Forza Motorsport 2 - Test, Rennspiel, 360

Forza Motorsport 2
07.06.2007, Michael Krosta

Test: Forza Motorsport 2

Die Augen glänzen, der Gasfuß fängt nervös an zu zappeln und in der Redaktion heulen die Motoren auf: Forza Motorsport 2 (ab 10,98€ bei kaufen) ist da! Lange mussten sich die Fans gedulden, mehrere Verschiebungen verschmerzen und weiter auf die erste ernst zu nehmende Simulation für die Xbox 360 warten. Kann Microsofts Gran Turismo-Konkurrent den hohen Erwartungen gerecht werden?

Manche Rennspiele kommen und gehen. Angesichts der enorm großen Auswahl in diesem Genre, biegen viele mittelmäßige Titel schnell auf den Pfad der Belanglosigkeit ab und nur wenige Highlights hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Forza für die Xbox war ein solcher Ausnahme-Racer und konnte bereits vor zwei Jahren mit Features wie einem vollwertigen Schadensmodell und Onlinerennen aufwarten - Dinge, von denen Gran Turismo-Jünger auch beim vierten Teil der populären Sony-Serie noch weiter träumen mussten. Für den Nachfolger auf der Xbox 360 haben sich die Entwickler von Turn 10 viel

Glühende Bremsscheiben sind nur eines der vielen Details an den Boliden.
vorgenommen: Flüssige 60 Bilder pro Sekunde, eine verbesserte Physik-Engine, noch mehr Strecken, Fahrzeuge, Tuning- und Gestaltungsmöglichkeiten. Forza 2 sollte das beste Rennspiel für die Xbox 360 werden. Hat man die hoch gesteckten Ziele erreicht?

Der bleibende Eindruck

Nach dem unspektakulären Intro könnt ihr zwischen Arcademodus, die Karriere oder Mehrspieler-Partien wählen. Leider ist der Arcademodus kaum der Rede wert: Zwar habt ihr die Auswahl zwischen Einzelrennen mit beliebigen Fahrzeugen aus den insgesamt zehn Klassen, Zeitprüfungen mit vorgegebenen Flitzern oder freien Läufen ohne Gegner, doch seid ihr hier viel zu schnell bei den 100% angelangt und habt alle 70 Autos freigeschaltet. In den Rennen gibt es nur einen Schwierigkeitsgrad, der für Profis relativ niedrig ausfällt und Siege zum Kinderspiel werden lässt. Auch die Zeiten, die es bei den Prüfungen zu schlagen gilt, sind für versierte Fahrer schon nach einer Runde unterboten, so dass ihr nach etwa 90 Minuten alle Herausforderungen gemeistert habt. Längerfristig wird die Motivation höchstens durch die Versuche aufrecht erhalten, die Bestzeiten der anderen Xbox Live-Fahrer zu knacken, denn immerhin geht durch das festgelegte Auto jeder mit den gleichen Voraussetzungen an den Start. Pech für alle, die nicht bei Microsofts Onlineservice angemeldet sind, denn in diesem Fall ist aus dem Arcademodus die Luft ganz schnell raus. Vielleicht hätte sich Turn 10 hier besser an der Gran Turismo-Serie oder PGR 3 orientiert und verschiedene Schwierigkeitsgrade sowie ein forderndes Medaillensystem integriert. Außerdem habe ich im Arcademodus eine Option vermisst, bei der ich einfach selbst ein Einzelrennen nach meinen Vorstellungen aufziehen kann und festlege, wie viele KI-Fahrer auf welcher Strecke über wie viele Runden unter welchem Schwierigkeitsgrad mit mir an den Start gehen sollen. Seltsamerweise bekommt ihr im Mehrspielermodus genau diese Gelegenheit: Hier lässt sich problemlos ein Rennen nach den eigenen Wünschen gestalten. Ihr müsst halt

Bei einem solchen Motiv greift man doch gerne zum Fotoapparat.
nur darauf achten, alle Teilnehmer-Slots mit CPU-Fahrern zu füllen und schon habt ihr das gewünschte Solo-Rennen in der Multiplayer-Umgebung - verrückt.

