Shadow Hearts: From the New World - Test, Rollenspiel, PlayStation2

Shadow Hearts: From the New World
11.06.2007, Jens Bischoff

Test: Shadow Hearts: From the New World

Zwei Jahre nach Shadow Hearts: Covenant hat es auch der dritte Teil der vor allem durch ihr markantes "Glücksrad"-System bekannten RPG-Saga nach Europa geschafft. Schauplatz ist dieses Mal Amerika, wo eine völlig neue Geschichte mit frischen Gesichtern und unverbrauchten Schauplätzen erzählt wird. Werden Neueinsteiger und Veteranen gleichermaßen gut unterhalten?

Während ihr euch im letzten Shadow Hearts noch durch die Wirren des Ersten Weltkriegs in Europa geschlagen hattet, findet ihr euch im dritten Teil der Saga in den Vereinigten Staaten Ende der 20er Jahre wieder. Ihr begegnet sogar historischen Persönlichkeiten wie dem inhaftierten Mafiaboss Al Capone und bereist historische Orte wie das damals noch relativ junge Las Vegas oder das UFO-berüchtigte Roswell.

New York 1929: Imposante Rendersequenzen sorgen für atmosphärische Einstimmungen.
Ausgangspunkt eurer Reise ist New York im Jahre 1929, wo ihr als 16-jähriger Junge notgedrungen ein Detektivbüro führt: Bei einem tragischen Unfall habt ihr nicht nur eure Familie, sondern auch einen Teil eures Gedächtnisses verloren. Die meiste Zeit seid ihr allerdings damit beschäftigt, entlaufene Katzen oder andere harmlose Ausreißer ausfindig zu machen.

Odyssee durch Amerika

Als ihr endlich euren ersten großen Fall, die Fahndung nach einem untergetauchten Serienmörder, erhaltet, schlittert ihr jedoch in etwas hinein, das euer Leben komplett auf den Kopf stellt. Erst wird die Zielperson vor euren Augen von einer Art Monster gefressen, während sich der Auftraggeber als skrupelloser Wissenschaftler mit nicht minder gefährlichen Laborkreaturen entpuppt. Dass ihr selbst noch am Leben seid, verdankt ihr dem Einschreiten einer indianischen Jägerin namens Shania, die sich in Tiergestalten verwandeln kann und euch fortan begleitet - im Schlepptau ihr Bodyguard Natan.

Im Verlauf eurer immer gefährlicher werdenden Ermittlungen über euren einstigen Auftraggeber und dessen Monsterkabinett, trefft ihr auch auf weitere Weggefährten wie den Möchtegern-Ninja Frank, den Kampfkater Mao, den Mariachi Ricardo sowie die Zauberschülerin Hilda. Eine dermaßen skurrile Gruppe sorgt nicht nur für höhere Durchschlagskraft gegen alle Arten von Widersachern, sondern auch für einige amüsante Szenen. Vor allem die Aktionen von Hobby-Ninja Frank und dessen Meister Mao sind immer wieder für einen Lacher gut und bieten einen guten Kontrast zum sonst eher ernsten Rest der Truppe. Lediglich Protagonist Johnny bleibt vergleichsweise blass und fällt mit seiner naiv-infantilen Art eher durch Peinlichkeiten als durch Führerqualitäten auf. Die Story selbst driftet jedoch nie ins Lächerliche ab und bleibt aufgrund paralleler Handlungsstränge und interessanter, wenn auch teils überzeichneter Figuren stets spannend.

Das Kampfsystem präsentiert sich mit seinen rundenbasierten Zufallskämpfen konservativ, erhält durch aktionsabhängige Zugfolgen sowie die serientypischen Geschicklichkeitsübungen des so genannten Judgment-Rings jedoch eine angenehme Dynamik.

Geschick und Taktik: Das Kampfsystem verbindet strategische Planung mit Reaktionsschnelle.
 Reaktionsschwache Grobmotoriker können die "Glücksrad"-Einlagen zwar auch automatisch ausführen lassen, verschenken damit aber nicht nur das Erzielen lukrativer Boni, sondern kehren auch einem der Hauptanreize der Kämpfe den Rücken zu. Wer das System noch nicht kennt, stellt sich einfach eine Art Ziffernblatt vor, auf dem ein schnell rotierenden Zeiger seine Runde(n) dreht. Drückt man rechtzeitig die X-Taste, während er sich über einem farblich hervorgehobenen Trefferbereich befindet, kommt es zu einer entsprechenden Aktion. Seid ihr hingegen zu langsam, verpufft die Aktion.

