Tokobot Plus: Geheimnisse der Karakuri - Test, Logik & Kreativität, PlayStation2

Tokobot Plus: Geheimnisse der Karakuri
26.01.2007, Benjamin Schmädig

Test: Tokobot Plus: Geheimnisse der Karakuri

Eines muss man neidlos anerkennen: Spritzige Ideen für Videospiele kommen meist aus Japan - ob alles anziehende Kugeln ganze Städte aufrollen, wabernde Bälle über die PSP kugeln oder sich in diesem Fall kleine Roboter an den Händen halten, um Leitern zu bauen oder als Rotorblätter über Abgründe zu sausen. Dabei will Tokobot nicht nur die grauen Zellen ansprechen, sondern auch Actionfreunde fordern. Was steckt noch in den knuddeligen Maschinen?

Wer sich die Protagonisten, Titel und Schauplätze japanischer Videospiele anschaut, könnte meinen, den Asiaten fehle es an landestypischen Namen für Helden oder Orte: "Chaos" (eine Figur aus Xenosaga III) sowie "Cloud" (Final Fantasy VII) sind nur zwei Helden, deren Namen symbolisch für ihren Charakter stehen. Und auch in Tecmos Tokobot gibt es davon jede Menge. Euer Alter Ego hört auf z.B. auf Bolt (zu Deutsch: Bolzen), sein Ausbilder Fuel (Treibstoff) füttert ihn mit Informationen und die rothaarige Gegenspielerin stellt sich als Flames (Flammen) vor. Weshalb "Bolt" symbolischen Charakter hat, wird schon in der Vorgeschichte deutlich,

Die Tokobots bei der Arbeit: Habt ihr die Roboter verbunden, agieren sie als Einheit. Hier heizt Bolt seinen Gegnern mit dem "Rotorblatt" ein.
denn der schweigsame Held kann als einer der wenigen Menschen kleine Roboter - Tokobots genannt - in Gang setzen. Doch warum gelingt das nur ihm? Weil Tokobots Relikte aus einer längst vergangenen Epoche stammen. Sie zeugen von einer Zivilisation, die vor prähistorischen Zeiten mit technischen Meisterleistungen glänzte, aber eines Tages urplötzlich vom Erdboden verschwand. Nur Ruinen zeugen noch von ihrer Existenz und so bleibt den Menschen nichts anderes übrig, als ihre Hinterlassenschaften in archäologischer Kleinarbeit zu analysieren. Ein knorriger Professor leitet für diesen Zweck ein Forschungslabor und ihr schlüpft in die Haut von Bolt, während der gerade seine Ausbildung als Schatzsucher abschließt.

Zeitreise

Eure Aufgabe klingt einfach: Leite Bolt samt Tokobots durch die Ruinen, um Fundstücke für das Labor zu sammeln. Doch zum einen kommt ihr mit einfachen Sprüngen nicht durch die vertrackten Abschnitte, zum anderen bewachen prähistorische Roboter die Anlagen und nicht zuletzt will euch ein Bande fieser Gegenspieler den Garaus machen. Die Absichten der Bösewichter bleiben vorerst allerdings im Dunkeln.

Knobel-Action

Die Tokobots in Aktion: Der Trailer zeigt euch, wie Knobel-Action aussieht.

Falls ihr die Kreuzung aus Puzzeln und Action bereits auf PSP  gesehen habt, hattet ihr wahrscheinlich gerade ein Déjà-Vu. Schließlich handelt es sich bei der PS2-Umsetzung um genau das: einen verfeinerten Handheld-Auftritt. Ungewöhnlich: Die Handlung wurde z.B. um einen Charakter erweitert, der Bolt und seine Tokobots immer wieder mit seinen Robotern angreift - seine Attacken erhöhen die Anzahl der Zwischengegner von zehn auf 16. Außerdem findet ihr im erweiterten Time Attack-Modus (sinnigerweise "Echtzeit-Angriffsmodus" genannt) seltene Artefakte, nachdem ihr einen Level erledigt habt. Und schließlich solltet ihr die Augen aufhalten, denn Tecmo spendiert dem Konsolen-Abenteuer zusätzliche Geheimgänge, in denen nach kniffligen Abschnitten hilfreiche Extras warten. Mit diesen erhalten die Tokobots z.B. spezielle Fähigkeiten, die sie im Kampf stärker machen.