Altes & Neues

Im Mittelpunkt steht die Karriere, die noch genau so aufgebaut wird wie im Vorgänger. Die Navigation wurde leicht verbessert: Ihr werdet nach jedem Rennen gefragt, ob ihr mit der nächsten Herausforderung weitermachen, eine vollkommen neue Veranstaltung besuchen oder euch lieber in den Upgrade-Bereich begeben wollt, um euren fahrbaren Untersatz konkurrenzfähiger zu machen. Allerdings erfahrt ihr bereits vor jedem Rennen, welche Fahrzeuge die maximal sieben KI-Gegner steuern, so dass ihr bereits im Vorfeld abschätzen könnt, ob ihr an der Spitze mitkämpfen werdet. Die Wettbewerbe sind so gestaltet, wie man es bereits aus dem ersten Teil kennt: An manchen Veranstaltungen dürft ihr nur mit einer bestimmten Fahrzeugmarke teilnehmen, andere unterliegen Leistungsbeschränkungen oder sind nur jeweils für Autos mit Front- Heck- oder Allradantrieb zugänglich. Auch eure erreichte Leistungsstufe, die sich aus den bereits erspielten Preisgeldern ergibt, öffnet Tür und Tor zu noch lukrativeren Rennen. Daneben winken Rabatte für Tuningteile und Neuwagen, die ihr auch für fortschreitende Einstufungen eures Wagens bekommt. Jeder Flitzer kann maximal bis zu fünf Stufen aufsteigen, wobei hier nicht nur der Rennerfolg, sondern auch der Seltenheitswert etc. in die Wertung einfließen. Das macht maximal fünf Rabatte oder Überraschungen pro Fahrzeug, von denen es insgesamt über 300 in den Fuhrpark geschafft haben. Dabei müsst ihr nicht immer zum Händler laufen, um neue Geschosse zu erwerben: Neben den obligatorischen Auto-Gewinnen am Ende einer Veranstaltung schenken euch hin und wieder auch die Hersteller eines ihrer Modelle, wenn ihr eine bestimmte Fahrzeug- oder Fahrerstufe erreicht habt.

Eine Rennfahrer-Karriere

        

              

Wie schnell ihr als Fahrer aufsteigt, hängt davon ab, mit welchen Fahrhilfen und unter welchen Konditionen ihr die Rennen bestreitet. Wer sich mit dem vollen Schadensmodell, Reifenabnutzung, manueller Schaltung sowie ohne die Fahrhilfen wie ABS oder Traktionskontrolle auf die Piste begibt und dabei auch noch Siege einfährt, wird sich relativ problemlos durch den Karrieremodus arbeiten -  auch wenn dieser zwischendurch einige Längen hat. Dies mag auch daran liegen, dass die Streckenanzahl im Vergleich zu GT4 nicht ganz so üppig ausgefallen ist und sich die grafisch etwas sterilen Kurse schnell wiederholen. Hinzu kommt, dass es sich bei den meisten der 45 Pisten um Variationen handelt, so dass unterm Strich nur zwölf Locations übrig bleiben, zu denen Weltstrecken wie Laguna Seca, Tsukuba, Suzuka und als einer der wenigen

