkte, dass ihr euch sogar kaum um die

..., aber ihr entscheidet lediglich, welches Teil ihr als nächstes anfügt und schon baut ihr drauf los.
Missionen kümmern müsst. Denn die verlangen nichts anderes, als dass ihr mit den oben erwähnten Tätigkeiten beschäftigt - nur selten müsst ihr ganz bestimmte Besucher ansprechen oder z.B. Burger-Buden verkaufen (und neue aufstellen), weil Globo-Joy krank machende Viren in euer Essen geschmuggelt hat.

Fluch und Segen

Selbst ums Geld müsst ihr euch kaum Sorgen machen, denn so lange ihr stets daran denkt, mit einer Marketing-Kampagne neue Kundschaft anzulocken und die Eintrittspreise nicht in irrsinnige Höhen befördert, fließt regelmäßig Bares in eure Kasse. Zur Not nehmt ihr einfach einen Kredit von maximal 12.000 Euro auf und schon baut ihr sorglos weiter. Zum Vergleich: Eine teure Achterbahn kostet gerade mal 3000 bis 4000 Euro. Natürlich müsst ihr auch die Bedürfnisse der Besucher im Auge behalten, doch wer auch nur im Entferntesten ahnt, dass er eine neue Reinigungskraft braucht, wenn die Leute über unsaubere Anlagen klagen, wird nie in Bedrängnis geraten. Die Kampagne ist somit nach spätestens zehn Stunden vorüber und wer mehr will, darf sich höchstens noch mit bis zu drei Freunden in den Minispielen messen. Ich vermisse ganz besonders ein leer gefegtes Areal, das ich von Grund auf bebauen muss, und im Endlosspiel einen wirtschaftlich erfolgreichen Park auf die Beine zu stellen. Das sorglose Austoben ist zugleich Fluch und Segen für Thrillville. Ihr müsst euch deshalb fragen: Was bedeutet es für euch?        

Fazit

Falls ihr einen Ausflug nach Thrillville plant, solltet ihr genau wissen, wonach euch der Sinn steht. Denn Manager, die nach Theme Park oder Rollercoaster Tycoon eine neue Herausforderung suchen, werden trotz der frappierend ähnlichen Verpackung hier nicht glücklich. Es gibt einfach zu wenig Bereiche, um die ihr euch kümmern müsst und die Herausforderung hält sich für gestandene Geschäftsleute in bescheidenen Grenzen. Wenn ihr wisst, dass hungrige Besucher nach einer Fressbude suchen, in der Burger weniger als drei Euro kosten, habt ihr mit Frontiers Vergnügungspark schon gewonnen. Die Entwickler um David Braben zeigen Bürohengsten die rote Karte und öffnen ihre Pforten stattdessen für die Spaßgeneration. Und die wird bestens bedient! Mit wenigen Handgriffen machen sie ihr Ausflugsziel zum profitablen Selbstläufer und entwerfen anschließend nach Lust und Laune Achterbahnen, flirten mit den Gästen, führen ihre private Zeitplanung mit Minispielen ad absurdum, buchen Werbekampagnen, entfernen Rückwärtsmahlzeiten vom Boden und treten auf Attraktionen der Marke Eigenbau gegen Freunde an. Dass in Thrillville wirklich alle erfolgreichen - und sogar die meisten erfolglosen - Aktionen belohnt werden, macht fast schon süchtig nach dem Manager-Alltag. Und dass die Unterhaltungen mit Besuchern kaum über den Charme einer billigen Dating-Sim kommen, stört mich da kaum. Ich hätte allerdings viel darum gegeben, meinen eigenen Park im Endlosspiel von Grund auf selbst zu entwickeln. Und ein bisschen anspruchsvoller darf die Verwaltung in einem hoffentlich geplanten Nachfolger schon sein!

Pro

  • jede Aktion bringt Punkte
  • Bauen von Achterbahnen!
  • freies Herumlaufen
  • spannende und spielerisch sinnvolle Minispiele
  • abwechslungsreiche Parks
  • einfache Bedienung
  • viel zu entdecken

Kontra

  • kurze Spielzeit
  • kein freier Aufbau
  • Manager werden nicht gefordert
  • zähe "Dating-Sim"

Wertung

PlayStation2

PSP