Rocky Balboa - Test, Sport, PSP

Rocky Balboa
03.02.2007, Benjamin Schmädig

Test: Rocky Balboa

Das gibt's doch nicht! Immer wieder wehrt Clubber Lang meine Angriffe ab - egal, ob schwere Haken oder schnelle Geraden. Mir bleibt nichts anderes übrig, als um ihn herum zu tänzeln, seine Schwachstellen auszugucken. Dann geht alles ganz schnell: Ein, zwei, drei Schläge auf seinen schlecht geblockten Körper, einen schweren Uppercut und ich bin im Kampfrausch. Eine gut gezielte Kombination wuchtet Lang fast mühelos auf die Bretter - der Moment gehört Rocky Balboa (ab 19,98€ bei kaufen). Gehört er auch Ubisofts Filmumsetzung?

Noch einmal Momente aus Rockys Alltag - wieder geht es gegen Clubber Lang: Stallones Alter Ego drischt mit ungebremster Wucht geschätzte zweihundert Mal auf seinen Kontrahenten ein. Dauerfeuer, ab und an die Schultertasten ziehen, Taktik ist Nebensache, meine Fingerkuppe schmerzt, ich habe keine Lust mehr. Kein Wunder: Ich spiele Rocky: Legends und kann mich weder für banale Buttonvernichtungsorgien noch den Boxsport begeistern. "Aha! Und wieso testet der Schmädig dann Rocky Balboa?" Weil er einen Blick drauf geworfen und Spaß damit hatte!

Rückblende statt Entwicklung

Denn die Versoftung hat mit ihren Vorgängern nur noch wenig gemein. Will heißen: Eure grauen Zellen ersetzen die Magneten unter den Schlagtasten. Will aber auch heißen: Trockenes Freischalten weiterer Kämpfe ersetzt die Karriere sowie eine Handlung wie in Legends. Stattdessen gibt es lange Filmschnipsel, 

Clubber Lang im Clinch mit Rocky: Bis ihr den aktuellen Film nachspielt, boxt ihr euch durch Rockys komplette Vergangenheit.
welche in den "Historischen Kämpfen" die Einmärsche der Kontrahenten zeigen. Dies sind denn auch die einzigen Momente, in denen die wichtigsten Boxer aller sechs Leinwandstreifen (u.a. Dolph Lundgren als Ivan Drago, Tommy Morrison als Tommy Gunn und Clubber "B.A. Baracus" Lang) zu Wort kommen; abgesehen von den zwei guten englischen Kommentatoren sowie in Videos vor dem Training hört ihr sonst niemanden sprechen.

Apropos Training: In "Mickeys Ecke" lernt ihr zwar die Grundlagen des Sports, sammelt diesmal aber keine Erfahrung, mit der ihr eure Werte aufbessert. Wie auch? Schließlich spult ihr lediglich 20 historische, 90 "Schnelle Kämpfe" sowie WiFi-Duelle ab, in denen ihr abwechselnd mit allen Zelluloid-Boxern antretet. Obwohl ihr in den schnellen Kämpfen Aufgaben löst (unterschiedlich viele Runden bestreiten, Straßenkämpfe schlagen oder eine Minute im Fast-KO-Zustand überstehen), sind die Herausforderungen allerdings meilenweit von denen in Fight Night Round 3 entfernt, wo ihr außerdem Gold-, Silber- oder Bronzemedaillen gewinnen konntet. Wer auf eine abwechslungsreiche Karriere aus ist, kauft besser bei EA ein. Dort treten zudem die verschiedenen Boxertypen deutlicher hervor, wenn ihr in My History gezielt deren Schwachstellen ausloten müsst.

Im Rausch des Kampfes

Auf in den Ring: Der offizielle Trailer
Zwar hagelt auch Rocky Balboas Faustregen über Gegner mit spürbaren Eigenheiten, doch die Persönlichkeit  der Athleten kommt im Ring zu kurz. Auch wenn der eine auf schnelleren Füßen unterwegs ist, während der andere verdammt gut blockt: Ihr müsst eure Taktik nie komplett umstellen, sondern lediglich herausfinden, welche Schläge der Gegner nicht verträgt. Das heißt aber nicht, dass euch in Ubisofts Filmumsetzung langweilig wird - im Gegenteil! Denn zum einen ändert sich die Stimmung der beiden Kontrahenten, so dass sie je nach Zustand tänzeln, kräftig stehen und zuschlagen oder müde ihre Deckung vernachlässigen. Wer eine starke Kombination landet, gerät sogar in einen Kampfrausch: Die Umgebung verschwindet in einem gleißendem Strahlen, Musik setzt ein und ein lautes "Flatsch" quittiert die Treffer. Zum anderen könnt ihr den Kampfrausch auch mit einem für jeden Boxer typischen Schlag oder Ausweichmanöver auslösen. Das funktioniert allerdings nur in bestimmten Situationen, z.B. wenn ihr einen Sack voll Treffer einsteckt. Überlegte Konter sind in brenzligen Situationen deshalb sinnvoller als panisches  Daumenzittern. Zumal ihr den Kampfrausch des Gegners mit einem gezielten Treffer beenden müsst.