Die Muscle Cars sind schon in der Standardmotorisierung wilde Bestien.
Neuzugänge Sebring zählen. Auch die legendäre Nordschleife des Nürburgrings darf wieder befahren werden. Bei Letzterer werden Kenner der Eifel-Achterbahn aber feststellen, dass Turn 10 bei der Streckenführung keine vollkommen akkurate Abbildung hinbekommen hat - hier bieten Titel wie GT4 und Downloads zu GTR 2 oder rFactor mit ihren genaueren Schikanen, Kurven und Randsteinen authentischere Fahrten durch die grüne Hölle. Hinzu kommt, dass die Nordschleife aus unerfindlichen Gründen nicht in der Karriere gefahren wird. Einzig bei einem der zehn Langstreckenrennen  dürft ihr über die 20 Kilometer lange Kult-Piste brettern. Obwohl die Kulissen in beeindruckenden 60 Bildern pro Sekunde butterweich und flott über den Bildschirm huschen, hinterlässt die technische Seite von Forza 2 einen zwiespältigen Eindruck. Warum? Kanten. Hässliche Kanten - und das trotz vierfachem Fullscreen Anti-Aliasing, das Forza laut den Entwicklern unterstützt. An Stromleitungen und Leitplanken ist die Flimmerei schon ärgerlich genug, aber in Forza 2 sind leider auch die Autos von diesem unschönen Effekt betroffen. Vor allem bei einem unmittelbar vorausfahrenden Wagen, springen die Flimmerkanten sofort ins Auge. Das gilt auch für die Pop-Ups, die euch bei den Spiegelungen auf der Motorhaube erwarten. Davon abgesehen sehen die Fahrzeugmodelle fantastisch aus und umfassen auch Exoten wie den VW Corrado oder Klassiker wie den Mercedes 300SL. Ein gewaltiger Schritt wurde im Audiobereich gemacht: Während im ersten Teil viele Motoren viel zu schwachbrüstig und wie aus der Konserve klangen, drehen die Entwickler bei Forza 2 richtig auf. Neben den kernigen Motorenklängen, die sich mit zunehmenden Tuningsteilen hörbar verändern, haben es mir vor allem die einschlagenden Soundeffekte bei Kollisionen angetan. Es tut richtig weh, wenn ihr zusammenkracht und ein lauter Knall zusammen mit dem Geräusch zersplitternder Glasscheiben aus den Lautsprechern donnert. Respekt! 

Wenig Kurse, viele Variationen

Um optisch noch mehr aus euren Kisten rauszuholen, setzt Forza 2 die Tradition des Vorgängers fort und bietet enorm viele Möglichkeiten, eigene Designs zu kreieren, um sie neben Herstelleraufklebern und Schriftzügen auf dem Lack anzubringen. Auch schicke Felgen von renommierten Herstellern wie BBS Enki sorgen neben lizenzierten Body-Kits für den richtigen Look. Durftet ihr beim ersten Teil "nur" 400 Schichten auftragen, wurde deren Anzahl für den Nachfolger auf beachtliche 4000  gesteigert. Bereits jetzt tummeln sich in den Onlinerennen oder im Auktionshaus kleine Kunstwerke herum - so z.B. Fahrzeuge mit einer Gears of War-Lackierung oder einem Master Chief, der auf der Motorhaube verewigt wurde. Auktionshaus? Funktioniert das so wie Ebay, oder was?! Ja. Zumindest fast. Jeder Benutzer kann Autos im Online-Auktionshaus anbieten und dabei einen Startpreis festlegen. Alternativ dürft ihr auch eine Sofort-Kaufen-Option anbieten. Zwar werden auch Standard-Karren angepriesen, doch stellt das Auktionshaus in erster Linie für

Künstler toben sich im extrem umfangreichen Editor aus und erschaffen dort kleine Meisterwerke.
die Motivkünstler eine ideale Plattform da, um ihre individuellen Designs unters Rennfahrervolk zu bringen. Damit die Kunstwerke nicht von einem Käufer verfälscht oder sogar als eigene Kreation verwurstet werden, lässt sich die weitere Editierung der Designs sperren. Außerdem ist immer ersichtlich, wer für eine Lackierung verantwortlich ist. Im Gegensatz zu Ebay, wo eine Auktion zu einem bestimmten Zeitpunkt endet, läuft es bei Forza 2 anders: Nähert sich eine Auktion dem Ende und ihr gebt in letzter Sekunde ein Gebot ab, haben andere potenzielle Käufer erneut zwei Minuten Zeit, um darauf zu reagieren und euch wieder zu überbieten. Dies kann nach einiger Zeit nervig werden. So hab ich z.B. irgendwann einfach aufgegeben, nachdem ich etwa 15 Mal überboten wurde und dabei nicht nur jedes Mal wieder zurück ins Auktionshaus musste, sondern auch immer wieder zwei Minuten warten musste. In solchen Momenten habe ich mir einen Biet-Agenten nach Ebay-Vorbild gewünscht, der einfach bis zu einem gewissen Betrag automatisch mitgeht und mir damit viel Zeit ersparen würde. Trotzdem ist das Auktionshaus eine herrlich innovative Idee, die zukünftig sicher auch in anderen Spielen zum Einsatz kommen wird. Gezahlt wird übrigens mit den im Spiel verdienten Credits - eure Microsoftpunkte sind also (noch) sicher. Wer in Gönnerlaune ist, darf seinen Freunden außerdem ein Auto schenken.

