F1 Championship Edition - Test, Rennspiel, PlayStation3

F1 Championship Edition
02.03.2007, Michael Krosta

Test: F1 Championship Edition

Zwar hat Michael Schumacher seine aktive Rennfahrerkarriere im letzten Jahr beendet, doch das hindert Sony nicht daran, den Rentner aus dem Ruhestand zurückzuholen, damit er im PS3-Cockpit von Formel 1 Championship Edition wieder aufs Gaspedal drückt. Wird die Serie erfolgreich in die nächste Generation geführt oder hat man dem PS2-Vorbild lediglich eine grafische Frischzellen-Kur verpasst?

Detaillierte Boliden mit beeindruckenden Echtzeit-Spiegelungen auf dem Lack, Cockpit-Ansichten, bei denen ihr jeden kleinen Schalter und Hebel am Multifunktionslenkrad erkennen könnt, atmosphärisches Hitzeflimmern am Heck der F1-Flitzer, und Rückspiegel, in denen ihr dank der HD-Auflösung auch endlich etwas erkennen könnt: Ja, Sony hat die Grafik der Rennserie mächtig aufgepeppt und auf Next-Generation getrimmt! Endlich jubeln euch von den Tribünen nicht länger regungslose Pappaufsteller, sondern ein Polygon-Publikum entgegen, das zwar mäßig animiert und pixelig auftritt, aber

Die Regenrennen sehen fantastisch aus!
dennoch einen Fortschritt darstellt. Das gilt auch für die gelungenen Licht- und Wettereffekte, auch wenn es die Entwickler hier teilweise übertrieben haben: So blendet euch die Sonne meist genau vor kritischen Kurven oder Schikanen, was oft einen Abflug zur Folge hat oder euch dazu zwingt, etwas mehr in die Eisen zu gehen als auf der PS2.

Mehr Grafik-PS

Die Regenrennen sehen fantastisch aus, wenn die Gischt eure Sicht beeinträchtigt und die Regentropfen passend zur Geschwindigkeit über das Display kullern - auch wenn dieser Effekt etwas aufgesetzt wirkt. Neben den obligatorischen Außen- und Innenansichten inklusive Cockpitperspektive hat es auch eine neue Einstellung ins Spiel geschafft, in der die Kamera links hinter dem Helm platziert wird. Das Fahren gestaltet sich hier allerdings als gewöhnungsbedürftig und so solltet ihr die Cockpit- oder Helmansicht auf jeden Fall vorziehen, denn dort kommt das hervorragende Geschwindigkeitsgefühl mit Motion-Blur-Effekten und der optionalen Wackelkamera am besten zu Geltung. Leider müssen Ferrari-Piloten in der Cockpit-Ansicht auf die Außenspiegel verzichten, da sie beim letztjährigen Modell an den Seitenkästen angebracht wurden, die die Cockpit-Perspektive im Spiel nicht abdeckt.

Je nach dem, welche HUD-Komponenten ihr in den Optionen aktiviert habt, könnte es dagegen auch in der Helmansicht Probleme geben: Hier wird bei vollem HUD der linke Außenspiegel von der Bildschirmanzeige verdeckt und ist somit nutzlos. So schön die Formel 1-Welt auf der PS3 auf den ersten Blick auch aussehen mag, gibt es dennoch einige Kritikpunkte: Leider hat man auch auf der Next-Gen-Konsole das mitunter starke Flimmern immer noch nicht in den Griff bekommen und auch Kanten sind neben vereinzelten Pop-Ups keine Seltenheit. Das Schadensmodell kann ebenfalls nicht vollends überzeugen: Mal hat schon ein kleiner Rempler fatale Folgen während teilweise spürbare Einschläge an der Streckenbegrenzung keine Schäden nach sich ziehen. Auch scheint man sich noch nicht darüber klar zu sein, dass in der realen F1 die Räder der Flitzer bei einem Aufprall in der Regel von Stahlseilen davon abgehalten werden, sich vom Chassis zu lösen und unberechenbar durch die Gegend zu fliegen.

Im Spiel verliert ihr die Pneus dagegen oft schon bei kleineren Kollisionen. Falls ihr euch nach einem Unfall doch noch in die Box retten könnt, wartet das übliche Geschicklichkeitsspiel auf euch, bei dem ihr so schnell wie möglich die angezeigten Knöpfe drücken müsst. Ich persönlich hätte es vorgezogen, den interaktiven Boxenstopp nur optional anzubieten, wie

Die Boliden wurden mit sehr viel Liebe zum Detail modelliert.
es EA vor Jahren bei den eigenen F1-Titeln eingeführt hat. Bei Sony muss dagegen jeder ran - ob er es will oder nicht. Einzige Alternative: Komplett auf die Boxenstopps und damit auch die Reifenabnutzung und den Benzinverbrauch verzichten!