      

Zum Glück gehen sämtliche Aktionen locker vom Handschuh - deutlich einfacher als beim überladenen Steuerungsmonster Fight Night Round 3 auf PSP.  Und das, obwohl allein die Aufzählung aller Schläge zwei Seiten im Handbuch verschlingt und damit umfangreicher ist als bei der Konkurrenz! Eine weitere Seite erklärt Deckung und Ausweichen. Das Besondere ist allerdings nicht die schiere Fülle an Bewegungen, sondern das Spielgefühl: Anders als bei EA und auch den bisherigen Rockys steht ihr nicht als "Zuschauer" in der Nähe der Seile, sondern steckt direkt hinter eurem Boxer mitten im Fight. Das Auslösen von linkem und rechtem Haken, Schwinger oder Uppercut geht schnell in Fleisch und Blut über - auch wenn einige Schläge das gleichzeitige Drücken von Schultertaste, zwei Knöpfen und Analogstick fordern. Trotzdem sind selbst diese Kombinationen sinnvoll, weil ihr grundsätzlich mit gezogener Schultertaste gegnerischen Schlägen ausweicht. Dass ihr für einen Konterschlag aus defensiver Position heraus einen oder zwei Knöpfe drücken und das Ziel vorgeben müsst, leuchtet selbst Boxmuffeln ein.

Stakkato-Boxen

Auch eure Widersacher

Könnt ihr mehrere solcher Treffer landen, versetzt ihr euren Boxer in einen Kampfrausch.
verhindern, dass sich die Fingerspitzen im Stakkato rasanter Verrenkungen verlieren, denn unkontrolliertes Hämmern honorieren sie mit harten Gegentreffern - falls es nicht in ihrer Deckung verpufft. Auf der anderen Seite fällt es euch leicht, den Kontrahenten Einhalt zu gebieten: Das Ziehen des Analogsticks hebt oder senkt die Fäuste in die entsprechende Richtung. Nur wenn ihr Abstand gewinnen wollt, zieht ihr Analogstick und linke Schultertaste, was ein schnelles Zurückweichen verhindert. Zum Glück laufen die Fights aber in einem glaubwürdigen Tempo ab, was plötzliche Bewegungen überflüssig macht.

Auch wenn die (zu stark glänzenden) Athleten ihre Balance verlieren, aggressiv attackieren oder sich umtänzeln atmet die Illusion die Luft des realen Sports. Ausgerechnet in einer Filmumsetzung auf PSP - häufig das Synonym für lieblose präsentierte Lizenzen - steckt eine anspruchsvolle Simulation wie sie demnächst wahrscheinlich nur Fight Night Round 3 auf PlayStation 3 zeigen wird!

Balance-Akt

Was die Akteure im Vergleich zu EAs Stars allerdings nicht beherrschen, ist das Klammern. Stattdessen entfernen sie sich durch Wegdrücken ihrer Gegner - entweder nach vorne, links oder rechts - aus brenzligen Situationen. Auch das Verarzten von Platzwunden oder Schwellungen bietet Ubisoft nicht an. Wahrscheinlich liegt es daran, dass Rocky einen Film zitiert und keine Tatsachen beschreibt. Der Vorteil des Wegschiebens: Die Kämpfe sind ständig in Bewegung und ihr schwitzt sofort weiter, wenn euch die smarten Gegner mit geschickter Deckung und dem Ausgucken eurer Schwachstellen auf die Pelle rücken. Schon auf dem einfachsten von drei Schwierigkeitsgraden fordern Rocky und Filmkollegen den Profi in euch!  

Fazit

Die PS3 hat es in Fight Night Round 3, Nintendo hat es in Wii Sports - und die PSP hat es in Rocky Balboa: Boxen mit Schulterblick. Es tut der Dynamik des Sports unglaublich gut, mein Alter Ego nicht nur über die seitliche Distanz zu bewegen, sondern unmittelbar dabei zu sein. Schließlich muss ich deshalb keine Tastenkombinationen lernen, sondern kann mich beim Schlagen und Blocken auf meine Intuition verlassen. So bleibt mir mehr Zeit, meinen Gegner zu studieren, seine Schwachstellen zu suchen und die richtige Taktik anzusetzen. Aber um Gottes Willen, Ubisoft: Nehmt das Spiel so wie es ist, lasst mich in einer umfangreichen Karriere an den Werten meines Sportlers feilen und ihr macht aus einem Boxmuffel einen Fan! Es ist zermürbend, mit ständig wechselnden Boxern von einem Kampf zum nächsten zu hechten. Das hemmt nicht nur den Spaß am Weitermachen, sondern zerstört auch jedes Erfolgserlebnis.

Pro

  • dynamische Boxsimulation
  • viele Filmszenen
  • etliche Schläge aus allen Positionen
  • Boxer durchlaufen verschiedene Stimmungen
  • knackiger Kampfrausch
  • massig Herausforderungen+ glaubwürdige Boxer-Bewegungen
  • satte Schlaggeräusche

Kontra

  • lange Ladezeiten
  • Kampfpausen ohne Cutman
  • keine Abwechslung zwischen Spielvarianten
  • keine Karriere, keine Story, kein Verbessern von Werten

Wertung

PSP