Im Kampf? Ich muss zugeben, dass ich nach dem Ansehen der (PSP-)Trailer erstaunt war, wie oft mich Tecmo vor eine Bande feindlicher Roboter stellt, denn die Videos haben bei mir vor allem den

Im Labor lest ihr alles über Feinde oder Artefakte, kauft Extras und lasst Superchips sowie Overdrives analysieren.
Eindruck eines Knobelspiels erweckt. In Tokobot bekommt ihr es jedoch zu gleichen Teilen mit Denksport und Action zu tun - wobei keins der beiden Elemente wirklich überzeugen kann. In jedem Fall sind die kleinen Roboter dabei die eigentlichen Stars: Brav trotten sie Bolt mit quietschenden Tritten hinterher, lassen sich in drei Formationen sortieren und solange ihr sie verbindet, nutzt ihr sie als Leiter, Peitsche, Rotorblatt oder Sprungbrett. Müsst ihr z.B. eine hohe Plattform erreichen, sortiert ihr die Helfer in einer geraden Linie hinter euch, springt ab und schlagt zu: Die Tokobots knallen dann gegen einen Magneten an der Plattform und ihr klettert auf ihren Rücken aufwärts. Im Kampf schlagt ihr so hingegen Feinde platt. Sollte Bolt an einen Abgrund kommen, ordnet er die Roboter wiederum rechts und links von ihm an, springt los und wirbelt sie schnell im Kreis. Auf diese Weise kann er kurze Zeit fliegen oder seinen Feinden eins auswischen. Wo große Steine oder Maschinenteile im Weg liegen, packen die Helfer mit an und schleppen das Hindernis zusammen mit Bolt und unter putzigem Schnaufen ans Ziel.            

Ich hatte viel Spaß mit der witzigen Idee! Die Tokobots quasi als verlängerten Arm zu benutzen macht Laune und wirft die grauen Zellen in Gang. Doch allzu lange hielt meine Begeisterung nicht an, denn das Durchstreifen der Ruinen verläuft auf sehr geraden Schienen. Tecmo fordert euch nur selten mit anspruchsvollen Aufgaben heraus. Abgesehen davon fühlt sich die wissenschaftliche Tour wie ein ausgedehntes Tutorial an. In der ersten Hälfte lernen die

Ein Zwischengegner greift an! Dieser Unhold gehört allerdings zu den einfachsten seiner Art.
Tokobots ständig neue Fähigkeiten, die ihr meist umgehend anwenden sollt - der Spielfluss gewinnt deshalb nur schleppend an Fahrt. Von Bolts gemächlichem Tempo sowie gelegentlichen unfreiwilligen Zeitlupen ganz abgesehen. Leider scheint das prähistorische Volk auch wenig von der Kunst des Hausbaus zu verstehen, denn die grau-braunen Mauern erinnern an den eckigen Grundriss der Grabmäler im ersten Tomb Raider - ohne deren abwechslungsreiche Kulisse.

Duplo bewacht Ruinen

Farbe bringen nur die Akteure, sowohl bei Freund als auch bei Feind, ins Spiel - jedenfalls äußerlich. So sinnvoll es nämlich sein mag, die Tokobots nicht nur in Rätseln einzusetzen, sondern auch als Waffe zu verwenden, so stupide sind die meisten Auseinandersetzungen. Ihr bekommt es mit den immer gleichen Robotern zu tun, die an Duplo-Figuren erinnern und statt dynamische Duelle zu erleben, müsst ihr einfach nur langsam Ausweichen und Zuschlagen. Besonders umständlich ist die Steuerung, wenn ihr mit den "Leiter"-Tokobots treffen wollt: Während seine Helfer hinter ihm eine Reihe bilden, kann Bolt seine Blickrichtung nicht mehr ändern, so dass ihr entweder ständig die Verbindung zwischen den Bots löst, euren Helden dreht und die Bots erneut verbindet oder euch dauerhaft nur seitwärts bewegt. Von der Kamera, die ihr selten frei bewegen könnt, weil sie an allen Hindernissen "hängen" bleibt, ganz zu schweigen. Die fehlende Übersicht ist das größte Ärgernis. Ihr dürft zudem nicht einstellen, wie die Bewegung des rechten Sticks die Kamera dreht. Ich habe mich deshalb die gesamte Zeit über eine verkehrte Kamerasteuerung geärgert.