Nicht nur im grafischen Bereich, sondern auch bei der Klangkulisse hat F1 gewaltig zugelegt. Ihr wollt die ohrenbetäubende Live-Atmosphäre in eurem Wohnzimmer? Dann dreht die Anlage auf - und das am besten im 5.1.-Sound! Die Motoren klingen noch mal kerniger und schreien im oberen Drehzahlbereich geradezu nach einem Gangwechsel. Schön zu hören ist außerdem, dass die Boliden der einzelnen Teams endlich wieder individuell klingen - dies war bei den letzten Teilen auf der PS2 nicht der Fall. Besonders cool ist es, wenn ihr euch mitten in einem engen Fahrerfeld befindet und die Motoren aus allen Kanälen heulen - hier ist ein brachiales Mittendrin-Gefühl garantiert. Über das Kommentatoren-Duo Christian Danner und Heiko Waßer kann man dagegen geteilter Meinung sein und auch auf der PS3 geben sie manchmal Unsinn von sich - genau wie die Boxencrew. Insgesamt gehen die Kommentare bis auf wenige Aussetzer jedoch in Ordnung.

Die volle Dröhnung

Die Spielmodi entsprechen mit schnellen Rennen, Zeitrennen, GP-Wochenende, Weltmeisterschaft und Karriere der PS2-Version. Wer mehr darüber erfahren will, den verweise ich auf unseren Test. Allerdings muss angemerkt werden, dass ihr auf der PS3 nicht in der aktuellen Saison 2007 an den Start geht, sondern genau wie auf der PS2 mit den Fahrer- und Teams sowie Strecken von 2006 Vorlieb nehmen müsst. Leider wurden selbst die mittlerweile veralteten Daten für den PS3-Auftritt nicht auf den neuesten Stand gebracht: So sitzt die ganze Saison Rüpel Juan-Pablo Montoya im McLaren-Mercedes-Cockpit, obwohl der Hitzkopf bereits im Juli 2006, also nicht mal nach der Hälfte der Saison, aus dem Team rausgeschmissen und

Das Schadensmodell hätte noch etwas Feintuning vertragen können.
durch den Spanier De la Rosa ersetzt wurde. Ärgerlich ist zudem, dass auch die PS3-Version keine Rennen im Splitscreen ermöglicht: Hier dürft ihr lediglich via LAN oder online eure Multiplayer-Runden drehen. Leider war es uns bisher noch nicht möglich, den Onlinemodus ausgiebig zu testen. Wir werden die Eindrücke nach dem Verkaufsstart nachreichen.

Veraltete Lizenz

Auch beim Fahrzeug-Setup hat man praktisch die PS2-Features übernommen, was sich auch bei der Fahrphysik bemerkbar macht. Diese lässt sich auch auf der PS3 als eine Mischung aus Arcade und Simulation beschreiben, wobei ihr den Sim-Anteil durch das Abschalten von Fahrhilfen wie ABS oder Traktionskontrolle aufwerten könnt. Trotzdem verhalten sich die PS-starken Flitzer insgesamt sehr gutmütig, so dass ihr kein Racing-Profi sein müsst, um den Wagen auf der Strecke zu halten. Klar, das mag Simulationsfans sauer aufstoßen und auch ich hätte mir von einem F1-Spiel der nächsten Generation einen stärkeren Fokus auf eine akkurate und fordernde Fahrphysik gewünscht - von mir aus gerne in einem separaten Spielmodus. Nichtsdestotrotz machen mir die Ausflüge auf die Pisten von Australien bis Sepang gerade wegen der hervorragenden Spielbarkeit und präzisen Steuerung einen Heidenspaß, auch wenn ich nach manchen KI-Aktionen den Motor am liebsten sofort abstellen würde. Ich finde es prima und unterhaltsam, wenn andere Fahrer Kampflinie fahren und mir das Überholen schwer machen. Solche Momente finden sich auch immer wieder im Spiel und sorgen für spannende Duelle und tolle Überholmanöver aus dem Windschatten heraus. Manchmal packt die KI jedoch Montoya-like die Brechstange aus und fährt euch gnadenlos ins Heck. Wenn ihr seht, dass auch eurer Gegner bei einer solchen Aktion Schaden nimmt, könnt man noch von ausgleichender Gerechtigkeit reden. In F1 ist es jedoch oft so, dass euch Verfolger vor allem in Kurven touchieren, so dass ihr euch von der Strecke dreht, während die Übeltäter ohne Konsequenzen weiter fahren - das frustet! Nervig ist zudem, wenn sich die Boliden bei Überholmanövern in Kurven verhaken, da man hier enorm viel Zeit verliert und das Verhalten der KI nichts zur Lösung des Problems beiträgt, sondern eher hinderlich ist. Das Strafsystem wurde ebenfalls 1:1 von der PS2 übernommen, so dass ihr nach Abkürzungen für eine

Führt ihr Alonso auch auf der PS3 zum WM-Titel?
bestimmte Zeit ausgebremst werdet. Doch auch auf der PS3 lasst ihr durch Zickzack-Bahnen die Verfolger hinter euch, so dass sich die Folgen einer solchen Bestrafung in Grenzen halten. Anders jedoch bei Rempeleien: Lasst ihr zu sehr die Pistensau raushängen, kann dies bis zur Disqualifikation führen.

