Shin Megami Tensei: Digital Devil Saga 2 - Test, Rollenspiel, PlayStation2

Shin Megami Tensei: Digital Devil Saga 2
12.04.2007, Jens Bischoff

Test: Shin Megami Tensei: Digital Devil Saga 2

Die digitale Teufelssaga geht weiter. THQ hat auch den zweiten Teil der Shin Megami Tensei: Digital Devil Saga nach Deutschland gebracht, der die losen Enden des Vorgängers weiterspinnt und zum Abschluss bringt, während spielerische Neuerungen für noch mehr Tiefgang sorgen sollen. Noch schmackhafter als der Vorgänger oder fade Wiederaufbereitung ohne Biss?

Digital Devil Saga 2 setzt genau da an, wo Teil eins endete: Mit dem Einzug des in einem erbitterten Clan-Krieg siegreichen Embryon-Stamms in das als Paradies verheißene Nirwana. Doch das gelobte Land entpuppt sich nur als weitere Hölle. Serph, Argilla und Gale erwachen an einem noch unwirtlicheren Ort, mit stummen Überresten menschlicher Gebilde, die im Licht der schwarzen Sonne zu Stein erstarrt sind.

Das erhoffte Paradies ist nur eine weitere Hölle, in der die Sonne Menschen zu Stein verwandelt.
 Nur wenige konnten in unterirdische Tunnelsysteme flüchten, wo sie von der elitären, unter einem gigantischen Schutzschild residierenden Karma Society erbarmungslos gejagt werden. Zusammen mit einer Rebellengruppe versuchen Serph und Co. verschollene Stammesmitglieder ausfindig zu machen, ihre gefangen gehaltene Freundin Sera zu befreien und die Geheimnisse der alles andere als paradiesischen Welt zu ergründen.

Vom Regen in die Traufe

Das postapokalyptische Szenario ist einmal mehr von religiösen und mythologischen Elementen sowie Matrix-ähnlichen Zuständen geprägt, in denen sich der Spieler erst einmal zurechtfinden muss - die teils bizarren Umgebungen und Charaktere tun ihr Übriges. Kennern des Vorgängers dürften Stil und Spielablauf hingegen sehr vertraut vorkommen: Ihr trefft teils auf bekannte Gesichter und Gegner, erlernt vertraute Zauber und Fertigkeiten und erlebt zahlreiche Flashbacks, die auch für Neueinsteiger die wichtigsten Zusammenhänge zu Ereignissen im Vorgänger knüpfen, während die Spielmechanik nochmals kurz erklärt wird.

Zwar gibt es kleine Erweiterungen wie den Berserk-Modus, der euch bei entsprechendem Sonnenrauschen nicht immer vollständig in eure Dämonenform wechseln lässt, wodurch ihr mit immenser Angriffskraft, aber nur geringer Abwehr nach wie vor zufällig erscheinenden Widersachern gegenüber tretet. Aber das Kampfsystem selbst präsentiert sich genau so wie in Teil eins. Auch Party- und Charaktermanagement wurden quasi unverändert übernommen. Es gibt lediglich ein abgewandeltes Skill-Brett sowie die Möglichkeit seine Recken mit aufrüstbaren Karmaringen auszustatten. Das Erlernen und Zuteilen neuer Fertigkeiten ist aber nach wie vor eine sehr freie und motivierende Angelegenheit, die durch das Anlegen Status verändernder Ringe gekonnt verfeinert wurde.

Wenig Neues

Da der Platz für aktive Fertigkeiten stark begrenzt ist und das Kampfsystem keine Fehler verzeiht, ist es wichtig, eine ausgewogene Gruppe zusammenzustellen, deren Mitglieder ihr jederzeit gezielt austauschen könnt. Mit stupidem Draufhauen kriegt ihr die Kreaturen im Spiel jedenfalls nicht klein. Wie in den anderen Shin Megami-Spielen gibt es ein einfaches, aber sehr effektives Stärken- und Schwächensystem. Nur wer sich die Schwächen seiner Gegner merkt und konsequent ausnutzt sowie seine eigenen Schwächen kennt und schützt, kommt hier zügig und sicher voran. Das erfordert Einarbeitung und Aufmerksamkeit, sorgt aber für durchwegs taktisch motivierende Schlagabtausche. Persönlich hätte ich es mir zwar gewünscht, endlich von Zufallskämpfen aus dem Nichts weg zu kommen, um die Gegner noch vor dem Kampf zu erkennen und entsprechende Vorbereitungen treffen zu können, aber dann wäre es vermutlich schwer realisierbar gewesen, den Sonnenrauschzyklus auch Einfluss auf Gegnerart und -anzahl nehmen zu lassen.        

Die Kämpfe selbst laufen jedenfalls sehr klassisch, sprich rundenbasiert ab. Wer gegnerische Schwachpunkte ausnutzt oder deren Stärken erfolgreich kontert, wird jedoch mit Extrazügen belohnt, während Patzer und Fehlschläge mit Zugverlusten bestraft werden. Wer Zugreihenfolge und Aktionen taktisch klug abstimmt, kann sogar zahlenmäßig überlegene Gegner besiegen ohne dass diese überhaupt zum Zug kommen.

Egal, ob ihr als Dämon oder Mensch in den Kampf zieht, ohne Kenntnis über eure Gegner geht gar nichts.
 Selbst bei einfachen Gegnern ist man so stets motiviert die Kämpfe so kurz wie möglich zu halten. Ein bisschen weniger Zufallskämpfe hätten es aber dennoch sein können. Denn gerade bei lästigen Wegwiederholungen sind zu viele Spielflussunterbrechungen eher kontraproduktiv. Ansonsten hat das Kampfsystem aber keine nennenswerten Schwächen, auch wenn es auf den ersten Blick sehr altmodisch wirkt.