Zum Glück bekommt ihr es meist nur auf kurzen Abschnitten mit den Bewachern der Ruinen zu tun; den Rest der Zeit verbringt ihr mit dem Lösen von Puzzeln, wofür ihr die Tokobots mitunter nicht nur verbinden, sondern auch zu neuen Robotern zusammensetzen müsst. Das tut ihr an dafür vorgesehenen Punkten, wo ihr mit einem Katapult Mauern zerschießt oder Schaltkreise zusammen setzt. Ersteres macht ihr aus Sicht der Tokobot-Maschine, der ihr Richtung und Abschusswinkel vorgebt, wogegen ihr Letzteres aus der Vogelperspektive erledigt. Ihr

Wenn ihr einen solchen Gegner bezwingt, lernen eure Tokobots anschließend dessen Angriff.
sollt dann mit einem Kran lose Blöcke auflesen und so in ein Feld aus Leiterplatten fallen lassen, dass anschließend bestimmte Eckpunkte mit Strom versorgt werden. Welche das sein sollen, verrät euch eine Zeichnung in der Nähe des Rätsels. Solche Overdrives stehen Bolt zur Verfügung, sobald sein Labor so genannte Superchips analysiert und ihm die Ergebnisse verkauft. Geld erhaltet ihr wiederum durch Artefakte, die in Kisten oder Vasen am Wegrand lagern.

Overdrive dank Superchip!

Wieder andere Fähigkeiten bieten euch hingegen einen Vorteil im Kampf, weshalb ihr nach Geheimgängen Ausschau halten solltet, in denen ein großer Gegner wartet. Falls ihr den besiegt, könnt ihr euren Helfern Kampf-Overdrives beibringen, mit denen sie sich in einen großen Roboter verwandeln, um mit einem Schlag besonders viel Schaden zufügen. Die dafür benötigte Energie solltet ihr vor allem für die trickreichen Zwischengegner aufsparen - schon allein deshalb, weil euch Tokobot keine Checkpunkte bietet, sondern an die zuletzt gespeicherte Stelle zurück setzt. Leider ist ausschließlich manuelles Speichern heutzutage so ungewöhnlich, dass ich es glatt gelassen habe, bevor ich eine halbe Stunde später das erste Mal vor der Himmelspforte stand...       

Fazit

Gut, dass Take 2 nur 20 Euro für die PS2-Umsetzung verlangt, denn obwohl Tecmo viele neue und witzige Ideen hat, kommt die Knobel-Action nie richtig in Schwung. Zum einen verärgert die bockige Kamera selbst jene, die sich durch die zähen Kämpfe beißen und zum anderen bemüht sich Tokobot vergebens, das einfallsreiche Konzept zu nutzen. Z.B. kann ich meine Roboter nur an den entsprechend markierten Punkten zur Maschine umbauen und darf nicht rätseln, wo der Einsatz sinnvoll wäre. Und in Abschnitten, in denen ich Leitern bauen oder Abgründe überwinden muss, ist die Lösung meist zu offensichtlich, als dass sich nach getaner Arbeit ein Erfolgserlebnis spüren würde. Trotzdem bin ich mit einem guten Gefühl von meiner Artefakten-Suche in den eintönigen Ruinen zurückgekehrt. Schließlich sind die Tokobots ausgesprochen knuffige Protagonisten, die restlichen Charaktere sowie deren Geschichte sympathisch und trotz widerspenstiger Kamera sowie "Duplo"-Widersacher erzeugt Tecmo eine entspannte Atmosphäre, in der ich gerne ein paar entspannte Rätsel löse. Jedenfalls für kurze Zeit.

Pro

  • einfallsreiches Konzept
  • sympathische Charaktere
  • niedliche Roboter
  • coole Kampf-Overdrives
  • zahlreiche Fähigkeiten der Tokobots

Kontra

  • zähes Voranschreiten
  • noch zähere Kämpfe
  • nur Speicher-, keine Checkpunkte
  • kompletter Kameradreh selten möglich
  • links/rechts-Schwenk nicht einstellbar
  • keine deutsche Sprachausgabe
  • unfreiwillige "Zeitlupen"
  • viele Fähigkeiten sind nicht mehr als mächtige Attacken oder Minispiele

Wertung

PlayStation2