Künstler gesucht

         

Gut, für die richtige Optik ist gesorgt, doch wie sieht es mit dem Leistungstuning aus? Besser denn je, denn in Forza 2 dürft ihr so ziemlich alles modifizieren, was die Leistung und Performance eines Rennwagens optimiert. Während Teile wie Turbolader, Kompressoren, Fahrwerke, Bremsen, Getriebe und Gewichtsreduzierungen in verschiedenen Ausbaustufen zum Standardprogramm gehören, zählen Umbauten vom Standardmotor zu einem VR6 und anderen Antriebsvariationen schon zu den ausgefalleneren Aktion, die sonst mir kein bekanntes Rennspiel bietet. Auch die Reifenwahl ist von enormer Bedeutung, denn die Unterschiede bezüglich Lebensdauer, Ansprechverhalten und Grip sind deutlich zu spüren. Lizenzierte Hersteller wie Bridgestone, Pirelli oder Michelin bieten genügend Auswahl, so dass jeder seine idealen Pneus findet. Aber ihr kauft nicht nur fleißig Teile ein, sondern schraubt auch selbst an den Upgrades hoch und stellt z.B. die Härte der Federn, Fahrzeughöhe, Flügelwinkel oder die Getriebeübersetzung nach euren Wünschen und Vorlieben ein. Einen echten Windkanal, wie man ihn noch in einem der Trailer gesehen hat, gibt es nicht. Trotzdem liefert euch der "Leistungstest" ähnliche Ergebnisse und informiert euch z.B. über die Bremswirkung oder die Zeit, die euer Bolide braucht, um von null auf hundert zu beschleunigen. Dadurch bekommt ihr einen groben Hinweis, wie sich eure Tuningmaßnahmen auswirken. Um wirklich das

Auch viele Modelle japanischer Hersteller sind vertreten.
ideale Setup zu ermitteln, kommt ihr nicht darum herum, euch wie die echte Rennpiloten in die Testfahrten zu stürzen und mit verschiedenen Einstellungen die Runden abzuspulen. Hilfreich ist in diesem Fall auch das Telemetriesystem, das euch neben den G-Kräften u.a. in Echtzeit über mechanische Vorgänge des Fahrwerks oder der Reifen informiert

Ich will Leistung!

Schon das erste Forza war sowohl für Profis als auch für blutige Anfänger geeignet. Auch der Nachfolger ermöglicht es, das Spielgeschehen optimal dem eigenen Fahrkönnen anzupassen. Neben den genannten Fahrhilfen stellt vor allem die interaktive Ideallinie eine große Unterstützung für unsichere Fahrer da. Je nach Tempo verändert sich deren Farbe und zeigt euch damit genau an, wann ihr bremsen solltet. Auch das Schadensmodell kann in drei Stufen angepasst werden, genau wie der Reifenverschleiß und das Niveau der KI-Gegner. Hängt ihr trotzdem bei einem Rennen fest und schafft es nicht aufs Podest, mietet ihr euch einen KI-Fahrer und schickt diesen ins Rennen. Je nach Können müsst ihr dabei mehr Prozent des Geldgewinns an euren Ersatzmann abdrücken. Leider hat man es versäumt, interaktive Elemente in die Rennen mit gemieteten Fahrern zu integrieren. Stattdessen müsst ihr tatenlos zusehen, wie sie ihre Runden drehen. Warum hat man nicht wenigstens die Möglichkeit, dem Fahrer ähnlich des B-Spec-Modus in GT4 ein paar Anweisungen zu geben? In Forza 2 fühlt ihr euch nicht als Rennleiter, sondern als tatenloser Zuschauer. Hier wäre definitiv mehr möglich gewesen. Und wo ist überhaupt der Drivatar, die lernfähige KI, die im ersten Teil eingeführt wurde? Weg. Gibt es nicht

Leider werden die Replays nicht so packend inszeniert wie es der Trailer noch suggerierte.
mehr. Rausgekürzt, weil der Drivatar laut Lead Designer Dan Greenawalt in Tests irgendwann ZU perfekt agiert haben soll. Schade. Das innovative Konzept der lernfähigen KI hatte großes Potenzial und wird hoffentlich im nächsten Teil wieder aufgegriffen!