Ein Ring für alle Fälle

Die Hauptbereiche zu treffen, ist allerdings gar nicht so schwer. Wer trotzdem Probleme hat, rüstet einfach spezielle Items aus, die den Zeiger verlangsamen oder lässt die Trefferbereiche beim Ring-Tuner vergrößern. Profis geben sich hingegen gar nicht erst mit den Hauptbereichen ab, sondern versuchen eher die besonders schmalen Sonderbereiche zu treffen, um noch härter anzugreifen oder lukrative Extras zu erhalten. Das Ringsystem wird nämlich nicht nur beim Kämpfen eingesetzt: Auch beim Benutzen von Objekten, Feilschen mit dem Händler oder Teilnehmen an Lotterien erzielt man mit gutem Timing und Geschick bessere Ergebnisse. Je nach Charakter oder Aktion ist die Aufteilung des Rings zudem eine andere, beim Verketten von Angriffscombos kommt sogar ein eher an eine rotierende Münze erinnernder Ring zum Einsatz, bei dem man rechtzeitig die eingravierte Taste erkennen und drücken muss, um die Combo weiterzuführen - selbst Ringanomalien können auftreten. Dadurch nutzt sich das System auch nicht so schnell ab und selbst unspektakuläre Aktionen und Ereignisse sind immer wieder spannend.           

Trotzdem wissen gerade die Kämpfe auch abseits all der Reaktionstest zu überzeugen. Neben Standardangriffen und -zaubern, die ihr über persönliche Skillboards konfigurieren und tunen könnt, beherrscht jeder Spielcharakter auch eine individuelle Spezialfertigkeit. Johnny kann z. B. Objekte wie Kameras oder Staubsauger einsetzen, um gegnerische Schwachstellen zu offenbaren oder ihre Spezialenergie abzusaugen, bevor sie zu schmerzhaften Specials ansetzen.

Metamorphose: Shania kann sich während des Kampfes in verschiedene Bestien verwandeln.
 Natan, Frank und Mao beherrschen spezifische Martial Arts-Techniken und Shania kann sich in elementare Bestien verwandeln, mit denen sie im Lauf des Spiels Pakte abschließt. Zudem haben die einzelnen Attacken unterschiedliche Höhen- und Bereichswirkungen. Selbst mit konventionellen Angriffen kann man Widersacher in die Luft schleudern, auf den Boden schmettern oder sie zurückwerfen, was bei Comboangriffen zusätzlichen Schaden verursacht.

Daneben sollte man auch die eigene Spezialenergie im Auge behalten. Bei entsprechender Füllung kann man nämlich nicht nur zu diversen Combos ansetzen, sondern auch mehrere Aktionen gleichzeitig ausführen. Natürlich kann man sich auch verteidigen, Gegenstände einsetzen oder zur Flucht blasen. Zu lange solltet ihr euch auf dem Schlachtfeld allerdings nicht aufhalten, da man sonst Gefahr läuft, in Rage zu verfallen, wodurch man zu einer unkontrollierbaren Kampfmaschine mutiert, die selbst vor den eigenen Gruppenmitgliedern nicht halt macht. Charaktere auszuwechseln funktioniert im Kampf nämlich nicht. Allerdings habt ihr die Möglichkeit, drei verschiedene Gruppenkonstellationen festzulegen, zwischen denen ihr flexibel hin und her wechseln könnt - schließlich kann eure am Ende siebenköpfige Party immer nur aus bis zu vier aktiven Kampfteilnehmern bestehen.

Wird gerade nicht gekämpft, unterhaltet ihr euch mit NPCs, feilt an eurer Ausrüstung, löst gelegentliche Rätsel oder geht diversen Nebenbeschäftigungen nach. So kann Johnny seine geknipsten Gegnerfotos z. B. an interessierte Sammler verhökern, Natan stellt Fallen auf, um durch das Eintauschen der Beute neue Kampffertigkeiten zu erlangen, während Shania Elementargeister herausfordert und mit Fetischen füttert, um sich deren Formen und Kräfte anzueignen. Ricardo erweitert sein Repertoire hingegen durch das Sammeln neuen Liedguts, Hilda das ihrige durch das Lesen spezieller Zeitschriften und Frank durch das Studieren von Briefen, während Kater Mao mit gefundenen Münzen Schauspieler anheuert, um sie anschließend in selbst produzierten Action-Filmen zu vermöbeln. Aber auch sonst sorgen ein paar Nebenaufgaben für Abwechslung.