Mischung aus Arcade und Simulation

Ein Blick in die Steuerungoptionen sorgte bei mir für glänzende Augen: Neben dem Sixaxis-Controller, mit dem ihr auch in F1 auf Wunsch mit den Triggern Gas geben und Bremsen dürft, werden auch Lenkräder wie das Driving Force Pro oder Logitechs Edel-Wheel G25 unterstützt! Sollte Sony etwa auf die Rennspielgötter gehört haben und den PS3-Racern doch noch ein echtes Force Feedback bescheren? NEIN! Zwar lassen sich die besagten Lenkräder problemlos mit F1 verwenden, aber rühren wird sich nichts. Es ist schon ein sehr befremdliches Gefühl, vollkommen ohne einen Hauch eines Widerstandes über die Curbs zu brettern, einen anderen Fahrer zu touchieren oder ungebremst in eine Mauer einzuschlagen. Wäre es denn so ein großes Problem gewesen, die bereits vorhandenen Force Feedback-Routinen von der PS2 auf die PS3 zu übertragen? Beim gesamten Rest des Spiels hat es doch auch funktioniert!

Force Feedback?

Fazit

Formel 1 Championship Edition für die PS3 ist ohne Zweifel das grafisch beste Spiel rund um die Königsklasse des Motorsports! Zwar wirken die Kulissen mit den pixeligen Zuschauern auf den Tribünen trotz Facelifting immer noch etwas karg und flimmeranfällig, doch entschädigen dafür die detaillierten Boliden mit ihren brachialen Motorenklängen und die beeindruckenden, wenn auch etwas übertriebenen Wettereffekte. Bis auf die Präsentation hat sich jedoch wenig getan: Die Fahrphysik ist immer noch recht entgegenkommend und hätte auf der PS3 samt Setup ruhig etwas simulationslastiger ausfallen dürfen. Auch das inkonsequente Schadensmodell sowie die unnötig aggressiven KI-Aussetzer hätten für den Next-Gen-Auftritt verbessert werden müssen. Daneben ist es schade, dass PS3-Piloten mit den letztjährigen Daten auskommen müssen, obwohl die neue Saison doch Mitte März in Melbourne startet. Auch hätte ein Splitscreenmodus sicher nicht geschadet, denn nicht jeder hat die Möglichkeit, mehrere PS3-Konsolen zu vernetzen oder online um den Sieg zu fahren. Zudem beschäftigt mich eine Frage: Warum werden Force Feedback-Lenkräder offiziell unterstützt ohne die Force-Effekte zu nutzen, obwohl man die fertigen Routinen doch nur von der PS2 auf die PS3 hätte umsetzen müssen? Trotz der Kritik zählt F1 Championship Edition für mich zu einem der besseren Launch-Titel, da ich immer noch Spaß daran habe, auf den F1-Pisten meine Runden zu drehen und mir harte Duelle mit der herausfordernden, wenn auch manchmal unfairen KI zu liefern. Formel 1-Fans bekommen hier ein durchweg gutes Rennspiel für ihre neue Konsole – sofern sie keine Hardcore-Simulation und aktuelle Saisondaten erwarten!

Pro

  • offizielle FIA-Lizenz
  • viele Einstellungsmöglichkeiten
  • für Amateure & Profis geeignet
  • gutes Fahrgefühl+ volles Schadensmodell
  • detailliert modellierte Boliden
  • fordernde Gegner+ Reglement inkl. Qualifying von 06
  • gutes Geschwindigkeitsgefühl
  • gute Abstimmungsmöglichkeiten beim Setup
  • durchweg flüssige Darstellung+  unterschiedliche Witterungsverhältnisse
  • überarbeitete Grafikengine & neue Motorensounds

Kontra

  • kaum Neuerungen gegenüber PS2-Version
  • inkonsequentes Schadensmodell
  • KI-Aussetzer
  • karge Kulissen
  • langweiliger Karrieremodus
  • gelangweiltes Kommentatoren-Duo
  • kein Force Feedback
  • veraltete Lizenz 

Wertung

PlayStation3

Formel 1 wurde auf der PS3 zwar grafisch mächtig aufgepeppt, ist inhaltlich aber noch zu sehr Current- als Next-Gen.