Benzin im Blut    

Insgesamt wird die Intention von Turn 10 hervorragend umgesetzt, auch Nicht-Spieler an den virtuellen Motorsport  heranzuführen. In der Tat ist Forza 2 mit seinen Möglichkeiten, den Spielablauf individueller zu gestalten und anzupassen für jeden Spieler geeignet! Die Profis werden dagegen auf sämtliche Fahrhilfen pfeifen und sich dem durchweg realistischen Fahrverhalten stellen, das euch spätestens in den Rennklassen einiges abverlangen wird. Gerade Fahrzeuge mit Heckantrieb brechen ohne gefühlvolles Spiel mit Gas und Bremse gerne aus, während Frontantriebler vor allem mit abgeschalteten ABS mit Untersteuern zu kämpfen haben. Saugt euch im Windschatten an eure Gegner heran und zieht vor der nächsten Kurve mit einem Geschwindigkeitsüberschuss an ihnen vorbei. Das Fahrgefühl von Forza 2 ist schlichtweg phänomenal! Einen guten Eindruck von der Physik bekommt ihr auch in den Replays, die leider mit unglücklichen und wenig Spannung erzeugenden Schnitten daher kommen. Wenn euer Bolide über die Curbs brettert, erkennt ihr deutlich, wie das Fahrwerk arbeitet, um die Stöße aufzufangen. Laut Turn 10 läuft die Physikengine von Forza 2 in 360 Frames pro Sekunde, um auch wirklich die meisten Auswirkungen realistisch erfassen zu können. Großes Lob gebührt den Entwicklern für die gelungenen Rumble-Effekte, die nicht nur Beschädigungen spürbar machen, sondern euch ein Gefühl dafür verleihen, wann euer Auto am Limit ist. Schließt ihr Microsofts Wireless Racing Wheel an, bekommt ihr sogar echtes Force Feedback geboten. Leider bringt die schwachbrüstige Hardware keine starken Effekte zustande, so dass ihr euch kaum anstrengen müsst, um den Kräften entgegen zu wirken. Hier sind PC- und PS2-Lenkräder wie Logitechs Driving Force Pro einfach einen ganzen Schritt weiter und ich kann nur an Microsoft appellieren, endlich auch FF-Hardware von Drittherstellern an der Xbox 360 zuzulassen. Trotz der Hardware-Defizite ist das Lenkrad dennoch erste Wahl, wenn ihr das Fahrgefühl weiter steigern wollt. Zusammen mit PGR 3, das ebenfalls echte Force Feedback-Effekte bietet, ist Forza 2 ein guter Grund, sich das Wheel anzuschaffen - sofern man mit den genannten Abstrichen leben kann.

Traumhaftes Fahrgefühl

       

Vorsicht ist angesagt, wenn ihr euch mit vollem Schadensmodell auf die Strecke wagt. Hier kann eine zu heftige Begegnung mit der Leitplanke oder eine Crashorgie im Fahrerfeld schon mal zu einem Totalschaden führen. Doch auch leichtere Berührungen haben Folgen: Zerkratzter Lack, Beulen an allen Seiten und  fehlende Stoßstangen sind neben zerbrochene Scheiben und Lampen keine Seltenheit in der Welt von Forza 2 - und wie es sich gehört, werdet ihr für Beschädigungen am eigenen Wagen sofort nach dem Rennen zur Kasse gebeten. Überhaupt werden Rüpel bestraft: Nicht mit Durchfahrtsstrafen oder Disqualifikation (obwohl dies manchmal wünschenswert wäre), sondern mit Strafzeiten. Kürzt ihr ab oder rempelt ihr euch durch das Fahrerfeld, werden diese zur Rundenzeit addiert, was der Platzierung in der Bestenliste sicher nicht förderlich ist. Unfair und ärgerlich ist lediglich die Tatsache, dass euch auch dann Strafzeiten aufgebrummt werden, wenn die KI ohne euer Verschulden in euch rein rempelt. Insgesamt lassen es die anderen Fahrer zwar aggressiv, aber auch besonnen angehen und stecken auch schon mal freiwillig zurück, wenn es in einer Kurve eng wird. Nur ab und zu müsst ihr mit Aussetzern rechnen, bei denen ihr abgeschossen werdet. In diesen Momenten werdet ihr oft Zeuge eines echten Schwachpunktes von Forza 2: Im Gegensatz zur gelungenen Fahrphysik ist das Kollisionsverhalten bei Begegnungen mit der Bande die gleiche Katastrophe wie schon im ersten Teil. Das Fahrzeug dreht sich dabei äußerst seltsam um die eigene Achse