Videos:

Gameplay 1

Gameplay 2

Gameplay Johnny

Gameplay Shania

Cut-Scene-Demo
Viel zu tun

Die Haupthandlung ist zwar linear, dennoch genießt ihr die Freiheit, jederzeit andere Orte zu besuchen oder Tätigkeiten nachzugehen. Über ein Weltkartenmenü wechselt ihr komfortabel zwischen bereits besuchten Schauplätzen, vor Ort zeichnet eine Karte eure Erkundungen mit und an fair verteilten Speicherpunkten dürft ihr jederzeit euren Spielstand sichern.

Hübsch, aber leblos: Die meist recht ansehnlichen Schauplätze wirken teilweise etwas statisch.
 Die Zufallskämpfe bewegen sich in einem angenehmen Rahmen und mancherorts sind die Gegner sogar schon als solche in den jeweiligen Abschnitten zu sehen. Die Grafik ist für PS2-Verhältnisse sehr ordentlich und bietet teils sehr stimmungsvolle, wenn auch oft etwas statische Schauplätze, hübsche Effekte und ansehnliche Animationen. In den von der Spiel-Engine dargestellten Zwischensequenzen überzeugen die Figuren sogar mit authentischer Mimik und Gestik. Auf vorgerenderte Hochglanzszenen muss man aber trotzdem nicht verzichten.

Akustisch wird das Ganze von einem facettenreichen Soundtrack untermalt, der von beschwingten Jazzklängen, über düstere Streichmusik bis hin zu treibenden Rockrhythmen jedem Ort und Ereignis die passende Untermalung spendiert. Sogar ein virtuos inszeniertes Gitarrenkonzert steht auf dem Programm. Auch die meist hervorragende englische Sprachausgabe kann sich hören lassen. Schade nur, dass man sich eine Lokalisierung komplett gespart hat. Nicht einmal deutsche Untertitel sind vorhanden. Lediglich das Handbuch wurde für den hiesigen Markt übersetzt. Dass dafür der Verkaufspreis leicht herabgesetzt wurde, dürfte für viele sicher nur ein schwacher Trost sein. Wer des Englischen jedoch mächtig ist und auf traditionelle, aber ausgefeilte RPG-Kost made in Japan steht, sollte sich Shadow Hearts 3 keinesfalls entgehen lassen.       

Fazit

From the New World bietet zwar ein neues Szenario, bei dem ihr als 16-jähriger Privatschnüffler inmitten einer skurrilen Truppe quer durch Nord- und Südamerika reist, seinen spielerischen Wurzeln bleibt es aber treu. Und das ist auch gut so, denn das einzigartige Judgment Ring-System zeigt auch im dritten Teil der Rollenspielsaga keine Abnutzungserscheinungen. Ganz im Gegenteil: Die allgegenwärtigen Geschicklichkeitstests wurden sogar um einige Facetten erweitert und fügen sich stets harmonisch in den ansonsten eher traditionellen, aber ungemein facettenreichen und motivierenden Spielverlauf ein. Gut, die Zufallskämpfe wirken etwas antiquiert, obwohl Shadow Hearts 3 teils selbst zeigt, dass es auch anders ginge. Und ja, die abwechslungsreichen Kulissen hätten mitunter durchaus etwas lebendiger ausfallen, der vergleichsweise blasse Protagonist charismatischer sein können. Aber die sowohl amüsant als auch spannend inszenierte Story sowie die fesselnde Spielmechanik machen diese Makel mehr als nur wett. Schade nur, dass mangels Lokalisierung Englischverweigerer außen vor bleiben, denn dadurch verpassen sie eines der gelungensten PS2-Rollenspiele der letzten Jahre. Im Vergleich zum Erstling hat es in allen Bereichen deutlich zugelegt und sich damit zu mehr als nur einem Geheimtipp für Freunde des japanischen RPG-Stils gemausert - hier können alle zugreifen!

Pro

  • klasse Soundtrack
  • humorvolle Präsentation
  • gelungene Rätseleinlagen
  • spannend inszenierte Story
  • motivierende Nebenaufgaben
  • abwechslungsreiche Schauplätze
  • überzeugende englische Synchro
  • motivierende Geschicklichkeitstests
  • facettenreiches Kampf- & Skillsystem
  • sehr individuelle Charakterfähigkeiten

Kontra

  • altmodische Zufallskämpfe
  • teils recht statische Kulissen
  • uncharismatischer Protagonist

Wertung

PlayStation2

Facettenreiches Oldschool-RPG mit motivierenden Geschicklichkeitseinlagen.