Lost in Blue 2 - Test, Simulation, NDS

Lost in Blue 2
01.06.2007, Jörg Luibl

Test: Lost in Blue 2

Seid ihr noch mal reif für die Insel? Bereits im November 2005 ließ Konami zwei junge Leute auf einem idyllische anmutenden Eiland stranden - Sommer, Sonne, Meer und Geheimnisse voraus. Aber obwohl Entdeckerlust und Abenteuergeist entfacht wurden, entpuppte sich das Spiel sehr schnell als knallhartes und auf Dauer monotones Survival-Training für Jäger und Sammler. Hat Konami das schlummernde Potenzial endlich geweckt?

Ich bin Jack, neben mir läuft Amy, wir beide sind nach einem Sturm auf einer Insel gestrandet und haben trotz fürstlich

Déjà-vu: Mit dem Holzspeer könnt ihr Fische aufspießen - wie schon im ersten Teil.
blauem Himmel und 30 Grad im Schatten nur ein Ziel: Nach Hause kommen! Ich habe Hunger. Sie hat Hunger. Also die Lady an die Hand, mit ihr ab zum Strand, unterwegs ein paar Kokosnüsse sammeln, etwas Seegras einpacken und im Nassen nach Fischen jagen. Die Sonne strahlt, der Holzspeer ist gespitzt und in null Komma nichts habe ich mit dem Stylus vier leckere Flundern aufgespießt! Was zunächst ebenso lecker wie romantisch anmutet, ist reine Routine, denn seit mehr als einer Woche machen wir nichts anderes. Wie sollen wir jemals in die anderen Regionen vorstoßen? Sümpfe, Wald, Hochebene, Gebirge und ein See warten auf euch.

Ein Paar, ein Ziel

Das Leben ist hart, wenn der Supermarkt fehlt. Immer wieder geht es mit der Beute gemeinsam zurück zur Höhle, die man mit Regalen, Brennholz & Co füllen kann. Dort angekommen, wird immer wieder das Feuer entfacht: Ein harter Stock auf die weiche Borke, mit den Schultertasten drehen bis es qualmt, dann ins Mikro pusten und siehe da - die Flamme züngelt, die Höhle knistert! Jetzt meckert Amy nicht mehr über die Kälte und der Fisch kann endlich gegrillt werden. Neu ist, dass ihr jetzt aus vier Zutaten und zwei Gewürzen nicht nur ein Fresspaket schnüren, sondern auch aktiv kochen könnt.

Sprich: Nur, wenn ihr eure Flundern, Kokosnüsse und Pilze schnell genug wendet, bleibt die Mahlzeit optimal genießbar - dargestellt durch weißen Dampf. Wabert es schwarz in die Luft, könnt ihr zwar noch zubeißen, aber es schmeckt nicht mehr und der Nährwert ist futsch. So richtig lecker wird das Ganze erst, wenn man die optimale Mischung aus Fisch, Gemüse, Salz & Co auf den Steinplattengrill schmeißt. Die Fülle an Zutaten und Gewürzen ist schier unermesslich - von Kugelfisch und Krabbe, Himbeere und Kartoffel bis hin zu diversen Muscheln, Fleisch sowie Pfeffer und Chili reicht die Palette.

Große Inselküche

Aber der Magen ist nur einer von drei Bettlern, die jeden Tag mehrmals gefüllt werden wollen, dargestellt von einer 100%-Skala: Eure Ausdauer verlangt nach Schlaf, eure Kehle nach

Mit den Fäusten gegen ein Krokodil? Kann klappen, aber dann müsst ihr schnell ausweichen und präzise zuschlagen.
Wasser und wenn ihr diese drei vernachlässigt oder gar giftige Pilze zu euch nehmt, dann sinkt die Lebenskraft ganz schnell auf die nekromantische Null.

Also müsst ihr täglich jagen, trinken, zubereiten und ausruhen - zwischendurch hat man in den ersten Tagen kaum Zeit für Entdeckungen; man ist schon froh, wenn man eine Flasche zur Auffüllung oder einen frischen Stock zur Speeraufrüstung findet. Speichern darf man übrigens jederzeit.