Auch der Nürburgring, auch Grüne Hölle genannt, darf wieder befahren werden - jedoch leider nicht in der Karriere.
und scheint sich nicht mehr richtig fangen zu wollen. Deshalb sind solche Vorfälle fatal, da ihr euch fast immer um 180 Grad dreht - und das schon bei niedrigem Tempo.

Reif für die Schrottpresse

Auch die Boxenstopps, die ihr spätestens bei den Langstreckenrennen mit ihren 30 Runden und mehr einlegen müsst, können nicht überzeugen. Vor fünf Jahren konnte man die Augen noch zudrücken, wenn ein Auto an die Box kam, bis auf Schraubergeräusche nichts passierte und es anschließend mit vollem Tank und neuen Reifen zurück auf die Piste ging. Heute darf ein Besuch bei den Mechanikern nicht mehr so armselig inszeniert werden. Wo ist die animierte Boxencrew, die hektisch die Reifen wechselt? Wo ist der Mechaniker mit dem Wagenheber, wo der "Tankwart" mit dem Benzinschlauch, wo der Lollypop-Mann, der euch das Signal gibt, wieder aufs Gas zu drücken? In diesem Punkt ist Forza 2 eine herbe Enttäuschung. Schade ist zudem, dass ihr erneut auf eine Cockpit-Perspektive verzichten müsst. PGR3 und TDU haben gezeigt, dass sich die Innenansicht mit nachmodellierten Armaturen auch bei einem Konsolen-Racer gut macht. Auf dem PC ist das Cockpit ohnehin schon lange ein Standard bei Simulationen wie GTR 2. Warum nicht hier? Selbst GT-Schöpfer Yamauchi hat für das neue Gran Turismo für die PS3 eine Cockpit-Perspektive versprochen. Ein

Saugt euch im Windschatten an den Vordermann heran, um den Geschwindigkeitsüberschuss im richtigen Moment zu nutzen.
weiterer Wermutstropfen ist die Tatsache, dass ihr in der Motorhaubenansicht auf den Rückspiegel verzichten müsst. Dieser wird erst bei der zweiten Innenperspektive hinzugeschaltet.

Boxenstopp

Ein Feature, das immer wieder gerne vernachlässigt wird, sind unterschiedliche Witterungsverhältnisse. Beim realen Motorsport heulen die Motoren nicht nur bei gutem Wetter und Sonnenschein auf. Tatsächlich sind vor allem die Regenrennen eine enorm spannende Angelegenheit, da sie dem Fahrer noch mehr abverlangen. Einem Pokerspiel gleichen dagegen wechselhafte Wetterbedingungen, da man abschätzen muss, wie lange man noch mit den aktuellen Reifen fahren kann und wann sich ein Wechsel auf Intermediates oder zurück auf Trockenreifen anbietet. Leider versagt Forza 2 diesbezüglich auf ganzer Linie: Egal, auf welche Strecke ihr euch begebt - die Witterungsverhältnisse sind jederzeit ideal und trocken. Auch echte Nachtrennen sucht ihr hier vergebens. Hier sind PC-Simulationen dem aktuellen Microsoft-Racer noch sehr weit voraus. Das gilt auch für die reale Abbildung eines Motorsport-Events. Warum kann ich in Forza 2 nicht ein komplettes Rennwochenende mit allen Trainings- und Qualifikations-Sessions fahren? Selbst in Gran Turismo hat man optional seine Startposition durch ein Qualifying verbessern können.