Erst denken, dann kämpfen

Das angestaubte Leveldesign mit seinen steril texturierten 08/15-Korridoren hätte hingegen nicht sein müssen. Hier wirkt Shin Megami fast schon rückständig. Zwar setzt die grafische Darstellung auch sonst keine Maßstäbe, glänzt dafür aber mit bizarren Charakteren und Details. Auch die teils eigenwillige Sounduntermalung harmoniert bis auf wenige Ausnahmen sehr gut mit dem morbiden Szenario, wo Elitesoldaten Jagd auf Unschuldige machen und pferdeköpfige Dämonen Menschenfleisch aus Konservendosen essen. Ihr selbst seid aufgrund eurer dämonischen Fähigkeiten natürlich auch kannibalisch veranlagt und verputzt geschwächte Gegner als Zwischenmahlzeit, was manchmal sogar zu Bauchschmerzen führt. Kopfarbeit ist aber genau so gefragt, auch wenn die ins Spielgeschehen eingeflochtenen Schalter- und Item-Rätsel nicht allzu komplex sind. Für eine gewisse Auflockerung sorgen sie aber dennoch.

Stilistisch hui, optisch pfui!

Ansonsten experimentiert ihr mit verschiedenen Skill-, Ausrüstungs- und Party-Setups herum, um neue Combos zu entdecken, erkämpft euch Geld und Erfahrungspunkte, stöbert im örtlichen Shop nach neuen Angeboten, führt Smalltalk mit Einheimischen oder geht an speziell markierten Orten auf Dämonenjagd, wo ihr für das Sammeln von Kristallen und verspeisen seltener Spezies besonders lukrativ belohnt werdet. Die Spielwelt ist zwar recht überschaubar, die Spieldauer geht mit ca. 40 Stunden aber in Ordnung.

Halb Mensch, halb Dämon: Im neuen Berserk-Modus bleibt ihr manchmal mitten in der Verwandlung stecken.
 Zudem hilft euch eine praktische Automap bei der Orientierung, während teleportfähige Speicherpunkte hin und wieder den Rückweg verkürzen - allerdings nur in eine Richtung... Darüber hinaus könnt ihr euch an zahlreichen Terminals regenerieren, neue Skills herunterladen und natürlich euren Spielstand sichern.

Die englische Sprachausgabe ist wieder ein Highlight. Schade nur, dass sie nur bei Zwischensequenzen erklingt und der Protagonist Serph nach wie vor keinen Mucks von sich gibt. Dadurch wirkt er abermals äußerst uncharismatisch und austauschbar, während seine Kameraden immer mehr an Tiefe und Profil gewinnen. Leider sind auch die Untertitel wieder nur in Englisch verfügbar, so dass ohne entsprechende Sprachkenntnisse viel vom Flair und Inhalt der Handlung verloren geht. Dafür gibt es jedoch einen 60Hz-Modus, der euch vor lästigen PAL-Balken und augenfeindlicher Flimmeroptik bewahrt, sofern ihr keinen Uralt-Fernseher zuhause stehen habt und auch preislich siedelt sich Digital Devil Saga 2 leicht unterhalb aktueller Neuerscheinungen an. Fans des Vorgängers können aber so oder so bedenkenlos zugreifen, während Spieler, die schon mit dem ersten Teil nichts anfangen konnten, auch dieses Mal nicht bekehrt werden dürften.      

Eine Frage des Verstehens

Fazit

Digital Devil Saga 2 führt sowohl die zahlreichen Tugenden als auch die vorhandenen Schwächen des Vorgängers konsequent fort. Spielerisch ist der Titel trotz antiquierter Zufallskämpfe noch immer ein Highlight. Die sterilen Kulissen und der profillose Held drücken jedoch nach wie vor auf die Atmosphäre. Allerdings wirkt die herrlich düstere Rahmenhandlung dieses Mal harmonischer eingeflochten und auch das Kampfsystem wurde durch kleine, aber feine Erweiterungen noch einen Tick taktischer und abwechslungsreicher. Grundlegende Veränderungen gab es jedoch keine. Kenner des Vorgängers finden sich daher schnell zurecht und dürfen sogar ihren Abschlussspielstand aus Teil eins importieren, um in den Genuss diverser Boni zu kommen. Doch auch Neulingen macht die zweite Teufelssaga den Einstieg leicht: Der Schwierigkeitsgrad ist moderat, Speicherpunkte gibt es zu genüge und an wichtigen Stellen schließen gekonnt eingeflochtene Rückblenden eventuelle Verständnislücken, während Veteranen noch weitere Zusammenhänge erkennen. Für eine Lokalisierung hat es aber auch dieses Mal nicht gereicht, so dass Spieler ohne solide Englischkenntnisse trotz hervorragender Sprecher inhaltlich auf der Strecke bleiben. Ansonsten solltet ihr euch auch den zweiten Teil des klassisch gestrickten, aber originell präsentierten Endzeittrips nicht entgehen lassen.

Pro

  • bizarres Charakterdesign
  • motivierendes Skillsystem
  • fair verteilte Speicherpunkte
  • Rückblenden für Neueinsteiger
  • praktische Automap & Teleports
  • forderndes taktisches Kampfsystem
  • exzellente englische Sprachausgabe

Kontra

  • sehr viele Zufallskämpfe
  • altbackenes Leveldesign
  • teils sehr sterile Kulissen
  • stummer, profilloser Protagonist

Wertung

PlayStation2

Gelungene Fortsetzung des stimmungsvollen Endzeit-RPGs.