So ist das Leben, wenn man eine Survival-Simulation spielt, aber macht eine Inselerkundung so Spaß? Immerhin sehen Strand, Nebel, Flüsse, Inventar und sogar die Animationen beim Springen und Pflücken jetzt noch besser aus als 2005 - die Grafikdesigner verwandeln die Doppelbildschirme des DS in eine überaus ansehnliche Spielwelt.

Mehr Robinson Crusoe!

Die Musik plätschert idyllisch vor sich hin, die Wellen rauschen und theoretisch harrt eine noch viel größere Insel als anno dazumal mit einer Sumpf- und Bergwelt, mit einer grabewachsenen Hochebene und einem mysteriösen See.  Und wer hat schon mal gegen ein Krokodil gekämpft? Da sollte doch der Crusoe-Instinkt geweckt werden...

                    

...wird er auch, aber erst nach zehn Spielstunden! Erst, wenn man sich über Fleisch und bessere Rezepte auch mal längerfristig sättigen kann. Aber leider hat Konami praktisch nicht aus dem einen grundsätzlichen Fehler des ersten Teils gelernt und das Mikro-Management zu Gunsten komfortablerer Erkundungen entschlackt. Auch diesmal bekommt ihr nur eine Prise Abenteuer und Erkundung, dafür jedoch zwei Zentner Nahrungssuche. Die kann ja auch unterhaltsam sein, wenn die Ebbe neue Bereiche

Salatteller oder Gegrilltes? Ihr habt die Wahl, ob ihr Gerichte kalt oder heiß zubereitet. Dabei müsst ihr aktiv mit dem Messer schneiden oder Fleisch wenden.
freigibt oder man merkt, dass sich nachts ganz andere Fische fangen lassen. Doch selbst wenn man mal den Rucksack voll hat, hält das Zubereitete meist nicht lange genug vor. Das Sammeln und Jagen bietet viele aktive Facetten, aber ist auf Dauer zu monoton, zumal sich überraschende Wendungen oder Funde sehr lange in Grenzen halten.

Man springt wie im ersten Teil, man fischt wie im ersten Teil, man buddelt Karotten und schüttelt Bäume wie im ersten Teil. Und die soziale Interaktion mit der Partnerin beschränkt sich für mehrere Tage auf Floskeln und Arbeitsbeschaffung. Immerhin: Fragt ihr regelmäßig nach dem Befinden, stärkt ihr die Beziehung und bekommt vielleicht nützliche Informationen. Schön ist, dass man Amys Stimmung bemerkt, dass sie einen begrüßt, verabschiedet und Feedback gibt, wenn etwas gebraucht wird. Außerdem kann man ihr Aufträge geben, so dass sie für euch Holz sammelt oder Nahrung beschafft. Und hier spielt sie ihre Talente aus, denn sie findet plötzlich Dinge wie Rettich oder Austern, die ihr noch gar nicht entdeckt habt - das sind die motivierenden Momente des Spiels.

Aktive Teamarbeit

All das sind interessante Teamansätze, die Lost in Blue 2 (ab 81,61€ bei kaufen)  gegenüber dem Vorgänger aufwerten, zumal ihr ihre Hilfe auch braucht, um mächtige Steine wegzurollen. Aber all das verpufft, denn die kooperative Erkundung und Rätselei wird zu selten gefordert, zumal Amy manchmal viel zu lange wegbleibt, wenn man sie auf die Suche schickt. Gerade die ersten Stunden des Spiels arten oftmals in ein Babysitting aus, bei dem man zwei Mägen bei viel zu wenig Zeit füllen muss - statt Spannung schleicht sich Routine ein. Die Frage ist ja: Wer schafft es angesichts dieser Monotonie, die sehr schnell in Stress ausarten kann, überhaupt bis zum Angeln, Tauchen und Ziegen melken? Bis zu dem Punkt, wo man Gorillagebrüll über das Mikro nachahmen oder Möbel herstellen kann? Hätte man die schnelle Zunahme von Hunger, Durst und Müdigkeit nicht etwas abdämpfen können? Nur harte Überlebenskünstler werden in die Tiefe des Spiels abtauchen können.