Let it rain!

        

In unserer Vorschaufassung bestand noch die Hoffnung, dass ihr wenigstens über Xbox Live heiße Kämpfe um die Startposition austragen würdet - immerhin fand sich dort der Punkt "Time Trial" als Option zur Bestimmung der Startaufstellung. Die endlich onlinefähige Testversion hat uns dann eines Besseren belehrt: Hier wird lediglich eure bei den Zeitprüfungen gefahrene Bestzeit als Indiz für euer Fahrkönnen genommen und das Fahrerfeld entsprechend aufgestellt. Ein echtes Qualifying gibt es also auch hier nicht. Davon abgesehen ist der Mehrspielermodus ein Traum, denn ihr habt enorm viele Möglichkeiten, die Veranstaltungen nach euren Wünschen anzupassen: Dazu zählen nicht individuell festgelegte Fahrzeug- und Leistungseinschränkungen, sondern auch das Anpassen des Schadensmodells, der Reifenabnutzung und Kollisionen, wenn z.B. alle Fahrer mit Geisterwagen auf die Strecke gehen sollen, um Unfälle zu vermeiden. Plätze für Freunde lassen sich ebenfall reservieren und wer das Fahrerfeld unbedingt auf die maximale Anzahl von acht Teilnehmern aufstocken will, fügt einfach noch KI-Fahrer verschiedener Schwierigkeitsgrade hinzu. Ihr tretet nicht nur just for Fun bei Einzelrennen an, sondern könnt sogar den kompletten Karrieremodus online absolvieren und euch dabei neben Credits auch TrueSkill-Punkte verdienen. Selbst die Teilnahme an Turnieren nach PGR 3-Vorbild steht euch offen - sofern ihr die knallharte Qualifikationsphase übersteht, bei der ihr eine nahezu perfekte Rundenzeit auf den Asphalt zaubern müsst. Wer sich dagegen einfach nur zurücklehnen und Rennen genießen möchte, ist bei ForzaTV richtig, das ebenfalls dem Bizarre Creations-Titel nachempfunden wurde. Doch wie sieht überhaupt die Performance aus? Sehr gut. Selbst mit acht Xbox Live-Rasern und vollem Schadensmodell liefen die Rennen überwiegend lagfrei und ebenfalls mit flüssigen 60 Frames über die Mattscheibe. So muss ein Onlinemodus aussehen! Doch auch offline steht dem Rennspaß nichts im Wege: Entweder

Die Onlinerennen bieten viele Gestaltungsmöglichkeiten und laufen überwiegend lagfrei ab.
verkabelt ihr bis zu acht Konsolen im LAN oder tretet mit maximal zwei Spielern im Splitscreen an. Bei Letzteren bekommt ihr nach den Rennen aber leider keine Replays, die in anderen Modi sogar abgespeichert werden dürfen.

Rennen gegen die Welt

Doch nicht nur Wiederholungen werden archiviert. Seit Gran Turismo 4 ist es üblich, Rennspiele mit einem Fotomodus auszustatten, in dem ihr tolle Schnappschüsse von euren vierrädrigen Lieblingen machen könnt. Außer bei Onlineduellen dürft ihr die Rennen oder Replays jederzeit pausieren, um euch als Fotograf zu betätigen. Selbstverständlich dürft ihr auch hier Dinge wie Blende, Belichtungszeit, Helligkeit und Farbintensität nach euren Wünschen editieren, um euer Baby ordentlich in Szene zu setzen. Eure Werke dürft ihr anschließend auch mit der Community teilen, denn auf Knopfdruck wird das Bild auf die offizielle Forza Motorsport-Webseite hochgeladen. Die Entwickler haben immer wieder betont, wie wichtig die Forza-Community ist und dass man diese mit dem zweiten Teil weiter stärken will. Allerdings erscheint es nach solchen Aussagen fraglich, warum die populären Auto-Clubs des Vorgängers gestrichen wurden. Diese waren eine prima Möglichkeit, Clans zu bilden, die auch gegeneinander angetreten sind. Zumindest Bonzen kommen aber erneut auf ihre Kosten: Wer drei Fernseher, drei Xbox 360-Konsolen und drei Exemplare des Spiels besitzt, darf sich über die Unterstützung eines Multi-Screen Setups freuen. Auf eine 1080p-Unterstützung müssen jedoch alle verzichten. Und sollte euer Standard-TV keine 60Hz unterstützen, wird der Forza 2-Motor gar nicht erst gestartet.       

Es lebe die Community

Fazit

Puh, was steckt alles in diesem Rennspiel! Was Forza 2 auf der Xbox 360 auffährt, sucht auf der Microsoft-Konsole seinesgleichen. Die Fahrphysik ist sowohl mit Controller als auch mit dem Wheel ein Traum und spricht mit den zuschaltbaren Fahrhilfen Anfänger und Profis gleichermaßen an. Zwar ist der kurze Arcademodus schnell abgehakt, doch könnt ihr euch dafür monatelang in der Karriere und dem vorbildlichen Onlinemodus austoben. Die Tuning- und Einstellungsmöglichkeiten sind enorm, die Auswahl an Veranstaltungen kann sich sehen lassen und auch der Fuhrpark lässt mit seinen über 300 Karossen kaum Wünsche offen. Zwischendurch schaut der Rennfahrer von heute im innovativen Auktionshaus vorbei oder bastelt sich im umfangreichen Editor selbst ein Traumdesign, um es anschließend fotografisch festzuhalten und mit der Community zu teilen. Trotzdem ist Forza 2 noch lange nicht perfekt: Zwar kommen die superflüssigen 60 Bilder pro Sekunde dem Geschwindigkeitsgefühl entgegen, doch hatte ich mir grafisch etwas mehr lebendige Details und weniger Kanten erhofft. Auch das Fehlen einer Cockpitperspektive, keine wechselnden Witterungsverhältnisse, die etwas seltsame Kollisionsphysik und die erbärmliche Inszenierung der Boxenstopps sind heute nicht mehr zeitgemäß. Außerdem hätten es etwas mehr Strecken sein dürfen, denn die Pisten wiederholen sich in der Karriere doch sehr schnell. Bleibt zu hoffen, dass Microsoft bald für Nachschub sorgt. Auch ist es schade, dass motivierende Features wie die Auto-Clubs sowie der Drivatar gestrichen wurden und ihr für rüde KI-Attacken gegen euer Fahrzeug ebenfalls eine Strafzeit aufgebrummt bekommt. Trotz dieser Kritikpunkte ist Forza Motorsport 2 aktuell DIE Vorzeigesimulation auf Konsolen und sollte in keiner Sammlung fehlen! Auch Anfänger bekommen hier eine perfekte Gelegenheit, in das Genre hinein zu schnuppern und dabei Erfolgserlebnisse zu verbuchen. So, das nächste Rennen wartet! Wir sehen uns online…   

Pro

  • hervorragende Fahrphysik
  • sehr gute Steuerung
  • starke Soundeffekte
  • volles Schadensmodell
  • einwandfreier Onlinemodus
  • umfangreicher Editor
  • sehr viele Tuningoptionen samt Einstellungen
  • Windschatten
  • authentische Strecken
  • Force Feedback-Unterstützung
  • viele nützliche Fahrhilfen (interaktive Rennlinie)
  • umfangreiche Karriere
  • großer Fuhrpark
  • innovatives Auktionshaus
  • super-flüssige 60 FPS

Kontra

  • keine wechselhaften Witterungsverhältnisse
  • Kantenbildung + Flimmern
  • Autoclubs gestrichen
  • kein Qualifying / echtes Rennwochenende
  • sterile Kulissen
  • keine Cockpit-Perspektive
  • mitunter seltsame Kollisionsphysik
  • Drivatar gestrichen
  • schwacher, kurzer Arcademodus
  • Strafzeiten bei KI-Remplern
  • erbärmliche Boxenstopps
  • wenige Strecken
  • Pop-Ups (Motorhaube)
  • unspektakuläre Replays-  Schadensmodell teilweise inkonsequent

Wertung

360

Forza Motorsport 2 ist aktuell DIE Vorzeige-Simulation für Konsolen!