Was verbirgt sich unter der Falle? Wenn ihr Glück habt, könnt ihr den Grill anschmeißen...
Das Durchhalten lohnt sich trotzdem, dieses Spiel ist trotz seiner spröden Einstiegsphase ein gutes. Irgendwann, nach vielen Tagen der Suche und Lebenserhaltung von zwei Personen gibt es dann einen Lichtblick: Man findet eine weitere Höhle, die den Zugang zu einem bisher unbekannten Tal ermöglicht. Aha! Endlich kommt so etwas wie Entdeckerlust auf und endlich zeigt Konami mit dem ersten leichten Erdbeben, einer kleinen Springflut samt Treibgut sowie gefährlichen Wölfen tatsächlich einen Hauch von Regie - na also!

Licht am Horizont

Die Vierbeiner greifen nur an, wenn ihr ihnen zu nahe kommt; und das müsst ihr, wenn ihr weitere Gebiete erforschen wollt. Habt ihr einen Speer zur Hand, könnt ihr den Graupelzen über geschicktes Ausweichen nach rechts oder links samt folgendem Stich ordentlich zusetzen - das sorgt endlich für ein wenig Nervenkitzel. Später könnt ihr auch die Bogenkünste eurer Begleiterin nutzen oder Fallen stellen. Und nach diesem Intermezzo im neuen Bereich zeigt auch Amy in der Höhle endlich Nerven und bekommt einen Weinkrampf. Bastelt ihr eine Kette, könnt ihr sie beruhigen...endlich Emotionen, endlich neue Gebiete, ich will weitermachen.

Unterm Strich geht Lost in Blue 2 immer noch zu wenige motivierende Schritte vom simulationslastigen Vorgänger weg Richtung Action-Adventure, aber sie sorgen für Abwechslung, sie halten mich bei der Stange. Abseits des Abenteuers warten Minispiele in Form des "Mehrfach-Überleben" auf euch: Per DS-Datenübertragung könnt ihr mit nur einem Spiel gegen Freunde antreten - im Feuer machen, Fischen und Melken. Das Ganze auf Zeit und mit Punktvergabe.

            

Fazit

Ich habe ein Déjà-vu: Das Inselthema ist ebenso reizvoll wie die wunderbare Kulisse, Art & Design wecken sofort den Robinson Crusoe in mir, die interaktiven Möglichkeiten von Touchscreen, Mikro und Stylus werden vorbildlich ausgenutzt. Aber die monotone und teilweise stressige Nahrungsbeschaffung hemmt wie schon im Vorgänger anno 2005 viel zu lange die Entdeckerlust. Man ist einfach zu schnell müde, durstig oder hungrig. Survival und Simulation sind ja gut, aber wenn man hundert mal Feuer gemacht, Fische gebraten und Pilze gesammelt hat, schleicht sich Routine ein. Trotzdem ist dieses Abenteuer unterm Strich einen Tick besser als der Vorgänger, denn Konami zieht nach etwa zwölf harten Inseltagen endlich ein paar dramaturgische Joker. Die stechen zwar spät und nicht so, wie man es sich für ein packendes Abenteuer wünschen würde, aber sie retten die Motivation. Harte Überlebenskünstler werden nach einem spröden Einstieg mit neuen Regionen, Tieren, Waffen und einem von fünf Enden belohnt. Trotzdem habe ich mehr erwartet, denn hier schlummerte gerade mit der Erfahrung des ersten Teils im Rücken nicht nur das Potenzial für ein gutes, sondern ein ganz großes Abenteuer.

Pro

  • schöne Inselidylle
  • fünf mögliche Enden
  • Strand, Sumpf, Grasland & Gebirge
  • inklusive Fischfang & Jagd
  • viele kombinierbare Gegenstände
  • Erkundung im Team möglich
  • zig Nahrungsquellen & Gewürze
  • gute Nutzung der DS-Technik
  • gute deutsche Texte
  • neue Kochtechniken
  • neue Tierkämpfe

Kontra

  • nerviges Nahrungsmanagement
  • Story kommt nicht in Gang
  • zu spät Entdeckerlust
  • sich wiederholende Laufwege & Aktionen
  • zu wenig Mysteriöses, zu wenig Überraschungen

Wertung

NDS

Eine ansehnliche, unterhaltsame, komplexe und beinharte Survival-Simulation. Noch kein großes Abenteuer, aber besser als Teil 1.